Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 3144 13. 12. 2017 1Eingegangen: 13. 12. 2017 / Ausgegeben: 01. 02. 2018 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie hat sich die Zahl der Überlastungsanzeigen beim ärztlichen und pflegerischen Personal des Universitätsklinikums Heidelberg in den vergangenen fünf Jahren entwickelt? 2. Wie hat sich entsprechend die Zahl der Langzeiterkrankungen in den letzten fünf Jahren verändert? 3. Lassen sich die Entwicklungen bei der Zahl der Überlastungsanzeigen und bei der Zahl der Langzeiterkrankungen in einen unmittelbaren Zusammenhang bringen und wenn ja, in welchen (vergleiche Drucksache 16/1837 Ziffer 8)? 4. Welche Gegenmaßnahmen werden hinsichtlich der steigenden Zahlen von Überlastungsanzeigen und Langzeiterkrankungen seitens des Universitätsklinikums Heidelberg bereits unternommen bzw. sind angedacht oder geplant? 5. Wie hoch ist derzeit der Anteil der befristeten Arbeitsverhältnisse beim ärzt - lichen und pflegerischen Personal im Universitätsklinikum Heidelberg (Angaben in absoluten Zahlen und in Prozent)? 6. Welche personalpolitischen Maßnahmen wie beispielsweise betrieblicher Gesundheitsschutz , Sicherheit der Ausbildungsqualität und Berechnungen des Personalbedarfs werden ergriffen, um die Gesamtsituation der Beschäftigten am Universitätsklinikum Heidelberg zu verbessern und eine Abwanderung des ärztlichen und pflegerischen Personals zu vermeiden? 7. Sind ihr Fälle bekannt, bei denen Personalangelegenheiten von befristet eingestellten Beschäftigten am Heidelberger Universitätsklinikum dem Personalrat von der Klinikleitung nicht vorgelegt wurden, obwohl es § 99 Absatz 2 des Landespersonalvertretungsgesetzes so vorsieht? 12. 12. 2017 Kleinböck SPD Kleine Anfrage des Abg. Gerhard Kleinböck SPD und Antwort des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Arbeitsbedingungen der Beschäftigten am Universitätsklinikum Heidelberg Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3144 2 A n t w o r t * ) Mit Schreiben vom 18. Januar 2018 Nr. 42-773-2-130/2/1 beantwortet das Minis - terium für Wissenschaft, Forschung und Kunst die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Wie hat sich die Zahl der Überlastungsanzeigen beim ärztlichen und pflegerischen Personal des Universitätsklinikums Heidelberg in den vergangenen fünf Jahren entwickelt? Im Pflegedient hat sich die Zahl der Überlastungsanzeigen (Stand: 20. Dezember 2017) wie folgt entwickelt: Im ärztlichen Dienst gibt es keine institutionalisierten Überlastungsanzeigen, wie dies beim Pflegedienst der Fall ist, weswegen auf keine entsprechende Datengrundlage zurückgegriffen werden kann. 2. Wie hat sich entsprechend die Zahl der Langzeiterkrankungen in den letzten fünf Jahren verändert? Die Zahl der Langzeiterkrankungen („LZK“) hat sich bei durchschnittlicher monatlicher Betrachtungsweise wie folgt entwickelt: Ärztlicher Dienst Pflege- und Funktionsdienst _____________________________________ *) Der Überschreitung der Drei-Wochen-Frist wurde zugestimmt. Jahr: 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Anzahl: 94 132 139 325 288 264 Jahr LZK Anzahl Beschäftigte (ohne Beurlaubte) % LZK 2012 5 1.434 0,3 % 2013 4 1.503 0,3 % 2014 3 1.526 0,2 % 2015 3 1.526 0,2 % 2016 3 1.609 0,2 % 2017 3 1.657 0,2 % Jahr LZK Anzahl Beschäftigte (ohne Beurlaubte) % LZK 2012 61 2.968 2,1 % 2013 64 3.016 2,1 % 2014 81 3.162 2,6 % 2015 81 3.162 2,6 % 2016 68 3.214 2,1 % 2017 86 3.294 2,6 % 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3144 3. Lassen sich die Entwicklungen bei der Zahl der Überlastungsanzeigen und bei der Zahl der Langzeiterkrankungen in einen unmittelbaren Zusammenhang bringen und wenn ja, in welchen (vgl. Drucksache 16/1837 Ziffer 8)? Die Entwicklung der Anzahl der Überlastanzeigen und die Zahl der Langzeiterkrankungen lassen sich nach der vorhandenen Datenlage in keinen unmittelbaren Zusammenhang bringen. Während beispielsweise die Zahl der Überlastungsanzeigen von 2014 auf 2015 von 139 auf 325 stieg, blieb die Zahl der Langzeiterkrankungen im Pflege- und Funktionsdienst in diesem Zeitraum gleich und fiel 2016, sodann stieg sie 2017 wieder an, obwohl die Zahl der Überlastungsanzeigen in diesem Zeitraum weiter sank. 4. Welche Gegenmaßnahmen werden hinsichtlich der steigenden Zahlen von Überlastungsanzeigen und Langzeiterkrankungen seitens des Universitätsklinikums Heidelberg bereits unternommen bzw. sind angedacht oder geplant? Zunächst ist festzustellen, dass die Zahl der Überlastungsanzeigen seit 2015 nicht steigt, sondern sinkt. Der Anteil der Langzeiterkrankungen beim ärztlichen Personal ist seit 2014 absolut betrachtet gleichgeblieben und schwankt im Pflege- und Funktionsdienst in Relation zur Anzahl der Beschäftigten zwischen 2,1 % und 2,6 %. Allgemein werden Überlastungsanzeigen unmittelbar und systematisch analysiert. Bei einer Häufung von Überlastungsanzeigen aus einem Bereich wird eine „Task Force“ im Sinne eines „round table“ aller betroffenen Akteure berufs- und hierarchieübergreifend einberufen, um mögliche Entlastungs- und Unterstützungsmaßnahmen zu besprechen und zu vereinbaren. Um aus organisatorischen bzw. strukturellen Gründen gestellte Überlastungsanzeigen zu vermeiden, wurde im Universitätsklinikum Heidelberg eine Verfahrensanweisung „Prävention von Gefährdungssituationen im Pflegedienst“ erarbeitet. Hervorzuheben ist, dass im Universitätsklinikum Heidelberg in diesem Jahr im gesamten Pflegedienst eine psychische Gefährdungsbeurteilung unter Einsatz von Gesundheitszirkeln stattgefunden hat und derzeit weitere Maßnahmen in diesem Zusammenhang geplant sind. Die Planung und Umsetzung der Maßnahmen aus der Gefährdungsbeurteilung dauert derzeit noch an und wird im Jahr 2018 unter Beteiligung des Max-Weber-Instituts für Soziologie der Universität Heidelberg fortgeführt. 5. Wie hoch ist derzeit der Anteil der befristeten Arbeitsverhältnisse beim ärzt - lichen und pflegerischen Personal im Universitätsklinikum Heidelberg (Angaben in absoluten Zahlen und in Prozent)? Im ärztlichen Dienst beträgt der Befristungsanteil 76 %. Im Pflege- und Funk - tionsdienst liegt dieser bei 2,3 % (jeweils Stand 30. November 2017). Anzumerken ist hierbei, dass es sich bei den Befristungen im Pflegebereich größtenteils um studentische Aushilfen, also um nicht examiniertes Personal handelt. Der Anteil der befristeten Arbeitsverhältnisse stellt sich in der Gesamtübersicht wie folgt dar: Die Befristungsquote im ärztlichen Bereich erklärt sich aus der Notwendigkeit der Befristung des wissenschaftlichen Nachwuchses in der Qualifizierungsphase. So können die Hochschulen sicherstellen, dass sich jede Generation von Ärztinnen und Ärzten sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern qualifizieren kann. Die Fluktuation ermöglicht laufend den Zustrom von neuen Ideen an die Hochschule . Dienstart Gesamt davon befristet Befristungsquote Ärztlicher Dienst 1.652 1.258 76 % Pflege- und Funktionsdienst 2.599 60 2,3 % Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3144 4 6. Welche personalpolitischen Maßnahmen wie beispielsweise betrieblicher Gesundheitsschutz , Sicherheit der Ausbildungsqualität und Berechnungen des Personalbedarfs werden ergriffen, um die Gesamtsituation der Beschäftigten am Universitätsklinikum Heidelberg zu verbessern und eine Abwanderung des ärztlichen und pflegerischen Personals zu vermeiden? Das Universitätsklinikum Heidelberg berücksichtigt die Gesamtsituation der Beschäftigten mit einer Vielzahl von Maßnahmen. Beispielhaft sind hier zu nennen: a) Heidelberger Expertise in der Pflege – HEP 2020 Zur Verifizierung der Ausgangssituation wurde in Kooperation mit dem Max- Weber-Institut für Soziologie der Universität Heidelberg eine Bestandsaufnahme zu gesundheitsrelevanten psychischen Belastungen am Arbeitsplatz des Pflegepersonals durchgeführt. In der Konsequenz wurde ein Strategieprojekt der Pflegedirektion mit fünf Handlungsfeldern aufgelegt, die Heidelberger Expertise in der Pflege 2020 (HEP 2020). Die Handlungsfelder sind folgende: • Führung und Qualifizierung • Arbeitssicherheit, Gesundheit und Arbeitsumgebung • Marketing • Digitalisierung in der Pflege • Pflegequalität b) Mitarbeiterbindung Es werden Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung (und auch Mitarbeitergewinnung) durchgeführt. Darunter fallen u. a. auch die Pflegekampagne HEP 2020, die Verbesserung der Ausbildungsqualität, Fortbildungsmöglichkeiten, ein Springerpool sowie ein Führungskräfteentwicklungsprogramm. c) Gesundheitsmanagement Das Gesundheitsmanagement des Universitätsklinikums Heidelberg besteht aus drei Säulen: Betrieblicher Arbeitsschutz, betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) und betriebliche Gesundheitsförderung. Diese Säulen bestehen bereits jetzt und sollen u. a. im Betrieblichen Gesundheitsmanagement 2018 zusammengefasst , erweitert und stärker beworben werden. Ergänzend wurde eine betriebliche Sozialberatung eingeführt. Am Universitätsklinikum Heidelberg wurden die Stabsstellen Arbeitssicherheit und Betriebsärztlicher Dienst eingerichtet und personell sowie technisch sehr gut ausgestattet. Durch eine kontinuierliche Weiterentwicklung des betrieblichen Eingliederungsmanagements werden die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umfassend berücksichtigt. Weiterhin gibt es Angebote und Maßnahmen der Gesundheitsförderung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, z. B. Sport- und Präventionsprogramme. d) Beruf und Familie Die Gesamtsituation der Beschäftigten des Universitätsklinikums Heidelberg soll durch Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter verbessert werden, z. B. durch flexible Arbeitszeitmodelle und umfassende Beratungsangebote . e) Sicherheit der Ausbildungsqualität Die Sicherstellung der Ausbildungsqualität für die Gesundheits- und Krankenpflege und Gesundheits- und Kinderkrankenpflege erfolgt in der theoretischen Ausbildung am Universitätsklinikum Heidelberg durch die Bereitstellung und Verbesserung der räumlichen Ausstattung der Schulen in der Akademie für Gesundheitsberufe , der Einhaltung eines Lehrer-Schülerpersonalschlüssels von 1 : 15 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3144 bis max. 1 : 18 und der Festanstellung von Ärztinnen und Ärzten als Dozentinnen und Dozenten für medizinische Fächer. Es findet eine Evaluation der theoretischen Ausbildung statt. In der praktischen Ausbildung trägt das Konzept der hauptamtlichen Praxisanleiterinnen und Praxisanleiter, neben den stationsinternen Praxisanleiterinnen und Praxisanleitern, wesentlich zur Qualitätssicherung in der praktischen Ausbildung bei. Die Pflegedienstleitungen (PDL) der Kliniken haben Gesprächsrunden mit Auszubildenden eingeführt („PDL trifft Azubi“). Die Etablierung eines Interprofessionellen Ausbildungskonzepts HIPSTA (Heidelberger Interprofessionelle Ausbildungsstation) wird von allen Beteiligten, Auszubildenden aus den Pflegeausbildungen und Studierenden, als Bereicherung und Qualitätsgewinn für beide Ausbildungssysteme bewertet. f) Berechnung des Personalbedarfs Für die Personalausstattung der Intensivstationen (ICU) und Intensivüberwachungsstationen (IMC) wird am Universitätsklinikum Heidelberg das Personalbedarfsberechnungssystem INPULS angewendet. Das Instrument beinhaltet eine systematische , standardisierte Vorgehensweise in der Beurteilung der Patientinnen und Patienten und der Bestimmung des Pflegeaufwands. Das Instrument wurde an der Universitätsklinik Heidelberg von 1997 bis 2002 entwickelt und kontinuierlich weiterentwickelt. Es ist ein anerkanntes Instrument zur Kostenkalkulation pflegerischer Personalkosten im Intensivbereich und ist deutschlandweit in über 27 Kliniken im Einsatz. Es gilt als praktikables und valides Verfahren. In den Normalpflegebereichen wird eine jährliche Personalbedarfsbemessung für alle Stationen und Funktionsbereiche nach der Pflegepersonalregelung (PPR) Pflege- und Leistungserfassungssystem durchgeführt. Für das Jahr 2016 wurde eine Soll/Ist-Abweichung von insgesamt 2,94 % (ermittelte VK-Soll Besetzung im Verhältnis zur VK-Ist Besetzung) einschließlich des Springerpools ausgewiesen. Für das Jahr 2017 (Stand 10. November 2017) ist die Abweichung annähernd gleich wie 2016. Zum Ausgleich von unterschiedlichen Deckungsquoten der einzelnen Stationen wird der Einsatz von Springerpoolmitarbeiterinnen und -mitarbeitern genutzt und die Personalzuordnung zu den Stationen wird auch unterjährig angepasst. 7. Sind ihr Fälle bekannt, bei denen Personalangelegenheiten von befristet eingestellten Beschäftigten am Heidelberger Universitätsklinikum dem Personalrat von der Klinikleitung nicht vorgelegt wurden, obwohl das § 99 Absatz 2 des Landespersonalvertretungsgesetzes so vorsieht? Derartige Fälle sind nicht bekannt. Im Übrigen wird auf die Drucksache 16/2485 Ziffer 7 verwiesen. Steinbach Ministerialdirektor