Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 3452 01. 02. 2018 1Eingegangen: 01. 02. 2018 / Ausgegeben: 07. 03. 2018 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie haben sich die Fahrgastzahlen der Linie S 4 zwischen Karlsruhe und Öhrin - gen seit 2005 entwickelt? 2. Wie haben sich die Verspätungen und Zugausfälle auf besagter Strecke in diesem Zeitraum entwickelt? 3. Wie wirken sich diese Verspätungen und Zugausfälle auf die Erreichbarkeit von Anschlussverkehren aus? 4. Welche Erkenntnisse hat sie über die Fahrgastzufriedenheit der Nutzer dieser Strecke? 5. Wie beurteilt sie auf Grundlage der Erkenntnisse zu den in den Fragen 2 bis 4 benannten Punkten Zuverlässigkeit, Anschlusserreichbarkeit und Fahrgastzufriedenheit die künftigen Entwicklungsperspektiven der Linie S 4? 6. Welche Alternativen stehen Pendlern zur Nutzung der S 4 zur Verfügung? 7. Was unternimmt sie zur Steigerung der Zuverlässigkeit und Fahrgastzufriedenheit auf der Strecke der S 4? 01. 02. 2018 Weinmann FDP/DVP Kleine Anfrage des Abg. Nico Weinmann FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Verkehr Pünktlichkeit der S 4 auf der Strecke Karlsruhe–Heilbronn–Öhringen Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3452 2 A n t w o r t Mit Schreiben vom 21. Februar 2018 Nr. 3-3822.5/1810 beantwortet das Ministerium für Verkehr die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie haben sich die Fahrgastzahlen der Linie S 4 zwischen Karlsruhe und Öhrin - gen seit 2005 entwickelt? Auf der Datenbasis des ersten Fahrplanhalbjahrs 2017 (kontinuierliche Zählung von Fahrgästen beim Ein- und Ausstieg durch Fahrzeuge, die in den Türbereichen mit Zählsensoren ausgestattet sind) konnte eine mittlere tägliche Querschnittsbelastung (Nutzung der Züge in beiden Fahrtrichtungen) für diverse Streckenabschnitte der Stadtbahnlinie S 4 ermittelt werden. Demnach nutzten im genannten Zeitraum an einem gewöhnlichen Schultag (Mo–Fr außerhalb der Ferien) folgende Anzahl an Fahrgästen die S 4: – Karlsruhe–Bretten Bf: 7.980 Fahrgäste – Bretten Bf–Flehingen: 6.175 Fahrgäste – Eppingen Bf–Schwaigern: 3.521 Fahrgäste – Schwaigern–Heilbronn: 10.131 Fahrgäste – Heilbronn–Weinsberg: 6.287 Fahrgäste – Weinsberg–Eschenau: 5.470 Fahrgäste – Eschenau–Öhringen: 3.087 Fahrgäste Zur Entwicklung der Fahrgastzahlen über eine Spanne von mehreren Jahren hinweg kann wegen mangelnder Datenbasis seitens des Betreibers AVG leider keine Aussage getroffen werden. 2. Wie haben sich die Verspätungen und Zugausfälle auf besagter Strecke in diesem Zeitraum entwickelt? Im Jahr 2017 wurde auf der Stadtbahnlinie S 4 seitens des Betreibers AVG zwischen Karlsruhe und Öhringen eine Pünktlichkeit von 81,6 % erreicht. Abfahrten und Ankünfte ab einer Abweichung von vier Minuten nach planmäßig ausgewiesener Zeit gelten dabei als „verspätet“. Das Land Baden-Württemberg als Aufgabenträger für dieses SPNV-Angebot fordert im Verkehrsvertrag von der AVG eine Pünktlichkeit hinsichtlich der genannten Definition von 90 % mit einem Toleranzrahmen bis 88 %. Die AVG hatte sich selbst für das Jahr 2017 einen Zielwert von 86 % vorgenommen. Es ist zu erkennen, dass die Zielwerte leider deutlich verfehlt wurden. Mehrere Ursachen konnten ermittelt werden. Zum einen mussten in den Monaten April und Mai drei sogenannte Langsamfahrstellen in Bretten, Gölshausen und Eppingen eingerichtet werden, da Verschleißerscheinungen an Weichenbauteilen festgestellt worden waren. Aus Sicherheitsgründen konnten diese Weichen bis zur erfolgten Reparatur nur noch mit verminderter Geschwindigkeit befahren werden. Des Weiteren ist als Negativeinfluss die starke Bautätigkeit in der Karlsruher Innenstadt zu nennen. Bereits seit Ende 2013 fehlt mit der Ettlinger Straße eine wichtige Nord-Süd-Achse für die Stadt- und Straßenbahnen in der Karlsruher Innenstadt. Da gleichzeitig der Betrieb jedoch vollumfänglich aufrechterhalten werden soll, kommt es zu erhöhten Strecken- und Knotenauslastungen und damit zu höherer Verspätungsanfälligkeit. Zudem müssen immer wieder Gleisanlagen verschwenkt und Ampelschaltungen angepasst werden. Im Jahr 2017 ist es zusätzlich sowohl in den Pfingst-, als auch in den Sommer- und Herbstferien zu umfangreichen baustellenbedingten Sperrungen in der Innenstadt gekommen, sodass es zu deutlich zunehmender Verspätungsanfälligkeit der betroffenen Linien gekommen ist. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3452 Hinzu kam im Jahr 2017 eine deutlich gestiegene Störungsanfälligkeit im Netz der AVG sowie speziell den Betrieb der Linie S 4 betreffend. Die Ursachen liegen in den unterschiedlichsten Bereichen: sowohl in Bezug auf die eingesetzten Fahrzeuge , die Infrastrukturanlagen als auch externe Einflüsse durch Verkehrsunfälle, Witterungseinflüsse, Demonstrationen, (versuchte) Suizide etc. Die AVG hat inzwischen intern ein Projekt aufgelegt, um die Ursachen der Störungsanfälligkeit zu ermitteln und ggf. auszuschalten. Grundsätzlich leidet die Pünktlichkeit der AVG auch unter der Infrastruktur der Kraichgaubahn. Die Kraichgaubahn ist zwischen Grötzingen und Schwaigern größtenteils nur eingleisig ausgeführt. Die Fahrtendichte ist jedoch so groß, dass stets alle Kreuzungsmöglichkeiten (Begegnung von Zügen der beiden Richtungen in den Bahnhöfen) ausgereizt sind. Bereits kleine Verspätungen verzögern diese Kreuzungen, sodass Verspätungen in einer Richtung auf die andere Richtung übertragen werden. Um diese Verspätungsüberträge zu verkleinern, müsste ein konsequenter Ausbau der Streckeninfrastruktur vorgenommen werden, so wie es im Bereich zwischen Leingarten und Schwaigern nun konkret vorgesehen ist. Weitere Ausbauschritte z. B. zwischen Grötzingen und Gölshausen sollen geprüft und untersucht werden. Im Hinblick auf Zugausfälle kann gesagt werden, dass auf der Linie S 4 im Jahr 2017 die AVG eine Zuverlässigkeit von 98,36 % erreicht hat. Die Zuverlässigkeit ist der Quotient aus tatsächlich erbrachter Leistungsmenge [in Zug-km] („SOLL“) zu planmäßiger Leistungsmenge [ebenfalls in Zug-km] („IST“). Im Umkehr - schluss sind 2017 demnach 1,64 % der planmäßig vorgesehenen Zug-km nicht erbracht worden – also ausgefallen. Die AVG hat sich intern ein Zuverlässigkeitsziel von 99 % gesetzt; dieses wurde demnach 2017 verfehlt. Ursächlich für Fahrtausfälle sind im Bereich der Stadtbahnlinie S 4 insbesondere personalbedingte Ausfälle. Vor allem beim Kooperationspartner der AVG am Standort Heilbronn, der DB Regio, kommt es bereits seit Längerem zu massiven Ausfällen beim Fahrpersonal. Ein nicht unerheblicher Teil der Stadtbahnfahrten im Bereich zwischen Bretten und Öhringen wird von Triebfahrzeugführern der DB Regio gefahren. Ebenso wie mit den Stadtwerken Heilbronn (SWH) unterhält die AVG hier eine Kooperation. Seit die DB Regio den Zuschlag zu den sogenannten „Stuttgarter Netzen“ nicht erhalten hat, ist es für das Unternehmen zunehmend schwierig, das benötigte Personal am Standort Heilbronn zu motivieren und zu halten, obwohl die Zusammenarbeit mit der AVG zum Betrieb der Stadtbahn langfristig aufrechterhalten werden soll. Allgemein ist es aktuell generell schwierig, ausreichend Personal für den Beruf des Triebfahrzeugführers zu gewinnen; es handelt sich um ein branchenweites Thema. Alle Eisenbahnverkehrsunternehmen haben mit einem bereits bestehenden oder aber akut drohenden Personalunterbestand zu kämpfen. Vor dem Hintergrund der guten Wirtschaftslage ist der Arbeitsmarkt leergefegt. Trotz massiv ausgeweiteten Ausbildungskapazitäten, schafft es die AVG daher derzeit nicht, den Unterbestand kurzfristig zu beseitigen. Hinzu kommt, dass durch die neuen SPNV-Anbieter am Markt ein Wettbewerb um die Mitarbeiter entstanden ist. 3. Wie wirken sich diese Verspätungen und Zugausfälle auf die Erreichbarkeit von Anschlussverkehren aus? Relevante Anschlussbeziehungen bestehen auf der Stadtbahnlinie S 4 insbeson - dere in Öhringen Hbf (von und nach Schwäbisch Hall), Heilbronn Hbf (von und nach Stuttgart), Eppingen Bf (von und nach Heidelberg), Bretten Bf (von und nach Bruchsal und Mühlacker) und KA-Durlach Bf (von und nach Karlsruhe Hbf und Bruchsal). Des Weiteren sind diverse Buslinien – insbesondere im Bereich Hohenlohe – auf die Stadtbahnlinie S 4 ausgerichtet. 2017 wurden in Bretten Bf 91 % aller Anschlüsse erreicht, in Eppingen Bf nur rund 83 %; in Öhringen betrug die Erreichungsquote rund 94 %. Die Anschluss - erreichung ist in den Verkehrsverträgen der AVG mit dem Land pönalisiert, sodass der Verlust von Anschlüssen das Verkehrsunternehmen Geld kostet. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3452 4 4. Welche Erkenntnisse hat sie über die Fahrgastzufriedenheit der Nutzer dieser Strecke? Die NVBW lässt in vier Erhebungswochen pro Jahr durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines von ihr beauftragten Dienstleisters (ETC, Berlin) Fahrgastbefragungen in den Zügen der AVG durchführen. Diese beziehen sich auf den gesamten Verkehrsvertrag „Stadtbahn Karlsruhe“, also nicht nur auf die Strecke Karlsruhe –Heilbronn–Öhringen. Die Gesamtzufriedenheit der Fahrgäste mit dem Angebot wurde mit einer Note von 2,38 (auf einer Schulnotenskala von 1 bis 6) bewertet . Besonders gut wurden die Schadensfreiheit der Züge (Note 1,99), der Vertrieb der Fahrausweise (2,07) und die Sicherheit im Zug (2,17) bewertet. Die schlechtesten Noten gab es für die Pünktlichkeit (2,67) und die Fahrgastinforma - tion bei Unregelmäßigkeiten und Verspätungen (3,18). Auch die AVG sieht perspektivisch die Durchführung eigener Fahrgastbefragungen im laufenden Betrieb zur Zufriedenheit mit dem Angebot (Pünktlichkeit, Sauberkeit, Fahrgastinformation, Sicherheit etc.) vor. Aktuell sind sogenannte „Q-Scouts“ der AVG im Einsatz, welche Stationen und Fahrzeuge hinsichtlich ihres Zustands (Beschädigungen, Sauberkeit, Funktionstüchtigkeit von Anlagen etc.) aufnehmen und Störungen melden. Diese Bemühungen sollen 2018 ausgebaut werden. 5. Wie beurteilt sie auf Grundlage der Erkenntnisse zu den in den Fragen 2 bis 4 benannten Punkten Zuverlässigkeit, Anschlusserreichbarkeit und Fahrgastzufriedenheit die künftigen Entwicklungsperspektiven der Linie S 4? Im Zusammenhang mit der Ausschreibung des Netzes 7 b (Inbetriebnahme zum Jahresfahrplan 2023) sind deutliche Veränderungen am SPNV-Angebot zwischen Karlsruhe und Heilbronn vorgesehen. Zusätzlich zum Stadtbahnangebot sollen sogenannte „Vollbahnverkehre“ mit reinen Eisenbahnfahrzeugen auf der Strecke verkehren, um die beiden Hauptbahnhöfe schnell miteinander zu verbinden. Ergänzend dazu wird vonseiten anliegender Kommunen eine Steigerung des Stadtbahntaktes auf bestimmten Streckenabschnitten gefordert. Insbesondere im Bereich Walzbachtal, Bretten und Gölshausen sowie im Bereich Leingarten und Schwaigern wird in den kommenden Jahren von der Region ein dichteres Stadtbahnangebot mit vier Zugpaaren pro Stunde (15-Minuten-Takt) angestrebt werden . Dies verdeutlicht die Attraktivität des Stadtbahnangebots zur Verknüpfung des Umlands mit den Innenstädten der Zentren Karlsruhe und Heilbronn. Einhergehend mit diesem Ausbau des Angebots muss jedoch ein Ausbau der Infrastruktur untersucht werden. Die Herstellung weiterer zweigleisiger Abschnitte zwischen Grötzingen und Gölshausen wird derzeit geprüft. 6. Welche Alternativen stehen Pendlern zur Nutzung der S 4 zur Verfügung? Auf einigen Abschnitten ggf. alternative SPNV-Angebote, etwa zwischen Heilbronn und Öhringen oder von Bretten über Bruchsal nach Karlsruhe sowie ggf. teilweise parallele Busverkehre. 7. Was unternimmt sie zur Steigerung der Zuverlässigkeit und Fahrgastzufriedenheit auf der Strecke der S 4? Die dringendste Aufgabe der AVG ist die Reduzierung der personalbedingt auftretenden Fahrtausfälle. Das Land hat die AVG verpflichtet, auch weiterhin massiv ausgeweitete Ausbildungskapazitäten zur Verfügung zu stellen, um das Personaldefizit auszugleichen. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 3452 Des Weiteren sollten Maßnahmen des Infrastrukturausbaus geplant, finanziert und umgesetzt werden. Nur so lässt sich das Angebot auf der Schiene weiter ausbauen und zuverlässiger (Pünktlichkeit, Anschlusssicherheit) gestalten. Insbesondere der zweigleisige Ausbau zwischen Leingarten und Schwaigern wird forciert. Die möglichen Ausbaumaßnahmen zwischen Grötzingen und Gölshausen werden untersucht. Hermann Minister für Verkehr