Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 405 08. 08. 2016 1Eingegangen: 08. 08. 2016 / Ausgegeben: 26. 09. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche islamisch-konfessionellen Einrichtungen der Religionspflege bzw. der Sozialfürsorge in Baden-Württemberg haben seit 2011 auf gesetzlicher Grundlage welche Zuwendungen bzw. Fördermittel aus öffentlichen Mitteln zu welchem Zweck erhalten (bitte Bezeichnung des Förderprogramms nennen)? 2. Welche ausländischen staatlichen oder privaten Körperschaften (staatliche Stellen, Stiftungen etc.) in Baden-Württemberg betreiben ihres Wissens welche islamisch-konfessionellen Einrichtungen der Religionspflege bzw. der Sozialfürsorge selbst oder nehmen nachweisbar ideologischen und materiellen Einfluss auf derartige Einrichtungen, die in Baden-Württemberg registriert sind? 3. In welchem Umfang und auf welcher gesetzlichen Grundlage (die inländische und – falls bekannt – bitte ggf. das jeweilige ausländische Gesetz bzw. die zwischenstaatliche Vereinbarung nennen) haben nach ihrer Kenntnis in Baden- Württemberg islamisch-konfessionelle Einrichtungen der Religionspflege bzw. der Sozialfürsorge seit 2011 Zuwendungen aus dem Ausland in Form finanzieller Beihilfen oder von aus dem Ausland entsandtem Personal erhalten? 4. Wie viele ausländische Staatsangehörige aus welchen Ländern sind nach ihrer Kenntnis auf welcher gesetzlichen Grundlage in Baden-Württemberg in islamisch -konfessionellen Einrichtungen der Religionspflege bzw. der Sozialfürsorge tätig? 5. Welchen Behörden in Baden-Württemberg sind gegebenenfalls welche nachweisbaren Versuche (z. B. durch direkte Ansprache, durch propagandistische Mittel) ausländischer Körperschaften (staatliche Stellen, Stiftungen etc.) bekannt geworden, auf die Einstellungen deutscher Staatsbürger gegenüber der Innenpolitik der betreffenden ausländischen Staaten Einfluss zu nehmen? Kleine Anfrage des Abg. Bernd Gögel AfD und Antwort des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Einflussnahme ausländischer Stellen in der Religions - vermittlung und im privaten Unterrichtswesen? Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 405 2 6. Auf welchen Wegen haben nach ihrer Kenntnis baden-württembergischer Behörden ausländische Körperschaften nachweislich versucht auf die Einstellungen deutscher Staatsbürger gegenüber der Innenpolitik und den staatlichen Stellen der Bundesrepublik Deutschland Einfluss zu nehmen? 7. Können über die Größenordnung (Häufigkeit oder Umfang des betroffenen Personenkreises) solcher Vorgänge in Baden-Württemberg Aussagen gemacht werden? 8. Was ist ihr in Baden-Württemberg über den Einfluss ausländischer ideologisch -politischer Gruppierungen auf das Privatschulwesen bzw. das private Nachhilfe- und Sprachvermittlungswesen in Baden-Württemberg, insbeson - dere in Pforzheim und im Enzkreis, bekannt? 9. Falls in Baden-Württemberg registrierte Körperschaften (z. B. Kulturvereine, Schulvereine, Privatschulen, Nachhilfeinstitute etc.), die unmittelbare oder mittelbare Einkünfte aus öffentlichen Mitteln haben (z. B. öffentliche Förderung von Sprachkursen oder Dienstleistungen der sozialen Fürsorge), nachweisbar in Versuche ausländischer Einflussnahme involviert sein sollten: welche gesetzlichen Grundlagen bestehen, dies für die Zulassung zu öffentlichen Aufträgen zu berücksichtigen und derartige Einflussnahme zu unterbinden? 10. Wer kontrolliert mit welchem Erfolg die Verwendung öffentlicher Mittel durch private Bildungsträger in der Nachqualifikation von Nicht-EU-Bürgern, die seit August 2015 ohne formales Visaverfahren in die Bundesrepublik eingereist sind und derzeit ihren Wohnsitz in Baden-Württemberg haben? 03. 08. 2016 Gögel AfD B e g r ü n d u n g Nicht nur aktuelle Presseberichte (z. B. die Tageszeitung am 3. August 2016 bzw. Äußerungen der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen in der Südwest Presse am 3. August 2016) machen speziell auf Aktivitäten sowohl der Gülen-Bewegung in Deutschland, als auch der türkischen Religionsbehörde aufmerksam. Doch sind auch andere, essentiell ausländische politisch-ideologische oder politisch-ethnische Konflikte in Baden-Württemberg durch Demonstrationen oder öffentliche Auseinandersetzungen in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt worden. Die Fragen beziehen sich auf den Kenntnisstand der Landesregierung zu solchen Vorgängen und ihren Bemühungen, importierte Konflikte nicht eskalieren zu lassen bzw. ihre Auswirkungen auf unseren gesellschaftlichen Frieden zu unterbinden. Nicht nur unter deutschen Staatsbürgern türkischer Abstammung im Wahlkreis des Antragstellers werden diese Vorgänge mit großer Ernsthaftigkeit diskutiert. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 405 A n t w o r t * ) Mit Schreiben vom 12. September 2016 Nr. RA-7199.9/254 beantwortet das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport im Einvernehmen mit dem Ministerium der Justiz und für Europa, dem Ministerium für Soziales und Integration, dem Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration und dem Ministerium für Finanzen die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Welche islamisch-konfessionellen Einrichtungen der Religionspflege bzw. der Sozialfürsorge in Baden-Württemberg haben seit 2011 auf gesetzlicher Grundlage welche Zuwendungen bzw. Fördermittel aus öffentlichen Mitteln zu welchem Zweck erhalten (bitte Bezeichnung des Förderprogramms nennen)? Für den flächendeckenden Aufbau der islamischen Gefangenenseelsorge in den Justizvollzugsanstalten des Landes hat das ehemalige Integrationsministerium 2015 in Kooperation mit dem Justizministerium und dem Mannheimer Institut für Integration und interreligiösen Dialog e. V. im Hinblick auf §§ 29 ff. JVollzGB III (Religionsausübung) das Förderprogramm „Islamische Gefangenenseelsorge in Baden-Württemberg“ initiiert, mit dem bis Ende 2016 bis zu 25 islamische Gefangenenseelsorgende für ihre Tätigkeit in den Justizvollzugsanstalten des Landes (einschl. Jugendarrestanstalt und Justizvollzugskrankenhaus) qualifiziert werden. Die Fördermittel betragen insgesamt ca. 86.000 Euro; davon sind ca. 61.000 Euro Haushaltsmittel des ehemaligen Integrationsministeriums und 25.000 Euro Haushaltsmittel des Justizministeriums. Träger von Kindertageseinrichtungen haben einen Anspruch auf Förderung der Betriebsausgaben durch die Gemeinden, sofern die Voraussetzungen des § 8 Kindertagesbetreuungsgesetz erfüllt sind. Das Land erhebt nicht, welche weltanschauliche oder religiöse Orientierung beim jeweiligen Träger gegeben ist. Unabhängig hiervon ist bekannt, dass „Halima Unabhängiger Kindergarten von Muslimen e. V.“ in Karlsruhe und dem „Verein zur Errichtung und Unterhaltung muslimischer Kindergärten e. V.“ in Mannheim vom Kindergartenjahr 2011/2012 bis zum Kindergartenjahr 2015/2016 Leistungen nach der Verwaltungsvorschrift des Kultusministeriums über Zuwendungen zur Sprachförderung in allen Tageseinrichtungen für Kinder mit Zusatzbedarf i. H. v. insgesamt 25.150 Euro bewilligt wurden. 2. Welche ausländischen staatlichen oder privaten Körperschaften (staatliche Stellen, Stiftungen etc.) in Baden-Württemberg betreiben ihres Wissens welche islamisch-konfessionellen Einrichtungen der Religionspflege bzw. der Sozialfürsorge selbst oder nehmen nachweisbar ideologischen und materiellen Einfluss auf derartige Einrichtungen, die in Baden-Württemberg registriert sind? Die „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (D.I.T.I.B.) Köln“ ist ein als eingetragener Verein bundesweit tätiger Verband. Er hat das Ziel der religiösen , sozialen, kulturellen und sportlichen Betreuung der Muslime. In der Satzung vom 8. November 2009 ist unter anderem geregelt, dass bestimmte im Dienste der Türkei stehende Personen das Recht haben, in den Verein aufgenommen zu werden. Ein Organ des Vereins stellt der Beirat dar, dessen Vorsitzender der Präsident des Amtes für religiöse Angelegenheiten der türkischen Republik ist. In Baden-Württemberg ist „D.I.T.I.B.“ durch zwei Landesverbände vertreten, der „Islamischen Religionsgemeinschaft DITIB Württemberg e. V.“ und der „Islamischen Religionsgemeinschaft DITIB Baden e. V.“ Die Landesverbände verstehen sich auch als Träger der Wohlfahrtspflege. In § 21 der Satzungen der Landesverbände ist geregelt, dass sich die Aufgaben des „Religiösen Beirats“ „nicht auf Inhalte und Details des Religionsunterrichts an staatlichen Schulen“ erstrecken. „In- _____________________________________ *) Der Überschreitung der Drei-Wochen-Frist wurde zugestimmt. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 405 4 soweit beruft der Vorstand der Gemeinschaft eine Kommission, der keine Amts - träger eines Staates angehören dürfen.“ Wie groß der tatsächliche Einfluss türkischer Behörden auf DITIB ist, ist derzeit Gegenstand eines kontroversen wissenschaftlichen und öffentlichen Diskurses. Die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) betreibt nach den Erkenntnissen des Landesamtes für Verfassungsschutz Bildungseinrichtungen, in denen Kindern sogenanntes Grundlagenwissen vermittelt werden soll. Dieses Grundlagenwissen umfasst namentlich Kenntnisse der klassischen sunnitischen Glaubenslehre und der türkischen Muttersprache. Darüber hinaus sollen nach den eigenen Angaben der IGMG den türkischstämmigen Mädchen und Jungen, streng nach Geschlechtern getrennt, ihre eigene Kultur und Geschichte im Sinne der IGMG näher gebracht werden. Weiterhin liegen dem LfV Erkenntnisse vor, dass die Türkische Hizbullah Stiftungen und Sozialvereine betreibt. 3. In welchem Umfang und auf welcher gesetzlichen Grundlage (die inländische und – falls bekannt – bitte ggf. das jeweilige ausländische Gesetz bzw. die zwischenstaatliche Vereinbarung nennen) haben nach ihrer Kenntnis in Baden- Württemberg islamisch-konfessionelle Einrichtungen der Religionspflege bzw. der Sozialfürsorge seit 2011 Zuwendungen aus dem Ausland in Form finanzieller Beihilfen oder von aus dem Ausland entsandtem Personal erhalten? Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften gleich welcher Organisationsform genießen nach dem religionsverfassungsrechtlichen System des Grundgesetzes das Recht der Selbstbestimmung (Art. 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung in Verbindung mit Art. 140 Grundgesetz). Das Selbstbestimmungsrecht erfasst auch juristisch selbstständige Einrichtungen wie religiöse Vereine, die einer Religionsgemeinschaft zugeordnet sind. Zu den eigenen Angelegenheiten, die demnach selbstständig geordnet und verwaltet werden, gehören insbesondere Ämtervergabe und Finanzwirtschaft einschließlich Vermögensverwaltung. Eine Überwachung der von solchen Einrichtungen eingesetzten personellen und finanziellen Ressourcen durch das Land findet daher nicht statt. Aus öffentlichen Quellen ergibt sich, dass die an den ca. 156 DITIB-Moschee - gemeinden in Baden-Württemberg tätigen Imamen überwiegend in einem Dienstoder Arbeitsverhältnis mit türkischen Behörden stehen bzw. von dort aus bezahlt werden. 4. Wie viele ausländische Staatsangehörige aus welchen Ländern sind nach ihrer Kenntnis auf welcher gesetzlichen Grundlage in Baden-Württemberg in islamisch -konfessionellen Einrichtungen der Religionspflege bzw. der Sozialfürsorge tätig? Zur Zahl der in islamisch-konfessionellen Einrichtungen der Religionspflege bzw. der Sozialfürsorge tätigen ausländischen Staatsangehörigen liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. 5. Welchen Behörden in Baden-Württemberg sind gegebenenfalls welche nachweisbaren Versuche (z. B. durch direkte Ansprache, durch propagandistische Mittel) ausländischer Körperschaften (staatliche Stellen, Stiftungen etc.) bekannt geworden, auf die Einstellungen deutscher Staatsbürger gegenüber der Innenpolitik der betreffenden ausländischen Staaten Einfluss zu nehmen? 6. Auf welchen Wegen haben nach ihrer Kenntnis baden-württembergischer Behörden ausländische Körperschaften nachweislich versucht auf die Einstellungen deutscher Staatsbürger gegenüber der Innenpolitik und den staatlichen Stellen der Bundesrepublik Deutschland Einfluss zu nehmen? 7. Können über die Größenordnung (Häufigkeit oder Umfang des betroffenen Personenkreises) solcher Vorgänge in Baden-Württemberg Aussagen gemacht werden? Der Landesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 405 8. Was ist ihr in Baden-Württemberg über den Einfluss ausländischer ideologisch -politischer Gruppierungen auf das Privatschulwesen bzw. das private Nachhilfe- und Sprachvermittlungswesen in Baden-Württemberg, insbesondere in Pforzheim und im Enzkreis, bekannt? 9. Falls in Baden-Württemberg registrierte Körperschaften (z. B. Kulturvereine, Schulvereine, Privatschulen, Nachhilfeinstitute etc.), die unmittelbare oder mittelbare Einkünfte aus öffentlichen Mitteln haben (z. B. öffentliche Förderung von Sprachkursen oder Dienstleistungen der sozialen Fürsorge), nachweisbar in Versuche ausländischer Einflussnahme involviert sein sollten: welche gesetzlichen Grundlagen bestehen, dies für die Zulassung zu öffentlichen Aufträgen zu berücksichtigen und derartige Einflussnahme zu unterbinden? Das Kultusministerium hat keine positive Kenntnis über den Einfluss ausländischer ideologisch-politischer Gruppierungen auf das Privatschulwesen insbesondere in Pforzheim und im Enzkreis. In Baden-Württemberg gibt es einige wenige private Schulen mit türkischstämmigen Vertretern. Eine amtliche Statistik über diese Schulen wird nicht geführt, da der türkische Migrationshintergrund der Antragsteller bzw. privaten Schulträger kein statistisches Merkmal ist und die Entscheidung über die Genehmigung – wie bei allen Genehmigungsanträgen – ausschließlich nach den einschlägigen Bestimmungen des Privatschulgesetzes (PSchG) erfolgt. 10. Wer kontrolliert mit welchem Erfolg die Verwendung öffentlicher Mittel durch private Bildungsträger in der Nachqualifikation von Nicht-EU-Bürgern, die seit August 2015 ohne formales Visaverfahren in die Bundesrepublik eingereist sind und derzeit ihren Wohnsitz in Baden-Württemberg haben? Für die Kontrolle der Verwendung öffentlicher Mittel zuständig ist grundsätzlich die genehmigende Behörde. Dr. Eisenmann Ministerin für Kultus, Jugend und Sport