Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 494 05. 09. 2016 1Eingegangen: 05. 09. 2016 / Ausgegeben: 14. 10. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie beurteilt sie den Nutzen der Blütenpflanze Silphie (auch Durchwachsene Silphie, Donau-Silphie) neben der Verwendung als Biomasse in Biogasanlagen? 2. Welchen Vorteil sieht sie bei der Silphie gegenüber dem Mais als Biomasse? 3. Welche Nachteile sieht sie gegenüber dem Mais? 4. Welche Anforderungen sind ihr an die Bodenqualität bekannt? 5. Sind auch eher karge Böden (z. B. Schwäbische Alb oder Nordschwarzwald) für den Anbau geeignet? 6. Kann sie Aussagen über die klimatischen Bedingungen für den erfolgreichen Anbau machen? 7. Wie beurteilt sie den Übergang in den großflächigen Anbau? 8. Welche Förderung hat der Versuchsanbau in Oberschwaben erfahren (mit Angabe , in welcher Höhe)? 9. Hat sie Fördermittel für den Übergang in den großflächigen Anbau vorgesehen und in welcher Höhe? 05. 09. 2016 Dr. Kuhn ABW Kleine Anfrage des Abg. Dr. Heinrich Kuhn ABW und Antwort des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Die Donau-Silphie als Energiepflanze wider die „Vermaisung“ der Landschaft Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 494 2 B e g r ü n d u n g In einer Veröffentlichung der Schwäbischen Zeitung wird die Donau-Silphie vorgestellt als mögliche Alternative für den Mais zur Bereitstellung von Biomasse in Biogasanlagen. Damit könne der Kritik an der „Vermaisung“ der Landschaft begegnet werden. Insbesondere interessiert, ob auch in weniger günstigen geografischen und klimatischen Lagen ein Anbau erfolgversprechend ist. A n t w o r t Mit Schreiben vom 30. September 2016 Nr. Z(51)-0141.5/41 F beantwortet das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Wie beurteilt sie den Nutzen der Blütenpflanze Silphie (auch Durchwachsene Silphie, Donau-Silphie) neben der Verwendung als Biomasse in Biogasanlagen? Zu 1.: Die Durchwachsene Silphie zeichnet sich neben ihrer Eignung zur Biomasse - erzeugung u. a. durch ihre positiven Eigenschaften im Zusammenhang mit der Haltung von Bienen aus. Die Landesanstalt für Bienenkunde (LAB) an der Universität Hohenheim hat in den Jahren 2011 bis 2012 die Eignung der Durchwachsenen Silphie als Trachtpflanze für Bienen untersucht. Dabei zeigte sich, dass die Durchwachsenen Silphie aus Sicht der Imkerei eine interessante Trachtpflanze darstellt. Die Pflanze ist für Bienen und viele andere Insekten äußerst attraktiv und liefert reichlich Nektar und Pollen, insbesondere zu einer Jahreszeit, in der das sonstige Nahrungsangebot sehr begrenzt ist. Die Pflanze hat aus bienenwirtschaftlicher Sicht noch den weiteren Vorteil, dass sie relativ schnell und gleichmäßig abblüht. Damit wird, wie dies gelegentlich bei Nutzung anderer Spättrachten (Phacelia, Senf) zu beobachten ist, ein erneuter später Bruteinschlag verhindert. Die zeitlich begrenzte Nutzung der Durchwachsenen Silphie bietet den Bienen noch im Spätsommer eine optimale Pollenversorgung, eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Überwinterung der Völker. Die Samen der Pflanze verfügen über eine interessante Fettsäurezusammensetzung , die auch eine Nutzung als Ölpflanze interessant machen könnte, jedoch züchterische Bemühungen in Bezug auf einen einheitlicheren Blühhorizont, eine einheitlichere Abreife und die Bereitstellung geeigneter Erntetechnik erfordert. Vielversprechend könnte in diesem Zusammenhang auch die chemische Zusammensetzung ätherischer Öle in Blättern, Blüten und Wurzeln sein. Insbesondere die in Silphium perfoliatum L. nachgewiesenen Sesquiterpene stellen möglicherweise interessante Grundstoffe für die Pharmaindustrie dar. 2. Welchen Vorteil sieht sie bei der Silphie gegenüber dem Mais als Biomasse? Zu 2.: Als Dauerkultur wird die Durchwachsene Silphie mehrere Jahre an einem Stand - ort genutzt, was nach der Etablierung mit Verzicht auf Bodenbearbeitung, ganz - jähriger Bodenbedeckung, guter Wasser- und Nährstoffausnutzung durch inten - sive Durchwurzelung des Bodens, Verzicht auf Herbizide ab dem zweiten Anbaujahr sowie Erosionsschutz durch dichten Bewuchs und frühen Wiederaustrieb 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 494 nach der Ernte verbunden ist. Versuche im Silphie-Projekt des Landwirtschaft - lichen Technologiezentrums Augustenberg (LTZ) zeigten, dass ca. 260 Liter Wasser/kg Trockenmasse (TM) bzw. 500 mm Wasser aus Niederschlag und zusätzlicher Beregnung in der Wachstumszeit (Zeitspanne vom Wiederaustrieb bis zur Ernte) ausreichen, um ca. 20 Tonnen TM zu bilden. Das spricht für einen effizienten Umgang der Kultur mit verfügbarem Wasser. Zugleich muss aber auch festgestellt werden, dass nicht allein die Gesamtwassermenge, sondern die kontinuierliche und bedarfsgerechte Verfügbarkeit die Aufwuchsleistung beeinflusst. Die Becherfunktion der Pflanze hat vermutlich keinen oder nur einen geringen Einfluss auf den Wasserhaushalt, schafft jedoch möglicherweise eine natürliche Barriere gegenüber Schädlingen die zur Gruppe der flügellosen Insekten gehören, sodass auf Pflanzenschutzmittelapplikationen in diesem Bereich grundsätzlich ver - zichtet werden kann. Ein mehrjähriges Anbausystem wie dies bei der Durchwachsenen Silphie der Fall ist, eröffnet Nischen für eine größere Vielfalt an Lebensformen im Agrarökosystem und kann auch folglich Abbauprozesse erleichtern. Auch blütenbestäubende Insekten finden in der Durchwachsenen Silphie eine attraktive Trachtpflanze, die von Juli bis September blüht und damit einen Beitrag zur Agrobiodiversität leisten kann. Anbauversuche haben gezeigt, dass die Durchwachsene Silphie als nachwachsender Rohstoff selbst bei hoher N-Düngung sehr geringe Nitrat-N-Gehalte im Boden hinterlässt. Bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung stellt ihr Anbau somit keine Gefährdung für Gewässer und Grundwasser dar. Insbesondere durch die Bindung von Bodenstickstoff mit dem Neuaustrieb nach der Ernte im Herbst und die dadurch sehr geringen Nmin-Gehalte im Boden vor dem Winter wäre der Anbau auch in Wasserschutzgebieten denkbar. Nicht zuletzt sind Anbauflächen mit Durchwachsener Silphie eine Bereicherung für das Landschaftsbild und können zur besseren Akzeptanz von Biogaspflanzen in der Bevölkerung beitragen. 3. Welche Nachteile sieht sie gegenüber dem Mais? Zu 3.: Die Silphie ist eine Dauerkultur die mehrere Jahre stehen bleiben sollte, damit sich die Investition amortisiert. Der Landwirt legt sich damit auf eine Nutzung fest und kann während dieser Zeit auf dieser Fläche keine klassischen Marktfrüchte produzieren. Die Maispflanze als Teil einer Fruchtfolge kann dagegen, je nach Marktlage, sehr vielfältig als Nahrungs-, Futter- und Energiepflanze oder die Maisstärke als biogener Rohstoff für die chemische Industrie genutzt werden. Die Biomasse-Erträge bei der Durchwachsenen Silphie der letzten Jahre schwanken in Abhängigkeit der Bodengüte und Wasserversorgung zwischen 10 und 16 Tonnen Trockenmasse pro Hektar und Jahr. Im Vergleich zu Mais wurde an den geprüften Standorten ein Vergleichsertrag zwischen 50 Prozent des Trocken - masseertrages im warm-trockenen Klimaraum und 80 Prozent im kühl-feuchten Klimaraum erzielt. In Jahren mit Witterungsextremen, wie der nass-kalte Frühsommer 2013 und in den Grenzlagen des Maisanbaus, können in Baden-Württemberg auch dem Mais vergleichbare Biomasseerträge erzielt werden. Neben dem Biomasseertrag ist ferner die Methanausbeute und daraus abgeleitet der Methanertrag je Hektar als Vergleichsgröße von wirtschaftlicher Bedeutung. Aufgrund des höheren Mineralstoffgehalts und der geringeren Methanausbeute je Gewichtseinheit organischer Trockenmasse (oTM) der Durchwachsenen Silphie gegenüber Mais lässt sich bei gleichem Biomasseertrag mit der Durchwachsenen Silphie nur circa 80 Prozent des Methanertrages je Hektar gegenüber Mais erzielen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 494 4 4. Welche Anforderungen sind ihr an die Bodenqualität bekannt? 5. Sind auch eher karge Böden (z. B. Schwäbische Alb oder Nordschwarzwald) für den Anbau geeignet? 6. Kann sie Aussagen über die klimatischen Bedingungen für den erfolgreichen Anbau machen? Zu 4., 5. und 6.: Die Durchwachsene Silphie findet in den Anbaugebieten im nördlichen Mittel - europa vergleichbare Wachstumsbedingungen wie in ihren Herkunftsgebieten, den gemäßigten Breiten Nordamerikas. Für den Ertragsanbau eignen sich vornehmlich wärmere Standorte, aber auch in geeigneten kühleren Regionen kann die Pflanze ihr Ertragspotenzial ausschöpfen, wenn die nötige Wärmesumme und ein ausreichendes Wasserangebot verfügbar sind. Ein Anbau scheint auch in ackerbaulichen Grenzlagen bis 600 m ü. NN und ab einer Ackerzahl von 25 möglich zu sein. Etablierte Bestände liefern bei optimalen Bedingungen über viele Jahre hinweg gleichmäßige Erträge. Hinsichtlich der Bodenart sind die Pflanzen relativ anspruchslos, wachsen jedoch am besten auf leicht erwärmbaren, humosen Standorten mit guter Wasserführung und einem neutralen bis schwach sauren pH- Wert. Staunasse Böden sind für den Ertragsanbau nicht geeignet. Der Wasser - bedarf von Silphium perfoliatum L. ist laut Literaturangaben bereits mit ca. 350 bis 440 mm Niederschlag/Jahr gedeckt, was durch die Ergebnisse im Silphie-Projekt des LTZ Augustenberg bestätigt wurde. 7. Wie beurteilt sie den Übergang in den großflächigen Anbau? Zu 7.: Bisher war der großflächige Anbau v. a. durch den hohen Pflanzaufwand und den Ertragsverzicht im Anpflanzjahr eingeschränkt. Das Pflanzverfahren kostet 6.000 bis 8.000 € je Hektar und die erste Ernte findet erst im zweiten Standjahr statt. Mittlerweile ist es möglich die Silphie mit konventioneller Sätechnik auszusäen, was den großflächigen Anbau erleichtert bzw. erst ermöglicht. So werden die Etablierungskosten auf 1.500 bis 2.000 € je Hektar reduziert. Das „Donau-Silphie “-Aussaatverfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass im Ansaatjahr in einem Arbeitsgang die Durchwachsene Silphie und als Deckfrucht Mais in halber Aussaatstärke ausgesät wird. Der Maisaufwuchs sorgt für eine Teilbeschattung wodurch sich die Jungpflanzen der Durchwachsenen Silphie – vor starker Sonneneinstrahlung und Austrocknung geschützt – besser entwickeln können als bei Einzelsaat . Zugleich liefert die Maisdeckfrucht bereits im Ansaatjahr einen Ernteertrag. Nicht berücksichtigt werden bei einer wirtschaftlichen Betrachtung die weiteren positiven Effekte, die mit dem Anbau der Durchwachsenen Silphie diskutiert werden . So wirkt sich die reduzierte Bodenbearbeitung und ganzjährige Bodenbedeckung /-ruhe positiv auf den Schutz im Boden lebender Organismen und von Wildtieren, den Wasser- und Erosionsschutz sowie die Höhe des Bodenhumus - gehaltes aus. Mit der Erhöhung der Bodenhumusgehalte geht eine zusätzliche Bindung von Kohlendioxid im Boden einher. Der reduzierte Pflanzenschutzmittel - einsatz und der langanhaltende Blühaspekt während der Haupttrachtlücke der Bienen, verbunden mit hohen Honigerträgen, sind zu ergänzen. Die gelb blühenden Pflanzenbestände im Hochsommer werden überwiegend positiv in der Bevölkerung wahrgenommen und können zu einer Akzeptanzverbesserung gegenüber der Erzeugung von Nachwachsenden Rohstoffen beitragen. Der Einfluss auf das Landschaftsbild eines großflächigen Anbaus der Durchwachsenen Silphie wird angesichts der Dauerhaftigkeit der Kulturen und der Höhe der Pflanzen ähnlich wie großflächiger Maisanbau beurteilt. Ferner sind die Wirkungen eines großflächigen Anbaus der Durchwachsenen Silphie auf den Naturhaushalt zu beachten. Offenlandbrüter (z. B. Feldlerche) verlieren durch den Anbau der Silphie Lebensräume. Generell sind die Wirkungen des Durchwachsenen Silphienanbaus auf die Vogelwelt noch nicht abschließend untersucht. Ein groß - 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 494 flächiger Anbau der Durchwachsenen Silphie führt aufgrund des dauerhaften Dichtwuchses der Kultur zur Veränderung des bisherigen, an einjährige Kulturen angepassten Artenspektrums von Flora und Fauna. 8. Welche Förderung hat der Versuchsanbau in Oberschwaben erfahren hat (mit Angabe, in welcher Höhe)? Zu 8.: Der Versuchsanbau hat keine Förderung erfahren. Das LTZ Augustenberg sowie das LAZBW Aulendorf haben seit einigen Jahren Versuche zur Anbaueignung durchgeführt. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse stehen der landwirtschaftlichen Praxis zur Verfügung. 9. Hat sie Fördermittel für den Übergang in den großflächigen Anbau vorgesehen und in welcher Höhe? Zu 9.: Bisher sind keine Fördermittel für den Übergang in den großflächigen Anbau vorgesehen . Die Durchwachsene Silphie erfüllt nach derzeitiger Rechtslage kein Kriterium der im Umweltinteresse genutzten Flächen (ökologische Vorrangflächen) und kann folglich nicht als solche angerechnet werden. FAKT enthält keine speziellen Fördermaßnahmen für die Durchwachsene Silphie. Hauk Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz