Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 3136 12. 12. 2017 1Eingegangen: 12. 12. 2017 / Ausgegeben: 02. 02. 2018 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wer hat für entstandene Schäden durch vor 2011 durchgeführte Geothermiebohrungen , für Kosten für etwaig notwendige baupolizeiliche Maßnahmen sowie für die Sanierung von Bohrlöchern im Falle einer Insolvenz eines beauftragten Unternehmens aufzukommen? 2. Mit welcher Deckungssumme haften Versicherungen des mit 17 Geothermiebohrungen in Böblingen beauftragten Unternehmens für verschuldet und unverschuldet entstandene Schäden und Sanierungskosten? 3. Wie hoch sind die infolge von 17 Geothermiebohrungen in Böblingen entstandenen Wertminderungen von Grundstücken sowie Schäden an Wohn- und Gewerbegebäuden , Straßen, Telekommunikations-, Strom-, Gas-, Zu- und Abwasserversorgungsnetzen sowie durch das Hebungsgebiet verlaufenden Fernwasserleitungen ? 4. Wie hoch sind die Kosten für die vorgenommenen baupolizeilichen Maßnahmen sowie die notwendige Sanierung der 17 Bohrlöcher und bis wann können die Sanierungsmaßnahmen an allen Bohrlöchern abgeschlossen werden? 5. Welche Kosten für baupolizeiliche Maßnahmen und die Sanierung der 17 Bohr - löcher machen die Kommunen und das Land gegenüber den Auftraggebern der Geothermiebohrungen, beauftragten Unternehmen und Versicherungen bislang und voraussichtlich geltend? 6. Beabsichtigen das Land und die Kommunen mit der Vollstreckung dieser Gebühren und Außenstände abzuwarten, bis die Eigentümer der beschädigten Immobilien entschädigt sind? Kleine Anfrage des Abg. Paul Nemeth CDU und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Erdhebungen durch Geothermiebohrungen insbesondere in Böblingen Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3136 2 7. Wurden eine oder mehrere der 17 Erdwärmebohrungen in Böblingen direkt oder indirekt aus Bundes- oder Landesmitteln zum Beispiel aus dem Programm zur Wärmepumpenförderung des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) oder durch vergünstigte Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gefördert? 8. Beabsichtigt das Land, für die Beseitigung der durch Geothermiebohrungen in Böblingen entstandenen Schäden Gelder zur Verfügung zu stellen, nachdem bereits 24 Millionen Euro für die Beseitigung ähnlich verheerender Schäden in Staufen zugesagt wurden? 9. Beabsichtigt das Land, Eigentümer beschädigter Häuser in Böblingen finan - ziell zu unterstützen, wenn die Differenz zwischen tatsächlich gezahltem Entschädigungsbetrag und Schadenshöhe für einzelne Eigentümer existenzbe - drohend hoch sein sollte? 11. 12. 2017 Nemeth CDU B e g r ü n d u n g Die Erdhebungen in Böblingen waren bereits Gegenstand mehrerer Anträge und Anfragen an die Landesregierung. Für die Eigentümer der rund 200 beschädigten Häuser im Hebungsgebiet ist allerdings nach wie vor unklar, wann und in welcher Höhe sie entschädigt werden. Ein Teil der Häuser ist so schwer beschädigt, dass die Sanierungskosten die jeweiligen Eigentümer in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedrohen. A n t w o r t * ) Mit Schreiben vom 22. Januar 2018 Nr. 5-0141.5/591 beantwortet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft im Einvernehmen mit dem Ministerium für Finanzen die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wer hat für entstandene Schäden durch vor 2011 durchgeführte Geothermiebohrungen , für Kosten für etwaig notwendige baupolizeiliche Maßnahmen sowie für die Sanierung von Bohrlöchern im Falle einer Insolvenz eines beauftragten Unternehmens aufzukommen? Die Insolvenz des beauftragten Unternehmens hat keinen Einfluss auf die materiellen Haftungsfragen. Bei der Insolvenz eines Schuldners richtet sich die Befriedigung der Gläubiger des Insolvenzschuldners nach der Insolvenzordnung. Die Insolvenzgläubiger können ihre Forderung zur Insolvenztabelle anmelden. Eine Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners ist nicht zulässig. Sofern ein Gläubiger gegen den insolventen Schuldner jedoch einen Anspruch hat, für welchen Haftpflichtversicherungsschutz im Sinne des § 100 Versicherungsvertragsgesetz besteht, kann der Gläubiger abgesonderte Befriedigung gemäß § 110 Versicherungsvertragsgesetz aus dem Freistellungsanspruch des Schuldners gegen die Versicherung geltend machen. Die Möglichkeit der abgesonderten Befriedung gewährt ein Vorzugsrecht gegenüber sonstigen Gläubigern. Ein Direktanspruch gegenüber dem Haftpflichtversicherer besteht nicht, da es sich nicht um eine Pflichtversicherung im Sinne des § 113 Versicherungsvertragsgesetz handelt. _____________________________________ *) Der Überschreitung der Drei-Wochen-Frist wurde zugestimmt. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3136 2. Mit welcher Deckungssumme haften Versicherungen des mit 17 Geothermiebohrungen in Böblingen beauftragten Unternehmens für verschuldet und unverschuldet entstandene Schäden und Sanierungskosten? Das Bohrunternehmen, das die 17 sanierungsbedürftigen Erdwärmesonden in Böblingen ausgeführt hat, hatte im relevanten Zeitraum drei verschiedene Haftpflichtversicherer . Durch einen Schiedsspruch eines von den Versicherungen in Auftrag gegebenen Schiedsgutachtens ist geklärt, wer zuständiger Versicherer für die Schadensfälle in Böblingen ist. Ein von der zuständigen Versicherung in Auftrag gegebenes Gutachten ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die im Versicherungsvertrag mit dem Bohrunternehmen enthaltene Serienschadenklausel der Umwelthaftpflichtversicherung zur Anwendung kommt und damit sowohl für das nördliche als auch für das südliche Hebungsgebiet jeweils ein Schadensfall zugrunde zu legen ist, mit der Folge, dass pro Hebungsgebiet jeweils eine Schadenssumme von fünf Millionen Euro zur Verfügung steht. Daneben besteht eine verschuldungsunabhängige Versicherung für die Zeiträume vom 1. November 2011 bis 31. Dezember 2013 und vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2014 mit einer Deckungssumme von jeweils einer Million Euro. Diese Deckungssumme steht nach Ansicht der Versicherung in dem jeweiligen Versicherungszeitraum einmalig für alle Schadensfälle in Baden-Württemberg zur Verfügung. Nach Auffassung der Versicherung beträgt der Versicherungsrahmen damit insgesamt maximal 12 Millionen Euro. 3. Wie hoch sind die infolge von 17 Geothermiebohrungen in Böblingen entstandenen Wertminderungen von Grundstücken sowie Schäden an Wohn- und Gewerbegebäuden , Straßen, Telekommunikations-, Strom-, Gas-, Zu- und Abwasserversorgungsnetzen sowie durch das Hebungsgebiet verlaufenden Fernwasserleitungen ? Es liegen bis heute keine belastbaren Schätzungen für die Schadenshöhe an Wohn- und Gewerbegebäuden, Straßen, Telekommunikations-, Strom-, Gas-, Zuund Abwasserversorgungsnetzen sowie durch die Hebungsgebiete verlaufenden Fernwasserleitungen für alle Hebungsgebiete vor. Auch liegen noch keine Bewertungen über eventuelle Wertminderungen der Grundstücke in den Hebungsgebieten vor. 4. Wie hoch sind die Kosten für die vorgenommenen baupolizeilichen Maßnahmen sowie die notwendige Sanierung der 17 Bohrlöcher und bis wann können die Sanierungsmaßnahmen an allen Bohrlöchern abgeschlossen werden? Bis auf die Sanierung der vier Erdwärmesonden im Schliffkopfweg (Quartier III) im südlichen Hebungsgebiet sind die Sanierungsarbeiten abgeschlossen. Die Sanierung der Erdwärmebohrungen im Schliffkopfweg war im Februar 2016 zum Stillstand gekommen, nachdem beim Versuch, Hohlräume in der Ringraumverfüllung der Bohrung zu verfüllen, das Mineral Thaumasit angetroffen wurde. Die pastöse Masse verhinderte, dass Zement in die Hohlräume der Bohrungen ge - presst werden konnte. Die Sanierung der vier Erdwärmesonden wird seit August 2017 weitergeführt. Da das Sanierungsverfahren für die Randbedingungen angepasst werden musste und mit dem neuen Verfahren erst Erfahrungen gesammelt werden, lässt sich ein genauer Zeitpunkt, bis wann die Arbeiten abgeschlossen werden können, nicht vorhersagen. Angestrebt wird eine Fertigstellung der Sanierungsarbeiten zur Jahresmitte 2018. Für die abgeschlossenen Sanierungsmaßnahmen im ursprünglichen Sanierungsverfahren und die vorläufigen Kosten für die laufenden Sanierungsarbeiten mit dem modifizierten Sanierungsverfahren sind folgende Kosten bisher angefallen bzw. werden schätzungsweise noch anfallen: • Quartier I (nördliches Hebungsgebiet): 1.566.071,99 Euro Kostenbescheid vom 1. August 2016. • Quartiere II und III (südliches Hebungsgebiet): 2.053.525,23 Euro Kostenbescheid vom 10. August 2016. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3136 4 • Quartier III (südliches Hebungsgebiet): 3.000.000,00 Euro geschätzte Kosten, inklusive der Verfahrensweiterentwicklung. Die aufgeführten Kosten sind für alle drei Quartiere nicht abschließend, da wei - tere Maßnahmen, wie beispielsweise der Rückbau von Messstellen und laufende Sanierungsarbeiten, sowie Untersuchungen, wie z. B. der Bodenbewegungen mittels Auswertung von Satellitendaten, erforderlich sind. 5. Welche Kosten für baupolizeiliche Maßnahmen und die Sanierung der 17 Bohr - löcher machen die Kommunen und das Land gegenüber den Auftraggebern der Geothermiebohrungen, beauftragten Unternehmen und Versicherungen bislang und voraussichtlich geltend? Auf die Antworten zu den Ziff. 3 und 4 wird verwiesen. Die dort bezeichneten Kosten wurden bzw. werden unter Beachtung der insolvenzrechtlichen Regelungen gegenüber dem Bohrunternehmen bzw. gegenüber der Versicherung geltend gemacht. 6. Beabsichtigen das Land und die Kommunen mit der Vollstreckung dieser Gebühren und Außenstände abzuwarten, bis die Eigentümer der beschädigten Immobilien entschädigt sind? Bezüglich der Geltendmachung der Ansprüche nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Schuldners wird auf die Antwort zu Ziff. 1 verwiesen . Eine Vollstreckung ist im laufenden Insolvenzverfahren weder möglich noch beabsichtigt. Die Erhebung der Gebäudeschäden durch die Versicherung ist noch nicht abgeschlossen, weshalb auch keine Aussage zur Gesamtschadenssumme und zum weiteren Vorgehen möglich ist. 7. Wurden eine oder mehrere der 17 Erdwärmebohrungen in Böblingen direkt oder indirekt aus Bundes- oder Landesmitteln zum Beispiel aus dem Programm zur Wärmepumpenförderung des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) oder durch vergünstigte Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gefördert? Grundsätzlich bestand die Möglichkeit, für Geothermiebohrungen Fördermittel zu erhalten. Hierzu liegen jedoch im konkreten Fall keine Erkenntnisse vor. 8. Beabsichtigt das Land, für die Beseitigung der durch Geothermiebohrungen in Böblingen entstandenen Schäden Gelder zur Verfügung zu stellen, nachdem bereits 24 Millionen Euro für die Beseitigung ähnlich verheerender Schäden in Staufen zugesagt wurden? 9. Beabsichtigt das Land, Eigentümer beschädigter Häuser in Böblingen finanziell zu unterstützen, wenn die Differenz zwischen tatsächlich gezahltem Entschädigungsbetrag und Schadenshöhe für einzelne Eigentümer existenzbedrohend hoch sein sollte? Nach Sachstand ist die Versicherung zur Regulierung der entstandenen Schäden bereit. Es besteht keine Grundlage und wäre nicht sachgerecht, wollte das Land anstelle oder komplementär zu einer Versicherung eintreten. Weder ist hier bisher bekannt, ob Entschädigungsleistung der Versicherung und tatsächliche Schadenshöhe auseinanderfallen noch welches Ausmaß eine etwaige Differenz hätte. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft