Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 319 15. 07. 2016 1Eingegangen: 15. 07. 2016 / Ausgegeben: 16. 08. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Unterkünfte für Flüchtlinge sind nach ihrer Kenntnis derzeit in Baden-Württemberg in Betrieb? 2. Wie viele Anschläge wurden seit Januar 2015 auf Flüchtlingsheime verübt? 3. Welche Art von Anschlägen gab es und wie viele Anschläge wurden vorgenommen ? 4. Wie sind die aktuellen Ermittlungsstände der in Ziffer 2 und 3 genannten Straf - taten? 5. Aus welchen Motiven handelten nach ihrer Kenntnis Täter aus welchen Organisationen ? 6. Wie viele Straftaten in Flüchtlingsunterkünften gingen von Flüchtlingen selbst aus? 7. Wie oft mussten Polizeibeamte zu Flüchtlingsunterkünften ausrücken und wie hoch war die gesamte Einsatzdauer dieser Einsatzkräfte? 8. Was kann in Zukunft getan werden, um die Anschläge auf und in Flüchtlingsunterkünften zu reduzieren? 15. 07. 2016 Baron fraktionslos Kleine Anfrage des Abg. Anton Baron und Antwort des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Auskunft über Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte in Baden-Württemberg Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 319 2 B e g r ü n d u n g Laut Medienberichten sind sehr oft Flüchtlingsheime Ziele von verschiedenen Anschlägen. Die Motive der Täter sind allerdings weitestgehend unbekannt. Ebenso wird auch des Öfteren in den Medien von Flüchtlingen berichtet, die in den Flüchtlingsunterkünften in Massenschlägereien oder in andere Straftaten verwickelt sind. A n t w o r t Mit Schreiben vom 10. August 2016 Nr. 3-13/506/1 beantwortet das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration im Einvernehmen mit dem Justizminis - terium die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Unterkünfte für Flüchtlinge sind nach Ihrer Kenntnis derzeit in Baden-Württemberg in Betrieb? Zu 1.: In Baden-Württemberg sind mit Stand 27. Juli 2016 insgesamt 24 Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes in Betrieb. Darüber hinaus gibt es aktuell ca. 2.700 Unterkünfte der vorläufigen Unterbringung in Baden-Württemberg. Darunter fallen neben Gemeinschaftsunterkünften auch Ausweichunterbringungen. 2. Wie viele Anschläge wurden seit Januar 2015 auf Flüchtlingsheime verübt? 3. Welche Art von Anschlägen gab es und wie viele Anschläge wurden vorgenommen ? Zu 2. und 3.: Straftaten, die sich gezielt gegen Flüchtlingsunterkünfte richten, werden über den Kriminalpolizeilichen Meldedienst als „Politisch motivierte Kriminalität“ (PMK) erfasst und ausgewertet. Im Bereich der PMK sind seit dem Jahr 2015 insgesamt 22 „Anschläge“ im Sinne von Gewalttaten gegen Flüchtlingsunterkünfte verübt worden. Davon umfasst sind neun Gewalttaten aus dem Jahr 2015 und mit Stand 19. Juli 2016 bisher 13 Gewalttaten aus dem Jahr 2016. Bei den neun politisch motivierten Gewalttaten gegen Flüchtlingsunterkünfte im Jahr 2015 handelt es sich um fünf Brandstiftungen im Sinne von § 306 StGB, eine schwere Brandstiftung nach § 306 a StGB, eine besonders schwere Brandstiftung gemäß § 306 b StGB und zwei gefährliche Körperverletzungen im Sinne von §§ 223, 224 StGB. Die mit Stand 19. Juli 2016 im Jahr 2016 bisher bekannt gewordenen 13 Gewalttaten gegen Flüchtlingsunterkünfte setzen sich aus zwei Brandstiftungen nach § 306 StGB, fünf schweren Brandstiftungen nach § 306 a StGB, fünf gefährlichen Körperverletzungen im Sinne von §§ 223, 224 StGB sowie einer Körperverletzung nach § 223 StGB zusammen. 4. Wie sind die aktuellen Ermittlungsstände der in Ziffer 2 und 3 genannten Straf - taten? Zu 4.: Die Ermittlungen sind bei acht der neun Gewalttaten gegen Flüchtlingsunterkünfte aus dem Jahr 2015 zwischenzeitlich abgeschlossen. In einem Fall werden noch Ermittlungen durchgeführt. Bei drei Brandstiftungsdelikten wurden Beschuldigte ermittelt. Bei zwei dieser Fälle wurde das entsprechende Strafverfahren gegen die 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 319 ermittelten Beschuldigten durch die jeweils zuständige Staatsanwaltschaft zwischenzeitlich gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da die Tat nicht nachgewiesen werden konnte. Der ermittelte Beschuldigte des dritten Falls wurde am 11. Mai 2016 vom Landgericht Karlsruhe (Auswärtige Strafkammer Pforzheim) wegen Brandstiftung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren ver - urteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da der geständige Angeklagte Revision eingelegt hat. Im Jahr 2016 sind mit Stand 19. Juli 2016 bisher bei sieben der 13 Gewalttaten gegen Flüchtlingsunterkünfte die Ermittlungen abgeschlossen. In sechs Fällen werden noch Ermittlungen durchgeführt. In zwei Fällen der gefährlichen Körperverletzung und in einem Brandstiftungsdelikt wurden Beschuldigte ermittelt. Hinsichtlich der beiden ermittelten Beschuldigten zu dem Brandstiftungsdelikt hat die Staatsanwaltschaft Ravensburg am 14. Juni 2016 Anklage zum Amtsgericht (Schöffengericht) Ravensburg erhoben. Die Ermittlungen zu dem festgestellten Beschuldigten bzw. den festgestellten drei Beschuldigten der genannten Fälle der gefährlichen Körperverletzung sind noch nicht abgeschlossen. 5. Aus welchen Motiven handelten nach ihrer Kenntnis Täter aus welchen Organisationen ? Zu 5.: Der Kriminalpolizeiliche Meldedienst PMK unterteilt politisch motivierte Straf - taten entsprechend der Tatmotivation und unter Würdigung der Umstände des Einzelfalles in die Phänomenbereiche PMK Rechts, PMK Links und PMK Ausländer . Ist eine Straftat zunächst keinem der Phänomenbereiche zuzuordnen, wird diese als „PMK Sonstige/Nicht zuzuordnen“ erfasst. Die Einstufung kann im zeitlichen Fortgang der Ermittlungen sowie der anschließenden justiziellen Würdigung Änderungen unterliegen. Bei den im Jahr 2015 registrierten sieben Brandstiftungsdelikten erfolgte in sechs Fällen eine Einstufung als PMK Rechts, in einem Fall als PMK Sonstige/Nicht zuzuordnen. Die beiden Körperverletzungsdelikte aus dem Jahr 2015 wurden der PMK Rechts zugeordnet. Bei den bisher im Jahr 2016 registrierten sieben Brandstiftungsdelikten erfolgte in fünf Fällen eine Einstufung als PMK Rechts, in zwei Fällen als PMK Sonstige/ Nicht zuzuordnen. Die bisher bekannt gewordenen sechs Körperverletzungsdelikte wurden in fünf Fällen der PMK Rechts zugeordnet. Ein Körperverletzungs - delikt wurde als PMK Sonstige/Nicht zuzuordnen eingestuft. Bei keinem der im Jahr 2015 und bisher im Jahr 2016 von der Polizei ermittelten Beschuldigten zu Gewalttaten gegen Flüchtlingsunterkünfte konnte eine einschlägige Organisationszugehörigkeit festgestellt werden. 6. Wie viele Straftaten in Flüchtlingsunterkünften gingen von Flüchtlingen selbst aus? Zu 6.: Für das Jahr 2015 weist die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) insgesamt 3.836 aufgeklärte Fälle – ohne Straftaten gegen das AufenthG/AsylG/FreizügG/EU – mit Tatörtlichkeit „Asylantenheim“ durch mindestens eine Tatverdächtige bzw. einen Tatverdächtigen mit dem Aufenthaltsstatus „Asylbewerber“, „Bürgerkriegs-/ Kontingentflüchtling“, „unerlaubter Aufenthalt“ oder „Duldung vorhanden“ aus. Im ersten Halbjahr 2016 zeichnet sich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein starker Anstieg der Fallzahlen ab, welcher jedoch im Kontext der ebenfalls zunehmenden Asylbewerberzugänge nach Baden-Württemberg zu bewerten ist. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 319 4 7. Wie oft mussten Polizeibeamte zu Flüchtlingsunterkünften ausrücken und wie hoch war die gesamte Einsatzdauer dieser Einsatzkräfte? Zu 7.: Die Einsatzaufwände der Polizei Baden-Württemberg im Zusammenhang mit Flüchtlingsunterkünften werden seit März 2016 auswertbar erfasst. Datengrund - lage sind die von den Einsatzkräften geleisteten Einsatzstunden, nicht jedoch die Anzahl der Einsätze. Von März bis Juni 2016 waren insgesamt 23.229 Polizei - beamte der regionalen Polizeipräsidien bei Einsätzen in Flüchtlingsunterkünften eingesetzt. Die gesamte Einsatzdauer dieser Einsatzkräfte betrug 25.860 Einsatzstunden . Im gleichen Zeitraum unterstützte das Polizeipräsidium Einsatz die regionalen Polizeipräsidien bei der Bewältigung der Flüchtlingslage mit 7.219 Polizeibeamten , die insgesamt 67.966 Einsatzstunden leisteten. 8. Was kann in Zukunft getan werden, um die Anschläge auf und in Flüchtlingsunterkünften zu reduzieren? Zu 8.: Die Polizei Baden-Württemberg hat bereits seit Mitte 2015 u. a. folgende Maßnahmen zum Schutz der Flüchtlinge und deren Unterkünfte umgesetzt: • Überwachung der Unterkünfte auf Grundlage regelmäßiger örtlicher Gefährdungsbewertungen . • Entwicklung von Sicherheitskonzeptionen für die Flüchtlingsunterkünfte in Zu sammenarbeit mit den jeweiligen Objektverantwortlichen. • Herausgabe der „Richtlinie für die bauliche Sicherung von Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge (RiSEA)“ durch das (ehemalige) Ministerium für Integration, das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration sowie der Betriebsleitung von Vermögen und Bau Baden-Württemberg. • Herausgabe der Handlungsempfehlung für die Unterbringung von Flüchtlingen in den Landkreisen, Städten und Gemeinden. Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass – trotz vereinzelter Anschläge auf und in Flüchtlingsunterkünften in Baden-Württemberg – die eingeleiteten Maßnahmen ihre Wirkung entfalten, sodass Baden-Württemberg im bundesweiten Vergleich mit die wenigsten Anschläge auf und in Flüchtlingsunterkünften zu verzeichnen hat. Vor diesem Hintergrund werden die bisherigen Maßnahmen lageangepasst auch in Zukunft fortgeführt. In Vertretung Würtenberger Ministerialdirektor