Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 572 16. 09. 2016 1Eingegangen: 16. 09. 2016 / Ausgegeben: 20. 10. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welchen Umfang haben die Schäden durch den Drahtwurm im Kartoffelanbau? 2. Wie haben sich die Schäden in den letzten zehn Jahren entwickelt und wo treten diese gehäuft auf? 3. Welche Schäden verursacht der Drahtwurm in anderen Kulturen? 4. Gibt es neue Erkenntnisse zur Drahtwurmpopulation? 5. Gibt es aktuell Forschungen zur Bekämpfung und falls nicht, gibt es diesbezüglich Planungen? 6. Welche Möglichkeiten der Bekämpfung gibt es und stehen hierfür neu zugelassene Schädlingsbekämpfungsmittel zur Verfügung? 16. 09. 2016 Burger CDU Kleine Anfrage des Abg. Klaus Burger CDU und Antwort des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Schäden durch Drahtwürmer im Kartoffelanbau Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 572 2 B e g r ü n d u n g Das feuchte Frühjahr 2016 scheint ein besonders gehäuftes Auftreten des Drahtwurms zur Folge zu haben. Die Kleine Anfrage soll die aktuelle Situation verdeutlichen und mögliche Wege der Bekämpfung/Eindämmung des Drahtwurms erörtern. A n t w o r t Mit Schreiben vom 7. Oktober 2016 Nr. Z(23)-0141.5/48F beantwortet das Minis - terium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welchen Umfang haben die Schäden durch den Drahtwurm im Kartoffelanbau? Zu 1.: Drahtwürmer sind die Larven der Schnellkäfer und sind polyphage (viele Kulturen schädigende) Bodenschädlinge. Sie bohren sich in die Kartoffelknollen hinein und zählen daher seit Jahrzehnten zu den wichtigsten Schädlingen im Kartoffel - anbau. Nach Einschätzung des landwirtschaftlichen Beratungsdienstes Heilbronn e. V. – Kartoffelanbau – sind im Jahr 2016 von der Gesamtanbaufläche von ca. 5.500 ha in Baden-Württemberg etwa 2.500 bis 3.000 ha von Drahtwurmschäden betroffen. Der Schadumfang durch den Drahtwurm wurde vor der Genehmigung des hoch wirksamen Mittels von Goldor Bait (Wirkstoff Fipronil) im Jahr 2010 bei den Mitgliedern des Beratungsdienstes abgefragt. Der Schadumfang bei mittelfrühen bis späten Sorten in den Regionen Rheingraben, Heilbronner Unterland und den wärmeren Gebieten um Ludwigsburg und Stuttgart wurde auf 50 bis 60 % der Kartoffelflächen geschätzt. In den höheren Regionen Baden-Württembergs wie in der Region um Donaueschingen lag der Umfang der betroffenen Flächen bei 5 bis 20 %. Späte Sorten wurden besonders stark geschädigt. Der Fraßschaden durch Drahtwürmer in der Partie wurde auf 5 % bis über 50 % geschätzt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei mehr als 20 % befallene Knollen eine Sortierung der Partie nicht mehr möglich und ein Totalschaden entsteht. Zusätzlich fällt aufwändige Sortierarbeit bei der Ernte an. Durch den Einsatz von dem bis zum Jahr 2015 genehmigten Wirkstoff Fipronil im Pflanzenschutzmittel Goldor Bait konnte die Zahl befallener Knollen deutlich minimiert werden und war auf eine auslesbare Menge von 2 bis 8 % zurückgegangen . Auf nicht behandelten Flächen lagen die Schäden weiterhin bei bis zu über 50 % befallener Knollen. 2. Wie haben sich die Schäden in den letzten zehn Jahren entwickelt und wo treten diese gehäuft auf? Zu 2.: Wirtschaftliche Schäden durch Drahtwürmer haben in den letzten zehn Jahren zugenommen , wie aktuelle Rückmeldungen aus der Praxis (Kartoffelfeldtag des LTZ am 28. September 2016) bestätigen. Insbesondere im biologischen Kartoffelanbau erreichen die Schäden existenzbedrohende Ausmaße. Eine zusätzliche Ursache für die großen Probleme mit Drahtwurmfraß im Jahr 2016 waren das feuchte Frühjahr und der trockene Spätsommer, der die Drahtwürmer in die Knollen lockte. Zudem war in integriert wirtschaftenden Betrieben das Mittel Goldor Bait nicht mehr einsetzbar. Die größten Drahtwurmschäden treten in der Regel in warmen Gebieten auf, in den letzten Jahren jedoch auch in kühleren Regionen wie z. B. auf der Schwäbischen Alb. In Baden Württemberg gibt es keine befallsfreien Gebiete mehr. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 572 3. Welche Schäden verursacht der Drahtwurm in anderen Kulturen? Zu 3.: Drahtwürmer haben in den letzten Jahren in verschiedenen landwirtschaftlichen und gärtnerischen Kulturen zu erheblichen Ertragsverlusten geführt. Aus dem Landkreis Ludwigsburg gibt es bei Möhren im biologischen Gemüsebau ein verstärktes Auftreten von Drahtwurmschäden. Im Ackerbau sind Getreide und Mais, im Gartenbau Salat, Möhren, Fenchel, Zwiebel, Spargel sowie Zierpflanzen betroffen . Der Tomatenanbau im geschützten Anbau ist ebenfalls betroffen. Im Beerenobst treten zunehmend Schäden bei Erdbeeren auf. 4. Gibt es neue Erkenntnisse zur Drahtwurmpopulation? Zu 4.: Die Erfassung der Drahtwurmpopulation im Boden ist sehr aufwändig und schwie - rig. Die Schnellkäfer, die sich aus den Drahtwürmern entwickeln, sind durch Pheromonfallen dagegen relativ einfach zu erfassen. Aus diesen Daten lassen sich aber keine Erkenntnisse zur Drahtwurmpopulation im Boden ableiten. Mittels Monitoring der männlichen Schnellkäfer mit Pheromonfallen können nur Erkenntnisse über die auftretenden Arten gewonnen werden, die unterschiedliche Temperaturansprüche haben. Zusätzlich zum bundesweiten Schnellkäfer-Monitoring wird in Baden-Württemberg seit sieben Jahren eine landesweite Überwachung durchgeführt. Danach gibt es im Land fünf schädliche Arten, die lokal unterschiedlich stark auftreten: Agriotes sordidus überwiegend im Rheintal, Agriotes ustulatus in wärmeren Gebieten (Weinbauklima) und in Gewächshäusern, Agriotes lineatus und Agriotes sputator flächendeckend in ganz Baden-Württemberg, Agriotes obscurus bevorzugt in höheren und kälteren Gebieten z. B. auf der Baar. 5. Gibt es aktuell Forschungen zur Bekämpfung und falls nicht, gibt es diesbezüglich Planungen? Zu 5.: Im Rahmen des EU-Projektes INBIOSOIL (Innovative products for soil pest control ) wurde eine Bekämpfungsmöglichkeit entwickelt, die auf biologischer Basis eine Bekämpfung dieser Schädlinge im Kartoffelanbau ermöglicht. Auf der Basis der entwickelten Attract & Kill Strategie mittels eine CO2-abgebenden (= Attract) und einer abtötenden (= Kill)-Komponente konnten in Feldversuchen positive Ergebnisse erzielt werden. Dieser Kapseltyp wurde in Zusammenarbeit mit der Firma BIOCARE zur Marktreife entwickelt. ATTRACAP® wurde gemäß Artikel 53 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vom 1. März 2016 bis 28. Juni 2016 zugelassen. Das Mittel wird derzeit nur bei schwachem bis maximal mittlerem Drahtwurmbefall empfohlen. Der Einsatz in Frühkartoffeln wurde bisher nicht getestet. In Spätkartoffeln konnten Wirkungsgrade bis zu 60 % erreicht werden. Das BMEL-geförderte Verbundprojekt „ATTRACT“ beschäftigt sich mit der Entwicklung neuartiger Formulierungen für den biologischen Pflanzenschutz zur Bekämpfung von Drahtwürmern mittels Attract-and-Kill-Verfahren. Die in diesem Projekt entwickelte CO2-Formulierung ist eine Ca-Alginat-Kapsel, die Bäcker - hefe und ein Nährstoffdepot als künstliche CO2-Quelle und einen biokompatiblen Pflanzenextrakt aus dem Niembaum als „Kill“-Komponente enthält. Der Extrakt des Niembaumes wurde mit einer Effizienz von >99 % verkapselt. Die Wirksamkeit der Formulierungen konnte in Labor- und Feldversuchen erfolgreich nach - gewiesen werden. Zukünftige Arbeiten beschäftigen sich vorwiegend mit der Kos tenoptimierung des Formulierungsverfahrens und Feldversuchen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 572 4 In einem BLE-Projekt wurde eine weitere Attract & Kill Strategie entwickelt. Dabei wurde der entomopathogene Pilz Metarhizium brunneum zur Drahtwurmbekämpfung getestet. Drahtwürmer werden mittels eines CO2 Gradienten zu den Pilzsporen gelockt, um die Drahtwürmer mit M. brunneum zu infizieren. Das Landwirtschaftliche Technologiezentrum Augustenberg, Außenstelle Donau - eschingen ist in die aktuellen Forschungsaktivitäten auf Bundesebene eingebunden . Es hat im Jahr 2016 seine Versuchsarbeit von bisher einem Standort auf drei Standorte ausgedehnt, um Lösungsansätze für die Praxis zu erarbeiten. Ein BMEL-Projektantrag zur Bekämpfung von Drahtwürmern unter Mitwirkung des Biolandverbandes, der Universität Göttingen und des LTZ befindet sich momentan in der Genehmigungsphase. 6. Welche Möglichkeiten der Bekämpfung gibt es und stehen hierfür neu zugelassene Schädlingsbekämpfungsmittel zur Verfügung? Zu 6.: Derzeit empfohlene Maßnahmen zur Bekämpfung von Drahtwürmern sind mechanische Maßnahmen wie eine 2- bis 3-malige intensive Bodenbearbeitung nach der Getreideernte und anderen Kulturen, um den Entwicklungszyklus des Drahtwurms zu unterbrechen und die Larven zu schädigen. Soweit möglich, kann durch eine Kartoffeldammbewegung mittels Fräsen im Mai/Juni die Larvenentwicklung des Drahtwurms gestört werden. Weiterhin war neben dem unter Frage 5 erwähnten Mittel Attracap der Einsatz von Nemathorin 10G (Wirkstoff: Fosthiazade 100 g/kg) im Zeitraum vom 2. Februar 2016 bis zum 31. Mai 2016 zur Bekämpfung von Schnellkäfern (Draht - würmer) auf Freilandflächen im Kartoffelanbau für 120 Tage möglich. Nemathorin 10G konnte einen Wirkungsgrad gegen Drahtwürmer von lediglich bis zu 50 % erzielen. Goldor Bait hatte dagegen einen 90 %igen Wirkungsgrad, der für eine wirksame Bekämpfung notwendig ist. Für das Produkt Goldor Bait (Wirkstoff Fipronil) besteht seit 2016 ein Anwendungsverbot, das auch für Restmengen des Produktes gilt. Sowohl das unter der Antwort zu Frage 5 beschriebene Attracap als auch Nemathorin 10G haben damit einen zu niedrigen Wirkungsgrad. Hauk Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz