Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 391 13. 09. 2016 1Eingegangen: 13. 09. 2016 / Ausgegeben: 17. 10. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Maßnahmen wird sie ergreifen, um „den Aufwand für Herstellung und Vertrieb nichtamtlicher Karten schrittweise (zu) reduzieren“ (vgl. Stellung - nahme zum entsprechenden Prüfungsergebnis in der Denkschrift 2016 des Rechnungshofs Baden-Württemberg bzw. in der Pressemitteilung des Rechnungshofs dazu)? 2. Nach welchen Kriterien und mit welchen Instrumenten überprüft sie das Verlagsprogramm des Landesamts für Geoinformation und Landentwicklung Baden -Württemberg? 3. Ist die Ankündigung des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz , „eine nachhaltige Produktstrategie“ für die nichtamtlichen Karten zu entwickeln, als die Absicht zu verstehen, dieses Angebot entgegen dem Votum des Rechnungshofs weiterzuführen? 4. Wird sie im Rahmen dieser nachhaltigen Produktstrategie dafür sorgen, dass qualitative Mängel behoben werden, die offenbar im Zuge der Digitalisierung der Wanderkarten nach Auffassung des Schwäbischen Albvereins aufgetreten sind? 5. Wird sie dabei auch in Betracht ziehen, in welcher Weise das Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung den unübersehbar verstetigten Trend zur digitalisierten Land- und Wanderkarte aufgreifen kann, um auch auf diese Weise die Wirtschaftlichkeit der nicht-amtlichen, aber amtlich verantworteten Karten sicherzustellen? Kleine Anfrage der Abg. Gabi Rolland SPD und Antwort des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Wandern in Baden-Württemberg – zuverlässige Karten in zuverlässiger öffentlicher Hand Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 391 2 6. Teilt sie die Auffassung des Präsidenten des Schwäbischen Albvereins, dass die Gewährleistung zuverlässigen Kartenmaterials auch für nicht-amtliche Zwecke eine wichtige öffentliche Funktion hat und stimmt sie der Auffassung zu, dass die zuverlässige Amtlichkeit von Kartenmaterial nicht den ggf. wechselnden Eigeninteressen privater Verwerter geopfert werden darf? 7. Wird sie den kaum vermittelbaren Zustand vermeiden, den organisiert oder unorganisiert wandernden Mitbürgerinnen und Mitbürgern just zu einem Zeitpunkt das zuverlässige Kartenmaterial zu entziehen, zu dem das Wandern (wieder ) zu einer Massenbewegung wird und das Tourismusland Baden-Württemberg als Wandersüden firmiert? 12. 09. 2016 Rolland SPD B e g r ü n d u n g Der Rechnungshof Baden-Württemberg hat in seiner Denkschrift 2016 unter anderem die nicht-amtlichen Karten des Landesamts für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg aufgegriffen. Wie es seiner Sichtweise gemäß ist, hat er dabei die Wirtschaftlichkeit dieser Karten beanstandet und hält es „für erforderlich, die unwirtschaftliche Herstellung von Freizeitkarten zu beenden“ (siehe Pressemitteilung des Rechnungshofs zur Denkschrift 2016, zu Beitrag Nummer 17). Dies würde in der Folge jedoch die Wanderkarten gefährden, die dem Wandern im Land ein Jahrhundert lang Rückgrat waren. Sowohl der im Jahr 1888 gegründete Schwäbische Albverein (SAV), mit rund 110.000 Mitgliedern aktuell der größte Wanderverband in Baden-Württemberg und in Europa, als auch der im Jahr 1864 gegründete Schwarzwaldverein (aktuell rund 65.000 Mitglieder) publizieren in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg Wander- und Radwegekarten. Selbstverständlich darf das Ziel der Wirtschaftlichkeit nicht aus dem Auge verloren werden – gewichtiger aber ist die Sicherung einer zuverlässigen geografischen Grundlage für das Wandern. Bei aller Kritik an der Wirtschaftlichkeit der Wanderkarten darf das ehrenamtliche Engagement nicht vergessen werden, das beide Wanderverbände für die Allgemeinheit erbringen. Seit seiner Gründung hat sich der Schwäbische Albverein die Ausschilderung von Wanderwegen zur Aufgabe gemacht. Allein im Jahr 2015 haben 677 ehrenamtlich tätige Wegmeister und Wegwarte des Schwäbischen Albvereins rund 32.000 Stunden damit verbracht, ein Wegenetz von rund 23.000 km Länge zu unterhalten. Der Schwarzwaldverein betreut mit rund 24.000 km ein vergleichbar großes Wegenetz. Nicht zuletzt sind die Wander- und Radwanderwege im Land Teil des europäischen Fernwegenetzes. Sowohl der bereits im Jahr 1900 angelegte Westweg (E 1 vom Nordkap bis Salerno ) als auch der europäische Fernwanderweg (E 8 von Irland in die Türkei) und zahlreiche Abschnitte des internationalen Jakobsweges laufen durch Baden-Württemberg . 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 391 A n t w o r t Mit Schreiben vom 5. Oktober 2016 Nr. Z(44)-0141.5/44 F beantwortet das Minis - terium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Finanzministerium die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Maßnahmen wird sie ergreifen, um „den Aufwand für Herstellung und Vertrieb nichtamtlicher Karten schrittweise (zu) reduzieren“ (vgl. Stellung - nahme zum entsprechenden Prüfungsergebnis in der Denkschrift 2016 des Rechnungshofs Baden-Württemberg bzw. in der Pressemitteilung des Rechnungshofs dazu)? Zu 1.: Das Landesamt für Geoinformationen und Landentwicklung (LGL) wird als Landesbetrieb nach § 26 LHO geführt. Zu seinen gesetzlichen Aufgaben gehört die Landesvermessung, zu der neben der Grundlagenvermessung und der topographischen Landesaufnahme auch die Kartographie zählt. Durch die Kartographie werden Geobasisdaten aufbereitet, als kartographische Informationen geführt und in topographischen Karten sowie in weiteren digitalen und analogen Produkten präsentiert . Wie vom Rechnungshof (RH) zutreffend dargestellt, stellt das LGL sowohl topographische Karten (vom RH als „amtliche Karten“ bezeichnet) als auch thematische Karten (vom RH als „nicht-amtliche Karten“ bezeichnet) her. Die vom LGL hergestellten thematischen Karten basieren auf der Grundlage der topographischen Landkartenwerke und damit auf den Geobasisdaten, die beim LGL in den Geoinformationssystemen des amtlichen Vermessungswesens geführt und bereitgestellt werden. Die aktuellen und künftigen Maßnahmen in Topographie und Kartographie zielen darauf ab, durch systematische Nutzung von digitalen Geobasis- und Geofach - daten die Tätigkeiten entlang der Produktionsprozesse Datenerhebung, Führung und Bereitstellung optimal auf Produkte und Dienstleistungen auszurichten und durch Automatisierung und Standardisierung eine hohe Effizienz bei den Arbeitsabläufen sicherzustellen. Das LGL hat hierzu verschiedene Maßnahmen zur Optimierung der Produktionsund Vertriebsprozesse eingeleitet. So wurde in einem ersten Schritt die bisherige manuelle Herstellung der amtlichen topographischen Karten durch automatisierte Prozesse nahezu vollständig abgelöst. Die hierzu erforderlichen Softwarekomponenten wurden gemeinsam mit den anderen Bundesländern entwickelt und werden bundesweit eingesetzt. Manuelle Nachbearbeitungen und Ergänzungen sind bei weiter abnehmendem Bearbeitungsaufwand zukünftig nur noch in geringem Umfang im Zuge der Qualitätssicherung erforderlich. Für die automatisierte Herstellung der thematischen Karten sind die dafür erforderlichen Maßnahmen ebenfalls eingeleitet worden. Die Automationsprozesse sind in Entwicklung und sollen innerhalb der nächsten Jahre die heute zum Teil noch von manuellen Arbeitsschritten geprägten Herstellungsprozesse auch bei den thematischen Karten ablösen. Hierzu wird derzeit eine zentrale Fachdatenbank aufgebaut, in der die thematischen Inhalte zum Thema Freizeit, Wandern etc. digital geführt werden. Ziel ist, dass diese Fachdatenbank über ein Redak - tionssystem und entsprechende Schnittstellen direkt aus den Informationsquellen der Wandervereine und Landratsämter befüllt wird. Damit wird eine erhebliche Verbesserung der Informationsgewinnung gegenüber heute erzielt und der Aufwand für die Herstellung und den Vertrieb auch von thematischen Karten signifikant reduziert. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 391 4 Zu den weiteren Maßnahmen des LGL, die zu einer deutlichen Aufwandsreduk - tion beitragen werden, zählen neue digitale Vertriebswege wie die Bereitstellung digitaler Karten über Geodatendienste, Karten-Apps oder webbasierte (Online-) Kartenanwendungen, für die bereits entsprechende Realisierungen (BW Map Mobile, Maps4BW) vorliegen. 2. Nach welchen Kriterien und mit welchen Instrumenten überprüft sie das Verlagsprogramm des Landesamts für Geoinformation und Landentwicklung Baden -Württemberg? Zu 2.: Aus dem gesetzlichen Auftrag leitet das LGL als einziger amtlicher Anbieter von bundesweit einheitlichen, landesweit flächendeckenden und qualitativ hochwer - tigen topographischen Kartenwerken in Baden-Württemberg sein Verlagsprogramm für die Herstellung und den Vertrieb der amtlichen topographischen Karten in enger Abstimmung mit der Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen der Länder der Bundesrepublik Deutschland (AdV) ab. Durch die enge Zusammenarbeit mit den Wandervereinen, Tourismusverbänden und weiteren öffentlichen Institutionen ist das LGL in der Lage, seine amtlichen Produkte um weitere thematische Informationen besonders effektiv zu bereichern und so die kartographische Produktwertschöpfung im Interesse einer flächendeckenden Grundversorgung mit touristischen und kulturellen Inhalten im Sinne der Daseinsvorsorge zu verbessern. Zur Förderung des Naturerlebnisses und des Tourismus gerade im ländlichen Raum sind diese landesweit verfügbaren Karten ein wesentlicher Baustein. Sie basieren auf den vorhandenen Geobasisdaten und stellen damit einen nachhaltigen Mehrwert in wirtschaftlicher, infrastruktureller, kultureller und historischer Hinsicht dar. Demnach wird das Verlagsprogramm anhand von Kriterien überprüft, die sich aus dem gesetzlichen Auftrag, dem öffentlichen Interesse, den Interessen des Landes, den zur Verfügung stehenden Ressourcen und den wirtschaftlichen Grundsätzen ergeben. Ebenso werden die Kriterien Daseinsvorsorge, Bedeutung als öffentliche Aufgabe und Kooperationsmöglichkeiten mit den Vermessungsverwaltungen anderer Länder herangezogen. Für diese Überprüfung werden bedarfs- und zweck - orientiert beispielsweise Instrumente der Kosten- und Leistungsrechnung, des Controllings, des Marketings, der Wirtschaftlichkeitsrechnung und des Berichtswesens verwendet. 3. Ist die Ankündigung des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz , „eine nachhaltige Produktstrategie“ für die nichtamtlichen Karten zu entwickeln, als die Absicht zu verstehen, dieses Angebot entgegen dem Votum des Rechnungshofs weiterzuführen? Zu 3.: Die nachhaltige Produktstrategie für die Herstellung der thematischen Karten wird unter Berücksichtigung des Votums des Rechnungshofs entwickelt. Aus den unter Nr. 2 dargelegten Gründen wird die Herstellung der thematischen Karten als eine öffentliche Aufgabe gesehen, um breiten Bevölkerungsschichten mit einem landesweiten und flächendeckenden Kartenwerk den Zugang zu den Landschaften in Baden-Württemberg zu ermöglichen. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 391 4. Wird sie im Rahmen dieser nachhaltigen Produktstrategie dafür sorgen, dass qualitative Mängel behoben werden, die offenbar im Zuge der Digitalisierung der Wanderkarten nach Auffassung des Schwäbischen Albvereins aufgetreten sind? Zu 4.: Die Kritik des Schwäbischen Albvereins (SAV) richtet sich in erster Linie gegen die Herausgabe der Wanderkarten im neuen kartographischen Erscheinungsbild, das von der AdV entwickelt und bundesweit einheitlich für alle topographischen Karten eingeführt wurde. Bemängelt werden fehlende Karteninhalte und Detaillierungen in den topographischen Darstellungen und in der Beschriftung, die sich aufgrund des neuen Karten-Layouts ergeben haben. Seit Herbst 2015 wurde in mehreren Gesprächen mit Vertretern des SAV über Verbesserungen diskutiert, die im April 2016 zu einem einvernehmlich beschlossenen Ergebnis wie folgt geführt haben: Zusätzliche Darstellung der Gebäude - signaturen auf den Siedlungsflächen, ergänzende Darstellung der Streuobstwiesen , verbesserte Höhenliniendarstellung und eine blattbezogene Ergänzung des Schriftguts (Gewannnamen, historisches Namensgut). Diese qualitativen Verbesserungen sind in die Herstellung eines ersten SAV-Kartenblattes eingeflossen, das Mitte Mai 2016 erschienen ist. Die zusätzliche Darstellung der Gebäudesignaturen auf den Siedlungsflächen wurde zwischenzeitlich auch von der AdV als bundesweite Vorgabe beschlossen. 5. Wird sie dabei auch in Betracht ziehen, in welcher Weise das Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung den unübersehbar verstetigten Trend zur digitalisierten Land- und Wanderkarte aufgreifen kann, um auch auf diese Weise die Wirtschaftlichkeit der nicht-amtlichen, aber amtlich verantworteten Karten sicherzustellen? Zu 5.: Das LGL hat den Trend zur digitalen Karte bereits seit längerem in Form digitaler Produkte aufgegriffen. So zählen Digitale Topographische Karten (DTK) über alle Maßstabsbereiche hinweg seit vielen Jahren zum Produktportfolio des LGL. Diese werden auf Datenträger und im Internet über Dienste oder über einen Downloadbereich angeboten. Weitere digitale Produkte, wie z. B. webbasierte (Online-)Kartenanwendungen mit touristischen Informationen, für die bereits entsprechende Konzeptionen bzw. Lösungen vorliegen, sind daher ein wichtiger Bestandteil der nachhaltigen Produktstrategie . Sie werden dabei helfen, die Wirtschaftlichkeit weiter zu erhöhen und dem wachsenden Bedarf einer zunehmend mobiler werdenden Gesellschaft zu begegnen. Seit 2014 ist die kostenfreie Karten-App „BW Map mobile“ verfügbar, mit der hochwertige topographische Karten in Verbindung mit interaktiven touristischen Informationen über einen vollständig automatisierten Bereitstellungsprozess auf Smartphones und Tablets geladen werden können und damit jederzeit und an jedem Ort mobil zur Verfügung stehen. Die App bietet u. a neueste Visualisierungstechniken wie Augmented Reality und ist mit einer als Dienst eingebetteten Fahrplanauskunft ausgestattet. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 391 6 6. Teilt sie die Auffassung des Präsidenten des Schwäbischen Albvereins, dass die Gewährleistung zuverlässigen Kartenmaterials auch für nicht-amtliche Zwecke eine wichtige öffentliche Funktion hat und stimmt sie der Auffassung zu, dass die zuverlässige Amtlichkeit von Kartenmaterial nicht den ggf. wechselnden Eigeninteressen privater Verwerter geopfert werden darf? 7. Wird sie den kaum vermittelbaren Zustand vermeiden, den organisiert oder unorganisiert wandernden Mitbürgerinnen und Mitbürgern just zu einem Zeitpunkt das zuverlässige Kartenmaterial zu entziehen, zu dem das Wandern (wieder ) zu einer Massenbewegung wird und das Tourismusland Baden-Württemberg als Wandersüden firmiert? Zu 6. und 7.: Die Herstellung landesweit einheitlicher und flächendeckender thematischer Karten liegt im öffentlichen Interesse und stellt damit eine wichtige öffentliche Aufgabe dar. Wanderwege werden in ehrenamtlicher Arbeit durch die Wandervereine markiert und unterhalten. Das LGL übernimmt die Dokumentation in die topographischen Karten und gewährleistet dadurch die flächendeckende Nutzbarkeit dieser Informationen für das ganze Land. Diese nachhaltige enge Zusammenarbeit garantiert zum einen die flächendeckende Bereitstellung von Kartenmaterial für ganz Baden -Württemberg sowie zum anderen die laufende Aktualisierung und Fortführung der Kartengrundlagen und der Informationen zu den Wanderwegen. Damit grenzt sich das Verlagsprogramm des LGL auch deutlich von den Verlagsprogrammen und rein wirtschaftlich motivierten Interessen privater Kartenverlage ab, die aus nachvollziehbaren Gründen insbesondere in touristisch besonders interessanten und lukrativen Bereichen aktiv sind, während es in anderen Bereichen , vor allem im ländlichen Raum, häufig an einer kartographisch-/touristischen Grundversorgung mit geeignetem Kartenmaterial mangelt. Hauk Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz