Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 490 09. 09. 2016 1Eingegangen: 09. 09. 2016 / Ausgegeben: 17. 10. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wer wurde oder wird nach dem Rundfunkstaatsvertrag aus ihren Reihen (zwei Mitglieder) in den Verwaltungsrat des SWR entsandt? 2. Wer sind die acht Mitglieder des Rundfunkrats? 3. Werden im Rundfunk- oder im Verwaltungsrat nach Kenntnis ihrer Mitglieder über die Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrags hinaus laufende Diskussionen geführt, bei denen es in Zusammenhang mit Berichterstattungen um die „Verantwortung gegenüber der Gesellschaft“ geht? 4. Erlegt sich der SWR nach Kenntnis der Mitglieder der in den dortigen Gre - mien, ggf. im Rahmen der Rechtsaufsicht durch die Landesregierung nach § 37 Rundfunkstaatsvertrag, freiwillige Zurückhaltung bei Berichterstattungen über Blut- oder Gewalttaten auf? 5. Erlegt sich der SWR nach Kenntnis ihrer Mitglieder in den dortigen Gremien eine über die allgemeine Übung hinausgehende Zurückhaltung bei Bericht - erstattungen über Straf- oder Gewalttaten durch ausländische Staatsangehörige, Migranten, anerkannte oder abgelehnte Asylbewerber auf? 6. Erlegt sich der SWR nach Kenntnis ihrer Mitglieder in den dortigen Gremien Zurückhaltung bei der Nachberichterstattung auf in Fällen, in denen bei Bränden in Asylbewerberunterkünften zunächst von rechtsextremen Straftaten ausgegangen wird, sich im Nachhinein aber herausstellt, dass der Brand eine andere Ursache hatte? Kleine Anfrage des Abg. Dr. Rainer Balzer ABW und Antwort des Staatsministeriums Berichterstattung über Gewalttaten in Baden-Württemberg im Südwestrundfunk (SWR) Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 490 2 7. Ist sie der Meinung, dass in der Bevölkerung durch die Berichterstattung über Blut- oder andere Gewalttaten in den Medien ein überproportionales Gefühl der Unsicherheit und Angst aufkommen könnte, mit anderen Worten, dass das subjektive Sicherheitsempfinden dadurch empfindlich gestört werden könnte? 8. Ist sie der Meinung – soweit zumindest die Meinung der ARD −, dass die sta - tistische Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Terrorangriffs zu werden, in keiner Weise ansteigt, wenn es vor einem beliebigen Zeitpunkt keine Terrorangriffe mit menschlichen Opfern gab, nach diesem Zeitpunkt aber Terrorangriffe mit menschlichen Opfern gab? 9. Gibt es ihrer Kenntnis nach (oder ggfs. nach Kenntnis des Mitglieds der Regierung im Verwaltungsrat des SWR) über die Regelungen im Rundfunkstaatsvertrag hinaus medienethische Gründe oder Gründe, die in einem Verantwortungsgefühl der Gesellschaft gegenüber wurzeln, die Berichterstattung im SWR über bestimmte Themen selektiv vorzunehmen? 05. 09. 2016 Dr. Balzer ABW B e g r ü n d u n g Im August 2016 erfragte ein Zuschauer bei der ARD die Gepflogenheiten des Senders bei der Berichterstattung über Gewalttaten. Der „Publikumsservice“ ARD-aktuell antwortete laut einer Veröffentlichung der Internetseite „Achgut“ daraufhin wie folgt (Zitat): „Die zurückliegenden Wochen mit zahlreichen Schreckensnachrichten haben in unserer Redaktion einen Diskussionsprozess in Gang gesetzt, in dessen Verlauf wir uns einmal mehr intensiv mit unserer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft auseinandergesetzt haben. Wir sind dabei zu dem Schluß gekommen, uns eine gewisse freiwillige Zurückhaltung aufzuerlegen, was die Berichterstattung über Bluttaten angeht. (…) Zum anderen aber entsteht bei der Bevölkerung durch die Berichterstattung über Bluttaten ein überproportionales Gefühl der Unsicherheit und Angst. Zwar steigt die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Terrorangriffs oder einer Amoktat zu werden, in keiner Weise an; das subjektive Sicherheitsempfinden der Menschen aber wird empfindlich gestört. (…) Uns ist bewußt, daß nun der Vorwurf erhoben wird, wir verschwiegen mutwillig Tatsachen. Es sei Ihnen jedoch versichert, daß wir dies wenn, dann ausschließlich aus medienethischen Gründen und aus einem Verantwortungsgefühl der Gesellschaft gegenüber tun.“ Des Weiteren standen in den zurückliegenden Sommermonaten in sehr vielen lokalen Medien und Presseorganen Berichte über massive und massenweise sexuelle Belästigungen von weiblichen Badegästen in öffentlichen Schwimmbädern in ganz Baden-Württemberg zu lesen, die in der Berichterstattung des SWR aber − soweit ersichtlich − keinen Widerhall fanden. Durch die Kleine Anfrage soll erhoben werden, ob und ggf. welche internen Anweisungen es innerhalb des SWR insoweit gibt. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 490 A n t w o r t Mit Schreiben vom 29. September 2016 Nr. II – 3451.135 beantwortet das Staatsministerium die Kleine Anfrage an die Landesregierung wie folgt: 1. Wer wurde oder wird nach dem Rundfunkstaatsvertrag aus ihren Reihen (zwei Mitglieder) in den Verwaltungsrat des SWR entsandt? Nach § 20 Absatz 1 Satz 4 des SWR-Staatsvertrags (SWR-StV) entsendet die Landesregierung ein Mitglied in den Verwaltungsrat des SWR, wobei für dieses Mitglied gemäß § 20 Absatz 1 Satz 6 SWR-StV außerdem eine Vertretung bestellt werden kann. Aktuell ist Minister a. D. Peter Friedrich Mitglied im SWR-Verwaltungsrat ; seine Vertretung wird von Frau Ministerin a. D. Silke Krebs ausgeübt. 2. Wer sind die acht Mitglieder des Rundfunkrats? Der Landtag von Baden-Württemberg hatte am 6. Mai 2015 für die seit Juli 2015 laufende fünfjährige Amtsperiode des Rundfunkrats die Abgeordneten der 15. Wahl - periode des Landtags Dr. Monika Stolz, Sabine Kurtz, Helmut Rau, Tobias Wald, Beate Böhlen, Alexander Salomon, Helen Heberer und Sascha Binder in den Rundfunkrat des SWR entsandt. 3. Werden im Rundfunk- oder im Verwaltungsrat nach Kenntnis ihrer Mitglieder über die Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrags hinaus laufende Diskussionen geführt, bei denen es in Zusammenhang mit Berichterstattungen um die „Verantwortung gegenüber der Gesellschaft“ geht? 4. Erlegt sich der SWR nach Kenntnis der Mitglieder der in den dortigen Gre - mien, ggf. im Rahmen der Rechtsaufsicht durch die Landesregierung nach § 37 Rundfunkstaatsvertrag, freiwillige Zurückhaltung bei Berichterstattungen über Blut- oder Gewalttaten auf? 5. Erlegt sich der SWR nach Kenntnis ihrer Mitglieder in den dortigen Gremien eine über die allgemeine Übung hinausgehende Zurückhaltung bei Bericht - erstattungen über Straf- oder Gewalttaten durch ausländische Staatsangehörige , Migranten, anerkannte oder abgelehnte Asylbewerber auf? 6. Erlegt sich der SWR nach Kenntnis ihrer Mitglieder in den dortigen Gremien Zurückhaltung bei der Nachberichterstattung auf in Fällen, in denen bei Bränden in Asylbewerberunterkünften zunächst von rechtsextremen Straftaten ausgegangen wird, sich im Nachhinein aber herausstellt, dass der Brand eine andere Ursache hatte? Die Landesregierung entsendet ihre Mitglieder lediglich in den Verwaltungsrat des SWR, zu dessen Aufgaben gemäß § 21 Absatz 1 SWR-StV die Überwachung der Geschäftsführung der Intendantin oder des Intendanten gehört, ausdrücklich aber nicht die hier betroffene inhaltliche Gestaltung des Programms. Die Landesregierung ist auch nicht im Rahmen der Rechtsaufsicht mit den vorgenannten Fragestellungen befasst worden. Im Übrigen hat der SWR dem Staatsministerium gegenüber erklärt, dass er stets objektiv und unabhängig berichte und seine Nachrichtengebung allein nach den Kriterien von Aktualität und Relevanz gestalte. Zu dem der Kleinen Anfrage zugrundeliegenden Sachverhalt ist überdies zu sagen, dass sich für die Aussage des Publikumsservice ARD-aktuell der Norddeutsche Rundfunk (NDR) und nicht der SWR verantwortlich zeichnet. Nachdem die Antwort des Publikumsservice ARD-aktuell auf der Internetseite pi-news.net unter der Überschrift „Tagesschau: Keine Berichte mehr über Bluttaten“ zitiert worden war, hatte sich die Chefredaktion von ARD-aktuell überdies noch einmal mit der Reaktion des Publikumsservices von ARD-aktuell auseinandergesetzt und hierzu eine eigene Stellungnahme des Ersten Chefredakteurs von ARD-aktuell, Dr. Kai Gniffke, veröffentlicht (vgl. http://pi-news.net/wp/uploads/2016/08/Stellungnahme -der-Redaktion.pdf). Darin heißt es unter anderem: Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 490 4 „Die Redaktion enthält den Menschen keine Informationen vor oder verschweigt sie aus falsch verstandener Rücksicht auf die Zuschauerinnen und Zuschauer. Sollte dies der Antwortbrief nahegelegt haben, so bedauert ARD-aktuell diese fehlerhafte Formulierung. ARD-aktuell hat über die Terrorgefahr sowie über Terroranschläge in Europa – und natürlich auch in Deutschland – umfassend, angemessen und verantwortungsvoll berichtet.“ 7. Ist sie der Meinung, dass in der Bevölkerung durch die Berichterstattung über Blut- oder andere Gewalttaten in den Medien ein überproportionales Gefühl der Unsicherheit und Angst aufkommen könnte, mit anderen Worten, dass das subjektive Sicherheitsempfinden dadurch empfindlich gestört werden könnte? 8. Ist sie der Meinung – soweit zumindest die Meinung der ARD −, dass die sta - tistische Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Terrorangriffs zu werden, in keiner Weise ansteigt, wenn es vor einem beliebigen Zeitpunkt keine Terrorangriffe mit menschlichen Opfern gab, nach diesem Zeitpunkt aber Terrorangriffe mit menschlichen Opfern gab? Die Landesregierung anerkennt die unabhängige Berichterstattung der Medien als Grundvoraussetzung für eine freiheitlich demokratische Gesellschaft. Sie nimmt weder Einfluss auf die Berichterstattung der Medien, noch bewertet sie mögliche Auswirkungen der Berichterstattung auf die Bevölkerung bzw. Aussagen der Medienvertreter hierzu. 9. Gibt es ihrer Kenntnis nach (oder ggfs. nach Kenntnis des Mitglieds der Regierung im Verwaltungsrat des SWR) über die Regelungen im Rundfunkstaatsvertrag hinaus medienethische Gründe oder Gründe, die in einem Verantwortungsgefühl der Gesellschaft gegenüber wurzeln, die Berichterstattung im SWR über bestimmte Themen selektiv vorzunehmen? Nach Angaben des SWR beachten auch seine Journalistinnen und Journalisten den Pressekodex des Presserats. Dieser ist jedoch kein Mittel der Selektion im negativen Sinne, sondern stellt eine von einer breiten Allgemeinheit akzeptierte Basis journalistischen Handelns dar. Murawski Staatsminister