Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 3166 15. 12. 2017 1Eingegangen: 15. 12. 2017 / Ausgegeben: 26. 01. 2018 K l e i n e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Bieten Schulen im Wahlkreis Konstanz (Gemeinden Allensbach, Gaienhofen, Konstanz, Moos, Öhningen, Radolfzell, Reichenau) islamischen Religionsunterricht an und falls ja, welche Schulen sind das? 2. Gibt es Planungen, das Angebot des islamischen Religionsunterrichts im Wahlkreis Konstanz auszubauen? 3. Wie hoch schätzt sie die Nachfrage nach islamischem Religionsunterricht im Wahlkreis Konstanz und den Bedarf nach entsprechend qualifizierten Lehrkräften mittelfristig ein? 4. Wie bewertet sie die Annahme, ein flächendeckender islamischer Religionsunterricht würde einen Beitrag zur Stärkung des religiösen Bewusstseins junger Menschen und damit zur Extremismusprävention leisten? 5. Welcher Wert wird Aspekten der Verfassungstreue und Extremismuspräven - tion im Rahmen der Ausbildung islamischer Religionslehrerinnen und Reli - gionslehrer vonseiten der Landesregierung beigemessen? 6. Wie bewertet sie den Sachstand der Ausbildung islamischer Religionslehrerinnen und Religionslehrer in Baden-Württemberg? 7. Mit welchen islamischen Organisationen und Dachverbänden arbeitet sie bei der Erteilung des islamischen Religionsunterrichts zusammen? 8. Wie stellt sie sicher, dass islamischer Religionsunterricht in Baden-Württemberg neutral gelehrt wird? 15. 12. 2017 Erikli, Halder GRÜNE Kleine Anfrage der Abg. Nese Erikli und Wilhelm Halder GRÜNE und Antwort des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Islamischer Religionsunterricht im Wahlkreis Konstanz und in Baden-Württemberg Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3166 2 B e g r ü n d u n g Der Ausbau islamischen Religionsunterrichts in Baden-Württemberg ist regelmäßig Thema der Landespolitik. Seit über zehn Jahren existiert ein Modellprojekt an mittlerweile fast 100 Schulen, für die hochschulische Ausbildung qualifizierter Lehrkräfte wurden Kapazitäten geschaffen. Die Kleine Anfrage soll den Stand des islamischen Religionsunterrichts im Wahlkreis Konstanz und die damit verbundenen Herausforderungen erfragen. A n t w o r t Mit Schreiben vom 8. Januar 2018 Nr. RA-7164.2/152 beantwortet das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Wir fragen die Landesregierung: 1. Bieten Schulen im Wahlkreis Konstanz (Gemeinden Allensbach, Gaienhofen, Konstanz, Moos, Öhningen, Radolfzell, Reichenau) islamischen Religionsunterricht an und falls ja, welche Schulen sind das? Islamische Religionslehre sunnitischer Prägung ist als ordentliches Lehrfach im Rahmen eines Modellprojekts eingerichtet. Ob an einer Schule das Fach angeboten wird, hängt unter anderem von der Entscheidung der Schule und des Schulträgers ab. An keinem der genannten Standorte wird derzeit islamischer Religionsunterricht sunnitischer Prägung erteilt. 2. Gibt es Planungen, das Angebot des islamischen Religionsunterrichts im Wahlkreis Konstanz auszubauen? Aufgrund mangelnder Nachfrage gibt es aktuell keine Planungen, islamischen Religionsunterricht an Standorten im Wahlkreis Konstanz anzubieten. 3. Wie hoch schätzt sie die Nachfrage nach islamischem Religionsunterricht im Wahlkreis Konstanz und den Bedarf nach entsprechend qualifizierten Lehrkräften mittelfristig ein? Aktuell wird islamischer Religionsunterricht sunnitischer Prägung in den in der Fragestellung genannten Gemeinden nicht nachgefragt. Das Staatliche Schulamt Konstanz und das Regierungspräsidium Freiburg gehen mittelfristig nicht von einer signifikant ansteigenden Nachfrage aus. Entsprechend wird kein Bedarf nach entsprechend qualifizierten Lehrkräften angemeldet. 4. Wie bewertet sie die Annahme, ein flächendeckender islamischer Religionsunterricht würde einen Beitrag zur Stärkung des religiösen Bewusstseins junger Menschen und damit zur Extremismusprävention leisten? Das Fach „Islamische Religionslehre sunnitischer Prägung“ eröffnet den Schü - lerinnen und Schülern Zugänge zur islamischen Religion, unterstützt sie auf der Suche nach dem eigenen Lebenssinn und trägt zu einer selbstbestimmten religiösen Identitätsbildung bei. Die Schülerinnen und Schüler setzen sich darüber hinaus mit dem religiös Anderen auseinander. In diesem Sinne kommen dem isla - mischen Religionsunterricht sunnitischer Prägung ein integrativer Effekt und ein Beitrag zur Extremismusprävention zu, auch wenn dieser nicht alleine oder vorrangig auf dieses Ziel hin ausgerichtet verstanden werden sollte. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3166 5. Welcher Wert wird Aspekten der Verfassungstreue und Extremismusprävention im Rahmen der Ausbildung islamischer Religionslehrerinnen und Religionslehrer vonseiten der Landesregierung beigemessen? Aspekte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wie auch aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zur Radikalisierung junger Menschen werden in unterschiedlichen Kontexten in der akademischen Ausbildung angehender Lehrerinnen und Lehrer thematisiert. Für die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für ein Lehramt müssen alle angehenden Anwärterinnen und Anwärter bzw. Studienreferendarinnen und Studienreferendare folgende Nachweise vorlegen: eine Erklärung darüber, dass sie nicht wegen eines Verbrechens oder Vergehens gerichtlich bestraft sind und dass gegen sie wegen des Verdachts einer Straftat kein gerichtliches Strafverfahren oder staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren anhängig ist oder anhängig war, eine Belehrung und Erklärung über die Pflicht zur Verfassungstreue sowie ein erweitertes Führungszeugnis. 6. Wie bewertet sie den Sachstand der Ausbildung islamischer Religionslehrerinnen und Religionslehrer in Baden-Württemberg? Mit der Etablierung entsprechender Studienfächer an den Pädagogischen Hochschulen und an der Universität Tübingen in den vergangenen Jahren wurde die Grundlage für die Lehrerbildung für den islamischen Religionsunterricht sunnitischer Prägung geschaffen. Im Rahmen des Lehramtsstudiums an den Pädagogischen Hochschulen wurde das Studienfach „Islamische Theologie/Religionspädagogik“ im Wintersemester 2007/2008 an den Pädagogischen Hochschulen Karlsruhe, Ludwigsburg und Weingarten sowie zum Wintersemester 2010/2011 auch an der Pädagogischen Hochschule Freiburg zunächst als Erweiterungsstudiengang eingerichtet, d. h. als ein zusätz liches, freiwilliges Erweiterungsfach neben den regulären Haupt- und Nebenfächern im Rahmen der Lehramtsstudiengänge an Grundschulen und an Werkreal-, Haupt- und Realschulen. Das Studienfach konnte zudem als Kompetenzbereich im Rahmen des Lehramtsstudiengangs an Grundschulen belegt werden . Mit der Reform der Lehrerbildung zum Wintersemester 2015/2016 wurden alle Lehramtsstudiengänge durch die Rechtsverordnung des Kultusministeriums über Rahmenvorgaben für die Umstellung der allgemein bildenden Lehramtsstudien - gänge an den Pädagogischen Hochschulen, den Universitäten, den Kunst- und Musikhochschulen sowie der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg auf die gestufte Studiengangstruktur mit Bachelor- und Masterabschlüssen der Lehrkräfteausbildung in Baden-Württemberg (Rahmenvorgabenverordnung Lehramtsstudiengänge – RahmenVO-KM) vom 27. April 2015 neu geregelt. Dabei wurde die „Islamische Theologie/Religionspädagogik“ als reguläres Studienfach für die Lehramtsstudiengänge Grundschule und Sekundarstufe I eingerichtet. Damit kann das Fach im Lehramtsstudiengang Grundschule neben Mathematik oder Deutsch als zweites (verpflichtendes) Fach oder als (zusätzliches) Erweiterungsfach (vgl. § 4 Absätze 4 und 7 RahmenVO-KM) bzw. im Lehramtsstudiengang Sekundarstufe I als eins von zwei (verpflichtenden) Fächern oder als (zusätzliches) Er - weiterungsfach (vgl. § 5 Absätze 3 und 6 RahmenVO-KM) – je nach Angebot der Hochschule – studiert werden. An der Universität Tübingen wird seit dem Wintersemester 2013/2014 im Rahmen des Lehramtsstudiengangs Gymnasium (mit Abschluss Staatsexamen) das Studienfach „Islamische Religionslehre“ angeboten, d. h. es kann als eins von zwei (verpflichtenden) Hauptfächern oder als ein (zusätzliches) Erweiterungsfach (auf Hauptfach- oder Beifachniveau) studiert werden (vgl. § 8 Absatz 1 und § 30 Absatz 1 Gymnasiallehrerprüfungsordnung I). Im Zuge der Reform der Lehrerbildung wird der Bachelor-Studiengang „Islamische Religionslehre (Bachelor of Education)“ seit dem Wintersemester 2015/2016 an der Universität Tübingen angeboten. Insoweit kann das Studienfach „Islamische Religionslehre“ im Lehramtsstudiengang Gymnasium als eines von zwei Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3166 4 (verpflichtenden) Fächern oder als (zusätzliches) Erweiterungsfach (vgl. § 6 Absätze 5 und 10 RahmenVO-KM) studiert werden. Weiterhin wurde Ende des Jahres 2016 ein Seiteneinstieg in das Fach Islamische Religionslehre mit dem Zweitfach Geschichte geöffnet, der ebenfalls den Eintritt in den Vorbereitungsdienst für das Lehramt Gymnasium ermöglicht. Voraussetzung hierfür ist der Abschluss des Studiengangs Islamische Theologie (8-semes - triger BA-Studiengang mit dem Abschluss „Bachelor of Theology“) bzw. des Studiengangs „Islamische Theologie im europäischen Kontext“ (2-semestriger MA-Studiengang mit Abschluss Master of Arts) der Universität Tübingen oder eines vergleichbaren Studiengangs an einer anderen Hochschule. In den Fachpapieren in der Anlage zur RahmenVO-KM sind für alle Fächer und damit auch für die Islamische Theologie/Religionspädagogik sowohl die zu erwerbenden Kompetenzen als auch die entsprechenden Inhalte festgelegt. 7. Mit welchen islamischen Organisationen und Dachverbänden arbeitet sie bei der Erteilung des islamischen Religionsunterrichts zusammen? Das Modellprojekt islamischer Religionsunterricht sunnitischer Prägung in Trägerschaft des Landes wird durch einen Projektbeirat mit beratender Funktion begleitet . Mitglieder dieses Projektbeirats sind neben vier Vertretern der Lehrerbildung jeweils ein Vertreter von vier islamischen Verbänden bzw. deren Landesverbänden in Baden-Württemberg. Mit jeweils einem Mitglied sind die Landesverbände in Baden und in Württemberg der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) e. V., der Landesverband der Islamischen Kulturzentren BW (LVIKZ) e. V., die Islamische Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland (IGBD) e. V. sowie die Islamische Glaubensgemeinschaft in Baden-Württemberg (IGBW) e. V. vertreten. 8. Wie stellt sie sicher, dass islamischer Religionsunterricht in Baden-Württemberg neutral gelehrt wird? Islamischer Religionsunterricht wird wie jeder andere Religionsunterricht nach Art. 7 Absatz 3 Grundgesetz in positiver Gebundenheit der Lehrkraft zum jeweiligen Bekenntnis unterrichtet. Die den islamischen Religionsunterricht erteilenden Lehrkräfte stehen ausnahmslos in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis mit dem Land Baden-Württemberg. Sie verfolgen nicht Interessen oder inhaltliche Vorgaben islamischer Verbände, ausländischer Organisationen oder bestimmter Strömungen innerhalb des sunnitischen Islams und sind auf die Einhaltung der verfassungs - und schulrechtlichen Vorgaben verpflichtet. Dies ist auch Gegenstand des staatlichen Aufsichtsrechts. Dr. Eisenmann Ministerin für Kultus, Jugend und Sport