Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 437 15. 08. 2016 1Eingegangen: 15. 08. 2016 / Ausgegeben: 15. 09. 2016 K l e i n e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Trifft es zu, dass der viergleisige Ausbau der Rheintalbahn gemäß dem Staatsvertrag von Lugano aus dem Jahr 1996 etwa gleichzeitig mit einem zweigleisigen Ausbau der Gäubahn, dem Gotthard-Basis-Tunnel und Stuttgart 21 fertiggestellt werden sollte? 2. Betrachtet sie den Ausbau der Rheintalbahn, den Ausbau der Gäubahn, Stuttgart 21 und den Gotthard-Basis-Tunnel noch als Teile eines zusammenhängenden Verkehrsprojekts? 3. Trifft es zu, dass die für die Gäubahn bestellten Doppelstock-IC-Wagen nicht mit dem neuen Zugsicherungssystem ETCS ausgestattet sind und somit der grenzüberschreitende Verkehr mit der Schweiz auf der Verbindung Stuttgart– Zürich von baden-württembergischer Seite aus nicht bedient werden kann? 4. Hat sie Informationen, nach denen die Deutsche Bahn die in hoher Stückzahl bestellten IC-Doppelstockwagen nachträglich mit dem neuen ETCS-Sicherungssystem ausstatten und so für den grenzüberschreitenden Verkehr ertüchtigen will? 5. Ist die fehlende Ausstattung mit ETCS auf eine entsprechende Bestellung des Auftraggebers (Deutsche Bahn) oder auf ein Versäumnis des Herstellers zu - rückzuführen? 6. Trifft es zu, dass der zweigleisige Ausbau der Gäubahn im Bundesverkehrswegeplan 2030 durch die Zuweisung in den Potenziellen Bedarf bis nach 2030 aufgeschoben werden kann? 7. Welche rechtlichen Mittel zieht sie in Betracht, um bei der Bundesregierung die Umsetzung der Baden-Württemberg betreffenden Schieneninfrastrukturprojekte aus dem Staatsvertrag von Lugano zu erreichen? Kleine Anfrage der Abg. Bernd Gögel und Emil Sänze AfD und Antwort des Ministeriums für Verkehr Schienenverkehrsprojekte in Baden-Württemberg Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 437 2 8. Ist ihr bekannt, dass der Bundesverkehrswegeplan 2030 für das Erreichen eines deutschlandweiten Taktfahrplans insbesondere in Baden-Württemberg das Einsetzen von Neigetechnikfahrzeugen anstelle von Investitionen in die Schieneninfrastruktur vorsieht? 9. Ist ihr die extrem hohe Störanfälligkeit der angestrebten Neigetechnik für die Zugverbindungen auf der Gäubahn bekannt? 10. Welche Alternativkonzepte sind ihr bekannt, durch die der grenzüberschreitende Verkehr zwischen Stuttgart und Zürich von baden-württembergischer Seite aus gewährleistet werden kann? 09. 08. 2016 Gögel, Sänze AfD B e g r ü n d u n g Der Staatsvertrag von Lugano wurde im Jahr 1996 mit der Schweiz geschlossen, um den grenzüberschreitenden Verkehr sowie die Transversale von den Nord- See-Häfen an die südlichen europäischen Staaten auszubauen. Es beinhaltet Verkehrsprojekte von elementarer wirtschaftlicher Bedeutung. Während der Vertragspartner Schweiz seinen vertraglichen Verpflichtungen nachgekommen ist, werden auf deutscher Seite, insbesondere in Baden-Württemberg, notwendige Verkehrs- und Infrastrukturprojekte aufgeschoben. Als Vertragspartner sollte die Landesregierung eigene Zusagen einhalten und auf die Einhaltung der Zusagen anderer Vertragspartner, wenn notwendig auch mit rechtlichen Mitteln, drängen. Der Bundesverkehrswegeplan 2030 sieht zudem vor, dass deutschlandweit ein Taktfahrplan nach Schweizer Vorbild angestrebt werden soll. Sowohl für Fernverkehrs - als auch für Nahverkehrslinien insbesondere in Baden-Württemberg soll dieser teilweise durch den Einsatz von Neigetechnik anstelle von Investitionen in die Schieneninfrastruktur erreicht werden. A n t w o r t Mit Schreiben vom 8. September 2016 Nr. 3-3824.5-00/410 beantwortet das Ministerium für Verkehr die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Trifft es zu, dass der viergleisige Ausbau der Rheintalbahn gemäß dem Staatsvertrag von Lugano aus dem Jahr 1996 etwa gleichzeitig mit einem zweigleisigen Ausbau der Gäubahn, dem Gotthard-Basis-Tunnel und Stuttgart 21 fertiggestellt werden sollte? 2. Betrachtet sie den Ausbau der Rheintalbahn, den Ausbau der Gäubahn, Stuttgart 21 und den Gotthard-Basis-Tunnel noch als Teile eines zusammenhängenden Verkehrsprojekts? Die Fragen 1 und 2 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die „Vereinbarung zwischen dem Bundesminister für Verkehr der Bundesrepublik Deutschland und dem Vorsteher des Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschafts -Departements zur Sicherung der Leistungsfähigkeit des Zulaufes zur neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) in der Schweiz“ vom 9. Juni 1996 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 437 (sog. Vereinbarung von Lugano) beinhaltet keine verpflichtenden oder etwaigen Jahresangaben. In ihrem Artikel 2 sieht die Vereinbarung vor, dass die Kapazitäten im nördlichen Zulauf zur NEAT, Karlsruhe–Freiburg im Breisgau–Basel, auf schweizerischem und deutschem Gebiet schritthaltend mit der Verkehrsnachfrage und aufeinander abgestimmt erhöht werden. Auch haben sich die Vertragsparteien verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, welche die abgestimmte betriebliche Nutzung der in Artikel 2 der Vereinbarung genannten Strecken begünstigen (Artikel 4). Die genannten Infrastrukturausbauten dienen dem Ziel, den grenzüberschreitenden Eisenbahnpersonen- und -güterverkehr zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland durch aufeinander abgestimmte Maßnahmen der Schieneninfrastruktur in seiner Leistungsfähigkeit zu sichern. U. a. die Achse Stuttgart– Zürich hat im Güterverkehr die Funktion einer regionalen Entlastungsstrecke zur NEAT mit Erschließungsfunktion für die Ostschweiz und Süddeutschland. Die Umgestaltung des Bahnknotens Stuttgart im Rahmen des Bahnprojekts Stuttgart 21 ist hiermit zunächst nicht erfasst. Für die Gestaltung attraktiver Fahrplan- und Angebotskonzepte im Personenverkehr bestehen generell enge Zusammenhänge zwischen den in der Frage genannten Projekten und dem damit verknüpften Ausbau der Infrastruktur. Auch sind Zusammenhänge in der Bewertung dieser Projekte gegeben. 3. Trifft es zu, dass die für die Gäubahn bestellten Doppelstock-IC-Wagen nicht mit dem neuen Zugsicherungssystem ETCS ausgestattet sind und somit der grenzüberschreitende Verkehr mit der Schweiz auf der Verbindung Stuttgart– Zürich von baden-württembergischer Seite aus nicht bedient werden kann? 4. Hat sie Informationen, nach denen die Deutsche Bahn die in hoher Stückzahl bestellten IC-Doppelstockwagen nachträglich mit dem neuen ETCS-Sicherungssystem ausstatten und so für den grenzüberschreitenden Verkehr ertüchtigen will? Die Fragen 3 und 4 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Dem Verkehrsministerium wurde Ende März/Anfang April 2016 bekannt, dass die neuen Doppelstock-ICs nicht der Schweizer ETCS-Norm entsprechen. Nach Mitteilung der DB Fernverkehr ist derzeit ein Übergangskonzept in der Prüfung , welches zweistündig eine Direktverbindung Stuttgart–Zürich mit Zügen der Schweizer Bundesbahn vorsieht. In der anderen Stunde soll der neue Doppelstock -IC auf deutschem Gebiet bis Singen verkehren, wo dann eine Umsteigeverbindung nach Zürich besteht. Damit wird der Status Quo beibehalten und eine zusätzliche zweistündliche (Umsteige-)Verbindung neu eingerichtet. Laut DB wird gemeinsam mit der Industrie konzentriert daran gearbeitet, die für den Betrieb in der Schweiz zugelassenen Züge so schnell wie möglich zum Einsatz zu bringen. 5. Ist die fehlende Ausstattung mit ETCS auf eine entsprechende Bestellung des Auftraggebers (Deutsche Bahn) oder auf ein Versäumnis des Herstellers zu - rück zuführen? Hierzu liegen der Landesregierung keine Informationen vor. 6. Trifft es zu, dass der zweigleisige Ausbau der Gäubahn im Bundesverkehrswegeplan 2030 durch die Zuweisung in den Potenziellen Bedarf bis nach 2030 aufgeschoben werden kann? Im „potenziellen Bedarf“ (PB) sind bislang u. a. Projekte aufgeführt, die vom Bund noch nicht abschließend untersucht und bewertet sind. Diese können – nach positiver Beurteilung – in den „vordringlichen Bedarf“ (VB) aufsteigen und auch in den Bedarfsplan des Bundesschienenwegeausbaugesetzes (BSWAG) aufgenommen werden. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 437 4 7. Welche rechtlichen Mittel zieht sie in Betracht, um bei der Bundesregierung die Umsetzung der Baden-Württemberg betreffenden Schieneninfrastrukturprojekte aus dem Staatsvertrag von Lugano zu erreichen? Es ist Sache der Bundesregierung, die Vereinbarung von Lugano zu erfüllen. Das Land fordert die Erfüllung regelmäßig vom Bund ein, u. a. im Mai 2016 in der Stellungnahme zum Entwurf des Bundesverkehrswegeplans. Rechtliche Möglichkeiten bestehen nicht. 8. Ist ihr bekannt, dass der Bundesverkehrswegeplan 2030 für das Erreichen eines deutschlandweiten Taktfahrplans insbesondere in Baden-Württemberg das Einsetzen von Neigetechnikfahrzeugen anstelle von Investitionen in die Schieneninfrastruktur vorsieht? Der Einsatz von bestimmten Fahrzeugen ist nicht Gegenstand des Bundesverkehrswegeplans (BVWP), da er die Schieneninfrastruktur betrifft. In Anlage 2 des BVWP 2030 sind jedoch im Rahmen des Potentiellen Bedarfs bei den Vorhaben ABS Stuttgart–Backnang–Nürnberg sowie ABS Stuttgart–Singen–Grenze D/CH nach derzeitiger Projektdefinition als Maßnahmen jeweils Neigetechnikausrüs - tung vorgesehen. Im Rahmen der im Auftrag des Bundes erstellten Machbarkeitsstudie zur Prüfung eines Deutschland-Takts im Schienenverkehr vom 30. März 2015 werden sowohl für den Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) als auch für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) verschiedene Fahrzeugtypen unterstellt. Im SPFV sind dies die ICE 3, TGV, ICx und Dosto-IC, somit keine Fahrzeuge mit Neigetechnik. Bei den Fahrzeugen für den SPNV werden in der Machbarkeitsstudie die Produkte RE, RB und S-Bahn unterschieden und darauf hingewiesen, dass die eingesetzten Fahrzeuge abhängig sind von unterschiedlichen Konfigurationen u. a. von der Höchstgeschwindigkeit (ggf. NeiTech). In der Studie werden deshalb ca. 20 Mus - terzüge hinterlegt, um dies abzubilden. 9. Ist ihr die extrem hohe Störanfälligkeit der angestrebten Neigetechnik für die Zugverbindungen auf der Gäubahn bekannt? 10. Welche Alternativkonzepte sind ihr bekannt, durch die der grenzüberschreitende Verkehr zwischen Stuttgart und Zürich von baden-württembergischer Seite aus gewährleistet werden kann? Fragen 9 und 10 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Das Land Baden-Württemberg hat ein Gutachten zur Fahrzeitverkürzung auf dem internationalen Korridor zwischen Stuttgart und Zürich vergeben. In diesem Gutachten wird untersucht, inwieweit die Fahrzeitziele der Vereinbarung von Lugano erreicht werden können. Dabei werden sowohl infrastrukturelle als auch fahrzeugseitige Maßnahmen, wie der Einsatz von Neigetechnikzügen und konventionellem Rollmaterial betrachtet, um den grenzüberschreitenden Verkehr zu beschleunigen. Das Gutachten kommt zum Ergebnis, dass mit einem moderaten Mitteleinsatz (je nach Variantenwahl zwischen 220 und 285 Mio. Euro an Infrastrukturausbauinvestitionen ) unter Zugrundelegung von Neigetechnikzügen eine spürbare Fahrzeitverkürzung von 19 Minuten erreicht werden könnte. Im europäischen Ausland, z. B. im Nachbarland Schweiz, sind Neigetechnikzüge mit zufriedenstellender Betriebsqualität im täglichen Einsatz. Diese wären für einen Einsatz auf der Strecke Stuttgart–Zürich geeignet. In Vertretung Dr. Lahl Ministerialdirektor