Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 549 14. 09. 2016 1Eingegangen: 14. 09. 2016 / Ausgegeben: 28. 10. 2016 K l e i n e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Bis wann kann angesichts des aktuellen Planungsstands mit einem Planfeststellungsbeschluss für den Retentionsraum/Polder Bellenkopf/Rappenwört gerechnet werden? 2. Wann ist aus heutiger Sicht mit dem Baubeginn und wann mit der Fertigstellung zu rechnen? 3. Wie viele Einwendungen hat es im Rahmen der zweiten Anhörung der Träger öffentlicher Belange und der öffentlichen Auslegung der Antragsunterlagen im letzten Jahr – mit welchen wesentlichen Kritikpunkten an der Planung – gegeben? 4. Wie hoch liegt die aktuelle Kostenschätzung für den Retentionsraum/Polder Bellenkopf/Rappenwört und ist die Finanzierung in der mittelfristigen Finanzplanung des Landes berücksichtigt? 5. Welche zusätzlichen Kosten entstehen durch die geplante Höherlegung der Hermann-Schneider-Allee und die ganzjährige Sicherung der Erreichbarkeit des Rheinstrandbads Rappenwört inklusive seiner Parklätze mit Spundwänden? 6. Welche Alternativen zur Höherlegung der Hermann-Schneider-Allee wurden aus welchem Grund nicht weiter verfolgt? 7. Auf wessen Betreiben hin wurden die Spundwände um das Rheinstrandbad inklusive Parkplätze in die Planung mit aufgenommen und wie bewertet sie den damit verbundenen landschaftlichen Eingriff? 14. 09. 2016 Lisbach, Salomon GRÜNE Kleine Anfrage der Abgeordneten Bettina Lisbach und Alexander Salomon GRÜNE und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Planung und Bau des Retentionsraums/ Polders Bellenkopf/Rappenwört Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 549 2 B e g r ü n d u n g Stärke und Häufigkeit sowie das Gefahrenpotenzial von Hochwasserereignissen nehmen als Folge des Klimawandels sowie weiterer anthropogener Eingriffe in Natur und Landschaft immer noch zu. Die Schaffung von Retentionsräumen zum Hochwasserschutz ist daher eine der vordringlichen Aufgaben der Landesregierung . Dies gilt auch für die Umsetzung von Maßnahmen des Integrierten Rheinprogramms . Für den auf Gemarkung Karlsruhe und Rheinstetten gelegenen Retentionsraum /Polder Bellenkopf/Rappenwört läuft seit einigen Jahren das Planfeststellungsverfahren . Die Maßnahme ist in vielen Punkten vor Ort umstritten. Aktuell haben sich die Naturschutzverbände erneut mit der Forderung zu Wort gemeldet, den geplanten Eingriff in die Landschaft zu minimieren. Dies wäre möglich, wenn auf die geplante Höherlegung einer Straße (Hermann-Schneider-Allee) im zukünftigen Poldergebiet sowie auf den Bau von vier Meter hohen Spundwänden um den Bereich des Rheinstrandbads verzichtet würde. Ziel der Kleinen Anfrage ist es, den aktuellen Sachstand zur Polderplanung, zum geplanten zeitlichen Ablauf der Baumaßnahme und zur Finanzierung mit Landesmitteln zu klären. A n t w o r t * ) Mit Schreiben vom 17. Oktober 2016 Nr. 5-0141.5/534/ beantwortet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft im Einvernehmen mit dem Minis - terium für Finanzen die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Bis wann kann angesichts des aktuellen Planungsstands mit einem Planfeststellungsbeschluss für den Retentionsraum/Polder Bellenkopf/Rappenwört gerechnet werden? Für den Polder Bellenkopf/Rappenwört läuft derzeit das Planfeststellungsverfahren . Der Erörterungstermin findet vom 8. November bis 11. November 2016 statt. Die Planfeststellungsbehörde wird auf der Grundlage der sich daran anschließenden Auswertung der Ergebnisse des Erörterungstermins einen Zeitplan bis zum Planfeststellungsbeschluss erarbeiten. Aus derzeitiger Sicht wird angestrebt, einen Planfeststellungsbeschluss bis Ende 2017 zu erlassen. 2. Wann ist aus heutiger Sicht mit dem Baubeginn und wann mit der Fertigstellung zu rechnen? Nach dem Vorliegen eines vollziehbaren Planfeststellungsbeschlusses wird unverzüglich mit den erforderlichen Arbeiten zur Bauausführung und den Ausführungsplanungen begonnen und Zug um Zug die Bauausführung der einzelnen Baumaßnahmen gestartet. Wichtige Kompensationsmaßnahmen sollen baldmöglichst umgesetzt werden. Derzeit wird von einer Bauzeit von mindestens sechs bis acht Jahren ausgegangen . Eine belastbare Aussage zum konkreten Zeitpunkt des Baubeginns und der Fertigstellung der Gesamtmaßnahme kann derzeit nicht gemacht werden. 3. Wie viele Einwendungen hat es im Rahmen der zweiten Anhörung der Träger öffentlicher Belange und der öffentlichen Auslegung der Antragsunterlagen im letzten Jahr – mit welchen wesentlichen Kritikpunkten an der Planung – gegeben? Bei einem solch komplexen und großen Vorhaben ist zwangsläufig mit zahl - reichen Einwendungen zu rechnen. Im Rahmen der zweiten Anhörung der Träger öffentlicher Belange (TÖB) haben ca. 60 TÖB Stellungnahmen zu dem Vorhaben abgegeben. Die Zahl der privaten Einwender liegt bei annähernd 400. _____________________________________ *) Nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist eingegangen. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 549 In einzelnen Stellungnahmen von Trägern öffentlicher Belange und von Privaten wurden insbesondere die Variantenentscheidung, der Ausbau des Damms XXV, die ökologischen Flutungen, die Höherlegung der Hermann-Schneider-Allee und die Schnakenproblematik thematisiert. 4. Wie hoch liegt die aktuelle Kostenschätzung für den Retentionsraum/Polder Bellenkopf/Rappenwört und ist die Finanzierung in der mittelfristigen Finanzplanung des Landes berücksichtigt? Im September 2015 erfolgte die Fortschreibung der Gesamtkosten für die Maßnahmen des Integrierten Rheinprogramms. Für den Polder Bellenkopf/Rappenwört belaufen sich die fortgeschriebenen Gesamtkosten auf 186 Mio. Euro. Der Landesanteil wird entsprechend dem Baufortschritt in den jeweiligen Staatshaushaltsplänen eingeplant werden. Entsprechend erfolgt auch eine Berücksichtigung in der Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung des Landes. 5. Welche zusätzlichen Kosten entstehen durch die geplante Höherlegung der Hermann -Schneider-Allee und die ganzjährige Sicherung der Erreichbarkeit des Rheinstrandbads Rappenwört inklusive seiner Parkplätze mit Spundwänden? Unter Berücksichtigung der erforderlichen ständigen Zufahrtsmöglichkeit zum Rheinpark Rappenwört – für die Öffentlichkeit zugänglich nur bis zu einem Abfluss von 4.000 m³/s am Pegel Maxau – stellt die in den Planfeststellungsunterlagen dargestellte Lösung (Höherlegung um bis zu 2,10 m) die wirtschaftlichste Lösung dar. Die Gesamtkosten für die Umschließung des Rheinparks einschließlich der erforderlichen Grundwasserhaltungsmaßnahmen und Objektschutzmaßnahmen sowie die Höherlegung der Hermann-Schneider-Allee einschließlich der Straße, der Straßenbahn, der Altrheinbrücke, der Durchlässe und der Unterquerungshilfen belaufen sich auf ca.19,6 Mio. EUR. Es handelt sich hierbei nicht um zusätzliche Kosten, da diese Maßnahmen notwendig sind, um die Zugänglichkeit zum Rheinpark und den Schutz des gesamten Erholungsbereiches rund um das Freibad und die Kanuvereine vor Überschwemmungen sicher zu stellen. Dieses Areal würde ansonsten beim Betrieb des Polders bereits bei den ökologischen Flutungen regelmäßig überflutet. Diese Baumaßnahmen sind das Ergebnis jahrelanger planerischer Überlegungen unter Beachtung von Umweltbelangen und der Berücksichtigung von Vorgaben des Denkmalschutzes. Die Stadt Karlsruhe war beim Planungsprozess beider Maßnahmen intensiv beteiligt. 6. Welche Alternativen zur Höherlegung der Hermann-Schneider-Allee wurden aus welchem Grund nicht weiter verfolgt? Im Rahmen der Planung wurden nachfolgende vier Alternativen untersucht: – Alternative A: Beibehaltung der Höhenlage – Alternative B: Höherlegung um 1,2 m – Alternative C: Höherlegung um 2,1 m mittels Damm – Alternative D: Höherlegung um 2,1 m mittels Aufständerung/Brücke. Alternativenüberlegungen zur Hermann-Schneider-Allee (HSA) waren immer im Zusammenhang mit dem Rheinpark Rappenwört und dessen Umschließung sowie der Zufahrtsmöglichkeit zum Rheinpark Rappenwört zu betrachten. Bei ökologischen Flutungen ist auf ausreichende Fließgeschwindigkeiten zu achten , damit die überschwemmte Auenvegetation mit Sauerstoff versorgt und eine Durchgängigkeit bzw. Konnektivität erhöht wird. Dementsprechend darf die HSA kein Trennelement darstellen, das den ökologischen Anforderungen entgegensteht . Bei Beibehaltung der aktuellen Höhenlage wäre insbesondere bei ökolo - gischen Flutungen eine ausreichende Fließgeschwindigkeit kaum zu gewährleis - ten. Die hierfür notwendigen Durchlässe würden durch ihre Bauform als Düker Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 549 4 sehr schnell durch Sedimentation zusetzen. Bei einer Höherlegung der HSA mittels Damm haben die Durchlässe einen wesentlich größeren freien Querschnitt, wobei mit zunehmendem lichten Querschnitt die Gefahr des Zusetzens bzw. einer Verklausung abnimmt. Bei Beibehaltung der aktuellen Höhenlage könnte die Hermann-Schneider-Allee mehrere Wochen im Jahr, die auch im Sommer liegen können, nicht befahren werden. Die Genehmigung des Straßenbahnbetriebs könnte voraussichtlich nicht erteilt werden. Weiterhin ist die Durchgängigkeit bei ökologischen Flutungen nicht im erforderlichen Umfang gegeben und die Gesamtkosten dieser Lösung übersteigen die alternativer Lösungsmöglichkeiten aufgrund der wesentlich höheren Betriebskosten deutlich. Vor diesem Hintergrund wurde die Alternative A „Beibehaltung der Höhenlage“ verworfen. Des Weiteren muss das Betriebspersonal des Polders die Möglichkeit zur Anfahrt der Bauwerke und Einrichtungen haben. Dies gilt vor allem auch während großer ökologischer Flutungen und während der Retentionsphase. Dort müssen alle technischen Einrichtungen ständig angefahren und überprüft werden können. Hierzu werden auch schwere Fahrzeuge benötigt. Günstiger wäre die Höherlegung der HSA um 1,2 m (Alternative B). Damit wären auch die Einrichtungen des Rheinparks bei Hochwasser zu erreichen. Aber auch hier wären die Durchlässe nicht groß genug, um eine ausreichende Fließgeschwindigkeit zu gewährleisten. Insbesondere nicht zu vermeidende Verklausungen würden zu einer stark eingeschränkten Durchgängigkeit führen, was unter ökologischen Aspekten der zwingenden Forderung nach einem Fließpolder widerspricht . Darüber hinaus fallen im Vergleich zur Höherlegung um bis zu 2,1 m (Alternative C) aufgrund der höheren Betriebskosten ca. 2 Mio. € höhere Gesamtkosten an. Für die Stadt Karlsruhe hat die Erreichbarkeit des Rheinpark eine besondere Bedeutung . Diese hatte für die Jahre 2003 bis 2013 die Besucherzahlen ermittelt, die an Tagen mit theoretischer Überflutung der Hermann-Schneider-Allee das Rheinstrandbad besucht hätten. Im Betrachtungszeitraum von 2003 bis 2013 wäre es im Mittel 6.234 und maximal (in 2015) 19.099 Besucherinnen und Besucher gewesen . Eine Höherlegung der Hermann-Schneider-Allee trägt damit auch zur Akzeptanz von ökologischen Flutungen bei. Aufgrund dieses Sachverhaltes war allein zwischen den Alternativen C und D auszuwählen, wovon Alternative C abschließend wegen der wesentlich geringeren Kosten (weniger als 50 % der Kosten von Alternative D) in den weiteren Planungsprozess übernommen wurde. Deshalb wurde die Erhöhung der HSA um bis zu 2,1 m mittels Damm dem Antrag auf Planfeststellung zugrunde gelegt. Bei dieser Lösung ist die Zugänglichkeit zum Rheinpark gegeben, die Durchgängigkeit erfüllt die ökologischen Anforderungen und auch unter Kostenaspekten stellt diese Lösung die beste Alternative dar. 7. Auf wessen Betreiben hin wurden die Spundwände um das Rheinstrandbad inklusive Parkplätze in die Planung mit aufgenommen und wie bewertet sie den damit verbundenen landschaftlichen Eingriff? Der Rheinpark behält seinen rheinseitigen Hochwasserschutz unverändert und benötigt zusätzlich einen Schutz gegen den künftigen Polderwasserstand. Dafür musste eine technische Schutzmaßnahme geplant werden, die südlich und nördlich an den rheinseitigen Hauptdamm XXV anschließt. Die beantragte Spundwand ist das Ergebnis eines mehrjährigen Planungsprozesses . Die Planung dieses Polderabschnittes erfolgte in enger Zusammenarbeit mit der Stadt Karlsruhe. Im Zuge dieses Planungsprozesses flossen auch Überlegungen der Stadt Karlsruhe in die Planung ein. Im Rahmen dieses Planungsprozesses wurden insgesamt sieben Varianten zur Umschließung des Rheinparks Rappenwört untersucht und bewertet. Die zuletzt verbliebenen Varianten 5 (rheinparknahe Eindeichung mit kurzer Wendeschleife der Straßenbahn über die Eiswiese und hochgelegten Teilbereichen des Parkplatz- 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 549 geländes) und 7 (großräumige Umschließung des Rheinparks) wurden in den Gremien der Stadt Karlsruhe beraten und im Jahr 2008 mit großer Mehrheit der Beschluss gefasst, dass Variante 7 realisiert werden soll. Mit Realisierung der Variante 7 entfällt ein erheblicher Eingriff in den wertvollen Alteichenbestand, der bei der Variante 5 durch Auffüllung von Parkplatzflächen und Hochlage der Straßenbahntrasse entstehen würde. Als Ergebnis einer Gesamtabwägung hat sich der Vorhabenträger im Wesent - lichen aus den folgenden Gründen für die Variante 7, die der eingereichten Planung entspricht, entschieden: • Der UVS/FFH-Gutachter bewertet die Varianten 5 und 7 als gleichwertig und aus naturschutzfachlicher Sicht gegenüber den anderen Varianten als am besten geeignet. • Das denkmalgeschützte Gesamtensemble bleibt vollständig erhalten und die Variante ist somit aus Denkmalschutzgründen genehmigungsfähig. • Die derzeitige Parkplatzfläche ist weiterhin fast komplett hochwasserfrei nutzbar . • Die Variante 7 wird von der Stadt Karlsruhe mitgetragen, die Variante 5 abgelehnt . Der Trassenverlauf der Umschließung folgt dem Wald (im Norden am Waldrand, im Süden im Wald). Die Sichtbeziehungen zum gesamten denkmalgeschützten Ensemble (Eiswiese und Badeingang) werden nicht beeinträchtigt und bleiben vollumfänglich erhalten. Vor der Umschließung soll immergrünes Buschwerk gepflanzt und die Spundwand selbst soll begrünt werden. Damit ist eine landschaftsgerechte Einbindung gegeben. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft