Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 44 31. 05. 2016 1Eingegangen: 31. 05. 2016 / Ausgegeben: 05. 07. 2016 K l e i n e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Welche Informationen liegen ihr zur wirtschaftlichen Lage der baden-württembergischen Verlage im Allgemeinen vor? 2. Welche Auswirkungen sind durch das VG-Wort-Urteil auf die baden-württembergischen Verlage zu erwarten? 3. Welche Maßnahmen unternimmt sie, um die Verlage und den Buchmarkt als Teil der baden-württembergischen Kreativwirtschaftsbranche zu unterstützen? 4. Gibt es vertragliche Beziehungen zwischen dem Land Baden-Württemberg und der VG Wort, und wenn ja, welche sind dies? 5. Ist zu erwarten, dass das VG-Wort-Urteil direkt oder mittelbar Auswirkungen auf die Landesverwaltung und nachgeordnete Einrichtungen des Landes (z. B. Landesbibliotheken, Museen, Archive, Hochschulen) bzw. der Kommunen (z. B. Schulen) haben wird? 31. 05. 2016 Salomon, Kern GRÜNE Kleine Anfrage der Abg. Alexander Salomon und Manfred Kern GRÜNE und Antwort des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Auswirkungen des VG-Wort-Urteils (Verwertungs gesellschaft Wort) des Bundesgerichtshofs Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 44 2 B e g r ü n d u n g Am 21. April 2016 hat der Bundesgerichtshof (Aktenzeichen I ZR 198/13) entschieden , dass die Verwertungsgesellschaft Wort nicht berechtigt ist, ihre bisher ausgeübte Praxis, Verlage pauschal an den Einnahmen zu beteiligen, weiterzuführen . Es ist daher von Interesse, welche Folgen dieses Urteil für den Verlagsstandort Baden-Württemberg und ggf. auch in Bezug auf die Landesverwaltung hat. A n t w o r t Mit Schreiben vom 22. Juni 2016 Nr. 76-4225.10/165/1 beantwortet das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau im Einvernehmen mit dem Staatsministerium sowie dem Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration, dem Ministerium für Finanzen, dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, dem Ministerium für Soziales und Integration , dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, dem Minis - terium der Justiz und für Europa und dem Ministerium für Verkehr die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Informationen liegen ihr zur wirtschaftlichen Lage der baden-württembergischen Verlage im Allgemeinen vor? Zu 1.: Nach dem derzeit aktuellen Datenreport 2014 zur Kultur- und Kreativwirtschaft Baden-Württemberg erwirtschaften die 2.147 Unternehmen, die im Land zum Buchmarkt gerechnet werden, mit ihren 15.706 Erwerbstätigen einen Umsatz von 2,5 Milliarden Euro. Gemessen am Umsatz erbringt der Buchmarkt damit ein Zehntel des Umsatzes der gesamten Kultur- und Kreativwirtschaft Baden-Württembergs . In den Jahren 2009 bis 2013 war der landesweite Buchmarkt in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Mit einem Minus von fast 25 Prozent war der Umsatzverlust des Buchmarktes als dramatisch zu bezeichnen. Es wirkten sich in diesem Zeitraum vor allem die Verluste der Buchverlage aus, deren Umsatz 2009 und 2013 von knapp 2,6 Milliarden Euro auf schätzungsweise unter 1,8 Milliarden Euro zurückging. Im Jahr 2013 haben 326 steuerpflichtige Buchverlage in Baden-Württemberg insgesamt einen Umsatz von 1,76 Milliarden Euro getätigt. Das sind 20,5 Prozent des gesamten steuerbaren Umsatzes deutscher Verlage in Höhe von 8,58 Milliarden Euro. Vor Baden-Württemberg liegt nur Nordrhein-Westfalen mit einem verlegerischen Umsatzvolumen von 3,86 Milliarden Euro. 591 Buchhandlungen in Baden-Württemberg setzten im Jahr 2013 rund 511 Millionen Euro mit Büchern um. Das sind 14,8 Prozent des steuerbaren Gesamt - umsatzes mit Büchern in Deutschland, der sich auf 3,45 Milliarden Euro beläuft. Die Verlage aus dem Land erzielten im Jahr 2014 mit 11.521 Erstauflagen rund 15,6 Prozent der gesamten Titelproduktion an Erstauflagen in der Bundesrepublik . Die baden-württembergischen Verlage liegen damit vor Bayern (14,8 Prozent ). Nur die Verlage in Nordrhein-Westfalen haben mehr neue Bücher herausgegeben (16,1 Prozent). Neben den Verlagen und Buchhandlungen (= sogenannter Einzelhandel mit Büchern) zählen selbstständige Schriftsteller, selbstständige Übersetzer, Antiquariate und Buchbindereien zum Buchmarkt. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 44 2. Welche Auswirkungen sind durch das VG-Wort-Urteil auf die baden-württembergischen Verlage zu erwarten? Zu 2.: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 21. April 2016 – I ZR 198/13 entschieden, dass Verlage nicht mehr an den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften beteiligt werden dürfen. Seit Jahrzehnten geltende Verteilungspläne der Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) wurden damit höchst - richterlich für rechtswidrig erklärt. Zu den Auswirkungen des BGH-Urteils auf die baden-württembergischen Ver - lage hat das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau den Börsenverein des Deutschen Buchhandels Baden-Württemberg e. V. um Stellungnahme gebeten. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels e. V. ist weltweit der einzige Wirtschaftsverband, der alle drei Handelsstufen unter einem Dach vereinigt: Verlage, Buchhandlungen, den Zwischenbuchhandel und Verlagsvertreter. Nach Auffassung des Börsenvereins sei das Urteil als „schwerer Schlag für die Verlagskultur in Deutschland und vor allem für Baden-Württemberg“ zu bewerten, der kulturpolitische, finanzielle und standortpolitische Auswirkungen befürchten lasse. In kulturpolitischer Hinsicht wird eine Beendigung des bisherigen Miteinanders zwischen Urhebern und Verlagen befürchtet, in finanzieller Hinsicht seien die Folgen des Urteils noch nicht eindeutig absehbar. Dass es zu erheblichen Rückforderungen der VG Wort kommen werde, sei allerdings definitiv zu erwarten. Im schlimmsten Fall sei mit existenzbedrohenden Folgen zu rechnen. Die möglichen Auswirkungen insbesondere auf kleine und mittlere Verlage können vonseiten der Landesregierung derzeit nicht benannt werden. 3. Welche Maßnahmen unternimmt sie, um die Verlage und den Buchmarkt als Teil der baden-württembergischen Kreativwirtschaftsbranche zu unterstützen? Zu 3.: Das Land unterstützt den Buchmarkt bei der jährlichen Durchführung der Stuttgarter Buchwochen und der Karlsruher Bücherschau, ferner bei den jährlichen Kalenderschauen – dem GREGOR Calendar Award in Stuttgart und Karlsruhe. Für den Buchmarkt in Baden-Württemberg existiert kein spezielles einzelbetriebliches Förderprogramm. Allerdings stehen dem Buchmarkt alle Instrumente der allgemeinen, branchenunabhängigen Wirtschaftsförderung und deren Förderprogramme zur Verfügung. Das Wissenschaftsministerium vergibt alle zwei Jahre den baden-württember - gischen Preis für literarisch ambitionierte kleinere Verlage (sog. Kleinverlagspreis ). 4. Gibt es vertragliche Beziehungen zwischen dem Land Baden-Württemberg und der VG Wort, und wenn ja, welche sind dies? Zu 4.: Nach dem Urheberrechtsgesetz muss in aller Regel für Nutzungen von urheberrechtlich geschützten Werken eine angemessene Vergütung gezahlt werden. Die Höhe der Vergütung ist durch Tarife oder Einzel-, Rahmen- und Gesamtverträge der VG Wort mit den Vergütungspflichtigen oder ihren Verbänden (z. B. In - dustrieverbände, Bibliotheken, Bund und Länder) festgelegt. Die erlaubnisfreie, aber vergütungspflichtige Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken an Hochschulen, Forschungs- und Kultureinrichtungen ist in den §§ 27, 52 a, 52 b und 53 a des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) geregelt. Die Vergütungen für Werke im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG, die in den Zu - ständigkeitsbereich der VG Wort fallen, werden für den Bereich der Hochschulen und Kultureinrichtungen von der Kommission Bibliothekstantieme der Kultus - Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 44 4 ministerkonferenz für die Länder mit der VG Wort vertraglich geregelt. Das Land Baden-Württemberg ist Vertragspartner. Derzeit bestehen für alle der oben genannten Tatbestände Verträge mit der VG Wort. Bezüglich der Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke zu Unterrichtszwecken bestehen im Urheberrechtsgesetz Schrankenregelungen, die im Wesentlichen auf die europäischen Vorgaben in der Richtlinie 2001/29/EG zurückzuführen sind, und die bestimmte Nutzungen geschützter Inhalte ohne Einwilligung des Rechteinhabers ermöglichen. Allerdings ist die Vervielfältigung eines Werks, das für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmt ist (Schulbücher), stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig. Zur Abgeltung der Rechte aus den §§ 52 a und 53 UrhG haben die Länder, so auch Baden-Württemberg, Gesamtverträge mit den Verwertungsgesellschaften, insbesondere der VG Wort, geschlossen. Im Gesamtvertrag zur Einräumung und Vergütung von Ansprüchen nach § 53 UrhG haben die Rechteinhaber einer Vervielfältigung aus urheberrechtlich geschützten Werken für den Unterrichts- und Prüfungsgebrauch unter bestimmten Maßgaben zugestimmt. Der Gesamtvertrag räumt insbesondere die Möglichkeit ein, in gewissem Umfang Kopien aus Werken, die für den Unterrichtsgebrauch bestimmt sind (Schulbücher), und von Musiknoten herzustellen. Durch den Gesamtvertrag werden sowohl analoge als auch digitale Vervielfältigungen in dem im Gesamtvertrag bestimmten Umfang gegen Zahlung einer pauschalen Vergütung ermöglicht. Der Gesamtvertrag hat eine Laufzeit bis 31. Dezember 2018. Der Gesamtvertrag zu § 52 a UrhG regelt die pauschale Abgeltung urheberrecht - licher Ansprüche für das öffentliche Zugänglichmachen von Werken oder Werkteilen für Zwecke des Unterrichts an Schulen. Er läuft bis 31. Juli 2017. Des Weiteren wird mit dem Rahmenvertrag zu § 54 c UrhG der Anspruch der VG Wort als Rechteinhaberin für die sogenannte Betreibervergütung für Vervielfältigungsgeräte durch Zahlung einer jährlichen pauschalen Vergütung geregelt. Er gilt für Hochschulen und diesen gleichgestellte wissenschaftliche Einrichtungen sowie für öffentliche Bibliotheken, die als Betreiber Vervielfältigungsgeräte aufstellen und für die Herstellung von Ablichtungen bereithalten. Der Vertrag erfasst nicht Vervielfältigungsgeräte, die an Schulen und nicht-staatlichen Bildungs- und Forschungseinrichtungen sowie von privaten Unternehmen an Hochschulstand - orten betrieben werden. Der Rahmenvertrag gilt bis 31. Dezember 2016. Angesichts der Kürze der Zeit, die zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung steht, wurde von einer aufwändigen Befragung der einzelnen Geschäftsbereiche der Ministerien und ihrer nachgeordneten Behörden abgesehen. Eine solche Befragung wäre mit vertretbarem Aufwand nicht durchführbar. Auch Pressespiegel sind nach § 49 UrhG grundsätzlich vergütungspflichtig. Sie können in Papierform oder elektronisch erstellt und verbreitet werden. Die PMG Presse-Monitor GmbH hat für den Bereich des § 49 UrhG das Inkasso für die VG Wort übernommen. Zwischen dem Land Baden-Württemberg, der PMG Presse-Monitor GmbH und der Verwertungsgesellschaft (VG) Wort besteht ein Rahmenvertrag über die Erstellung und die Nutzung elektronischer Pressespiegel und elektronischer Pressespiegelarchive . 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 44 5. Ist zu erwarten, dass das VG-Wort-Urteil direkt oder mittelbar Auswirkungen auf die Landesverwaltung und nachgeordnete Einrichtungen des Landes (z. B. Landesbibliotheken, Museen, Archive, Hochschulen) bzw. der Kommunen (z. B. Schulen) haben wird? Zu 5.: Auswirkungen des Urteils des Bundesgerichtshofs auf die staatliche Verwaltung sind derzeit nicht erkennbar, da das Urteil die internen Vergütungsausschüttungen und hier insbesondere den Verteilungsplan zwischen VG Wort, Verleger und Urheber betrifft. Mögliche Auswirkungen auf den kommunalen Bereich können vonseiten der Landesregierung nicht abgeschätzt werden. Dr. Hoffmeister-Kraut Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau