Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 427 11. 08. 2016 1Eingegangen: 11. 08. 2016 / Ausgegeben: 13. 09. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Haltung vertritt sie zum Erhalt des Bargeldes bzw. einem Verbot oder einer Einschränkung desselben im Hinblick auf den Wirtschaftsstandort Baden- Württemberg? 2. Befürwortet sie eine Verankerung des Bargeldes im Grundgesetz und/oder der Landesverfassung als gültiges Zahlungsmittel? 3. Welche Position hat sie zur Abschaffung des 500,00 Euro-Scheines mit Blick auf den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg? 4. Hält sie eine Abschaffung oder Einschränkung des Bargeldes mit der Landesverfassung Baden-Württembergs, dem Datenschutz und den Bürgerrechten für vereinbar? 5. Wie steht sie zu Bargeldobergrenzen? 6. Wie sieht sie die Auswirkung einer Bargeldabschaffung oder Einschränkung auf den einzelnen Bürger in Baden-Württemberg? 7. Wie sieht sie die Auswirkung einer Bargeldabschaffung oder Einschränkung auf die Wirtschaft in Baden-Württemberg? 8. Welche Kenntnisse hat sie über Pläne zur Abschaffung oder Einschränkung des Bargeldes? 11. 08. 2016 Berg ABW Kleine Anfrage des Abg. Lars Patrick Berg ABW und Antwort des Ministeriums für Wissenschaft, Arbeit und Wohnungsbau Erhalt des Bargeldes Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 427 2 B e g r ü n d u n g Verschiedene Bürgerplattformen und Initiativen setzen sich für einen Erhalt des Bargeldes und dessen grundgesetzliche Verankerung als Freiheits- und Bürgerrecht ein. Es besteht ein Interesse, die Haltung der Landesregierung in dieser Thematik zu kennen. A n t w o r t Mit Schreiben vom 2. September 2016 Nr. 61-4200.010/61 beantwortet das Mi - nis terium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau im Einvernehmen mit dem Ministerium für Finanzen, dem Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration und dem Ministerium der Justiz und für Europa die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Haltung vertritt sie zum Erhalt des Bargeldes bzw. einem Verbot oder einer Einschränkung desselben im Hinblick auf den Wirtschaftsstandort Baden -Württemberg? 3. Welche Position hat sie zur Abschaffung des 500,00 Euro-Scheines mit Blick auf den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg? 5. Wie steht sie zu Bargeldobergrenzen? 6. Wie sieht sie die Auswirkung einer Bargeldabschaffung oder Einschränkung auf den einzelnen Bürger in Baden-Württemberg? 7. Wie sieht sie die Auswirkung einer Bargeldabschaffung oder Einschränkung auf die Wirtschaft in Baden-Württemberg? 8. Welche Kenntnisse hat sie über Pläne zur Abschaffung oder Einschränkung des Bargeldes? Zu 1., 3. und 5. bis 8.: Der Landesregierung sind keine Pläne zur Abschaffung des Bargelds bekannt – weder auf Ebene des Landes, noch auf Bundes- oder europäischer Ebene. Das fiktive Szenario einer vollständigen Abschaffung von Bargeld hätte massive Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben, da sämtliche wirtschaftlichen Transaktionen dann vorrangig nur noch elektronisch erfolgen könnten, während laut Auskunft der Bundesbank in Deutschland zur Zeit noch rund 80 % aller Zahlungsvorgänge an der Ladentheke unter Verwendung von Bargeld erfolgen. Daneben entfiele mit der Abschaffung des Bargelds dessen Wertaufbewahrungsfunktion sowie ein zentrales geldpolitisches Steuerungsinstrument. Aus diesen Gründen würde die Landesregierung die Abschaffung des Bargelds als einen massiven Einschnitt in die Entscheidungsfreiheit und Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger entschieden ablehnen. Die in jüngster Zeit im Rahmen von Maßnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus sowie Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit und dem damit einhergehenden Steuer- und Sozialversicherungsbetrug öffentlich diskutierten Fragen der Deckelung von Bargeldgeschäften sowie einer Abschaffung der 500- Euro-Scheine sind davon jedoch getrennt zu behandeln. Der Rat der Europäischen Zentralbank hat im Mai dieses Jahres beschlossen, den 500-Euro-Schein schrittweise und mit einer angemessenen Übergangsfrist (vo - raussichtlich frühestens Ende 2018) abzuschaffen, da dieser bei der Finanzierung von Straftaten eine große Rolle spiele. Da nur ein Bruchteil der Verbraucher den 500-Euro-Schein für Konsumzwecke nutze, könne davon ausgegangen werden, dass eine Abschaffung kaum wirtschaftliche Auswirkungen habe. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 427 Der Vorschlag, zur Bekämpfung illegaler Aktivitäten eine europaweite Decke - lung von Bargeldgeschäften auf 5.000 Euro vorzunehmen, wird zurzeit auf Antrag des EU-Finanzministerrats (ECOFIN) von der EU-Kommission geprüft. Aus Sicht der Landesregierung ist ein reibungsloser und kostengünstiger Zahlungsverkehr wichtig für den Wirtschaftsstandort. Von einer Bargeldobergrenze in Höhe der vorgeschlagenen 5.000 Euro insgesamt dürfte dieses Ziel jedoch kaum beeinträchtigt sein, da der Großteil der Transaktionen in dieser Höhe nicht über Bargeld stattfindet und somit ein Umstieg auf elektronische Zahlungsmittel ohne einen nennenswerten zusätzlichen Kostenaufwand möglich ist. Die Landesregierung hält es für erforderlich und geht auch davon aus, dass im Rahmen der oben genannten Prüfung des Vorschlags einer europaweiten Deckelung von Bargeldgeschäften nicht nur untersucht wird, inwieweit ein Verbot von größeren Bargeldtransaktionen illegale Aktivitäten tatsächlich unterbindet, sondern auch die mit einer entsprechenden Maßnahme einhergehenden datenschutzrechtlichen Fragen sowie die Frage der Ausfalldeckung von Giralgeld in den Blick genommen wird. 2. Befürwortet sie eine Verankerung des Bargeldes im Grundgesetz und/oder der Landesverfassung als gültiges Zahlungsmittel? Zu 2.: Eine Verankerung des Zahlungsverkehrs unter Verwendung von Bargeld kann in der Verfassung des Landes Baden-Württemberg mangels entsprechender Gesetzgebungskompetenz des Landes nicht erfolgen. Nach Artikel 73 Absatz 1 Nummer 4 des Grundgesetzes (GG) hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz über das Währungs-, Geld- und Münzwesen. Der Bundesgesetzgeber hat bei der Einführung von verfassungsrechtlichen Bestimmungen über das Geld- und Münzwesen die Vorgaben des Rechts der Europäischen Union zu beachten. Gemäß Artikel 128 AEUV sind die von der Europäischen Zentralbank und die von den nationalen Zentralbanken mit Genehmigung der Europäischen Zentralbank ausgegebenen Euro-Banknoten und Euro- Münzen die einzigen Banknoten und Münzen, die im Gebiet der Währungsunion als gesetzliches Zahlungsmittel gelten. Im Umkehrschluss hat man davon auszugehen , dass Euro-Bargeld (Banknoten und Münzen), das von der Europäischen Zentralbank oder mit deren Genehmigung von einer nationalen Zentralbank ausgegeben worden ist, in jedem Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, als gesetzliches Zahlungsmittel anzuerkennen ist. In einer zusätzlichen Verankerung des Bargelds im Grundgesetz erkennt die Landesregierung daher keinen Mehrwert . 4. Hält sie eine Abschaffung oder Einschränkung des Bargeldes mit der Landesverfassung Baden-Württembergs, dem Datenschutz und den Bürgerrechten für vereinbar? Zu 4.: Soweit die Europäische Union und der Bund im Rahmen ihrer Rechtsetzungskompetenzen währungspolitische Regelungen in Bezug auf die Verwendung von Bargeld in Deutschland treffen, sind diese Regelungen am Maßstab des primären Unionsrechts (einschließlich der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – EU-GR-Charta –; zu deren Adressaten vgl. Artikel 51 EU-GR-Charta) sowie – bezogen auf das Handeln des Bundes – des Grundgesetzes zu messen. Insofern sind vom jeweiligen Rechtsetzer auch die europa- und verfassungsrecht lichen Gewährleistungen der Freiheitsrechte zu beachten. Die Ausübung von Freiheit durch Verwendung von Bargeld setzt voraus, dass Bargeld überhaupt geschaffen und seine Verwendung im Zahlungsverkehr staatlich anerkannt wird. Die Bereitstellung und Zulassung von Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel ermöglicht in zahlreichen Lebensbereichen die anonyme Ausübung wirtschaftlicher Handlungsfreiheit und damit unmittelbar eine datenschützende Funktion. Darüber hinaus hat sie auf die Gewährleistung von anderen Freiheitsrechten Einfluss, de- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 427 4 ren Ausübung möglicherweise davon abhängig gemacht wird, ob ein Zahlungsverkehr anonym stattfinden kann. Angesichts dieser greifbaren Relevanz wäh - rungs politischer Gestaltungsentscheidungen über die Eröffnung, Begrenzung oder Beendigung des Bargeldverkehrs auf die oben angesprochenen Freiheitsrechte, werden diese Entscheidungen am Maßstab der Gewährleistung der Freiheitsrechte zu messen sein. Dabei sind vor allem dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die Vorgaben zu entnehmen, die dabei zu beachten sind. Soweit ersichtlich, liegen zu dieser Frage noch keine höchstrichterlichen Entscheidungen vor. In der rechtswissenschaftlichen Literatur mehren sich allerdings Stimmen, die hoheitliche Einschränkungen des Bargeldverkehrs in europa- und verfassungsrechtlicher Hinsicht kritisch betrachten. In Vertretung Wicker Ministerialdirektor