Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 474 29. 08. 2016 1Eingegangen: 29. 08. 2016 / Ausgegeben: 04. 10. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie oft werden die Prognosen für die Unterbringung Asylbegehrender für die Kommunen des Landes Baden-Württemberg aktualisiert? 2. Wie beurteilt sie die Situation, dass aufgrund eines zurückgehenden Trends auf Basis veralteter Prognosen Überkapazitäten durch den Neubau von vorläufiger und Anschlussunterbringung geschaffen werden könnten? 3. In welcher Höhe wurden Zuschüsse von den Gemeinden, gesplittet nach Landkreisen , für die Schaffung von Unterkünften der Anschlussunterbringung beantragt und bewilligt? 4. Hat eine Gemeinde wie Wimsheim, die einen auf einer vorherigen, höheren Prognose basierenden Zuschuss von rund 120.000 Euro für den Neubau einer Unterkunft der Anschlussunterbringung in Modulbauweise bewilligt bekommen hat, die Möglichkeit, aufgrund zu hoch prognostizierter Flüchtlingszahlen erteilte Zuschüsse für die Kommune zu erhalten und zu einem späteren Zeitpunkt bei steigenden Prognosen ohne langwieriges Antragsverfahren diese Zuschüsse wieder abrufbar zu machen? 5. Kann eine Gemeinde wie Wimsheim die Zuschüsse des Landes für den Neubau von Unterkünften der Anschlussunterbringung auch für den Kauf oder Umbau von Wohnungen und Gebäuden aus dem aktuellen Baubestand nutzen? 6. Ist es möglich, der L-Bank als bewilligende Stelle die Berechtigung zu geben, einen flexiblen Baubeginn zu genehmigen? 24. 08. 2016 Dr. Schweickert FDP/DVP Kleine Anfrage des Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Flexible Handhabung von Zuschüssen für den Bau von Unterkünften der Anschlussunterbringung Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 474 2 B e g r ü n d u n g Aufgrund der Anzahl an Flüchtlingen von derzeit rund 3.000 Personen im Enzkreis besteht eine Überkapazität im Bereich der vorläufigen Unterbringung (VU), da hier von rund 6.200 unterzubringenden Personen ausgegangen wurde. Nach der Bearbeitung der Asylanträge werden diese Personen nach maximal 24 Monaten vom Status VU in Anschlussunterbringung (AU) wechseln und damit sind die Gemeinden für die Unterbringung zuständig. Die Gemeinde Wimsheim hat aufgrund der Prognose zu Jahresbeginn von rund 3 bis 3,5 Prozent Gemeindeanteil der unterzubringenden Personen eine Planung für die Errichtung einer Unterkunft AU auf den Weg gebracht. Parallel wurde hierzu ein Zuschuss aus Landesmittel beantragt und bewilligt. Die Höhe des Zuschusses beträgt rund 120.000 Euro für die Errichtung einer Unterkunft in Modulbauweise . Laut Zuschussbescheid muss der Baubeginn (Spatenstich) bis 17. November 2016 erfolgen. Aufgrund des vorgenannten Rückgangs der Flüchtlingszahlen ist ungewiss, wie viele Personen letztendlich in Wimsheim untergebracht werden müssen. Bleibt es bei den derzeit rund 3.000 Personen im Enzkreis, wären dies überschlägig zwischen 40 bis 50 Personen. Dies ist rund die Hälfte gegenüber der Prognose zu Beginn des Jahres. Für die Anzahl von rund 40 bis 50 Personen könnte die Gemeinde unter Umständen Unterkünfte in eigenen Gebäuden sowie in angemieteten Wohnungen schaffen und vorerst auf den Bau einer Unterkunft in Modulbauweise verzichten. Aufgrund der Zuschussbedingungen ist die Gemeinde nunmehr aber gezwungen, jetzt entscheiden zu müssen, ob der Bau der Unterkunft bis 17. November 2016 begonnen wird, um nicht zuschussschädlich zu handeln, oder ob die Unterkunft vorerst nicht gebaut und damit der Zuschuss verwirkt wird. A n t w o r t Mit Schreiben vom 21. September 2016 Nr. 2-0141.5/16/0474 beantwortet das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration im Einvernehmen mit dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau und dem Ministerium für Finanzen die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie oft werden die Prognosen für die Unterbringung Asylbegehrender für die Kommunen des Landes Baden-Württemberg aktualisiert? Zu 1.: Eine aktuelle offizielle Prognose des Bundes, aus der eine Prognose der Zugangszahlen für Kreise und Gemeinden abgeleitet werden könnte, liegt derzeit nicht vor. Das letzte der Landesregierung bekannte offizielle Prognoseschreiben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wurde im August 2015 übersandt. Medienberichten zufolge rechnet der Leiter des BAMF in diesem Jahr mit bis zu 300.000 Flüchtlingen und richtet die Kapazitäten seiner Behörde auf diese angenommene Zahl aus. 2. Wie beurteilt sie die Situation, dass aufgrund eines zurückgehenden Trends auf Basis veralteter Prognosen Überkapazitäten durch den Neubau von vorläufiger und Anschlussunterbringung geschaffen werden könnten? Zu 2.: Auch wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung der Ausbau der Unterbringungskapazitäten erforderlich und die gewählte Form der Unterbringung wirtschaftlich erscheinen , können durch einen kurzfristigen und nicht planbaren Rückgang der Zugangszahlen Überkapazitäten entstehen. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 474 3. In welcher Höhe wurden Zuschüsse von den Gemeinden, gesplittet nach Landkreisen , für die Schaffung von Unterkünften der Anschlussunterbringung beantragt und bewilligt? Zu 3.: Die nachfolgende Aufstellung (Stand 5. September 2016) zeigt die nach dem Landesförderprogramm „Wohnraum für Flüchtlinge“ beantragten und bewilligten Zuwendungen je Landkreis: Kreis Betrag beantragt (Kreis) Betrag bewilligt (Kreis) Alb-Donau-Kreis 2.636.721,31 2.062.578,88 Baden-Baden 5.056.181,24 2.037.769,01 Biberach 786.276,89 610.843,95 Böblingen 9.584.274,50 8.599.768,20 Bodenseekreis 3.190.551,43 2.287.303,34 Breisgau-Hochschwarzwald 3.739.078,55 3.668.953,26 Calw 588.268,00 570.456,87 Emmendingen 1.507.652,00 1.254.622,25 Enzkreis 1.889.022,48 1.278.232,64 Esslingen 13.665.649,69 10.834.445,17 Freiburg im Breisgau 4.401.865,00 4.091.712,50 Göppingen 1.062.116,99 892.187,14 Heidelberg 3.331.799,00 1.783.939,75 Heidenheim 4.769.045,00 2.819.548,50 Heilbronn, Land 1.523.778,50 510.782,50 Hohenlohekreis 890.693,48 149.772,47 Karlsruhe, Land 10.114.081,10 8.870.307,01 Konstanz 3.240.506,96 3.009.705,71 Lörrach 1.659.196,75 1.654.459,29 Ludwigsburg 7.561.976,30 6.520.081,42 Main-Tauber-Kreis 1.100.437,82 1.084.989,25 Neckar-Odenwald-Kreis 119.115,50 116.098,90 Ortenaukreis 1.656.343,75 1.511.166,50 Ostalbkreis 157.723,33 115.953,73 Pforzheim 563.750,00 562.872,50 Rastatt 4.616.994,38 3.214.780,76 Ravensburg 6.642.230,26 5.206.001,81 Rems-Murr-Kreis 5.415.719,26 5.408.803,75 Reutlingen 2.425.038,50 1.816.708,53 Rhein-Neckar-Kreis 5.914.572,33 3.747.041,03 Rottweil 848.197,00 506.404,50 Schwäbisch Hall 290.426,38 290.426,13 Schwarzwald-Baar-Kreis 540.474,49 565.267,24 Sigmaringen 702.320,00 10.375,00 Stuttgart 4.357.283,60 966.975,00 Tübingen 5.777.286,50 4.156.397,34 Tuttlingen 502.971,75 261.451,49 Ulm 4.345.102,64 1.479.205,86 Waldshut 967.503,38 885.817,80 Zollernalbkreis 320.805,00 320.805,00 128.463.031,04 95.735.011,98 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 474 4 Die Differenz zwischen den beantragten und bewilligten Zuwendungen resultiert aus Ablehnungen, zurückgenommenen Anträgen sowie noch ausstehenden Entscheidungen . 4. Hat eine Gemeinde wie Wimsheim, die einen auf einer vorherigen, höheren Prognose basierenden Zuschuss von rund 120.000 Euro für den Neubau einer Unterkunft der Anschlussunterbringung in Modulbauweise bewilligt bekommen hat, die Möglichkeit, aufgrund zu hoch prognostizierter Flüchtlingszahlen erteilte Zuschüsse für die Kommune zu erhalten und zu einem späteren Zeitpunkt bei steigenden Prognosen ohne langwieriges Antragsverfahren diese Zuschüsse wieder abrufbar zu machen? Zu 4.: Die Zuwendung nach dem Landesförderprogramm „Wohnraum für Flüchtlinge“ wird aufgrund der Angaben der Gemeinde im Antrag bewilligt. Der bewilligte Zuschuss ist an das konkrete Vorhaben gebunden. Im Fall der Realisierung eines Systembaus wird die Zuwendung gemäß Ziffer 4 der Verwaltungsvorschrift zum Landesförderprogramm „Wohnraum für Flüchtlinge“ (VwV-WoFlü) als Anteilsfinanzierung gewährt. Wesen dieser Finanzierungsart ist, dass eine nach Bewilligung eintretende Minderung der zuwendungsfähigen Ausgaben eine ent - sprechende Minderung der Zuwendung zur Folge hat (vgl. Ziffer 2.1.1 der Anlage 3 zu Nummer 13.4.1 VV zu § 44 LHO bzw. der Anlage 2 zu Nummer 5.1 VV zu § 44 LHO). Dies bedeutet, dass sich der bewilligte Zuschuss reduziert, sofern die Gemeinde z. B. das bewilligte Projekt in kleinerem Umfang realisiert. Ungeachtet der geregelten Finanzierungsart ist ein zeitlich unbegrenztes Vorhalten von Mitteln ohne Rechtsgrund nicht zulässig. 5. Kann eine Gemeinde wie Wimsheim die Zuschüsse des Landes für den Neubau von Unterkünften der Anschlussunterbringung auch für den Kauf oder Umbau von Wohnungen und Gebäuden aus dem aktuellen Baubestand nutzen ? Zu 5.: Zweck der Gewährung einer Zuwendung nach dem Landesförderprogramm „Wohnraum für Flüchtlinge“ ist die Neuschaffung von Wohnraum für die Anschlussunterbringung der Flüchtlinge. Demzufolge sind der Wohnungsneubau, der Erwerb neuen Wohnraums (innerhalb von vier Jahren nach dessen Bezugsfertigkeit ) sowie Änderungs- und Erweiterungsmaßnahmen, die zu der Neuschaffung von Wohnraum führen, förderfähig. Hierunter fällt auch die Umnutzung von bestehenden, nicht zu Wohnzwecken genutzten Gebäuden in Wohnraum für die Anschlussunterbringung. Der Erwerb sowie der Umbau bzw. die Modernisierung von bestehendem Wohnraum entspricht hingegen nicht der Zwecksetzung des Förderprogramms. Die Zuwendung ist (gemäß dem Bewilligungsbescheid) ausschließlich zur Finanzierung des im Antrag benannten Vorhabens bestimmt. Eine nachträgliche Umwidmung bewilligter Fördermittel auf andere Maßnahmen ist somit grundsätzlich nicht zulässig. 6. Ist es möglich, der L-Bank als bewilligende Stelle die Berechtigung zu geben, einen flexiblen Baubeginn zu genehmigen? Zu 6.: Gemäß Ziffer 6.4 VwV-WoFlü wird der Bescheid unabhängig von den dafür verantwortlichen Ursachen unwirksam, sofern neun Monate nach Bekanntgabe der Förderzusage nicht mit der Maßnahme begonnen wurde. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 474 Ein Hinausschieben der auflösenden Bedingung durch Erteilung einer Ausnahmeregelung ist nicht möglich. Nach Eintritt der Unwirksamkeit besteht lediglich die Möglichkeit einer erneuten Antragstellung. In Vertretung Würtenberger Ministerialdirektor