Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 329 20. 07. 2016 1Eingegangen: 20. 07. 2016 / Ausgegeben: 23. 08. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Maßnahmen ergreift sie um zu verhindern, dass insbesondere das Fachwissen von strategisch wichtigen Firmen ins Ausland abwandert, wie im Fall des Augsburger Roboterherstellers K. zu befürchten steht? 2. Wird sie sich für eine entsprechende Anpassung des Außenwirtschaftsgesetzes einsetzen, um strategisch wichtige Wirtschaftsbereiche besser zu schützen? 3. Wird sie sich dafür einsetzen, auf europäischer Ebene – wie von EU-Kommissar Günther H. Oettinger gefordert – Regelungen zu treffen, um wichtige Unternehmen vor Zugriffen aus Drittstaaten wie China zu schützen? 4. Wie viele Firmen in Baden-Württemberg sieht sie derzeit ungeschützt vor dem Zugriff „gelenkter“ Wirtschaften, wie z. B. der chinesischen Wirtschaft? 5. Ist ihr bekannt, wie viele Beschäftigte diese Unternehmen haben? 6. Aus welchen Bereichen (Branchen) stammen nach ihrer Kenntnis diese Unternehmen ? 7. Welche Schutzmechanismen will sie auch im Bereich Abwehr von Wirtschaftsspionage durch Drittstaaten 2016 ergreifen? Kleine Anfrage des Abg. Lars Patrick Berg und Antwort des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Schutz heimischer Firmen und Innovationskraft vor Wirtschaftsspionage mit Blick auf die Roboterfirma K. Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 329 2 8. Welche Maßnahmen ergreift sie, um die Unternehmen auf die wachsende Gefahr von Cyberattacken ausländischer Staaten bzw. Geheimdienste – wie im Verfassungsschutzbericht 2015 benannt – besser vorzubereiten und einen besseren Schutz des wirtschaftlichen Know-hows vor Wirtschaftsspionage aufzubauen ? 14. 07. 2016 Berg fraktionslos B e g r ü n d u n g Vergeblich hatte die Bundesregierung sich gegen den Verkauf des Augsburger Roboterherstellers K., einem deutschen Vorzeigeunternehmen und Weltmarktführer , an die chinesische Firma M. gestemmt. Aktuellen Medienberichten ist zu entnehmen , dass EU-Kommissar Günther H. Oettinger daraufhin die Prüfung eines europäischen Außenwirtschaftsgesetzes gefordert habe und auch der ehemalige Bundesumweltminister Norbert Röttgen sagte, dass es offensichtlich eine Gesetzeslücke gäbe und diese national oder auf europäischer Ebene geschlossen werden müsse. Wie dem Verfassungsschutzbericht 2015 zu entnehmen ist, versuchen Drittstaaten an das Wissen deutscher Unternehmen – welche nach wie vor als sehr innovativ und attraktiv gelten – zu gelangen. Diese teilweise nicht marktwirtschaftlich strukturierten Staaten agieren auch mit eigenen Unternehmen und können Steuergelder einsetzen, weshalb eine Wettbewerbsverzerrung unvermeidbar ist. China beispielsweise hat einen Staatsfonds (China Investment Corporation = CIC) mit mehreren hundert Milliarden US- Dollar Gewicht und nutzt diesen seit 2007 für strategische Einkäufe. Diese Kleine Anfrage soll beleuchten, wie gefährdet Unternehmen in Baden- Württemberg sind. A n t w o r t Mit Schreiben vom 12. August 2016 Nr. 4-1084/92 beantwortet das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration im Einvernehmen mit dem Ministe - rium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Maßnahmen ergreift sie um zu verhindern, dass insbesondere das Fachwissen von strategisch wichtigen Firmen ins Ausland abwandert, wie im Fall des Augsburger Roboterherstellers K. zu befürchten steht? Zu 1.: Der Umstand, dass das Fachwissen von strategisch wichtigen Firmen ins Ausland abwandert und dadurch Fachwissen in Deutschland verloren gehen kann, bietet keinen Anlass für ein polizeiliches Tätigwerden auf Grundlage des Polizeigesetzes Baden-Württemberg oder der Strafprozessordnung. Die Polizei Baden-Württemberg versucht jedoch, einheimische Unternehmen vor Wirtschaftsspionage und ähnlichen Straftaten zu schützen und bietet beispielsweise umfassende Beratungen zur Vorsorge und auch im Schadensfall an. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 329 In ähnlicher Weise informiert der Arbeitsbereich Wirtschaftsschutz des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV BW) im Rahmen seiner Aufklärungs- und Sensibilisierungstätigkeit insbesondere Unternehmen und Forschungseinrichtungen im Land über Spionageaktivitäten fremder Staaten und entsprechende Schutzmaßnahmen . In diesem Zusammenhang wird regelmäßig auch auf alternative Vorgehensweisen der Spionage betreibenden Staaten zur Erlangung westlicher Spitzentechnologie eingegangen. Dabei spielen Maßnahmen wie der gezielte Unternehmensaufkauf, Joint-Venture-Zwang, zusätzliche Zertifizierungsvorschrif - ten, Mitarbeiter-Abwerbung und die Verletzung gewerblicher Schutzrechte eine bedeutsame Rolle. 2. Wird sie sich für eine entsprechende Anpassung des Außenwirtschaftsgesetzes einsetzen, um strategisch wichtige Wirtschaftsbereiche besser zu schützen? Zu 2.: Der Einsatz für die baden-württembergische Wirtschaft bleibt eine zentrale Aufgabe für die Landesregierung. Überlegungen im Sinne der Fragestellung gehören jedoch in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes und bedürfen der differenzierten Sicht und stets auch der Berücksichtigung der Interessen einheimischer Unternehmen im Ausland. 3. Wird sie sich dafür einsetzen, auf europäischer Ebene – wie von EU-Kommissar Günther H. Oettinger gefordert – Regelungen zu treffen, um wichtige Unternehmen vor Zugriffen aus Drittstaaten wie China zu schützen? Zu 3.: Entsprechende Überlegungen haben zunächst auf europäischer Ebene stattzu - finden. Die Landesregierung begleitet diese Prozesse im Rahmen ihrer Möglichkeiten . Aktuell hat die EU-Kommission am 5. Juli 2016 die Mitteilung „Stärkung der Abwehrfähigkeit Europas im Bereich der Cybersicherheit und Förderung einer wettbewerbsfähigen und innovativen Cybersicherheitsbranche“ vorgelegt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Ziffer 2 verwiesen. 4. Wie viele Firmen in Baden-Württemberg sieht sie derzeit ungeschützt vor dem Zugriff „gelenkter“ Wirtschaften, wie z. B. der chinesischen Wirtschaft? Zu 4.: Potenziell steht jedes am Markt agierende Unternehmen in Konkurrenz zu Firmen aus dem In- oder Ausland. Im Vordergrund des Ausforschungsinteresses von fremden Staaten oder konkurrierenden Firmen stehen technologieorientierte und innovative Unternehmen, beispielsweise aus den Branchen Informations- und Kommunikationstechnik, Biotechnologie, Optoelektronik, Fahrzeug- und Maschinenbau , Luft- und Raumfahrttechnik sowie Energie- und Umwelttechnologie. In besonderer Weise gefährdet sind kleine und mittlere Unternehmen, die im Gegensatz zu den großen Konzernen sehr viel seltener vorbeugende Schutzmaßnahmen getroffen haben. 5. Ist ihr bekannt, wie viele Beschäftigte diese Unternehmen haben? Zu 5.: Der Landesregierung ist nicht bekannt, wie viele Beschäftigte diese Unternehmen haben. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 329 4 6. Aus welchen Bereichen (Branchen) stammen nach ihrer Kenntnis diese Unternehmen ? Zu 6.: Hierzu wird auf die Antwort zu Ziffer 4 verwiesen. 7. Welche Schutzmechanismen will sie auch im Bereich Abwehr von Wirtschaftsspionage durch Drittstaaten 2016 ergreifen? Zu 7.: Die Polizei und der Verfassungsschutz engagieren sich in vielfältiger Weise bei der Sensibilisierung von Wirtschaftsunternehmen. So wird beispielsweise durch das Landeskriminalamt (LKA BW) Beratung angeboten, bei der die Unternehmen über die neuesten Entwicklungen im Deliktsbereich Wirtschaftsspionage, Proliferation oder auch Wirtschafts- und Umweltkriminalität informiert und über mögliche Schutzmaßnahmen aufgeklärt werden. Darüber hinaus wurde in Baden-Württemberg in den letzten Jahren die Zusammenarbeit zwischen der Polizei und dem Verfassungsschutz weiter gestärkt und intensiviert. So gibt es seit 2013 die GIAS Spionage (Gemeinsame Informations- und Analysestelle), in der sich das LfV BW und das LKA BW im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten austauschen. Seit April 2016 gibt es die Internetplattform „Wirtschaftsschutz“, auf der die Polizei und das LfV BW den Unternehmen, Betrieben und Hochschulen aktuelle Informationen zur Verfügung stellen und konkrete Ansprechstellen benennen, an die sich die Unternehmen wenden können. Die Plattform befindet sich derzeit noch im Aufbau und soll ein weiterer Baustein im Kampf gegen die Abwehr von Wirtschaftsspionage sein. Daneben besteht seit 1999 das „Sicherheitsforum Baden-Württemberg“ – ein gemeinsames Forum von Staat und Wirtschaft –, das Firmen-Know-how in Baden- Württemberg vor Industrie- bzw. Wirtschaftsspionage schützen soll. Diesem Netzwerk gehören u. a. das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migra - tion Baden-Württemberg, das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg, das LfV BW, das LKA BW, der Baden-Württembergische Handwerkstag, der Landesverband der baden-württembergischen Industrie e. V., der Verband für Sicherheit in der Wirtschaft Baden-Württemberg, der baden -württembergische Industrie- und Handelskammertag, der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau Baden-Württemberg, das Karlsruher Institut für Technologie, die Steinbeis-Stiftung, aber auch Firmen wie die Daimler AG, die EnBW AG und die SAP AG an. Zudem beteiligt sich die Polizei an dem Forschungsprojekt „Wirtschaftsspionage und Konkurrenzausspähung in Deutschland und Europa“ (WISKOS) mit dem Ziel, das Dunkelfeld der Phänomenbereiche Wirtschaftsspionage bzw. Konkurrenzausspähung aufzuhellen. Das Projekt ist für die Dauer von drei Jahren geplant und wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung finanziert . Projektpartner sind das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg und das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe. Neben dem LKA BW sind auch das Bundeskriminalamt , die Hochschule der sächsischen Polizei und die Universität Bern (CH) assoziierte Partner des Forschungsprojekts. Eine weitere Institution, die für die Abwehr von Wirtschaftsspionage von Bedeutung ist, ist das Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ). Dieses bietet auf Bundesebene eine Informations- und Kommunikationsplattform für Polizei und Verfassungsschutz, um sich regelmäßig über aktuelle Erkenntnisse auszutauschen und das Fachwissen der beteiligten Behörden zu bündeln . 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 329 Ergänzend hat das LfV BW im Lauf der letzten Jahre ein umfangreiches Maßnahmenbündel entwickelt, das der Arbeitsbereich Wirtschaftsschutz konsequent umsetzt . Dazu gehören: – individuelle Beratungsleistungen (telefonisch und vor Ort), – Sensibilisierungsvorträge bei Firmen und bei Multiplikatoren, – Information durch Broschüren, Faltblätter und elektronischen Newsletter, – Messeauftritte (zur direkten Erreichung potenzieller Schutzobjekte), – Durchführung von Informationsveranstaltungen sowie die bereits genannte – Mitwirkung im „Sicherheitsforum Baden-Württemberg“. 8. Welche Maßnahmen ergreift sie, um die Unternehmen auf die wachsende Gefahr von Cyberattacken ausländischer Staaten bzw. Geheimdienste – wie im Verfassungsschutzbericht 2015 benannt – besser vorzubereiten und einen besseren Schutz des wirtschaftlichen Know-hows vor Wirtschaftsspionage aufzubauen ? Zu 8.: Auf Grundlage eines Beschlusses der ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder aus dem Jahr 2010 wurde in jedem Bundesland eine Zentrale Ansprechstelle Cybercrime (ZAC) für die Bekämpfung des Cybercrime eingerichtet . Die ZAC ist in Baden-Württemberg beim LKA BW in der spezialisierten Abteilung für Cybercrime angesiedelt und dient als zentrale Anlaufstelle für Wirtschaftsunternehmen in allen Belangen, die das Themenfeld Cybercrime betreffen . Die Angehörigen der ZAC stehen den Interessenverbänden von Wirtschaftsunternehmen u. a. im Rahmen von vertrauensbildenden Maßnahmen als Referenten für Awareness-Veranstaltungen zur Verfügung. Hierbei werden beispielsweise aktuelle Gefahren im Cyberraum aufgezeigt und konkrete Handlungsempfehlungen benannt. Bei herausragenden Kriminalitätsphänomenen veröffentlicht die ZAC anlassbezogen Warnmeldungen, die über die Industrie- und Handelskammern , andere Kooperationspartner und auch über die Internetseite der ZAC zur Verfügung gestellt werden. Auf der Internetseite www.polizei-beratung.de ist im Themenbereich „Internet- Sicherheit“ ein sog. Sicherheitskompass hinterlegt, der vom Programm Polizei - liche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK) gemeinsam mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) entwickelt wurde . Damit sollen Privatpersonen und Unternehmen über mehr Sicherheit im digitalen Alltag aufgeklärt und hinsichtlich der Gefahren von nicht autorisierten Datenzugriffen sensibilisiert werden. Darüber hinaus wurde von einer Projektgruppe des ProPK ein Faltblatt für kleine und mittlere Unternehmen zum Schutz vor Cyberangriffen entwickelt, das im Herbst 2016 veröffentlicht werden soll. Dieses Faltblatt „Sicherheit im digitalen Alltag – Schutz vor Cyberangriffen – IT-Sicherheit für kleine und mittlere Unternehmen“ klärt u. a. über die Gefahren der Datenausspähung und der Datenhehlerei auf und gibt Tipps zur Erstellung von IT- Schutzkonzepten sowie Handlungsempfehlungen bei bereits eingetretenen Schadensfällen . Das LfV BW hat der stetig wachsenden Gefahr von Cyberattacken dadurch Rechnung getragen, dass das Thema der elektronischen Spionageangriffe mittlerweile einen besonderen Schwerpunkt bei den in Ziffer 7 dargestellten Maßnahmen bildet. In Vertretung Würtenberger Ministerialdirektor