Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 3289 17. 01. 2018 1Eingegangen: 17. 01. 2018 / Ausgegeben: 27. 02. 2018 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche herausragenden technischen Leistungen waren mit dem Bau der Schwarzwaldbahn im 19. Jahrhundert verbunden, insbesondere auf dem Teilstück Hornberg–Triberg–St. Georgen? 2. In welchem Verhältnis stand der Aufwand für den Bau der Schwarzwaldbahn insgesamt sowie für das Teilstück zwischen Hornberg, Triberg und St. Georgen zu dem damals gängigen Mitteleinsatz für den Bau von Eisenbahnstrecken, auch im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt und Bruttoinlandsprodukt? 3. Welche ökonomische und gesellschaftliche Bedeutung hatte und hat die Schwarzwaldbahn, insbesondere für den Schwarzwald-Baar-Kreis, den Landkreis Konstanz und den Ortenaukreis? 4. Welche Bedeutung sieht die Landesregierung vor diesem Hintergrund in großen Schieneninfrastrukturprojekten wie z. B. Stuttgart 21 oder dem Ausbau der internationalen Schienenverbindung Stuttgart−Zürich (Gäubahn)? 15. 01. 2018 Rombach CDU Kleine Anfrage des Abg. Karl Rombach CDU und Antwort des Ministeriums für Verkehr Technisches Meisterstück Schwarzwaldbahn Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3289 2 B e g r ü n d u n g Der Bau der Schwarzwaldbahn zwischen Hornberg, Triberg und St. Georgen war mit besonderen technischen Leistungen verbunden. Die technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung der Schwarzwaldbahn soll erfragt werden. A n t w o r t * ) Mit Schreiben vom 13. Februar 2018 Nr. 3-3822.0-00/1927 beantwortet das Minis - terium für Verkehr im Einvernehmen mit dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche herausragenden technischen Leistungen waren mit dem Bau der Schwarzwaldbahn im 19. Jahrhundert verbunden, insbesondere auf dem Teilstück Hornberg–Triberg–St. Georgen? Die Schwarzwaldbahn von Offenburg nach Konstanz, insbesondere der Abschnitt Hornberg–Triberg–St. Georgen als Kernstück (sog. „Sommerauvariante“), gilt eisenbahngeschichtlich als technische Meisterleistung von Weltrang. Nach ihrer kompletten Inbetriebnahme im Jahr 1873 (Bauzeit 1865 bis 1873) war sie Vorbild für viele weitere Gebirgsbahnen in Europa und in Übersee, darunter auch für die 1882 eröffnete Gotthardbahn in der Schweiz nach Italien. Die Planung lag in den Händen des großherzoglichen Baudirektors Robert Gerwig (1820 bis 1885), der später auch bei der Gotthardbahn wirkte. Zwei technische Besonderheiten seien hier besonders hervorgehoben: Zum einen überwindet die Bahn auf dem Kernstück einen Höhenunterschied von etwa 450 Metern bei einer geringen maximalen Steigung von 20 Promille. Diese Höhengewinnung wurde mittels in die Landschaft eingepasster Kehrschleifen erreicht , wodurch sich die Bahnlinie bei einer Luftlinie von etwa 11 Kilometern zwischen Hornberg und St. Georgen auf 26 Kilometer verlängerte. Zum anderen weist die Bahnlinie noch heute eine hohe Betriebssicherheit auf – gerade auch im Winter. So ist sie mit ihren 36 Tunneln auf dem Kernstück zwar sehr tunnelreich, aber mit einem größeren Viadukt (Hornberger Viadukt) sehr brückenarm. Durch ihre geglückte Trassierung ist sie relativ immun gegen Natur - einflüsse wie Lawinen, Hangrutschungen, starke Schneeschmelzen, Stürme und Steinschlag; Sperrungen sind daher relativ selten. Alle Bauwerke der zunächst eingleisigen Bahn waren bereits für den zweigleisigen Betrieb, der wenig später nach der Eröffnung folgte, vorbereitet worden. Die Schwarzwaldbahn ist heute eine zweigleisige, elektrifizierte Hauptbahn. Auf ihr findet derzeit Schienenpersonennahverkehr, Güterverkehr sowie in geringem Umfang Schienenpersonenfernverkehr statt. Die Eisenbahninfrastruktur steht im Alleineigentum und Verantwortung der Eisenbahnen des Bundes, die Eisenbahnaufsicht führt der Bund. Das Kernstück ist u. a. auch als „Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung“ klassifiziert. 2. In welchem Verhältnis stand der Aufwand für den Bau der Schwarzwaldbahn insgesamt sowie für das Teilstück zwischen Hornberg, Triberg und St. Georgen zu dem damals gängigen Mitteleinsatz für den Bau von Eisenbahnstrecken, auch im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt und Bruttoinlandsprodukt? Ohne hier umfangreiches eisenbahn- und wirtschaftshistorisches Quellenstudium zu betreiben, kann dieses Verhältnis durch die Landesregierung ad hoc nicht genau beziffert werden. Es handelt sich jedoch um einen im Vergleich zu „normalen “ Eisenbahnstrecken überproportionalen Aufwand für das damalige Großher- *) Nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist eingegangen. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3289 zogtum Baden. So kostete das ca. 53 Kilometer lange Stück zwischen Hausach und Villingen 23,7 Millionen Mark an Baukosten, d. h. 447.000 Mark pro Kilometer , was ein sehr hohes kilometrisches Anlagekapital bedeutete. Dabei war das kilometrische Anlagekapital der Badischen Staatseisenbahnen mit 293.000 Mark im Jahr 1874 aufgrund der Topographie und der guten Ausstattung (z. B. Mehrgleisigkeit , große Bahnhöfe) zudem das höchste im ganzen Deutschen Reich. Das gesamte Anlagekapital der Badischen Staatseisenbahnen betrug im Jahre 1860 rund 80 Millionen, 1870 rund 220,5 Millionen und 1880 rund 391,25 Millionen Mark.1 Die Zunahme um rund 311 Millionen Mark innerhalb dieser zwei Jahrzehnte entspräche heute bei einem Kaufkraftäquivalent von 7 (1880)2 knapp 2,2 Milliarden Euro bei einer Bevölkerung von lediglich ca. 1,5 Millionen Einwohnern . Es war ein gewaltiger finanzieller „Kraftakt“ für das damalige kleine Land Baden, den man sich jedoch im Interesse der Landesentwicklung leistete. 3. Welche ökonomische und gesellschaftliche Bedeutung hatte und hat die Schwarzwaldbahn, insbesondere für den Schwarzwald-Baar-Kreis, den Landkreis Konstanz und den Ortenaukreis? Hatte die Schwarzwaldbahn einst wichtigen Anteil am Zusammenwachsen des Landes Baden, der Landesentwicklung, insbesondere der Gewerbeförderung im Schwarzwald, sowie der allgemeinen Verbindung des Bodenseeraumes und der Region Schwarzwald-Baar mit dem mittleren Oberrheingebiet, so liegt ihre heutige , erweiterte Bedeutung auch im Bereich des Tourismus. Entlang ihrer Strecke reihen sich heute viele kleine und mittlere Städte mit solider Wirtschaftsstruktur. Zahlreiche Nebenstrecken zweigen von ihr ab und sichern eine Erschließung des ländlichen Raumes, so die Harmersbachtalbahn, die Strecke Hausach–Freudenstadt , die Strecke Villingen–Rottweil, die Strecke Donaueschingen–Neustadt, die als Teil der Breisgau-S-Bahn elektrifiziert sein wird, die Strecke Immendingen– Tuttlingen. In Singen ist sie mit der Hochrheinbahn und in Radolfzell mit der Bodenseegürtelbahn verknüpft. Auf Teilabschnitten verkehrt auch der „Ringzug“. Viele Buslinien schließen an sie an. Sie ist somit das starke Rückgrat des öffent - lichen Eisenbahnverkehrs in den genannten Landkreisen und für diese ökonomisch und gesellschaftlich von großer Relevanz. Im heute gültigen Landesentwicklungsplan (LEP 2002) verläuft die Landesentwicklungsachse , welche die Oberzentren Offenburg, Villingen-Schwenningen und Konstanz sowie die Mittelzentren Haslach/Hausach/Wolfach, Donaueschingen , Singen und Radolfzell miteinander verbindet, exakt entlang der Schwarzwaldbahn . Dies unterstreicht ihre Wichtigkeit auch in heutiger Zeit. Wegen ihrer überregionalen Bedeutung wurde sie auch in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts, finanziert durch das Land Baden-Württemberg, mit hohem technischem Aufwand (u. a. Absenkung der Tunnelsohlen) komplett elektrifiziert und damit zukunftssicher gemacht. Damit wurde durchgehend elektrischer Zugverkehr , insbesondere Fern- und Güterverkehr, möglich. 4. Welche Bedeutung sieht die Landesregierung vor diesem Hintergrund in großen Schieneninfrastrukturprojekten wie z. B. Stuttgart 21 oder dem Ausbau der internationalen Schienenverbindung Stuttgart–Zürich (Gäubahn)? Die Landesregierung hat immer wieder betont, welche besondere Bedeutung sie den großen Schieneninfrastrukturprojekten im Land wie z. B. der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm, dem vom Fragesteller daneben genannten Ausbau der Gäubahn , ebenso wie dem Neu- und Ausbau der Rheintalbahn, der Südbahn und der Neubaustrecke Frankfurt–Mannheim und anderen zumisst. _____________________________________ 1 Viktor von Röll (Hg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. Bd. 1: Abdeckung–Baueinstellung. Zweite, vollständig neu bearbeitete Auflage. Berlin/Wien 1912, S. 348. 2 Deutsche Bundesbank: Kaufkraftäquivalente historischer Beträge in deutschen Währungen, Stand Januar 2018. https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Statistiken/Unternehmen _Und_Private_Haushalte/Preise/kaufkraftaequivalente_historischer_betraege_in_deutschen_ waehrungen.pdf?__blob=publicationFile, abgerufen am 26. Januar 2018. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3289 4 Insbesondere der Nutzen des Ausbaus der Gäubahn rechtfertigt die Investitionen für die auch international bedeutsame Strecke Stuttgart–Zürich. Hermann Minister für Verkehr