Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 3119 07. 12. 2017 1Eingegangen: 07. 12. 2017 / Ausgegeben: 26. 01. 2018 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie ist der momentane Stand der Planungen zur Einführung der Blauen Plakette ? 2. Wie soll nach den derzeitigen Vorstellungen die konkrete Umsetzung bei Einführung der Blauen Plakette gestaltet werden? 3. Sollen nach den derzeitigen Vorstellungen die Vergabevorgaben für die Blaue Plakette (Diesel-Pkw ab Euro 6, Benziner-Pkw ab Euro 3/4), wie bisher gefordert , gleich bleiben? 4. In welchem Umfang erwartet die Landesregierung eine Reduzierung der Feinstaubbelastung durch die Einführung der Blauen Plakette für die Stadt Stuttgart ? 5. In welchem Umfang könnte nach Einschätzung der Landesregierung die Feinstaubbelastung auch im Stadtgebiet von Esslingen reduziert werden, wenn es auch hier zur Einführung einer Blauen Plakette kommen würde? 6. Welche Auswirkungen erwartet die Landesregierung für die Wirtschaft, das Handwerk und den Einzelhandel im Stadtgebiet und Großraum Stuttgart für den Fall, dass die Blaue Plakette eingeführt wird? 01. 12. 2017 Deuschle CDU Kleine Anfrage des Abg. Andreas Deuschle CDU und Antwort des Ministeriums für Verkehr Mögliche Auswirkungen der Einführung der Blauen Plakette Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3119 2 B e g r ü n d u n g Der aktuelle Ansatz der Landesregierung zur Reduzierung der Schadstoffbelas - tung sieht die Einführung einer Blauen Plakette vor. Deren Ziel ist es, die Stickstoffdioxidbelastung (NO2) in Städten zu senken. Es ist nun von Interesse zu erfahren , wie die konkrete Umsetzung aussehen soll, wenn es zur Einführung der Blauen Plakette kommen sollte. A n t w o r t * ) Mit Schreiben vom 12. Januar 2018 Nr. 4-0141.5/313 beantwortet das Ministerium für Verkehr im Einvernehmen mit dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie ist der momentane Stand der Planungen zur Einführung der Blauen Plakette ? 2. Wie soll nach den derzeitigen Vorstellungen die konkrete Umsetzung bei Einführung der Blauen Plakette gestaltet werden? 3. Sollen nach den derzeitigen Vorstellungen die Vergabevorgaben für die Blaue Plakette (Diesel-Pkw ab Euro 6, Benziner-Pkw ab Euro 3/4), wie bisher gefordert , gleich bleiben? Die Fragen 1, 2 und 3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Wie das Gesamtwirkungsgutachten für den Luftreinhalteplan Stuttgart aufzeigt, ist die Einführung einer „Blauen“ Umweltzone erforderlich, um die geltenden Grenzwerte für Feinstaub PM10 und Stickstoffdioxid schnellstmöglich zu erreichen. Um eine „Blaue Plakette“ in Umweltzonen einführen zu können, muss zuerst die Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung (35. BlmSchV) um eine neue Schadstoffgruppe erweitert werden . Die Fortschreibung der 35. BImSchV liegt in der Regelungskompetenz des Bundes. Die genaue Ausgestaltung einer neuen Plakette obliegt dem Bundesgesetzgeber . Die Landesregierung hat im Oktober 2016 einen Verordnungsentwurf zur Schaffung einer Blauen Plakette in den Bundesrat eingebracht. Eine Blaue Plakette sollen nach den Vorstellungen der Landesregierung Fahrzeuge mit Diesel- Motor ab Euro 6/VI, Fahrzeuge mit Otto-Motor ab Euro 3/III und Fahrzeuge ohne Verbrennungsmotor (z. B. Elektro- und Brennstoffzellenfahrzeuge) erhalten. Um einen Anreiz für die Nachrüstung zu setzen ist zu prüfen, ob auch Euro 5/V Dieselfahrzeuge eine Blaue Plakette erhalten können, sofern die Nachrüstung die Stickstoffdioxid -Emissionen nachweislich auf das Niveau von Euro 6/VI senkt. Die Einführung einer „Blauen“ Umweltzone setzt voraus, dass dies als Maß - nahme in einem Luftreinhalteplan enthalten ist. So sieht der im Mai veröffentlichte Entwurf zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart und die im November veröffentlichte Fortschreibung des Luftreinhalteplans Reutlingen jeweils eine „Blaue“ Umweltzone ab 1. Januar 2020 vor. Im Luftreinhalteplan Reutlingen ist zudem der ausdrückliche Vorbehalt enthalten, dass diese Maßnahme nur umgesetzt wird, wenn der gemessene Jahresmittelwert 2018 für Stickstoffdioxid über dem Grenzwert liegt und unter Berücksichtigung der vorläufigen Messergebnisse aus 2019. _____________________________________ *) Der Überschreitung der Drei-Wochen-Frist wurde zugestimmt. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3119 4. In welchem Umfang erwartet die Landesregierung eine Reduzierung der Feinstaubbelastung durch die Einführung der Blauen Plakette für die Stadt Stuttgart ? Die Belastung mit Feinstaub PM10 konnte in Stuttgart in den letzten Jahren durch die Umsetzung wirksamer Maßnahmen, insbesondere durch die Einführung und Verschärfung der Umweltzone, kontinuierlich gesenkt werden. Die Einführung einer „Blauen“ Plakette zielt vorrangig auf die Reduktion der Stickstoffdioxid-Immissionen ab und erreicht bei diesem Schadstoff eine fast vollständige Einhaltung der Grenzwerte. Neben einer Verringerung der Emissionen wirkt eine „Blaue“ Umweltzone durch die Reduzierung der Fahrzeuganzahl auch positiv auf die Belastung mit Feinstaub PM10. Sie reduziert die Streckenlänge mit Überschreitung der Feinstaub PM10- Grenzwerte um 14 Prozent. Das geringere Reduktionspotenzial bei Feinstaub PM10 ist darauf zurückzuführen, dass selbst beim Betrieb von lokal emissionsfreien Fahrzeugen durch den Abrieb von Bremsscheiben, Reifen, etc. und die Aufwirbelung Feinstäube entstehen. Bei dieser Berechnung konnte aus methodischen Gründen nicht berücksichtigt werden, dass ein Rückgang der NO2-Immissionen auch zu einem Rückgang von sogenannten Sekundäraerosolen führt, was wiederum zu einer Senkung der PM10-Werte führt. 5. In welchem Umfang könnte nach Einschätzung der Landesregierung die Feinstaubbelastung auch im Stadtgebiet von Esslingen reduziert werden, wenn es auch hier zur Einführung einer Blauen Plakette kommen würde? Die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) hat in Esslingen im Jahr 2016 an der Messstelle Grabbrunnenstraße einen Jahresmittelwert für Stickstoffdioxid von 54 µg/m³ gemessen. Die Grenzwerte für Feinstaub PM10 waren eingehalten. Ob und in welchem Umfang die Einführungen einer „Blauen“ Plakette zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid notwendig wird, wird im Rahmen der Entwicklung von Luftreinhaltemaßnahmen, die zur Einhaltung des Grenzwertes geeignet sind, untersucht werden. Es ist davon auszugehen , dass eine Blaue Umweltzone zur Einhaltung aller Schadstoffgrenzwerte in Esslingen führen würde. 6. Welche Auswirkungen erwartet die Landesregierung für die Wirtschaft, das Handwerk und den Einzelhandel im Stadtgebiet und Großraum Stuttgart für den Fall, dass die Blaue Plakette eingeführt wird? Für Baden-Württemberg besteht eine landeseinheitliche Ausnahmekonzeption für die bestehenden Umweltzonen. Zur Abfederung von Härten würden die bisher für Umweltzonen geltenden Ausnahmeregelungen fortgeschrieben und ggf. ergänzt. Ausnahmen von Verkehrsverboten sind in der Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung (35. BImSchV) geregelt. In Anhang 3 der 35. BImSchV sind bestimmte Fahrten und Fahrzeuge generell von den Verkehrsverboten ausgenommen. Zusätzlich können nach § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV die zuständigen Behörden, in unaufschiebbaren Fällen auch die Polizei, den Verkehr mit Fahrzeugen, die von Verkehrsverboten im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG betroffen sind, von und zu bestimmten Einrichtungen zulassen, soweit dies im öffentlichen Interesse liegt. Insbesondere gilt dies für Fahrten, die zur Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern und Dienstleistungen notwendig sind, überwiegende und unaufschiebbare Interessen Einzelner diese erfordern oder wenn Fertigungs- und Produktionsprozesse auf andere Weise nicht aufrechterhalten werden können. Auf dieser Grundlage sind unter anderem Ausnahmen für schwerbehinderte Menschen , Krankenwagen und Arztwagen, für soziale und pflegerische Hilfsdienste, für notwendige regelmäßige Arztbesuche (beispielsweise für Dialysepatient/-innen ), für Schichtdienstleistende, die nicht auf den ÖPNV ausweichen können, sowie für Fahrten zur Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Dienstleistungen (beispielsweise Erhalt und Reparatur betriebsnotwendiger technischer Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3119 4 Anlagen, Behebung von Gebäudeschäden) sowie bei Existenzgefährdung, insbesondere bei Kleinbetrieben wie z. B. Privatfahrschulen vorgesehen. Bis 31. Dezember 2021 sollen außerdem Kraftfahrzeuge im Lieferverkehr, Quellund Zielfahrten von Reisebussen, für Linienbusse des öffentlichen Personenverkehrs , Taxen, Fahrzeuge im Mietwagenverkehr, Carsharingfahrzeuge und Fahrten mit Wohnmobilen zu Urlaubszwecken von Verkehrsverboten in einer Blauen Umweltzone ausgenommen werden. Hermann Minister für Verkehr