Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 3242 08. 01. 2018 1Eingegangen: 08. 01. 2018 / Ausgegeben: 16. 02. 2018 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie hoch ist die jährliche PM10-Emission von Schienenfahrzeugen in der Landeshauptstadt Stuttgart und wie hoch ist deren Anteil an der Gesamtbelastung? 2. Welche Bremssysteme nutzen Schienenfahrzeuge (sowohl Güter- als auch Personenverkehr ) in Baden-Württemberg? 3. Werden sogenannte „Sandstreuer“ zur Verbesserung der Traktions- bzw. Bremswirkung eingesetzt? 4. Welche Auswirkungen hat das sogenannte „Sanden“ auf die Luftqualität? 5. Wurden in den vergangenen fünf Jahren Feinstaubmessungen in den unterirdischen Bahnschächten und Haltestellen der Landeshauptstadt Stuttgart (beispielsweise am Hauptbahnhof) durchgeführt und falls ja, wie hoch war jeweils die Feinstaubbelastung? 6. Wie wird die Feinstaubbelastung in den unterirdischen Bahnschächten und Haltestellen im Vergleich zu anderen Messstellen in Stuttgart bewertet? 7. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um die Feinstaubbelastung für Nutzer des Schienenpersonennahverkehrs zu reduzieren? 08. 01. 2018 Gramling CDU Kleine Anfrage des Abg. Fabian Gramling CDU und Antwort des Ministeriums für Verkehr Feinstaubbelastung durch Schienenfahrzeuge Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3242 2 B e g r ü n d u n g Die öffentliche Diskussion um die Luftqualität bzw. die Feinstaubbelastung in den Städten Baden-Württembergs wird einseitig rund um den Straßenverkehr geführt . Dabei werden andere Faktoren wie beispielsweise der Luftverkehr, veraltete Pelletheizungen oder Großbaustellen vernachlässigt. Die Kleine Anfrage soll klären, welche Auswirkungen der Schienenverkehr auf die Luftqualität hat und unter welchen Belastungen Nutzer des Schienenpersonennahverkehrs tagtäglich stehen. Die Landeshauptstadt Stuttgart soll dabei beispielhaft genauer betrachtet werden. A n t w o r t Mit Schreiben vom 30. Januar 2018 Nr. 4-0141.5/319 beantwortet das Ministerium für Verkehr im Einvernehmen mit dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie hoch ist die jährliche PM10-Emission von Schienenfahrzeugen in der Landeshauptstadt Stuttgart und wie hoch ist deren Anteil an der Gesamtbelastung? Die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) veröffentlicht regelmäßig Informationen über die Emissionen verschiedener Quellgruppen. Der aktuelle Bericht für das Jahr 2014 weist für die Landeshauptstadt Stuttgart Feinstaub PM10-Emissionen des Schienenverkehrs von 30 t aus. Dies entspricht in der Landeshauptstadt Stuttgart etwa 18 % der Feinstaub PM10-Emissionen aus dem gesamten Verkehr (168 t) und etwa 10 % der gesamten Feinstaub PM10-Emissionen aller Quellgruppen (308 t) im Stadtgebiet. 2. Welche Bremssysteme nutzen Schienenfahrzeuge (sowohl Güter- als auch Personenverkehr ) in Baden-Württemberg? Entsprechend §§ 23 und 35 Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung sind die Züge der Deutschen Bahn AG nach Informationen der Landesregierung im Regelfall mit einer pneumatisch oder elektropneumatisch gesteuerten mechanisch wirkenden Bremse, entweder als Klotzbremse (insbesondere im Güterverkehr) oder als Scheibenbremse, ausgestattet. Zusätzlich dazu sind elektrisch bzw. dieselelektrisch angetriebene Triebfahrzeugen in der Regel mit einer elektrischen Widerstandsbremse (Generatorbremse) ausgerüstet. Bei dieselhydraulischen Triebfahrzeugen tritt an deren Stelle ggf. eine hydrodynamische Bremse (Retarder). Es können weitere Systeme wie z. B. Wirbelstrom- oder Magnetschienenbremsen zum Einsatz kommen. Darüber hinaus liegen der Landesregierung keine Informationen vor. 3. Werden sogenannte „Sandstreuer“ zur Verbesserung der Traktions- bzw. Bremswirkung eingesetzt? Schienenfahrzeuge verfügen in der Regel über Sandstreueinrichtungen, um bei ungünstigen Witterungsbedingungen und insbesondere im Gefahrenfall den Reibwert zwischen Rad und Schiene durch „Sanden“ zu erhöhen. Hierbei ist zu beachten , dass „Sanden“ unterhalb von einer Geschwindigkeit von 25 km/h nur in Ausnahmesituationen zulässig ist. Grund hierfür sind mögliche Beeinträchtigungen von Signaleinrichtungen durch Bremssand. 4. Welche Auswirkungen hat das sogenannte „Sanden“ auf die Luftqualität? Durch nasse oder verschmutzte Schienen werden die Zug- und Bremskräfte moderner Fahrzeuge gemindert, wodurch sich Verzögerungen bei der Anfahrt in der 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3242 Steigung und verlängerte Bremswege ergeben können. Durch das Einbringen von Sand in den Kontaktpunkt zwischen Rad und Schiene kann der Haftwert entscheidend erhöht werden, wodurch bei einer spontanen starken Bremsung oder bei rutschigen Schienen ein schnelles Anhalten möglich ist. Wenn sich zu viel Sand im Gleisbett ansammelt, ergeben sich mehrere bauliche Probleme zwischen der Schiene und ihrer Verankerung im Boden. Zudem bindet Sand Feuchtigkeit, wodurch die Schienen, Schwellen und die dazugehörigen Befestigungen faulen oder rosten können. Daher werden regelmäßig Schienenreiniger eingesetzt, die mit einem geeigneten Staubsauger die Schienenrillen vom Sand befreien. Durch die regelmäßige Reinigung des Schienenkörpers, die Absaugung überschüssigen Sandes zur Vermeidung negativer Effekte auf das Gleis und Wagenmaterial und die vergleichsweise geringe Menge an eingesetztem Sand ist eine nennenswerte Auswirkung des sogenannten Sandens auf die Luftqualität nach Auffassung der LUBW nicht zu erwarten. 5. Wurden in den vergangenen fünf Jahren Feinstaubmessungen in den unterir - dischen Bahnschächten und Haltestellen der Landeshauptstadt Stuttgart (beispielsweise am Hauptbahnhof) durchgeführt und falls ja, wie hoch war jeweils die Feinstaubbelastung? Über geeignete und langfristige Messungen offizieller Stellen zur Feststellung der Luftschadstoffbelastung in den von Fahrgästen frequentierten unterirdischen Anlagen des Stuttgarter Verkehrsnetzes liegen der Landesregierung keine Informationen vor. Die LUBW hat keine entsprechenden Untersuchungen durchgeführt. 6. Wie wird die Feinstaubbelastung in den unterirdischen Bahnschächten und Haltestellen im Vergleich zu anderen Messstellen in Stuttgart bewertet? Gemäß der Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) erfolgen Messungen der Luftqualität in Bereichen, „in denen die höchsten Werte auftreten, denen die Bevölkerung wahrscheinlich direkt oder indirekt über einen Zeitraum ausgesetzt sein wird, der im Vergleich zum Mittelungszeitraum der betreffenden Immissionsgrenzwerte signifikant ist“. Diese Verordnung gilt für die Außenluft. Da es sich bei unterirdischen Bahnschächten und Haltestellen nicht um Einrichtungen im Bereich der Außenluft handelt, ist ein Vergleich mit Messwerten für die Luftqualität gemäß 39. BImSchV nicht zulässig. Weiter ist die durchschnitt - liche Aufenthaltsdauer von Fahrgästen in den genannten unterirdischen Anlagen nicht als signifikant anzusehen. Gerade in Stuttgart verkehren die Bahnen über weite Teile des Netzes oberirdisch, d. h. in Bereichen für die keine kritische Be - las tung mit Feinstaub PM10 angenommen werden kann. 7. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um die Feinstaubbelastung für Nutzer des Schienenpersonennahverkehrs zu reduzieren? Nach § 38 Bundes-Immissionsschutzgesetz müssen auch Schienenfahrzeuge so beschaffen sein, dass durch ihre Teilnahme am Verkehr verursachten Emissionen bei bestimmungsgemäßen Betrieb die zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen einzuhaltenden Grenzwerte nicht überschreiten. Ferner müssen sie so betrieben werden, dass vermeidbare Emissionen verhindert und unvermeidbare Emissionen auf ein Mindestmaß beschränkt bleiben. Lokal wirksame Emissionsquellen für Feinstäube im Bahnbetrieb können sein: – Verbrennungsmotoren der Dieseltraktion, – Abrieb des Rad-/Schiene-Systems, – Bremsabrieb und – Abrieb der Oberleitung bzw. des Stromabnehmers. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3242 4 Emissionsmindernde Maßnahmen setzen daher vorrangig an der Quelle, dem Fahrzeug, an, sofern die rechtlichen und sicherheitsrelevanten Vorschriften dies zulassen. Die heutigen im Zugverkehr eingesetzten Dieselmotoren erreichen nur einen verhältnismäßig geringen Standard bei der Emissionsminderung, wie er bei neuen Kraftfahrzeugen auf der Straße seit etwa 2005 nicht mehr anzutreffen ist. Das zentrale Vermeidungspotenzial liegt daher im Einsatz emissionsarmer Motoren auf Strecken, die nicht mit elektrisch betriebenen Fahrzeugen befahren werden können. Daneben wirken sich die Elektrifizierung von Bahnstrecken, die Verwendung von Einrichtungen zum Schmieren von Spurkränzen bzw. Schienenflanken und die Anpassung der Zugkonfiguration an den tatsächlichen Verkehrsbedarf mindernd auf die Emissionen des Schienenverkehrs aus. Zudem sind nach Informationen der Landesregierung die Triebfahrzeugführerinnen und Triebfahrzeugführer der Deutschen Bahn AG nach dem internen Regelwerk aufgefordert, verschleißarm – und somit emissionsarm – zu bremsen, d. h. soweit wie möglich die Generatorbremse oder den Retarder zu nutzen. In Vertretung Dr. Lahl Ministerialdirektor