Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 440 18. 08. 2016 1Eingegangen: 18. 08. 2016 / Ausgegeben: 19. 09. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Hat sie Kenntnis erlangt von dem Urteil des 4. Senats des Bundessozialgerichts vom 3. Dezember 2015 (B 4 AS 44/15 R u. a.) mit welcher höchstrichterlich die Tür für Sozialhilfeleistungen für Unionsbürger geöffnet wurde? 2. Hat sie fernerhin Kenntnis erlangt von dem Urteil des 14. Senats des Bundessozialgerichts vom 16. Dezember 2015 (B 14 AS 18/14 R u. a.) welcher sich dem Tenor der gerichtlichen Entscheidung aus Frage 1 angeschlossen hat? 3. Liegen ihr Zahlen vor für die von den Urteilen aus Frage 1 und Frage 2 betreffenden Personengruppen in Baden-Württemberg, die nunmehr, aufgrund der geänderten Rechtslage für kommunale Sozialleistungen anspruchsberechtigt sind? 4. Falls Frage 4 bejaht wird, wie hoch ist die den kommunalen Trägern durch die Erhöhung der auf Sozialleistungsbezug anspruchsberechtigten Personengruppe entstehende kostenmäßige Mehrbelastung gerechnet ab dem Zeitpunkt der erlangten Rechtskraft der beiden höchstrichterlichen Entscheidungen? 5. Beabsichtigt sie für EU-Bürger, die sich allein zwecks Arbeitssuche in Baden- Württemberg aufhalten, gemäß § 7 des Sozialgesetzbuches II (SGB II) und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (und der herrschenden Lehre der Europarechtler) den Zugang zur Sozialhilfe einzuschränken? 6. Welche Haltung nimmt sie ein zur Rechtsauffassung des Sozialgerichts Berlin (Sozialgericht Berlin, Urteil vom 11. Dezember 2015 – S 149 AS 7191/13), wonach mit dem in Frage 1 zitierten Urteil die Grenze der richterlichen Ge - setzesauslegung überschritten worden ist? 15. 08. 2016 Baron ABW Kleine Anfrage des Abg. Anton Baron ABW und Antwort des Ministeriums für Soziales und Integration Sozialleistungsbezug von EU-Ausländern Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 440 2 B e g r ü n d u n g Durch die höchstrichterlichen Entscheidungen des Bundessozialgerichts sind Probleme bei der Umsetzung der Vorgaben angesichts ausgelasteter Ausländerbehörden zu erwarten. Ziel der Kleinen Anfrage ist es daher festzustellen, in - wieweit die Landesregierung über diese zu erwartenden Schwierigkeiten im Bilde ist und ob sie selbst eine rechtliche Klarstellung des Sachverhaltes anstrebt, um allenfalls entstehenden Mehrbelastungen für die Integration und die kommunalen Haushalte entgegenzuwirken. A n t w o r t Mit Schreiben vom 7. September 2016 Nr. 36-0141.5/16/440 beantwortet das Ministerium für Soziales und Integration die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Hat sie Kenntnis erlangt von dem Urteil des 4. Senats des Bundessozialgerichts vom 3. Dezember 2015 (B 4 AS 44/15 R u. a.) mit welcher höchstrichterlich die Tür für Sozialhilfeleistungen für Unionsbürger geöffnet wurde? 2. Hat sie fernerhin Kenntnis erlangt von dem Urteil des 14. Senats des Bundessozialgerichts vom 16. Dezember 2015 (B 14 AS 18/14 R u. a.) welcher sich dem Tenor der gerichtlichen Entscheidung aus Frage 1 angeschlossen hat? Die Landesregierung hat die Entscheidungen des Bundessozialgerichts, wonach ein materiell nicht freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger in entsprechender Anwendung des Leistungsausschlusses für Arbeitsuchende von Leistungen des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB II) ausgeschlossen ist, er jedoch im Einzelfall Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Recht der Sozialhilfe (Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB XII) als Ermessensleistung beanspruchen kann, ebenso zur Kenntnis genommen, wie die weiteren in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen. 3. Liegen ihr Zahlen vor für die von den Urteilen aus Frage 1 und Frage 2 betreffenden Personengruppen in Baden-Württemberg, die nunmehr, aufgrund der geänderten Rechtslage für kommunale Sozialleistungen anspruchsberechtigt sind? 4. Falls Frage 4 bejaht wird, wie hoch ist die den kommunalen Trägern durch die Erhöhung der auf Sozialleistungsbezug anspruchsberechtigten Personengruppe entstehende kostenmäßige Mehrbelastung gerechnet ab dem Zeitpunkt der erlangten Rechtskraft der beiden höchstrichterlichen Entscheidungen? Der Landesregierung liegen keine entsprechenden Zahlen vor, sodass zu den kos - tenmäßigen Mehrbelastungen keine Angaben gemacht werden können. 5. Beabsichtigt sie für EU-Bürger, die sich allein zwecks Arbeitssuche in Baden- Württemberg aufhalten, gemäß § 7 des Sozialgesetzbuches II (SGB II) und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (und der herrschenden Lehre der Europarechtler) den Zugang zur Sozialhilfe einzuschränken? Sowohl bei dem SGB II als auch bei dem SGB XII handelt es sich um Bundesrecht , auf welches das Land nur bedingt Einfluss nehmen kann. Eine abweichende landesrechtliche Regelung ist nicht möglich. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat mitgeteilt, dass es an einem Gesetzentwurf arbeite, durch welchen Personen, die sich ohne materielles Frei - zügigkeitsrecht oder Aufenthaltsrecht ebenso wie Personen, die sich mit einem 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 440 Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten und Personen, die ihr Aufenthaltsrecht nur aus Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 ableiten , von Leistungen nach dem SGB II und SGB XII ausgeschlossen werden sollen. Der Zeitplan hierzu ist jedoch noch nicht bekannt. 6. Welche Haltung nimmt sie ein zur Rechtsauffassung des Sozialgerichts Berlin (Sozialgericht Berlin, Urteil vom 11. Dezember 2015 – S 149 AS 7191/13), wonach mit dem in Frage 1 zitierten Urteil die Grenze der richterlichen Gesetzesauslegung überschritten worden ist? Die Landesregierung erachtet es im Sinne der Gewaltenteilung als nicht angemessen , eine Bewertung über die sozialgerichtliche Rechtsprechung abzugeben. In Vertretung Prof. Dr. Hammann Ministerialdirektor