Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 555 15. 09. 2016 1Eingegangen: 15. 09. 2016 / Ausgegeben: 19. 10. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie begründet sie die Beobachtung der IB? 2. Welche Aktionen und Tätigkeiten der IB in Baden-Württemberg sind ihr bekannt ? 3. Wie viele Straftaten der IB in Baden-Württemberg sind ihr bekannt? 4. Welche Straftaten waren das im Einzelnen? 5. Wie viele Straftaten lassen sich hier welchen Delikten zuordnen? 6. In wie vielen Fällen wurde das Anbringen von Aufklebern durch die IB als Sachbeschädigung gewertet? 7. Wie hat sich die IB in Baden-Württemberg nach ihrer Kenntnis konkret verfassungsfeindlich geäußert? 8. Welche verfassungsfeindlichen Aktionen hat die IB in Baden-Württemberg nach ihrer Kenntnis durchgeführt? 9. Inwiefern hat sie auf die Beobachtung der IB hingewirkt oder diese empfohlen? 13. 09. 2016 Dr. Baum AfD Kleine Anfrage der Abg. Dr. Christina Baum AfD und Antwort des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Identitäre Bewegung (IB) in Baden-Württemberg Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 555 2 B e g r ü n d u n g Im aktuellen Verfassungsschutzbericht findet die Identitäre Bewegung über mehrere Seiten Beachtung. Laut Verfassungsschutz nahmen Aktivisten aus Baden- Württemberg an Demonstrationen teil, verteilten Flugblätter und veranstalteten Stammtische. An einem Wochenende wurden gemeinsame Arbeitskreise veranstaltet , Vorträge gehalten und praktische Übungen durchgeführt. Weiter seien sportliche Betätigungen für die Teilnehmer angeboten worden. Aus dem Bericht ergibt sich aus Sicht der Fragestellerin jedoch nicht, wie der Landesverfassungsschutz seine Beobachtung begründet und wo er eine konkrete Gefahr für die freiheitlich -demokratische Grundordnung durch die Identitäre Bewegung sieht. A n t w o r t Mit Schreiben vom 10. Oktober 2016 Nr. 4-1082.2/420-1/ beantwortet das Minis - terium für Inneres, Digitalisierung und Migration die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie begründet sie die Beobachtung der IB? Zu 1.: Die rechtlichen Voraussetzungen, die für eine Beobachtung durch das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) gegeben sein müssen, regelt das Gesetz über den Verfassungsschutz in Baden-Württemberg (Landesverfassungsschutzgesetz – LVSG). Demnach hat das LfV unter anderem den Auftrag, Informationen über Bestrebungen zu sammeln, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung , den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1Nr. 1 LVSG). Die „Identitäre Bewegung Deutschland“ (IBD) ist ein Verbund von Gruppierungen , der seit 2012 – anfangs vorwiegend im virtuellen Raum – rechtsextremistische und völkische Auffassungen verbreitet. In ihren programmatischen Texten finden sich sowohl fremden- als auch muslimfeindliche Aussagen, die deutlich ihren rechtsextremistischen Charakter zeigen. Nach Auffassung der IBD sollen durch die Verschwörung bestimmter Kräfte die bisherigen Völker Europas vollständig durch außereuropäische Zuwanderer ersetzt und damit traditionelle euro - päische Kulturen zerstört werden. Die ideologischen Grundlagen der IBD sind darauf ausgerichtet, wesentliche Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu beschädigen bzw. außer Kraft zu setzen. Sie wird demnach wegen Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, beobachtet. Ausführliche Informationen über die IBD und zu den Gründen ihrer Beobachtung durch das LfV finden sich im aktuellen Verfassungsschutzbericht (Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration [Hrsg.], Verfassungsschutzbericht Baden -Württemberg 2015, S. 153 bis 157). 2. Welche Aktionen und Tätigkeiten der IB in Baden-Württemberg sind ihr bekannt ? Zu 2.: Im Hinblick auf die der Landesregierung im Jahr 2015 bekannt gewordenen Tätigkeiten der IBD wird auf den aktuellen Verfassungsschutzbericht verwiesen. Im Jahr 2016 wurden unter anderem die nachfolgenden Aktivitäten bekannt: 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 555 – Eigenen Angaben zufolge führen die Ortsgruppen monatliche Stammtische durch. Teilweise werden diese im Internet (Facebook) angekündigt. Der Veranstaltungsort wird nur nach einer vorherigen Kontaktaufnahme bekannt gegeben. – Die IBD organisiert Sommerfeste oder sogenannte Aktivistenwochenenden etwa mit Selbstverteidigungskursen und Sportangeboten zur Stärkung des Gemeinschaftssinns . So veranstaltete z. B. die „Regionalgruppe Baden“ Anfang August 2016 ein Sommerfest. Die Identitären der „Regionalgruppe Schwaben“ hatten im Juni ein ähnliches Treffen durchgeführt. – Beliebt sind sogenannte Flashmobs, die von wenigen Aktivisten auch kurz - fristig durchgeführt werden: • So führte die IBD in Reutlingen im Juli eine Plakataktion durch („REMI- GRATION – Die Integration ist gescheitert“). • Die Terroranschläge von Paris, Brüssel und Nizza waren Anlass für eine Aktion in Stuttgart im Juli. Dabei legten sich die Aktivisten als mutmaßliche „Opfer der Islamisierung“ auf den Boden. Es wurde ein Transparent „Islamisierung tötet“ aufgestellt. • In Tübingen wurden im Mai mit Sprühkreide Leichenumrisse an verschiedenen Stellen der Stadt angebracht und die „Opfer“ mit „Deutschland“, „Identität “, „Tradition“, „Staatsgrenze“ und Ähnlichem gekennzeichnet. • Im August machte die IBD mit der „Besteigung“ der Burganlagen in Esslingen , Teck und Hohenneuffen auf sich aufmerksam und zeigte ein Transparent mit der Aufschrift „Festung Europa“. – Nach einer Berichterstattung des SWR am 4. Juli 2016 über die IBD wurde das Gebäude des SWR in Stuttgart durch identitäre Aktivisten symbolisch abgesperrt . Im Internet wurde eine Stellungnahme zu den „fragwürdigen Behauptungen “ des SWR veröffentlicht. – Eine Besteigung des Brandenburger Tors in Berlin im August wurde nach der Aktion durch Spendenaufrufe für die durchführenden „Kameraden“ unterstützt. – Auch überregional sind identitäre Anhänger aus Baden-Württemberg aktiv. So nahmen etwa 20 Anhänger der IBD Schwaben im Juni an einer großen, inter - national beworbenen Demonstration der Identitären Bewegung Österreich in Wien teil. – Aktivisten aus Schwaben beteiligten sich im August an der sogenannten „Sommeruniversität “ der Identitären in Frankreich. Ein einheitliches Erscheinungsbild (beige Hose, blaue T-Shirts) gehörte ebenso dazu wie sportliche Aktivitäten (Boxen und Selbstverteidigung) und Schulungsveranstaltungen. 3. Wie viele Straftaten der IB in Baden-Württemberg sind ihr bekannt? 4. Welche Straftaten waren das im Einzelnen? 5. Wie viele Straftaten lassen sich hier welchen Delikten zuordnen? 6. In wie vielen Fällen wurde das Anbringen von Aufklebern durch die IB als Sachbeschädigung gewertet? Zu 3. bis 6.: Die statistische Erfassung Politisch motivierter Kriminalität (PMK) erfolgt auf der Grundlage des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes (KPMD). Mit Beschluss der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 10. Mai 2001 sind rückwirkend zum 1. Januar 2001 mit dem „Definitionssystem Politisch motivierte Kriminalität“ und den „Richtlinien für den Kriminalpolizeilichen Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK)“ die bundesweit einheitlich geltenden Kriterien zur Definition und Erfassung politisch motivierter Straftaten in Kraft gesetzt worden. Seit dem Jahr 2012 wurden im KPMD- PMK sechs Straftaten im Zusammenhang mit der „Identitären Bewegung“ in Baden-Württemberg registriert, die deliktisch in fünf Fällen als Sachbeschädigun- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 555 4 gen (§§ 303 und 304 StGB) und in einem Fall als Volksverhetzung (§ 130 StGB) erfasst wurden. Es handelte sich hierbei um Farbschmierereien sowie das Anbringen von Aufklebern und Plakaten. Der Sachverhalt im Zusammenhang mit dem Anbringen von Aufklebern wurde deliktisch als Volksverhetzung (§ 130 StGB) im KPMD-PMK erfasst. 7. Wie hat sich die IB in Baden-Württemberg nach ihrer Kenntnis konkret verfassungsfeindlich geäußert? 8. Welche verfassungsfeindlichen Aktionen hat die IB in Baden-Württemberg nach ihrer Kenntnis durchgeführt? Zu 7. und 8.: Hinsichtlich der verfassungsfeindlichen Äußerungen und Aktionen der IBD wird auf die Ausführungen zu den Ziffern 1. und 2. und den aktuellen Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg verwiesen. 9. Inwiefern hat sie auf die Beobachtung der IB hingewirkt oder diese empfohlen? Zu 9.: Der Verfassungsschutz hat in eigener Zuständigkeit geprüft, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beobachtung vorliegen und dies im Ergebnis bejaht. Strobl Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration