Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 3109 05. 12. 2017 1Eingegangen: 05. 12. 2017 / Ausgegeben: 26. 01. 2018 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Maßnahmen, ausgehend von den Handlungsempfehlungen der Enquetekommission „Fit fürs Leben in der Wissensgesellschaft – berufliche Schulen, Aus- und Weiterbildung“ wurden seit dem Bericht zum Stand der Umsetzung der Enquetemaßnahmen für die Schuljahre 2013/2014 und 2014/2015 in den darauffolgenden Schuljahren 2015/2016 und 2016/2017 umgesetzt? 2. Welche der empfohlenen Maßnahmen werden aktuell noch umgesetzt? 3. Welche der Maßnahmen ausgehend von den oben genannten Handlungsempfehlungen werden als abgeschlossen angesehen und demnach nicht weitergeführt und seit wann werden diese Maßnahmen nicht mehr weitergeführt? 4. Wie werden die Ergebnisse der bisher umgesetzten Empfehlungen beurteilt? 5. Welche der empfohlenen Maßnahmen sollen zukünftig umgesetzt werden? 6. Welche finanziellen Mittel stehen dem Kultusministerium dafür pro Jahr zur Verfügung? 7. Gibt es seitens der Landesregierung Pläne, das Fach Englisch über den ent - sprechenden laufenden Schulversuch hinaus auszuweiten, bzw. diesen in die Regelform zu überführen? 8. Falls es eine Überführung des Schulversuchs in die Regelform geben soll – ab wann soll dies realisiert werden? 05. 12. 2017 Zimmer GRÜNE Kleine Anfrage der Abg. Elke Zimmer GRÜNE und Antwort des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Umsetzung der Handlungsempfehlungen der Enquete - kommission und Verwendung der Enquetemittel Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3109 2 B e g r ü n d u n g Aufgabe der 2009 einstimmig vom Landtag beschlossenen und eingesetzten Enquetekommission war – neben einer systematischen Bestandsaufnahme – die Entwicklung von Handlungsempfehlungen, um auch zukünftig das berufliche Schulwesen und die berufliche Aus- und Weiterbildung so auszustatten, dass junge Menschen erfolgreich ins Berufsleben starten können und dem prognostizierten Fachkräftemangel in Baden-Württemberg entgegengewirkt werden kann. Die weitere Umsetzung und Verstetigung der Empfehlungen der Enquete-Kommis - sion „Fit fürs Leben in der Wissensgesellschaft – Berufliche Schulen, Aus- und Weiterbildung“ ist ein erklärtes Ziel der grün-schwarzen Landesregierung. Die Attraktivität der Berufsschulen im Land soll damit weiter verbessert werden, um jungen Menschen eine optimale berufliche Ausbildung zu bieten. Guten Englischkenntnissen kommt auch in der beruflichen Ausbildung in vielen Feldern eine immer größere Bedeutung zu. Die Kleine Anfrage hat zum Ziel, in Erfahrung zu bringen, welche der durch die Enquetekommission empfohlenen Maßnahmen bereits umgesetzt wurden, aktuell umgesetzt werden und welche Mittel für die weitere Umsetzung zur Verfügung stehen. A n t w o r t * ) Mit Schreiben vom 9. Januar 2018 Nr. 0141.4-23/52 beantwortet das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport im Einvernehmen mit dem Ministerium für Soziales und Integration, dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau und dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Maßnahmen, ausgehend von den Handlungsempfehlungen der Enquetekommission „Fit fürs Leben in der Wissensgesellschaft – berufliche Schulen, Aus- und Weiterbildung“ wurden seit dem Bericht zum Stand der Umsetzung der Enquetemaßnahmen für die Schuljahre 2013/2014 und 2014/2015 in den darauffolgenden Schuljahren 2015/2016 und 2016/2017 umgesetzt? Für den Bereich der beruflichen Schulen bildet der Abschlussbericht der Enquete- Kommission „Fit fürs Leben in der Wissensgesellschaft – Berufliche Schulen, Aus- und Weiterbildung“ mit Entwicklungsperspektive bis zum Jahr 2030 die Grundlage für wesentliche Weiterentwicklungen. Aus den Handlungsempfehlungen wurden in den Jahren 2011 und 2012 die Maßnahmenpakete I und II aufgelegt , über die der Landtag in den in der Frage genannten Berichten unterrichtet wurde. Alle darin enthaltenen Maßnahmen zur Umsetzung der Enqueteempfehlungen dienen den drei strategischen Zielen, denen sich die beruflichen Schulen besonders verpflichtet fühlen: – Sicherung des Fachkräftebedarfs in der sich wandelnden Arbeitswelt, – Stärkung der Integrationsleistung der beruflichen Schulen, – Qualitätsentwicklung und Stärkung der Eigenständigkeit beruflicher Schulen. In den Schuljahren 2015/2016 und 2016/2017 wurden entsprechend dieser strategischen Ziele folgende Maßnahmen durchgeführt (in Klammern der Bezug zum jeweiligen Kapitel im Abschlussbericht der Enquete-Kommission, Drucksache 14/7400 vom 10. Dezember 2010): _____________________________________ *) Der Überschreitung der Drei-Wochen-Frist wurde zugestimmt. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3109 Maßnahmen zur Sicherung des Fachkräftebedarfs in der sich wandelnden Arbeitswelt : – MINT-Förderung (Handlungsempfehlung 3.1.4) – Digitalisierung/Tablet-Projekte (Handlungsempfehlung 3.2.5.) – Mangelfächerzulagen (Handlungsempfehlung 3.2.13) – Transnationaler Schüleraustausch und internationale Projektpartnerschaften in der Entwicklungszusammenarbeit (Handlungsempfehlung 3.2.17) – Attraktivität des dualen Systems nachhaltig stärken (Handlungsempfehlung 3.3.1) – Systematisierung der Berufsorientierung (Handlungsempfehlung 3.3.2) – Englisch in der Berufsschule (Handlungsempfehlung 3.3.4) – Pflegeberufe (Handlungsempfehlung 3.3.5) Maßnahmen zur Stärkung der Integrationsleistung der beruflichen Schulen: – Weiterentwicklung des Übergangsbereichs und Dualisierung der berufsvorbereitenden Schularten (Handlungsempfehlungen 3.1.1. und 3.2.7) – Herausforderungen von Migration, Integration durch berufliche Bildung bewältigen (Handlungsempfehlung 3.1.2) – Inklusion (Handlungsempfehlung 3.1.9) – Einführung von Ganztagsangeboten an den beruflichen Schulen (Handlungsempfehlung 3.1.16) – Professionalisierung von Lehrkräften für die Förderung individualisierten Lernens (Handlungsempfehlungen 3.2.5 und 3.3.6) – Individuelle Förderung (Handlungsempfehlungen 3.2.5) – Weiterentwicklung der beruflichen Gymnasien, bedarfsgerechter Kapazitätsausbau der Beruflichen Gymnasien (Handlungsempfehlung 3.2.8) und neues Profil Umwelttechnik am Technischen Gymnasium (Handlungsempfehlung 3.2.9) – Unterstützung der Institute EIBOR und KIBOR (Handlungsempfehlung 3.2.15) Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung und Stärkung der Eigenständigkeit beruf - licher Schulen: – Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung, Abbau des strukturellen Defizits (Handlungsempfehlung 3.1.3) – Weiterentwicklung von OES: schulbezogenes Fortbildungsbudget und Schulentwicklung als Teil der Führungskräfteentwicklung (Handlungsempfehlung 3.2.2) – Öffnung Fremdevaluation und AZAV-Zertifizierung (Handlungsempfehlung 3.2.2) Die detaillierten Sachstände zu den einzelnen genannten Maßnahmen sind in der Anlage dargestellt. Im Bereich der Weiterbildung ist das Bündnis für Lebenslanges Lernen mit der Umsetzung der Enqueteempfehlungen betraut. Im genannten Zeitraum ist insbesondere auf die Schaffung des Landesnetzwerkes Weiterbildungsberatung sowie auf den kontinuierlichen Aufbau des Digitalen Weiterbildungscampus hinzuweisen . Letzterer hat sich zwischenzeitlich gerade für kleinere und mittlere Weiterbildungsträger als attraktive Möglichkeit etabliert, digitale Lernformate einzuführen . Zuletzt wurde der Digitale Weiterbildungscampus mit dem E-Learning Award 2017 ausgezeichnet. Zur Steigerung der Beteiligung von Geringqualifizierten an Weiterbildungsmaßnahmen wurden die Angebote von Grundbildungsund Alphabetisierungskursen ausgebaut sowie eine Fachstelle für Grundbildung und Alphabetisierung eingerichtet. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3109 4 2. Welche der empfohlenen Maßnahmen werden aktuell noch umgesetzt? 3. Welche der Maßnahmen ausgehend von den oben genannten Handlungsempfehlungen werden als abgeschlossen angesehen und demnach nicht weitergeführt und seit wann werden diese Maßnahmen nicht mehr weitergeführt? Im Bereich der beruflichen Bildung werden fast alle der in Nr. 1 genannten Maßnahmen auch im Schuljahr 2017/2018 umgesetzt und fortgeführt mit Ausnahme der folgenden Enquete-Maßnahmen, die inzwischen abgeschlossen und verstetigt wurden: bedarfsgerechter Kapazitätsausbau der Beruflichen Gymnasien (seit dem Schuljahr 2016/2017 erfolgreich abgeschlossen), neues Profil Umwelttechnik am Technischen Gymnasium (seit dem Schuljahr 2016/2017 in der Regelform), AZAV-Zertifizierung (seit dem Schuljahr 2016/2017 als konditionierte Daueraufgabe verstetigt). Im Bereich der Weiterbildung arbeitet das Bündnis für Lebenslanges Lernen an der Vertiefung der Enqueteempfehlungen. Hierzu wurde der Weiterbildungspakt des Landes mit relevanten Trägern der Weiterbildung mit einer Laufzeit von 2015 bis 2020 geschlossen. Der Weiterbildungspakt umfasst vor dem Hintergrund der Enqueteempfehlungen 13 Ziele, an denen in den kommenden Jahren gemeinsam im Bündnis gearbeitet werden soll. Dies gilt insbesondere für den Digitalen Weiterbildungscampus , da sich diese Infrastruktur für technisch unterstützte Lehrund Lernszenarien inzwischen sehr bewährt hat und sich zunehmender Akzeptanz erfreut. Der Digitale Weiterbildungscampus als technische Infrastruktur hilft den Weiterbildungseinrichtungen bei der Umsetzung aller im Zuge der Digitalisierung notwendigen Veränderungsprozesse, sowohl was die Programmgestaltung als auch die Organisationsentwicklung betrifft. 4. Wie werden die Ergebnisse der bisher umgesetzten Empfehlungen beurteilt? Im Bereich der beruflichen Schulen liefern die Enquete-Empfehlungen seit dem Jahr 2011 die maßgebenden Impulse für wesentliche Weiterentwicklungen. Die daraus abgeleiteten Maßnahmen haben erfolgreich dazu beigetragen, dass die beruflichen Schulen zentrale Herausforderungen bewältigen, Verbesserungen aktiv mitgestalten und Innovationen voranbringen konnten, sei es beispielsweise bei gesellschaftlichen Entwicklungen (zunehmende Heterogenität und zunehmender Migrationsanteil bei den Schülerinnen und Schülern), bei Entwicklungen in der Arbeitswelt (Digitalisierung, Internationalisierung, Fachkräftebedarf) oder bei der Gewinnung und Professionalisierung der Lehrkräfte (Lehrergewinnung in Mangelbereichen , Fortbildungs- und Unterstützungsmaßnahmen zu aktuellen pädagogischen Herausforderungen). Die bisherigen Ergebnisse der Umsetzung der einzelnen Maßnahmen sind ebenfalls in der Anlage dargestellt. Für den Bereich der Weiterbildung kann festgestellt werden, dass der o. g. Digi - tale Weiterbildungscampus und das Landesnetzwerk Weiterbildungsberatung in zunehmendem Maße von den Weiterbildungseinrichtungen akzeptiert und unterstützt werden. Rund 100 Weiterbildungsträger mit unterschiedlichem Hintergrund bieten über diese Lernplattform des Landes digitale Lernformate an. Rund 150 Bildungsträger aus der allgemeinen und beruflichen Weiterbildung sind Mitglieder im Landesnetzwerk Weiterbildungsberatung und bieten Beratungsmaßnahmen verschiedenster Art an. Damit wird ein wichtiger Beitrag geleistet, die Weiterbildungsbeteiligung im Land zu erhöhen und neue Zielgruppen zu erschließen. 5. Welche der empfohlenen Maßnahmen sollen zukünftig umgesetzt werden? Die auf den Empfehlungen der Enquetekommission aus dem Jahr 2010 basierenden Maßnahmen werden laufend den aktuellen Herausforderungen angepasst und bei Bedarf neu ausgerichtet. Dabei hat sich gezeigt, dass die Empfehlungen dem von der Enquetekommission selbst formulierten Anspruch gerecht werden, nämlich Handlungsstrategien aufzuzeigen, die geeignet sind, das berufliche Schulwesen , die berufliche Ausbildung und die Weiterbildung mit Blick auf das Jahr 2030 zukunftsfähig zu machen. Dass die von der Enquetekommission aufgezeigten Handlungsstrategien nach wie vor aktuell sind und auch in den kommenden Jahren von zentraler Bedeutung sein werden, zeigt ihre große Übereinstimmung mit 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3109 der jüngsten Erklärung der Kultusministerkonferenz „Berufliche Bildung 4.0 – Weiterentwicklung von Innovationskraft und Integrationsleistung der beruflichen Schulen in Deutschland in der kommenden Dekade“ vom Dezember 2017. Die darin genannten drei strategischen Handlungsfelder – Innovationskraft stärken, Integrationsleistung der beruflichen Bildung erhöhen, Qualität der beruflichen Schulen weiterentwickeln – korrespondieren bereits in hohem Maß mit den in Nr. 1 genannten strategischen Zielen und den bisher umgesetzten Enquete-Empfehlungen . Zugleich zeigt die Erklärung der Kultusministerkonferenz insbeson - dere mit der Integration zugewanderter junger Menschen und der fortschreitenden Digitalisierung zwei wesentliche Schwerpunkte auf, an denen künftige Enquetemaßnahmen noch stärker ausgerichtet werden können. Das Kultusministerium wird diese Impulse bei der weiteren Umsetzung aufgreifen. Im Bereich der Weiterbildung überprüft das Bündnis für Lebenslanges Lernen laufend die Effektivität der Maßnahmen und wird in Abstimmung mit dem in 2018 neu einzurichtenden Beirat des Bündnisses vor dem Hintergrund der Enqueteempfehlungen die Schwerpunkte für die kommenden Jahre abstimmen. 6. Welche finanziellen Mittel stehen dem Kultusministerium dafür pro Jahr zur Verfügung? Für Personal- und Sachausgaben im Zusammenhang mit der Umsetzung der Empfehlungen der Enquete-Kommission im Bereich Berufliche Schulen sind gegenwärtig 4.940.800 Euro jährlich bei Kapitel 0420 Titelgruppe 71 des Staatshaushaltsplans 2018/2019 veranschlagt bzw. in der Mittelfristigen Finanzplanung bis einschließlich 2021 berücksichtigt. Zusätzlich können „Einnahmen aus Bildungsgutscheinen der Bundesagentur für Arbeit“ (Kapitel 0420 Titel 235 71) als Kostenersatz der Arbeitsverwaltung für die Beschulung von Umschülerinnen und Umschülern (z. B. Erzieherinnen/Er - zieher) an zertifizierten beruflichen Schulen generiert werden. Grundlage hierfür ist der Ministerratsbeschluss vom 24. November 2015, mit dem die Enquete-Maßnahme „Erprobung der Zertifizierung von öffentlichen beruflichen Schulen nach der Anerkennungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung (AZAV)“ in eine konditionierte Daueraufgabe überführt wurde. Diese Einnahmen stehen gemäß dem bei Kapitel 0420 Titelgruppe 71 ausgebrachten Haushaltsvermerk für die „Umsetzung von Maßnahmen der Arbeitsförderung, der Aufrechterhaltung und Erweiterung der Zertifizierung von beruflichen Schulen gemäß der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung sowie der Ausbildung von Fachkräften“ in voller Höhe zur Verfügung. Dabei ist die Höhe der Ein - nahmen variabel. Sie hängt u. a. von der Nachfrage nach zertifizierten Umschulungen , der Abbrecherquote und sich wandelnden Rahmenbedingungen (z. B. Reform der Pflegeausbildung auf Bundesebene) ab. Vor diesem Hintergrund sind die künftigen Einnahmen mit Unsicherheiten verbunden, und deren Umfang lässt sich nicht valide prognostizieren. Im Bereich der Weiterbildung stehen für das entsprechende Landesprogramm in den Haushaltsjahren 2018/2019 jährlich 1.310.900 Euro (Kapitel 0453 Titelgruppe 74) zur Verfügung. Wie im Bereich berufliche Schulen sind auch diese Mittel in die Mittelfristige Finanzplanung für die Haushaltsjahre 2020 und 2021 eingestellt . In den Erläuterungen des Staatshaushaltsplans 2018/2019 zu der Titelgruppe ist festgelegt, dass es sich hierbei um Mittel der Enquetekommission handelt, die zur Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen im Bereich der allgemeinen Weiterbildung (Digitaler Weiterbildungscampus, Landesnetzwerk Weiterbildungsberatung , Innovationsfonds Weiterbildung, Weiterbildungsportal Bündnis für Lebenslanges Lernen) dienen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3109 6 7. Gibt es seitens der Landesregierung Pläne, das Fach Englisch über den ent - sprechenden laufenden Schulversuch hinaus auszuweiten, bzw. diesen in die Regelform zu überführen? 8. Falls es eine Überführung des Schulversuchs in die Regelform geben soll – ab wann soll dies realisiert werden? In den Anhörungen der Enquetekommission „Fit fürs Leben in der Wissensgesellschaft – Berufliche Schulen, Aus- und Weiterbildung“ sprachen sich alle Beteiligten für die Einführung der Fremdsprache Englisch im Pflichtbereich der Berufsschule aus. Englisch wurde als unverzichtbarer Bestandteil gesehen, um junge Menschen passgenau auf einen erfolgreichen Berufsstart in einer globalisierten Welt vorzubereiten und die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Fachkräfte sowie die Attraktivität des dualen Systems zu stärken. Die Enquetekommission hatte aus diesen Gründen eine Handlungsempfehlung „Einführung der Fremdsprache Englisch in der Berufsschule“ formuliert. Seit dem Schuljahr 2011/2012 wird Englisch als Pflichtfach an der Berufsschule im Schulversuch angeboten und sukzessive ausgebaut. Ausgehend vom Schuljahr 2011/2012 mit 138 teilnehmenden Schulen und rund 950 Berufsschulklassen wurde der Schulversuch „Englisch als Pflichtfach in der Berufsschule“ mittlerweile auf 200 Standorte und knapp 4.000 Berufsschulklassen im Schuljahr 2016/2017 ausgeweitet. Dies entspricht 47 Prozent aller Klassen des dualen Ausbildungssystems. Das Kultusministerium wertet derzeit alle Schulversuche, die an baden-württembergischen Schulen laufen, aus. Das gilt auch für diesen Schulversuch. Sollte sich die breite Akzeptanz und Attraktivität bestätigen, wird die Überführung in die Regelform angestrebt. Dabei sind auch Ausnahmesachverhalte zu beachten, wenn beispielsweise aufgrund einer Zuwanderungsbiografie unzureichende Voraussetzungen für den Englischunterricht vorliegen. Dr. Eisenmann Ministerin für Kultus, Jugend und Sport 7 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3109 Anlage zur Drucksache 16/3109 Im Folgenden wird der Sachstand der Maßnahmen im Bereich der beruflichen Schulen zur Umsetzung von Handlungsempfehlungen der Enquetekommission „Fit fürs Leben in der Wissensgesellschaft – berufliche Schulen, Aus- und Weiterbildung“ dargestellt, die in den Schuljahren 2015/2016 und 2016/2017 durchgeführt wurden. I. Maßnahmen zur Sicherung des Fachkräftebedarfs in der sich wandelnden Arbeitswelt MINT-Förderung beim Übergang von der Realschule in die weiterführenden beruflichen Schulen (Handlungsempfehlung 3.1.4) In den Eingangsklassen der Berufskollegs und der Beruflichen Gymnasien starten die Schülerinnen und Schüler mit sehr heterogenen fachlichen Voraussetzungen insbesondere in den Naturwissenschaften. Neben Mathematik stehen die Fächer Physik, Chemie und Biologie im Fokus. Der Übergang der Schülerinnen und Schüler von der letzten Klasse der Sekundarstufe I bis ins erste Jahr an der beruflichen Schule soll mit einem durchgängig einsetzbaren fachlichen Instrument, einer „Brücke“, begleitet werden. Diese „Brücken“ im Sinne eines systematischen Aufgabenkatalogs werden gemeinsam von Lehrkräften der Realschule und der beruflichen Schule erstellt. Die „Brücken“ unterstützen die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler und sind sowohl im Unterricht als auch in Selbstlernprozessen einsetzbar. Sie führen die Schülerinnen und Schüler an den Abstraktionsgrad, das Niveau und die Diktion des Unterrichts der weiterführenden Schulen (Sekundarstufe II) heran. Das Pilotprojekt „Mathebrücke“ ist seit dem Schuljahr 2011/2012 online, die „Physikbrücke“, „Chemiebrücke“ und „Biologiebrücke“ sind seit 2016 online und werden kontinuierlich überarbeitet und weiterentwickelt (z. B. Handy-Applikation, Anpassung an die Bildungspläne der allgemein bildenden Schulen 2016; Berücksichtigung neuer technischer Möglichkeiten etc.). Zur Implementierung wurden regionale Fortbildungen angeboten, bei denen ein wesentlicher Aspekt auf dem Kontakt zwischen den Fachlehrkräften der abgebenden und der aufnehmenden Schulen in der jeweiligen Region lag. Digitalisierung/Tablet-Projekte (Handlungsempfehlung 3.2.5) Um Erkenntnisse zur pädagogisch sinnvollen Unterstützung der Individuellen Förderung durch den Einsatz digitaler Endgeräte zu gewinnen, wird im Rahmen mehrjähriger Schulversuche an beruflichen Vollzeitschulen und in der Berufsschule der durchgehende Einsatz von Tablets im Unterricht erprobt. In dem im Schuljahr 2015/2016 als gemeinsames Projekt mit den Schulträgern begonnenen Projekt „Einsatz von Tablets im Unterricht an beruflichen Vollzeitschulen – tab- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3109 8 - 2 - letBS“ sind gegenwärtig 40 Schulen mit derzeit 3.144 Schülerinnen und Schülern sowie 870 Lehrkräften einbezogen. Neben 34 Beruflichen Gymnasien nehmen auch zwei Berufskollegs , zwei Berufsfachschulen für Altenpflege und zwei Berufsoberschulen an dem Projekt teil. Die Projektschulen statten über drei Jahre hinweg jeweils eine oder mehrere Klassen mit Tablets aus. Der Schulversuch läuft dabei in einem „1:1-Setting“, d. h. alle Schülerinnen und Schüler sowie sämtliche am Schulversuch beteiligten Lehrkräfte nutzen ihr persönliches Tablet im Unterricht sowie in der Vor- und Nachbereitung. Die Versuchsschulen sind fünf Jahre am Schulversuch beteiligt. Die lange Projektlaufzeit ermöglicht es den Schulen, über mehrere Jahrgänge und Klassenstufen hinweg Erfahrungen zu sammeln und digitale Unterrichtsmodelle und -konzepte nachhaltig umzusetzen und zu etablieren. Im Rahmen des Projekts wurden durch das Landesinstitut für Schulentwicklung Unterrichtsbeispiele entwickelt und auf der Projekt-Website www.tabletBS.de zur landesweiten Nutzung veröffentlicht. Eine Handreichung zu organisatorischen Aspekten des Tablet-Unterrichts wurde entwickelt, ebenso liegen Anleitungen zum Betrieb der erforderlichen Technik vor. Das Projekt läuft bis zum Ende des Schuljahres 2021/2022. Es wird wissenschaftlich von Prof. Mayrberger, Universität Hamburg, begleitet. In der Berufsschule wurde im Schuljahr 2016/2017 in drei Ausbildungsberufen mit einem Tablet-Projekt begonnen. Einbezogen wurden die Ausbildungsberufe Mechatroniker /Mechatronikerin, KFZ-Mechatroniker/KFZ-Mechatronikerin und Kaufmann/Kauffrau für Büromanagement an jeweils fünf Standorten. Im Schuljahr 2017/2018 kamen folgende drei Ausbildungsberufe hinzu: Kaufmann/Kauffrau für Versicherungen und Finanzen , Industriemechaniker/Industriemechanikerin und Elektroniker/Elektronikerin für Automatisierungstechnik. Die Erprobung erstreckt sich primär auf die berufsfachliche Kompetenz und umfasst einen Zeitraum von insgesamt fünf Jahren. Dabei sollen einschlägige berufsbezogene Lernprozesse digital entwickelt und hinsichtlich ihres Einflusses auf die Motivation und Lernförderung erprobt werden. In den einzelnen Ausbildungsberufen gestaltet sich der Entwicklungsprozess sehr unterschiedlich, weil berufsbezogene , digitale Unterrichtsmaterialien auf dem Markt derzeit noch unzureichend verfügbar sind. Auch ist die zur Verfügung stehende Zeit in der Teilzeitberufsschule naturgemäß deutlich eingeschränkter als in Vollzeitschulen. Zur Frage einer wissenschaftlichen Begleitung befindet sich das Kultusministerium in Gesprächen mit dem Bundesinstitut für Berufliche Bildung (BiBB). Zulagenprogramm zur Gewinnung von Lehrkräften in Mangelfächern (Handlungsempfehlung 3.2.13) Es werden derzeit Sonderzuschläge für Vorbereitungsdienstabsolvierende und Direkteinsteigerinnen und -einsteiger in den Bereichen Metall- und Elektrotechnik aus Enque- 9 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3109 - 3 - te-Mitteln finanziert. Angesichts der attraktiven Perspektiven für Ingenieurinnen und Ingenieure in der Wirtschaft sind diese Anreize für eine Tätigkeit im Schuldienst umso wichtiger, damit das Gehaltsniveau an den unteren Bereich der Verdienstspanne der Wirtschaft herankommt. Die Zulagen werden jeweils über die gesamte 1,5-jährige Dauer des Vorbereitungsdienstes bzw. über die gesamten drei Jahre der Schulung und Bewährung beim Direkteinstieg gewährt. Damit erhalten zulagenberechtigte Anwärterinnen und Anwärter im Vorbereitungsdienst derzeit eine Zulage in Höhe von 999,33 Euro (70 Prozent des monatlichen Anwärtergrundbetrags). Berufserfahrene Ingenieurinnen und Ingenieure erhalten beim Direkteinstieg im Angestelltenverhältnis während der dreijährigen Schulungs- und Bewährungsphase vor dem Eintritt in den gehobenen Dienst Zulagen von bis zu 850 Euro pro Monat bzw. vor dem Eintritt in den höheren Dienst bis zu 950 Euro pro Monat. Durch diese Maßnahme konnten in den zurückliegenden Jahren dringend benötigte Direkteinsteigerinnen und -einsteiger in den Bereichen Metall- und Elektrotechnik gewonnen werden (48 Personen in 2016, 36 Personen in 2017), womit in diesen Mangelfächern die Einstellungszahlen nahezu verdoppelt werden konnten. Begleitende Werbemaßnahmen in Onlinestellenportalen machen potenzielle Bewerberinnen und Bewerber auf die Möglichkeit aufmerksam, als Lehrkraft an einer beruflichen Schule tätig werden zu können. Es werden seit Beginn der Maßnahmen vermehrte Bewerbungen registriert. Transnationaler Schüleraustausch und internationale Projektpartnerschaften in der Entwicklungszusammenarbeit (Handlungsempfehlung 3.2.17) Im Rahmen der Handlungsempfehlung 3.2.17 werden Maßnahmen des transnationalen Schüleraustauschs, internationale Projektpartnerschaften beruflicher Schulen, bestehende Projekte in der Entwicklungszusammenarbeit sowie Projekte der internationalen Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung des Landes gefördert. Die dazu 2013 an der Landesakademie für Fortbildung und Personalentwicklung an Schulen, Standort Esslingen, eingerichtete Geschäftsstelle für die internationale Zusammenarbeit koordiniert die internationalen Aktivitäten im Auftrag des Kultusministeriums und dient als Ansprechstelle für Schulen und internationale Kooperationspartner des Landes. In den Jahren 2016 und 2017 wurde die Anzahl der aus den Enquetemitteln geförderten Mobilitätsmaßnahmen im Vergleich zu den Vorjahren annähernd verdoppelt. 2016 konnten im Rahmen von 31 Projektpartnerschaften 465 Schülerinnen und Schüler und im Jahr 2017 im Rahmen von 25 Projektpartnerschaften 355 Schülerinnen und Schüler im Ausland Erfahrungen sammeln. Darüber hinaus wurden im Jahr 2016 12 Maßnahmen und im Jahr 2017 11 Maßnahmen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit mit Beteiligung von jeweils rund 60 Schülerinnen und Schülern durch Zuschüsse gefördert. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3109 10 - 4 - Des Weiteren führt das Kultusministerium in Kooperation mit den Regierungspräsidien Informationsveranstaltungen und Weiterbildungen für die Beantragung von Fördermitteln aus dem europäischen Förderprogramms Erasmus+ durch. Im Rahmen der Pflege und Vertiefung der internationalen Projektpartnerschaften in der beruflichen Bildung wurden die bestehenden Partnerschaften mit Singapur und Thailand fortgesetzt und ein Lehreraustauschprogramm für Lehrer-Tandems aus affinen Berufsfeldern mit der Republik Korea neu aufgelegt. Im Rahmen der bestehenden Kooperation zum Aufbau einer Fachschule für Elektrotechnik in Hanoi, Vietnam, fand im Oktober 2017 ein Bildungssymposium zwischen Schulleitungen von beruflichen Schulen aus Baden-Württemberg und Vietnam zu zukünftigen Herausforderungen der beruflichen Bildung statt. In den Jahren 2016 und 2017 präsentierte das Kultusministerium bei der Messe Education+ in Nanjing, der Hauptstadt der Partnerprovinz von Baden-Württemberg , Jiangsu, die Kooperation mit den dortigen Projektpartnern und beteiligte sich zusammen mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) mit Fachvorträgen und Diskussionsbeiträgen an den Bildungskonferenzen der Messe. Beide im Rahmen der Bildungspartnerschaft mit Herrn Stef Wertheimer, Israel, durchgeführten Kooperationsprojekte mit dem Kultusministerium und der Landesakademie, der Aufbau der Goldschmiedeschule in Nazareth und die Meisterausbildung im Bereich Formenbau konnten 2016 erfolgreich abgeschlossen werden. Die Zusammenarbeit wird entsprechend des Auftrags aus dem Koalitionsvertrag in Kooperation mit dem Bildungsministerium des Staates Israel und der Israeli Garage Association beim Aufbau einer Meisterausbildung im Kfz-Bereich fortgesetzt. Im Jahr 2018 ist in Kooperation mit dem Generalkonsulat des Staates Israel geplant, einen Netzwerktag an der Landesakademie in Esslingen und ein Kontaktseminar für den Aufbau von Schulpartnerschaften in Israel durchzuführen, um den Austausch zwischen beruflichen Schulen in Israel und Baden-Württemberg zu fördern und zu vertiefen. Im Dezember 2017 wurde eine Partnerschaft von zwei Stuttgarter beruflichen Schulen mit Jad Vashem unterzeichnet. Im Mai 2016 fand an der Landesakademie in Esslingen ein Berufsbildungssymposium zu Palästina statt. Im Rahmen des Symposiums wurden vier Schulpartnerschaften von beruflichen Schulen mit dem Dar Al-Kalima University College of Arts & Culture in Bethlehem , das von der „Evangelisch-Lutherischen Kirche Jordanien und im Heiligen Land“ (ELCJHL) getragen wird, unterzeichnet. Neben der Zusammenarbeit in den Bereichen Schmuck, Film und Gastronomie, wird im Rahmen der Kooperation der Aufbau einer Weiterbildungseinrichtung für Solartechnik fortgesetzt. 11 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3109 - 5 - Attraktivität des dualen Systems nachhaltig stärken (Handlungsempfehlung 3.3.1) Zur weiteren Stärkung des dualen Systems wird mit Bezug auf den Koalitionsvertrag ab dem Schuljahr 2017/2018 die Wirksamkeit eines zweiten Berufsschultags erprobt. Das Angebot richtet sich einerseits an leistungsstarke Auszubildende und andererseits an Jugendliche, deren Ausbildungserfolg gefährdet erscheint. Leistungsstarke Auszubildende mit mittlerer Reife sollen an bis zu fünf Standorten im Land ausbildungsbegleitend die Fachhochreife erwerben können. Neu an diesem Angebot ist die Anrechenbarkeit auf die betriebliche Ausbildungszeit. Die Freistellung durch den Betrieb erfolgt dabei auf freiwilliger Basis. Ziel ist es, qualifizierten Jugendlichen mit mittlerer Reife die Entscheidung zugunsten einer dualen Ausbildung zu erleichtern . Auszubildende, bei denen sich eine Gefährdung des Ausbildungserfolges abzeichnet, sollen an ca. fünf Standorten durch gezielten Zusatzunterricht stabilisiert werden. Dieser Zusatzunterricht von drei Wochenstunden wird auf die betriebliche Arbeitszeit angerechnet , wobei die Freistellung durch den Betrieb ebenfalls auf freiwilliger Basis erfolgt. Systematisierung der Berufsorientierung (Handlungsempfehlung 3.3.2) Mit den Partnern des Ausbildungsbündnisses, dem Kultusministerium sowie dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau, dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit, dem DGB, den Arbeitgeberverbänden, dem IHKTag und dem BHWT ist eine gemeinsame Aktualisierung des „Landeskonzept Berufliche Orientierung“ mit den aktuellen Erfordernissen im ersten Quartal 2018 vereinbart. Durch die Einführung der Leitperspektive Berufliche Orientierung, des Fachs Wirtschaft /Berufs- und Studienorientierung und die neue Verwaltungsvorschrift Berufliche Orientierung erfährt das Themenfeld zukünftig eine deutlich gesteigerte Wertschätzung an allen Schulen. Die Schulen leisten im Rahmen des Bildungs- und Erziehungsauftrags einen wichtigen Beitrag für die erfolgreiche Vorbereitung auf den Übergang in Ausbildung , Studium und Beruf. Die bereits in Klassenstufe 5 einsetzende verbindliche und individuelle berufliche Orientierung eröffnet den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit , ein breites Spektrum an Berufen kennenzulernen und erste Erfahrungen in der Arbeitswelt zu sammeln. Sie erhalten die Gelegenheit, ihre Interessen und Potenziale zu entdecken, zu prüfen und gezielt zu entwickeln, um im Übergang in Ausbildung, Studium und Beruf eine qualifizierte Entscheidung treffen zu können. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3109 12 - 6 - Zu den Maßnahmen der beruflichen Orientierung zählen insbesondere der Tag der beruflichen Orientierung, Praxiserfahrungen, Informationsveranstaltungen sowie die Zusammenarbeit mit der Berufsberatung und weiteren Partnern. Diese Maßnahmen gewährleisten eine aktive Einbindung der Erziehungsberechtigten in den Berufswahlprozess . Die Schule erstellt mit Unterstützung der Beratungsfachkräfte der Berufsberatung der Agenturen für Arbeit (Berufsberatung) ein schulspezifisches standortbezogenes Konzept der beruflichen Orientierung. Bei der Umsetzung der Maßnahmen der beruflichen Orientierung werden die Schulen von Kooperationspartnern unterstützt. Kooperationspartner sind die Bildungspartner der Schulen sowie Sozialpartner, Kammern und Verbände sowie Unternehmen, Behörden, Angehörige freier Berufe, Hochschulen, Werkstätten für Menschen mit Behinderung sowie Einrichtungen der überbetrieblichen beruflichen Bildung und sonstige Einrichtungen, die Schülerinnen und Schülern Erfahrungen mit der Arbeitswelt ermöglichen. Damit leisten die Schulen in Baden-Württemberg einen wichtigen Beitrag zur Sicherung des Fach- und Führungskräftebedarfs von morgen. Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau fördert seit 2011 Maßnahmen zur Berufsorientierung von Schülerinnen und Schülern unter dem Titel „Pro Beruf – Berufserprobung in überbetrieblichen Bildungsstätten“. Schülerinnen und Schüler können in Werkstätten überbetrieblicher Bildungsstätten mindestens drei duale Ausbildungsberufe über einen Zeitraum von zwei Wochen praxisnah erproben. Pro Schuljahr haben 9.500 Jugendliche der 8. und 9. Klasse von Gemeinschaftsschulen, Hauptschulen, Werkrealschulen und Realschulen diese Möglichkeit genutzt. Gefördert werden derzeit landesweit 23 regionale Projekte. Seit dem Schuljahr 2015/2016 können sich auch rund 800 Gymnasiastinnen und Gymnasiasten in überbetrieblichen Bildungsstätten in mindestens zwei Berufen praktisch erproben. Das Programm ProBerufGym wird aus Bundesmitteln gefördert, ebenso wie das Programm ProBeruf Flüchtlinge, mit dem seit 2016 jährlich rund 850 Flüchtlinge Berufliche Orientierung erfahren. Einführung der Fremdsprache Englisch in der Berufsschule (Handlungsempfehlung 3.3.4) Auf die Antworten zu den Fragen Nr. 7 und Nr. 8 wird verwiesen. 3.3.5 Pflegeberufe (Handlungsempfehlung 3.3.5) Zur Attraktivitätssteigerung der Pflegeberufe wurde ein Bündel von konkreten Maßnahmen ins Auge gefasst, wie etwa die Stärkung des Angebots an Teilzeitausbildungen, für Personen denen aufgrund familiärer oder anderer Verpflichtungen eine Vollzeitausbildung nicht möglich ist, ein gezieltes Ausbildungsangebot in der Altenpflegehilfe für Menschen mit noch zu geringen Deutschkenntnissen, das sich gut auch als Aufstieg in 13 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3109 - 7 - die Ausbildung zur Fachkraft eignet. Wichtig ist auch, die Pflegeberufe für neue Zielgruppen zu öffnen. Dies gilt sowohl für die hochschulische Ausbildung aber auch für Menschen mit einem höheren Förder- oder Hilfedarf. Speziell für die zweite Gruppe wurde die Ausbildung „Alltagsbetreuer/Alltagsbetreuerin“ konzipiert. Alle Maßnahmen werden in Baden-Württemberg unter den beteiligten Partnern gemeinsam vorangetrieben . Das Pflegeberufereformgesetz wurde am 17.Juli 2017 vom Bundestag verabschiedet. Es führt zu einer grundlegenden Novellierung des bzw. der bisherigen Berufsbilder. Im Kern werden ab dem 1. Januar 2020 Altenpflege, Krankenpflege und Kinderkrankenpflege zu einer generalistischen Pflegeausbildung zusammengeführt. Mit der Reform ist neben einer besseren Versorgungsstruktur für die Bevölkerung auch die Erwartung verbunden , dass die Pflegeberufe insgesamt an Attraktivität gewinnen. Sukzessive zu den noch vom Bund zu erlassenden Vorschriften, insbesondere der Finanzierungsverordnung , der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung und des Rahmenlehrplans wird das Gesetz in Baden-Württemberg von den berührten Fachressorts unter Einbeziehung der relevanten Akteure umgesetzt. II. Maßnahmen zur Stärkung der Integrationsleistung der beruflichen Schulen Weiterentwicklung des Übergangsbereichs und Dualisierung der berufsvorbereitenden Schularten (Handlungsempfehlungen 3.1.1. und 3.2.7) Das Ausbildungsbündnis des Landes hat im November 2013 eine Reform des Übergangs Schule – Beruf verabschiedet. Ziel ist, dass mehr Schulabgängerinnen und Schulabgängern in Baden-Württemberg der direkte Einstieg in eine Ausbildung bzw. in den Beruf gelingt. Gemeinsam mit weiteren Bausteinen, z. B. der systematischen beruflichen Orientierung an allgemein bildenden Schulen oder der Einrichtung eines regionalen Übergangsmanagements werden die bisherigen berufsvorbereitenden Bildungsgänge (insbesondere das Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf und das Berufseinstiegsjahr) durch eine Ausbildungsvorbereitung dual (AVdual) ersetzt. Durch intensive Einbindung eines Betriebspraktikums lernen die Schülerinnen und Schüler von Anfang an die betriebliche Realität kennen und bekommen so eine bessere Vorstellung von ihren beruflichen Interessen und Möglichkeiten. Im Schuljahr 2016/2017 wurde in zwölf Modellregionen AVdual erprobt. Zum Schuljahr 2017/2018 konnte die Erprobung auf 15 Modellregionen ausgeweitet werden. Das Prinzip des gemeinsamen Lernens von Jugendlichen mit unterschiedlichen Bildungszielen wurde außer im Schulversuch AVdual von weiteren beruflichen Schulen im Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3109 14 - 8 - Rahmen der pädagogischen Erprobung BFPE (Berufsfachschule Pädagogische Erprobung ) eingeführt. In der BFPE lernen Schülerinnen und Schüler mit den Bildungszielen des Vorqualifizierungsjahres Arbeit/Beruf, des Berufseinstiegsjahres, der zweijährigen zur Fachschulreife führenden Berufsfachschule und zum Teil der einjährigen gewerblichen Berufsfachschule gemeinsam, um ihre Chancen auf einen Ausbildungsplatz bestmöglich zu verbessern. Sowohl AVdual wie auch die pädagogische Erprobung BFPE werden als Ganztagsklassen geführt. Alle Versuchsschulen erhalten eine umfassende Unterstützung durch Fortbildung , Beratung und Informations- sowie Lernmaterialien. Die Schulversuche wurden im Auftrag des Kultusministeriums zum einen durch die Universität Stuttgart, Prof. Reinhold Nickolaus (Kompetenzentwicklung und Auswirkungen auf die Unterrichtsqualität), als auch in Form von datengestützten Reflexionsgesprächen (Umsetzung des niveaudifferenzierten Lernens und Gelingensfaktoren) evaluiert. Im Auftrag des Wirtschaftsministeriums hat die PROGNOS AG u. a. den Schulversuch AVdual in Bezug auf Abschlüsse und Übergänge untersucht. Zusammenfassend ergeben sich hieraus im Wesentlichen folgende Erkenntnisse: - Verbesserung des Fähigkeitsselbstkonzeptes vor allem in Deutsch bei AVdual (Das Fähigkeitsselbstkonzept ist die Selbstwahrnehmung der Fähigkeiten in diesem Bereich. Sie ist bedeutsam für die Aufrechterhaltung der Anstrengungsbereitschaft in diesem Fach); - bezüglich der Kompetenzentwicklung erreichten bei Berücksichtigung der Eingangsvoraussetzungen die Lernenden in den Schulversuchen AVdual und BFPE nahezu vergleichbare Kompetenzzuwächse wie die Lernenden in der zweijährigen Berufsfachschule ; im VAB und Berufseinstiegsjahr (BEJ) verlief die Entwicklung überwiegend unterdurchschnittlich; - Verbesserung zentraler Unterrichtsmerkmale, insbesondere Lernatmosphäre und Sozialverhalten; - hohe Lehrkräftezufriedenheit im Vergleich zum vorherigen System (Online-Selbstevaluation im Rahmen der Reflexionsgespräche); - überall generell überdurchschnittliche Untersuchungsergebnisse für die BFPE im Vergleich zu Kontrollgruppen (im Vergleich zum Evaluationsjahr 2015/2016 sind für AVdual heute durch bessere Implementierung vergleichbare Ergebnisse anzunehmen ); - bei drei Viertel der AVdual-Schülerinnen und Schüler, die in Ausbildung gelangen, geschieht dies aufgrund des sog. „Klebeeffekts“, d. h. sie absolvieren ihre Ausbildung in demjenigen Betrieb, in dem sie zuvor ihr Praktikum abgeleistet haben. 15 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3109 - 9 - Herausforderungen von Migration, Integration durch berufliche Bildung bewältigen (Handlungsempfehlung 3.1.2) Aufgrund der hohen Zahl neu zugewanderter Jugendlicher und junger Erwachsener wurden ab dem Jahr 2017 im Rahmen der Enquetemaßnahme „Herausforderungen von Migration, Integration durch berufliche Bildung bewältigen“ insbesondere Fortbildungen für die an den beruflichen Schulen eingeführten Sprachförderkurse entwickelt und durchgeführt. Die konzipierten Fortbildungen und unterstützenden Materialien sind wichtige Hilfsmittel für Lehrkräfte bei der Umsetzung der nachgehenden Sprachförderung für Schülerinnen und Schüler in einer dualen Ausbildung und in vollzeitschulischen Bildungsgängen . Integration durch berufliche Bildung – Information und Aufklärung der Eltern mit Migrationshintergrund (Handlungsempfehlung 3.1.2) Das Projekt „Azubi statt ungelernt – mehr Jugendliche mit Migrationshintergrund ausbilden “ des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau wurde im Schlussbericht vom März 2015 positiv evaluiert. Die im Schlussbericht empfohlene Fortsetzung wird mit dem Projekt „Der Weg zum Erfolg“ aufgegriffen. Im Juni 2017 veröffentlichte das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau den aus ESF- und Landesmitteln finanzierten Förderaufruf „Der Weg zum Erfolg: Berufliche Bildung – mehr Menschen mit Migrationshintergrund in berufliche Aus- und Weiterbildung“. Ziel des Projektes ist, Menschen mit Migrationshintergrund über die Chancen einer beruflichen Aus- bzw. Weiterbildung zu informieren und sie dafür zu gewinnen, eine berufliche Ausbildung erfolgreich zu absolvieren bzw. eine eigene berufliche Weiterbildung ins Auge zu fassen. Dabei sollen im Bereich der Berufsausbildung insbesondere Eltern von Jugendlichen mit Migrationshintergrund einbezogen werden. Über einen niederschwelligen, proaktiven, aufsuchenden Zugang soll langfristig eine verstärkte Beteiligung an der dualen Ausbildung und an beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen unterstützt werden. Der Projektaufruf trägt dazu bei, die Ziele des Ausbildungsbündnisses und der Fachkräfteallianz zu erreichen. Inklusion an beruflichen Schulen (Handlungsempfehlung 3.1.9) Um der steigenden Nachfrage nach inklusiven Bildungsangeboten an beruflichen Schulen gerecht zu werden, wurde im Rahmen der Enquetemaßnahme Inklusion ein passgenaues Unterstützungssystem für die Beratung und Unterstützung von jungen Menschen mit Beeinträchtigungen, Benachteiligungen, Behinderung oder chronischen Erkrankungen sowie der inklusiven Bildung und Ausbildung an beruflichen Schulen aufgebaut , das an den Regierungspräsidien und den Staatlichen Schulämter verortet ist. Dies betrifft die Vertreterinnen und Vertreter der beruflichen Schulen der Arbeitsstelle Koope- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3109 16 - 10 - ration, den Sonderpädagogischen Dienst an beruflichen Schulen, die regionalen Fortbildner Inklusion und die Autismusbeauftragten für die beruflichen Schulen. Für einen passgenauen Übergang von den allgemein bildenden Schulen auf alle in Frage kommenden beruflichen Schulen stehen den jungen Menschen mit unterschiedlichstem Förderbedarf Ansprechpartner an der Arbeitsstelle Kooperation an den 21 Staatlichen Schulämtern zur Seite. Diese informieren und beraten auch die Schulen bei der Schaffung individuell zugeschnittener Anschlüsse. In den Schuljahren 2015/2016 und 2016/2017 wurde der Sonderpädagogische Dienst weiter ausgebaut, um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden, Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungs- und Beratungsbedarf in den Bildungsgängen der beruflichen Schulen zu begleiten. Diese Aufgabe übernehmen insgesamt 92 sonderpädagogische Lehrkräfte, die im Schuljahr 2016/2017 an 156 beruflichen Schulen eingesetzt sind. Der flächendeckende Ausbau des Sonderpädagogischen Dienstes an beruflichen Schulen ist – auch aufgrund des derzeitigen Mangels an Sonderschullehrkräften – noch nicht abgeschlossen. Die im Schuljahr 2013/2014 zu „Regionalen Fortbildern Inklusion“ qualifizierten 26 Lehrkräfte haben im Schuljahr 2015/2016 insgesamt 238 Lehrkräfte beruflicher Schulen fortgebildet . Seit dem Schuljahr 2015/2016 haben für Schülerinnen und Schüler mit Autismus- Spektrum-Störungen Sonderschullehrkräfte oder in der Sache erfahrene Berufsschullehrkräfte als Autismusbeauftragte ihre Arbeit aufgenommen (21 Personen). Sie sind Expertinnen und Experten für spezifische Fördermöglichkeiten, methodische und didaktische Fragestellungen, die Umsetzung des Nachteilsausgleich u.v.m. Zum Weiteren beraten sie autistische Schülerinnen und Schüler und deren Eltern z. B. bei Schulortfragen , bei außerschulischen Unterstützungsangeboten oder bezüglich geeigneter Hilfemaßnahmen . Die Rückmeldungen der sonderpädagogischen Lehrkräfte bei den jährlichen Erhebungen zur Anzahl der geförderten Schülerinnen und Schüler mit deutlichem Unterstützungsbedarf belegen einen nachhaltigen Erfolg bei der Umsetzung sonderpädagogischer Diagnose- und Fördermaßnahmen. 17 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3109 - 11 - Einführung von Ganztagsangeboten an den beruflichen Schulen (Handlungsempfehlung 3.1.16) Im Schuljahr 2016/2017 waren 203 Ganztagsklassen an 83 Schulen eingerichtet, davon 25 Klassen im Berufskolleg und 178 Klassen im berufsvorbereitenden Bereich. Nach Einschätzung beteiligter Schulleitungen und Lehrkräfte ergeben sich mit der Einführung der Ganztagsklassen deutliche Entwicklungsfortschritte, insbesondere im überfachlichen Bereich. Individuelle Förderung (Handlungsempfehlung 3.2.5) Die Maßnahmen fokussieren auf die Professionalisierung des Lehrerhandelns zur Förderung des individualisierten Lernens. Hier wurde zunächst das „Basismodell zur Individuellen Förderung“ erarbeitet und im Berichtszeitraum durch konkrete Praxisbeispiele für die Schulen nutzbar gemacht. Durch das Basismodell zur Individuellen Förderung sollen wissenschaftliche Erkenntnisse sowie die Erfahrungen aus der Praxis der beruflichen Schulen handlungsleitend aufgegriffen werden. Entsprechende Praxisbeispiele und Unterrichtsmaterialien für die Homepage „Individuelle Förderung an beruflichen Schulen“ werden derzeit digital aufbereitet. Im Rahmen der Lehrkräftefortbildung wurden Angebote entwickelt, die Maßnahmen der Individuellen Förderung und die Umsetzung entsprechender schulischer Konzepte als wesentliche Elemente zur Entwicklung fachlicher und überfachlicher Kompetenzen von Schülerinnen und Schüler zum Inhalt haben. Sie wurden seit dem Schuljahr 2013/2014 kontinuierlich weiterentwickelt und aufgrund zunehmender Heterogenität an den beruflichen Schulen – auch aufgrund des Zuzugs jugendlicher Geflüchteter – seit dem Schuljahr 2016/2017 um organisatorische sowie pädagogisch-didaktische Maßnahmen zur Sprachbildung erweitert. Die Fortbildungen werden stark nachgefragt und sind heute Teil des Angebots der regionalen Lehrkräftefortbildung für berufliche Schulen. Im Schuljahr 2016/2017 nahmen rund zwei Drittel der öffentlichen Beruflichen Schulen ein solches Angebot wahr. Um entsprechende Maßnahmen in der einzelnen Schule zu verankern, werden Ziele der Individuellen Förderung auch in das Leitbild der Schule übernommen und in Zielvereinbarungen mit den Regierungspräsidien festgehalten und sind somit Grundlage der Schulentwicklung. Um die Umsetzung von Maßnahmen der Individuellen Förderung im Unterricht an den beruflichen Schulen zu unterstützen, wird ein wissenschaftlich anerkanntes Verfahren bereitgestellt, das eine datengestützte und selbstgesteuerte Unterrichtsentwicklung Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3109 18 - 12 - durch Lehrkräfte ermöglicht. Fachberaterinnen bzw. Fachberater werden derzeit dazu qualifiziert. Weiterentwicklung der beruflichen Gymnasien, bedarfsgerechter Kapazitätsausbau der Beruflichen Gymnasien (Handlungsempfehlung 3.2.8) und neues Profil Umwelttechnik am Technischen Gymnasium (Handlungsempfehlung 3.2.9) Die Stärkung und Weiterentwicklung der beruflichen Gymnasien ist ein wichtiges Ziel der Enquete-Kommission. Der bedarfsgerechte Kapazitätsausbau der Beruflichen Gymnasien (BG) um 150 Eingangsklassen ist seit dem Schuljahr 2016/2017 erfolgreich abgeschlossen. Ebenso die Ergänzung des Angebots um weitere zukunftsfähige Profile: Das Profil Finanzmanagement innerhalb der Wirtschaftsgymnasien, das Profil Gesundheit innerhalb der Sozialund Gesundheitswissenschaftlichen Gymnasien und das Profil Umwelttechnik innerhalb der Technischen Gymnasien. Alle drei Profile sind seit dem Schuljahr 2016/2017 in der Regelform. Die Schulen wurden bei der Einführung aller neuen Profile mit Handreichungen , Fortbildungen und Musterprüfungen begleitet. Ausgehend von der Bildungsplanreform im allgemein bildenden Bereich, die ab dem Schuljahr 2021/2022 für die Beruflichen Gymnasien dadurch spürbar wird, dass dann die große Mehrzahl der übergehenden Schülerinnen und Schüler nach den 2016 in Kraft gesetzten neuen Bildungsplänen unterrichtet worden sein werden, erfolgt mit der Enquetemaßnahme „Weiterentwicklung Berufliche Gymnasien“ eine generelle Überarbeitung der Bildungspläne der Beruflichen Gymnasien. Darin sollen neben der Anpassung der gymnasialen Oberstufe an geänderte KMK-Rahmenbedingungen insbesondere auch folgende Ergebnisse aus den teilweise abgeschlossenen, teilweise weit fortgeschrittenen Projekten zur Umsetzung von Enquete-Empfehlungen im Beruflichen Gymnasium (Individuelle Förderung in der Sekundarstufe II; MINT-Förderung; TabletBS; Neue Profile des Beruflichen Gymnasiums) von 2017 bis 2021 im Bildungsplan BG systematisch eingearbeitet und aufeinander abgestimmt werden: - Individuelle Förderung als pädagogisches Leitprinzip - pädagogisch sinnvoller Einsatz digitaler Endgeräte sowie Medienbildung - qualitative Weiterentwicklung insbesondere im Sprach- und MINT-Bereich - Berücksichtigung der Bedarfe von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund zur Förderung der Integrationskraft beruflicher Schulen - Übergänge von zubringenden Schulen optimieren. 19 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3109 - 13 - Unterstützung der Institute EIBOR und KIBOR (Handlungsempfehlung 3.2.15) Die religionspädagogischen Institute EIBOR und KIBOR sind Institute zur wissenschaftlichen Reflexion und Weiterentwicklung des evangelischen und katholischen Religionsunterrichts an beruflichen Schulen mit bundesweiter und teilweise sogar internationaler Ausstrahlung. Die Unterstützung der Institute erfolgt explizit im Zusammenhang mit der Handlungsempfehlung 3.2.15 der Enquetekommission, die zur Stärkung der Werteorientierung empfiehlt, die Qualität des Religionsunterrichts im beruflichen Schulbereich zu fördern und den beiden Instituten KIBOR und EIBOR weiterhin personelle Mittel zur Verfügung zu stellen. Entsprechend wird seit 2013 je eine Lehrkraft an das KIBOR bzw. EIBOR abgeordnet, die aus Enquetemitteln bezahlt werden. Die eingesetzten Lehrkräfte erzielen eine gute Wirkung hinsichtlich der Verzahnung der wissenschaftlichen Arbeit der Institute mit der Lehrkräftefortbildung zur Weiterentwicklung der Unterrichtsqualität im Fach Religion (u. a. durch E-Learning-Projekte, Praxishandreichungen , Beitrag religiöser Kompetenz zur Integration; interkulturelle und interreligiöse Bildung). III. Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung und Stärkung der Eigenständigkeit beruflicher Schulen Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung, Abbau des strukturellen Defizits (Handlungsempfehlung 3.1.3) Die seit dem Schuljahr 2011/2012 zu verzeichnende kontinuierliche Verbesserung der Unterrichtsversorgung der beruflichen Schulen (Verringerung des strukturellen Versorgungsdefizits von 4,4 Prozent auf 2,3 Prozent zum letzten Enquete-Berichtsjahr 2014/2015) konnte auch in den beiden folgenden Schuljahren 2015/2016 und 2016/2017 fortgesetzt werden. Das Defizit konnte in diesen beiden Jahren um weitere 0,6 Prozentpunkte auf zuletzt 1,7 Prozent (Schuljahr 2016/2017) reduziert werden. Die zwischenzeitlich parallel dazu gelungene Reduzierung des Regelstundenmaßausgleichs („Bugwelle“) konnte indes nicht gehalten werden. Insbesondere aufgrund der notwendigen Versorgungssicherung in Mangelfächern ist die Bugwelle in den beiden vergangenen Schuljahren wieder in den Bereich der alten Höchstwerte angestiegen und betrug zuletzt 1.835 Deputate (Schuljahr 2016/2017). Die Sicherung der Unterrichtsversorgung ist und bleibt ein zentrales bildungspolitisches Ziel der Landesregierung. Die Versorgungssituation und die Bugwelle an den beruflichen Schulen werden im Rahmen der Entscheidungen über die Verteilung der verfügbaren Lehrerressourcen auch in den kommenden Schuljahren mit einbezogen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3109 20 - 14 - Weiterentwicklung von OES: (Handlungsempfehlung 3.2.2) Fortbildungsbudget für schulspezifische Fachfortbildungen: Die operative Eigenständigkeit öffentlicher beruflicher Schulen bei der Fortbildungsplanung und -durchführung wird durch die Bereitstellung von Ressourcen in schulischer Selbstverwaltung maßgeblich unterstützt. Hierzu können Fortbildungen unter Einbeziehung außerschulischer Personen bzw. Institutionen (z. B. im Kfz-Bereich direkt bei Automobilherstellern ) von den Schulen geplant und durchgeführt werden. Die Fortbildungsmaßnahmen zielen darauf ab, Innovationen der betrieblichen Praxis in den Schulen zu verankern. Die Mittel können für Fortbildungen zu folgenden Schwerpunkten eingesetzt werden: - technische Innovationen der beruflichen Arbeitswelt (z. B. Produktneuerungen, veränderte Arbeitsweisen und Standards); - administrativ-strukturelle Innovationen (z. B. Einführung digitaler Hilfsmittel); - pädagogisch-didaktische Maßnahmen der Unterrichtsentwicklung; - Fortbildungsmaßnahmen der Lehrkräfte im Umgang mit Flüchtlingsklassen (seit 2015). Von 2014 bis 2017 wurden den Schulen jeweils durchschnittlich 1.750 Euro p. a. zur Verfügung gestellt. In einer Evaluation unter den Schulleitungen 2015 wurde das schulische Fortbildungsbudget als hilfreiche und für schulspezifische Fortbildungsbedarfe wirkungsvolle Maßnahme beurteilt. Schulentwicklung als Teil der Führungskräfteentwicklung: Schulentwicklung ist zentraler Bestandteil des Aufgabenspektrums von Schulleitungen als Führungskräfte an Schulen. In den angestoßenen Führungskräfteentwicklungsmaßnahmen geht es vorrangig um Fragen der Gestaltung unterrichtswirksamer Führung. Es entstanden erweiterte und deutlich verbesserte Unterstützungsangebote wie z. B. praxisorientierte Fortbildungsreihen und Workshops sowie themenspezifische Fachtagungen . Führungskräfte fast aller beruflichen Schulen des Landes haben inzwischen an den Fortbildungsmaßnahmen teilgenommen. Aus den Teilnehmerrückmeldungen ist klar erkennbar, dass die Unterstützungsangebote für Führungskräfte als äußerst hilfreich und wertvoll für die kompetente Führung und Steuerung von Schul- und Unterrichtsentwicklung betrachtet werden. Die Fortbildungsangebote sind inzwischen regelhaft im OES-Fortbildungsangebot integriert. Führungskräfte an beruflichen Schulen müssen in der Lage sein, Unterrichts- und Lernprozesse differenziert für die verschiedenen Schularten bzw. Bildungsgänge zu organisieren , Veränderungsprozesse erfolgreich zu gestalten sowie Innovationen voranzutreiben . Dazu sind geeignete datengestützte Verfahren ebenso notwendig wie wissen- 21 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3109 - 15 - schaftliche und auf den Kontext der beruflichen Bildung bezogene Fundierung des Führungskräftehandelns. Entsprechend werden derzeit zwei Angebote entwickelt: - Im Rahmen von Workshops erarbeiten Führungskräfteteams die schulspezifische Umsetzung von anerkannten Verfahren zur datengestützten Schulentwicklung. - Eine Weiterbildungsreihe auf Hochschulniveau (Studienreihe) in direkter inhaltlicher Beziehung zu den Herausforderungen der Schulentwicklung an öffentlichen beruflichen Schulen ermöglicht Führungskräften ab 2018 die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Fragen von Unterrichts- und Lernprozessen in den verschiedenen Schularten bzw. Bildungsgängen sowie von Veränderungs- und Innovationsmanagement . Die konkrete schulische Umsetzung wird über Leistungsnachweise erprobt . Öffnung Fremdevaluation und AZAV-Zertifizierung (Handlungsempfehlung 3.2.2) Die Frage der Öffnung der Fremdevaluation wurde im Berichtszeitraum nicht behandelt. Zwischen 2012 und 2015 wurde ein diesbezügliches Modellprojekt durchgeführt, dessen wissenschaftliche Auswertung keine signifikanten Vorteile für die Durchführung von Fremdevaluationen durch freie Anbieter ergab. Für die beruflichen Schulen besteht außerhalb des bisherigen Konzeptes der Fremdevaluation die von der Enquetekommission ebenfalls empfohlene Möglichkeit zur Zertifizierung durch externe Dienstleister, um Bildungsmaßnahmen anbieten zu können, die von der Arbeitsverwaltung gefördert werden. In der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung (AZAV) sind die Anforderungen für Anerkennung und Zulassung (Zertifizierung) von Bildungsträgern und Bildungsmaßnahmen formuliert. Die von den Agenturen für Arbeit ausgegebenen Bildungsgutscheine können nur bei zertifizierten Bildungsträgern eingelöst werden. Baden-Württemberg entschied sich daher, öffentlichen beruflichen Schulen die Möglichkeit des Erwerbs des AZAV-Zertifikats im Matrixverfahren zu geben. Bedeutsam war in diesem Zusammenhang, dass aufgrund des dringenden Bedarfs an Ausbildungskapazitäten im Bereich der Pflege- und Erzieherberufe entsprechende Umschülerinnen und Umschüler als mögliche Zielgruppe in den Fokus genommen wurden. Zum Januar 2014 wurde daher am Regierungspräsidium Stuttgart eine landesweit zuständige Trägerstelle installiert, die die erfolgreiche Zertifizierung und Überwachungsbegutachtung nach AZAV von rund 100 öffentlichen beruflichen Schulen verschiedener Fachrichtungen im ganzen Land begleitet. Insgesamt sind zwischenzeitlich 62 Bildungsgänge als förderfähige Maßnahmen zertifiziert. Seit dem Schuljahr 2013/2014 konnten rund 3.100 Schülerinnen und Schüler als geförderte Teilnehmende aufgenommen werden. Rund 60 Prozent dieser Personen besuchten Bildungsgänge im Bereich Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3109 22 - 16 - Erziehung und Pflege; die anderen Teilnehmenden befanden sich vor allem in gewerblich -technischen Bildungsgängen. Eine externe Zertifizierung durch eine akkreditierte Stelle bestätigt regelmäßig die Erfüllung der AZAV-Anforderungen. Beim diesjährigen Audit wurde den AZAV-zertifizierten öffentlichen beruflichen Schulen des Landes Baden-Württemberg erneut eine deutliche positive Entwicklung zugesprochen. Eine AZAV-Zertifizierung bezieht sich dabei meist auf jene Bildungsgänge, für die die Agenturen für Arbeit bzw. Jobcenter Bildungsgutscheine vergeben.