Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 559 20. 09. 2016 1Eingegangen: 20. 09. 2016 / Ausgegeben: 27. 10. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Flüchtlingshilfs- oder -unterstützerorganisationen erhielten 2015 und 2016 in Baden-Württemberg finanzielle, sachliche oder ggfs. anderweitige staatliche Unterstützung und Zuschüsse (mit Angabe, in welcher Höhe)? 2. Ist ihr bekannt, welche Aktivitäten der Landesflüchtlingsrat 2015 im Einzelnen (über die Presseberichte hinaus) unternommen hat, um Abschiebungen zu erschweren oder zu verhindern? 3. Verstießen die damaligen Aktivitäten des Landesflüchtlingsrats nach ihrer Kenntnis gegen – ggf. welche – geltende Gesetze oder sonstige Vorschriften, beispielsweise gegen Geheimhaltungsvorschriften, § 266 Strafgesetzbuch oder Beihilfe zu einer Tat nach § 95 Absatz 1 Nummer 2 Aufenthaltsgesetz? 4. Hatten die – den Aufgaben der Landesregierung zuwiderlaufenden – Aktivi - täten des Landesflüchtlingsrats für diesen nach ihrer Kenntnis irgendwelche finanziellen oder personellen Konsequenzen? 5. Auf wie viel Euro beläuft sich 2016 der Zuschuss des Landes an den Landesflüchtlingsrat ? 6. Liegen ihr Anhaltspunkte oder Tatsachen vor, denen zufolge der Landesflüchtlingsrat oder andere Flüchtlingsunterstützerorganisationen weiterhin – und ggf. welche – Anstrengungen unternehmen, um Abschiebungen zu verhindern oder zu erschweren? 7. Ist ihr bekannt, in welchem Umfang Gutachten des „Vereins für traumatisierte Flüchtlinge e. V.“ in Karlsruhe zur Verhinderung der Abschiebung bzw. Erteilung von Duldungen aus gesundheitlichen Gründen erstellt werden? Kleine Anfrage des Abg. Dr. Rainer Balzer ABW und Antwort des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Zuverlässigkeit von Flüchtlingshilfsorganisationen Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 559 2 8. Sind ihr Gutachten des in Frage 9 genannten Vereins bekannt, in denen das Vorliegen von Abschiebehindernissen verneint wird? 9. Sind ihr Vorwürfe bekannt geworden, wonach der in Frage 9 genannte Verein psychologisch-traumatologische Gutachten zur Verhinderung von Abschiebungen erstellen soll – ohne dass diese Gutachten allen wissenschaftlichen Kriterien entsprechen sollen, vielmehr allein diejenigen Angaben der Patienten , die in vorhergehenen Asyl- und Gerichtsverfahren als offensichtlich unglaubwürdig erachtet wurden – ungeprüft der Traumadiagnose zugrunde gelegt werden sollen? 10. Hält sie es aus Gründen der Vermeidung von unrichtigen Gutachten für sinnvoll , die Arbeitsweise des oben genannten Vereins und anderer Flüchtlings - hilfeorganisationen, die vergleichbar tätig sind, einer wissenschaftlichen Evaluierung zu unterziehen? 16. 09. 2016 Dr. Balzer ABW B e g r ü n d u n g Der Presse (Stuttgarter Nachrichten, 20. September 2015) war zu entnehmen, dass unter der alten rot-grünen Landesregierung der Zuschuss für den Landesflüchtlingsrat um 50.000 auf 250.000 Euro angehoben worden war. Trotz dieses Zuschusses habe aber die Organisation heftigen Widerstand gegen die Abschiebepraxis des Landes geleistet: so habe der Flüchtlingsrat die Initiativen vor Ort unter anderem über geplante Abschiebetermine informiert und ihnen Tipps gegeben, mit welchen Rechtsmitteln Abschiebungen noch verhindert werden können. Wie aus Kreisen der Innenbehörden verlautete, hätten noch viel mehr abgelehnte Asylbewerber abgeschoben werden können, würden Flüchtlingshelfer nicht auch in aussichtslosen Fällen bis zur letzten Minute versuchen, eine Abschiebung zu verhindern . So hat nach Auffassung des Fragestellers die Landesregierung eine Organisation finanziert, die Opposition gegen die eigene Politik machte. Auch der sächsische Flüchtlingsrat e. V. wird aktuell in dieser Richtung tätig (Freie Presse, 15. September 2016). So veröffentlicht der Sächsische Flüchtlingsrat auf seiner Facebook-Seite Termine geplanter Sammelabschiebungen aus Sachsen. Und in einem Faltblatt gab der Verein, der 2016 auch finanzielle Unterstützung vom Freistaat in Höhe von über 26.000 Euro erhält, Tipps zum Widerstand bei einer Abschiebung per Linienflug. „An Bord angekommen, ruft lautstark, macht die Crew und andere Passagiere auf euch aufmerksam und betont, dass ihr nicht freiwillig fliegt“, hieß es dort. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 559 A n t w o r t Mit Schreiben vom 13. Oktober 2016 Nr. 7-0141.5/16/0559 beantwortet das Minis - terium für Inneres, Digitalisierung und Migration die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Flüchtlingshilfs- oder -unterstützerorganisationen erhielten 2015 und 2016 in Baden-Württemberg finanzielle, sachliche oder ggfs. anderweitige staatliche Unterstützung und Zuschüsse (mit Angabe, in welcher Höhe)? 5. Auf wie viel Euro beläuft sich 2016 der Zuschuss des Landes an den Landesflüchtlingsrat ? Zu 1. und 5.: Im Rahmen der Landesförderung unterstützt das Land in den Jahren 2015 und 2016 die fünf psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer in Baden- Württemberg mit jeweils 100.000 Euro pro Jahr und den Flüchtlingsrat mit 250.000 Euro pro Jahr. Die Förderung ist in dieser Höhe im Landeshaushalt etatisiert . Daneben unterstützt das Land im Jahr 2016 das Projekt „Psychosoziale und psychotherapeutische Untersuchung, Behandlung und Betreuung traumatisierter Flüchtlinge“ des Kompetenzzentrums für Psychotraumatologie der Universität Konstanz als Pilotprojekt in Form eines Drittmittelauftrags mit 100.000 Euro. 2. Ist ihr bekannt, welche Aktivitäten der Landesflüchtlingsrat 2015 im Einzelnen (über die Presseberichte hinaus) unternommen hat, um Abschiebungen zu erschweren oder zu verhindern? 6. Liegen ihr Anhaltspunkte oder Tatsachen vor, denen zufolge der Landesflüchtlingsrat oder andere Flüchtlingsunterstützerorganisationen weiterhin – und ggf. welche – Anstrengungen unternehmen, um Abschiebungen zu verhindern oder zu erschweren? Zu 2. und 6.: Auf der Homepage des Flüchtlingsrates Baden-Württemberg sind teilweise Informationen und Handlungsleitfäden verlinkt, die z. B. Hinweise darauf geben, unter welchen Umständen keine Abschiebungen stattfinden, wie gegen Bescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vorgegangen werden sollte, welche Schritte unternommen werden können, um Flüchtlinge zu schützen und zu welchen Terminen mit Sammelchartern zu rechnen ist. Diese Informationen können ggf. dazu genutzt werden, Abschiebungen bewusst zu verhindern oder zu erschweren . Mitunter wird in diesen Dokumenten ausdrücklich dazu aufgerufen, Mittel des zivilen Ungehorsams gegen Abschiebungen in Betracht zu ziehen und unmittelbar drohende Abschiebungen zu blockieren. 3. Verstießen die damaligen Aktivitäten des Landesflüchtlingsrats nach ihrer Kenntnis gegen – ggf. welche – geltende Gesetze oder sonstige Vorschriften, beispielsweise gegen Geheimhaltungsvorschriften, § 266 Strafgesetzbuch oder Beihilfe zu einer Tat nach § 95 Absatz 1 Nummer 2 Aufenthaltsgesetz? Zu 3.: Verstöße, insbesondere gegen die genannten Vorschriften, sind nicht ersichtlich. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 559 4 4. Hatten die – den Aufgaben der Landesregierung zuwiderlaufenden – Aktivi - täten des Landesflüchtlingsrats für diesen nach ihrer Kenntnis irgendwelche finanziellen oder personellen Konsequenzen? Zu 4.: Hierzu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. 7. Ist ihr bekannt, in welchem Umfang Gutachten des „Vereins für traumatisierte Flüchtlinge e. V.“ in Karlsruhe zur Verhinderung der Abschiebung bzw. Erteilung von Duldungen aus gesundheitlichen Gründen erstellt werden? 8. Sind ihr Gutachten des in Frage 9 genannten Vereins bekannt, in denen das Vorliegen von Abschiebehindernissen verneint wird? 9. Sind ihr Vorwürfe bekannt geworden, wonach der in Frage 9 genannte Verein psychologisch-traumatologische Gutachten zur Verhinderung von Abschiebungen erstellen soll – ohne dass diese Gutachten allen wissenschaftlichen Kriterien entsprechen sollen, vielmehr allein diejenigen Angaben der Patienten , die in vorhergehenden Asyl- und Gerichtsverfahren als offensichtlich unglaubwürdig erachtet wurden – ungeprüft der Traumadiagnose zugrunde gelegt werden sollen? 10. Hält sie es aus Gründen der Vermeidung von unrichtigen Gutachten für sinnvoll , die Arbeitsweise des oben genannten Vereins und anderer Flüchtlings - hilfeorganisationen, die vergleichbar tätig sind, einer wissenschaftlichen Evaluierung zu unterziehen? Zu 7. bis 10.: Der Verein zur Unterstützung traumatisierter Flüchtlinge e. V. in Karlsruhe ist eines der unter Ziffer 1. genannten psychosozialen Zentren. Die Förderung der Einrichtung erfolgt im Rahmen der Vorgaben des § 44 Landeshaushaltsordnung (LHO) und den Verwaltungsvorschriften hierzu. Teil des Verwendungsnachweises , der von den Einrichtungen zum Nachweis der zweckentsprechenden Verwendung der Zuwendung vorgelegt werden muss, ist ein Sachbericht . Im Sachbericht ist die Verwendung der Zuwendung und das damit erzielte Ergebnis im Einzelnen darzustellen. Daneben werden weitere Erfolgskriterien und Kennzahlen in der Bewilligung vorgegeben und mit dem Verwendungsnachweis dargestellt. Sofern sich bei der Prüfung des Verwendungsnachweises Anhaltspunkte für eine nicht zweckentsprechende Verwendung der gewährten Förderung ergeben, ist die ganz oder teilweise Aufhebung der Bewilligung zu prüfen. Eine wissenschaftliche Evaluierung ist nach den haushaltsrechtlichen Vorgaben nicht zwingend vorgeschrieben. Gutachten des „Vereins für traumatisierte Flüchtlinge e. V.“ in Karlsruhe werden wie andere Gutachten im Rahmen der Prüfung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme dann berücksichtigt, wenn die gesetzlichen Anforderungen des § 60 a Abs. 2 c Aufenthaltsgesetz erfüllt sind. Gegebenenfalls werden Überprüfungen durch die Gesundheitsämter veranlasst. Strobl Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration