Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 3182 19. 12. 2017 1Eingegangen: 19. 12. 2017 / Ausgegeben: 25. 01. 2018 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche technischen Lösungen zur akustischen Vergrämung von Greifvögeln und Fledermäusen bei Windenergieanlagen sind ihr bekannt? 2. Welche Erkenntnisse hat sie über Studien zur (eingeschränkten) Wirksamkeit solcher Lösungen (z. B. Arnett, Baker, Hein, Schirmacher, Huso und Szewczak [2011]: „Effectiveness of deterrents to reduce bat fatalities at wind energy facilities “, NINA Report 693, Seite 57)? 3. Wie bewertet sie mit Blick sowohl auf den Schutz von Individuen als auch mit Blick auf den Schutz von deren Habitaten die artenschutzrechtliche Zulässigkeit und zulässige Anwendungsmöglichkeiten solcher Lösungen in Deutschland ? 19. 12. 2017 Glück FDP/DVP Kleine Anfrage des Abg. Andreas Glück FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Technische Lösungen zur akustischen Vergrämung und deren artenschutzrechtliche Zulässigkeit Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3182 2 A n t w o r t Mit Schreiben vom 11. Januar 2018 Nr. 72-0141.5/57 beantwortet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche technischen Lösungen zur akustischen Vergrämung von Greifvögeln und Fledermäusen bei Windenergieanlagen sind ihr bekannt? Technische Lösungen zur akustischen Vergrämung von Vögeln und Fledermäusen im Umfeld von Windenergieanlagen basieren auf akustischen Signalen (z. B. Warnrufe), die zu einer Verhaltensänderung („abdrehen“) der Tiere führen sollen. Die dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft bekannten Systeme bestehen üblicherweise aus einer Erfassungseinheit und einer Vergrämungseinheit . Die Erfassungseinheit detektiert je nach Artengruppe akustisch (Fledermäuse ) oder visuell (Vögel) die Anwesenheit von Tieren im Umfeld einer Windenergieanlage . Die Vergrämungseinheit emittiert dann mit Hilfe von Laut - sprechern die entsprechenden akustischen Signale. 2. Welche Erkenntnisse hat sie über Studien zur (eingeschränkten) Wirksamkeit solcher Lösungen (z. B. Arnett, Baker, Hein, Schirmacher, Huso und Szewczak [2011]: „Effectiveness of deterrents to reduce bat fatalities at wind energy facilities “, NINA Report 693, Seite 57)? Die Wirksamkeit akustischer Systeme zur Vergrämung von Vögeln und Fledermäusen im Umfeld von Windenergieanlagen war in den letzten Jahren Gegenstand zahlreicher Untersuchungen. Eine synoptische Übersicht über die derzeit verfügbaren Systeme sowie die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu deren Wirksamkeit kann beispielweise den Ausarbeitungen der Fachagentur Windenergie an Land [Fachagentur Windenergie an Land (2015): Vermeidungsmaßnahmen bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen. Abrufbar unter: http://www.fachagentur-windenergie.de/fileadmin/files/Veroeffentlichungen/FA- Wind_Studie_Vermeidungsmassnahmen_10-2015.pdf] sowie des Kompetenzzentrums Naturschutz und Energiewende [Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (2017): Technische Ansätze zur Vermeidung und Verminderung von potenziellen Auswirkungen auf Vögel und Fledermäuse durch die Windenergienutzung . Abrufbar unter: https://s3-eu-central-1.amazonaws.com/knewebsiteassets /wp-content/uploads/2017/10/06141455/KNE-Synopse-technischer-Vermeidungs -ma%C3%9Fnahmen.pdf] entnommen werden. Bei der akustischen Vergrämung von Vogelarten können insbesondere Gewöhnungseffekte die Wirksamkeit mittel- bis langfristig herabsetzen. Dies gilt vor allem für Brutvögel im Umfeld der Windenergieanlagen, da diese den Vergrämungslauten regelmäßig ausgesetzt sind [z. B. May, R., Reitan, O., Bevanger, K., Lorentsen, S.-H. & Nygård, T. (2015): Mitigating windturbine induced avian mortality: Sensory, aerodynamic and cognitive constraints and options. Renewable and Sustainable Energy Re - views 42]. Bei der akustischen Vergrämung von Fledermäusen ist zu berücksichtigen , dass die Ruffrequenzen der bei uns vorkommenden Fledermausarten sowohl inner- als auch zwischenartlich eine sehr hohe Bandbreite (ca. 18 kHz bis zu 120 kHz) aufweisen. Vergrämungslaute müssen so gestaltet sein, dass sie für alle heimischen Arten hörbar sind und abschreckend wirken. Hinzu kommt, dass die Reichweite von Ultraschalllauten vergleichsweise gering ist und ihre Ausbreitung durch hohe Luftfeuchtigkeit sehr stark gehemmt wird. Für eine effektive akustische Vergrämung von Fledermäusen muss außerdem sichergestellt sein, dass die gesamte vom Rotor einer modernen Windenergieanlage überstrichene Fläche beschallt werden kann. Dafür sind enorm hohe Schalldruckpegel erforderlich . Eine Studie aus den USA kommt vor diesem Hintergrund zu dem Ergebnis, dass die derzeit verfügbaren Systeme für eine breite Anwendung zur akustischen Vergrämung von Fledermäusen bislang ungeeignet sind [Arnett, E. B., Hein, C. D., Schirmacher, M. R., Huso, M. M. P. & Szewczak, J. M. (2013): Evaluating the effectiveness of an ultrasonic acoustic deterrent for reducing bat fatalities at wind turbines. PLOS ONE 8 (6)]. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3182 3. Wie bewertet sie mit Blick sowohl auf den Schutz von Individuen als auch mit Blick auf den Schutz von deren Habitaten die artenschutzrechtliche Zulässigkeit und zulässige Anwendungsmöglichkeiten solcher Lösungen in Deutschland ? Da es durch den Einsatz von akustischen Vergrämungsmethoden zu einer Beeinträchtigung von anderen im Umfeld der geplanten Windenergieanlagen vorkommenden Arten im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BNatSchG kommen kann, muss dieser Aspekt im Rahmen der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren berücksichtigt werden. Die Frage nach der artenschutzrechtlichen Zulässigkeit eines Einsatzes akustischer Vergrämungsmethoden kann demnach nicht pauschal beantwortet werden, sondern hängt von den Gegebenheiten des Einzelfalls ab. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft