Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 411 08. 08. 2016 1Eingegangen: 08. 08. 2016 / Ausgegeben: 12. 09. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Anhand welcher Kriterien werden Straftaten den rechtsextremistischen Straf - taten zugeordnet? 2. Anhand welcher Kriterien werden Straftaten den linksextremistischen Straf - taten zugeordnet? 3. Ist es richtig, dass auch Straftaten zwischen Asylbewerbern oder Flüchtlingen verschiedener Nationalitäten zu den rechtsextremen Straftaten gezählt werden können? 4. Werden auch Straftaten durch Anhänger ausländischer rechtsextremistischer Organisationen, wie etwa der türkischen „Grauen Wölfe“, als rechtsextreme Straftaten eingeordnet? 5. In welche Delikte lassen sich die 1.604 im aktuellen Verfassungsschutzbericht angegebenen rechtsextremistischen Straftaten für das Jahr 2015 in Baden- Württemberg unterteilen? 6. In wie vielen Fällen konnte bei den 1.604 angegebenen rechtsextremen Straf - taten in Baden-Württemberg nachweislich ein rechtsextremer Täter ausgemacht werden? 7. In wie vielen Fällen hatte der Täter bei den unter Frage 6 genannten Tätern einen Migrationshintergrund? 08. 08. 2016 Dr. Baum AfD Kleine Anfrage der Abg. Dr. Christina Baum AfD und Antwort des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Politisch motivierte Kriminalität in Baden-Württemberg Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 411 2 B e g r ü n d u n g Das Thema „Rechtsextreme Kriminalität“ scheint für einige Medien, aber auch Vertreter der Politik ein zentrales Thema zu sein. Vor diesem Hintergrund, kann die vorliegende Kleine Anfrage dazu dienen, dieses komplexe Thema etwas detaillierter darzulegen. A n t w o r t Mit Schreiben vom 1. September 2016 Nr. 3-1228.2/586 beantwortet das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Anhand welcher Kriterien werden Straftaten den rechtsextremistischen Straf - taten zugeordnet? 2. Anhand welcher Kriterien werden Straftaten den linksextremistischen Straf - taten zugeordnet? 3. Ist es richtig, dass auch Straftaten zwischen Asylbewerbern oder Flüchtlingen verschiedener Nationalitäten zu den rechtsextremen Straftaten gezählt werden können? 4. Werden auch Straftaten durch Anhänger ausländischer rechtsextremistischer Organisationen, wie etwa der türkischen „Grauen Wölfe“, als rechtsextreme Straftaten eingeordnet? Zu 1. bis 4.: Die statistische Erfassung Politisch motivierter Kriminalität (PMK) erfolgt auf der Grundlage des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes (KPMD). Mit Beschluss der ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 10. Mai 2001 sind rückwirkend zum 1. Januar 2001 mit dem „Definitionssystem Politisch motivierte Kriminalität“ und den „Richtlinien für den Kriminalpolizei - lichen Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK)“ die bundesweit einheitlich geltenden Kriterien zur Definition und Erfassung politisch motivierter Straftaten in Kraft gesetzt worden. Die aktuell geltenden Krite - rien sind insbesondere den „Informationen zum polizeilichen Definitionssystem Politisch motivierte Kriminalität (PMK)“ zu entnehmen. Straftaten – auch zwischen Asylbewerbern und Flüchtlingen – werden nur dann als politisch motiviert eingestuft, wenn die Voraussetzungen des Definitionssystems PMK erfüllt sind. Die weitere Zuordnung nach Phänomenbereichen erfolgt nach den Kriterien des Definitionssystems PMK. Entscheidend ist hierbei die Einstellung des Täters. Staatsangehörigkeit, Geburtsland, Herkunft oder Aufenthaltsstatus eines Beschuldigten oder Tatverdächtigen sind bei der Zuordnung nach Phänomenbereichen nicht tragend. Straftaten mit extremistischem Hintergrund stellen eine Teilmenge der PMK dar, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sind. Dem Phänomenbereich PMK – Rechts werden Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie nach verständiger Betrachtung, beispielsweise nach Art der Themenfelder, einer „rechten“ Orientierung zuzurechnen sind, ohne dass die Tat bereits die Außerkraftsetzung oder Abschaffung eines Elementes der freiheitlich demokratischen Grundordnung (Extremismus) zum Ziel haben muss. Insbesondere sind Taten dazuzurechnen, wenn Bezüge zu völkischem Nationalismus , Rassismus, Sozialdarwinismus oder Nationalsozialismus ganz oder teilweise ursächlich für die Tatbegehung waren. Diese politisch motivierten Straftaten sind als rechtsextremistisch zu qualifizieren. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 411 Dem Phänomenbereich PMK – Links werden Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie nach verständiger Betrachtung, beispielsweise nach Art der Themenfelder, einer „linken“ Orientierung zuzurechnen sind, ohne dass die Tat bereits die Außerkraftsetzung oder Abschaffung eines Elementes der freiheitlich demokratischen Grundordnung (Extremismus) zum Ziel haben muss. So sind insbesondere Taten dazuzurechnen, wenn Bezüge zu Anarchismus oder Kommunismus (einschließlich Marxismus) ganz oder teilweise ursächlich für die Tatbegehung waren. Entsprechende politisch motivierte Straftaten sind als linksextremistisch zu qualifizieren. Dem Phänomenbereich der politisch motivierten Ausländerkriminalität (PMAK) werden Straftaten zugeordnet, sofern in Würdigung der Umstände der Tat oder der Erkenntnisse über den Täter Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die durch eine nichtdeutsche Herkunft geprägte Einstellung des Täters entscheidend für die Tatbegehung war, insbesondere wenn sie darauf gerichtet sind, Verhältnisse und Entwicklungen im In- und Ausland oder aus dem Ausland Verhältnisse und Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland zu beeinflussen. Davon umfasst sind auch Straftaten extremistischer ausländischer Organisationen. So werden entsprechende Straftaten im Kontext der „Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e. V.“ („Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu“, ADÜTDF), gemeinhin auch als Organisation „Graue Wölfe“ bekannt, in der Regel dem Bereich der PMAK zugeordnet. Straftaten der PMAK können jedoch auch durch deutsche Staatsangehörige begangen werden. 5. In welche Delikte lassen sich die 1.604 im aktuellen Verfassungsschutzbericht angegebenen rechtsextremistischen Straftaten für das Jahr 2015 in Baden- Württemberg unterteilen? 6. In wie vielen Fällen konnte bei den 1.604 angegebenen rechtsextremen Straf - taten in Baden-Württemberg nachweislich ein rechtsextremer Täter ausgemacht werden? 7. In wie vielen Fällen hatte der Täter bei den unter Frage 6 genannten Tätern einen Migrationshintergrund? Zu 5. bis 7.: Nach den Grundsätzen des Definitionssystems PMK bilden politisch motivierte Straftaten mit extremistischem Hintergrund eine Teilmenge der PMK. Im Jahr 2015 wurden 1.604 Straftaten im Phänomenbereich PMK – Rechts registriert. Wie dem Verfassungsschutzbericht 2015 zu entnehmen ist, wurde bei 1.484 Straf - taten ein extremistischer Hintergrund festgestellt. Die im Berichtsjahr 2015 er - fassten 1.604 Straftaten PMK – Rechts einschließlich der Teilmenge mit extre - mistischem Hintergrund unterteilten sich in folgende Deliktsbereiche: Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 411 4 _____________________________________ 1 Versuch nach § 23 StGB. DELIKTISCHE VERTEILUNG DER STRAFTATEN PMK - R E C H T S/-EXTREMISTISCH IN BADEN-WÜRTTEMBERG Gesamt davon 2015 extrem. Terrorismus §§ 129a ff, 89a ff, 91 StGB 0 0 Gewalttaten 76 71 – Tötungsdelikte 1 1 1 – Körperverletzungen 60 55 – Brand- u. Sprengstoffdelikte 9 9 – Landfriedensbruch 1 1 – §§ 315, 315b, 316a, 316c StGB 1 1 – Freiheitsberaubung 0 0 – Raub/Erpressung 0 0 – Widerstandsdelikte 4 4 – Völkerstrafgesetzbuch 0 0 Propagandadelikte – §§ 86, 86a StGB 836 830 Sonstige Straftaten 692 583 – §§ 130, 131 StGB 393 357 – § 126 StGB 12 10 – §§ 240, 241 StGB 17 15 – §§ 185 ff StGB 112 84 – §§ 303 ff StGB 97 70 – § 129 StGB 0 0 – Sonstige §§ StGB 35 27 – Vereinsgesetz 0 0 – Versammlungsgesetz 25 19 – strafrechtl. Nebengesetze 1 1 GESAMTSUMME 1.604 1.484 davon Themenfelder fremdenfeindlich 607 542 – davon Gewalttaten 45 45 Antisemitismus 106 106 – davon Gewalttaten 2 2 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 411 Von insgesamt 1.484 extremistisch motivierten Straftaten im Phänomenbereich der PMK – Rechts wurden 577 Straftaten aufgeklärt. Insgesamt wurden hierzu 677 Tatverdächtige ermittelt. Im Übrigen wird der „Migrationshintergrund“ von Tatverdächtigen statistisch nicht erfasst. Strobl Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration