Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 616 07. 11. 2016 1Eingegangen: 07. 11. 2016 / Ausgegeben: 09. 12. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Liegen ihr aktuelle Zahlen vor, wie viele Migranten gegenwärtig Hartz IV beziehen ? 2. Wie viele davon verfügen über einen anerkannten Flüchtlingsstatus? 3. Ist den baden-württembergischen Sicherheitsbehörden die Zahl der Salafisten und anderer gewaltbereiter Islamisten bekannt, die sich in Baden-Württemberg aufhalten? 4. Welche Maßnahmen wurden bislang getroffen, um zu unterbinden, dass radikale Islamisten in der Nähe von Asylantenunterkünften und Flüchtlingsheimen Personen rekrutieren? 5. In welchem Umfang wurden Personen, deren Antrag auf Asyl abgelehnt wurde , bereits in ihre Herkunftsländer zurückverbracht? 6. Wie viele Vertreter des unter Frage 5 genannten Personenkreises halten sich im Vergleich hierzu gegenwärtig mit einer Duldung in Baden-Württemberg auf? 7. Wurde bei der Aufnahme von Flüchtlingen erfasst, über welches Land diese nach Deutschland eingereist sind? 8. Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wurden im Jahr 2015 in Baden- Württemberg aufgenommen? Kleine Anfrage des Abg. Hans Peter Stauch AfD und Antwort des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Daten zur Flüchtlingssituation in Baden-Württemberg Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 616 2 9. Wie viele Familiennachzüge (Anzahl der Fälle/Anzahl der Personen) nach Baden-Württemberg haben bereits stattgefunden? 10. Ist die Anzahl der Anträge zur Bewilligung künftiger Familiennachzüge nach Baden-Württemberg bekannt? 15. 09. 2016 Stauch AfD B e g r ü n d u n g Angesichts der allgemeinen Mittelknappheit in Städten und Kommunen ist eine möglichst realistische Abschätzung der finanziellen Implikationen der wachsenden Zuwanderung von kardinaler Wichtigkeit, um dieser Entwicklung in der Haushalts - planung entsprechend Rechnung tragen zu können. Darüber hinaus sind in Bezug auf die innere Sicherheit entsprechende Maßnahmen zu treffen, um der steigenden Kriminalität zu begegnen, die erfahrungsgemäß zu erwarten ist. In diesem Zusammenhang könnte es z. B. notwendig werden, weitaus mehr Planstellen für Polizei, Gerichtsbarkeit und Strafvollzug bereitzustellen, als dies bislang geplant war. Neben den quantifizierbaren finanziellen Folgen der Aufnahme von Flüchtlingen gilt es, auch die nicht quantifizierbaren Effekte abzuschätzen, die sich u. a. auf den Tourismus, die allgemeine Lebensqualität und auf die Attraktivität Baden- Württembergs als Investitionsstandort auswirken können. A n t w o r t Mit Schreiben vom 30. November 2016 Nr. 4-135/656 beantwortet das Ministe - rium für Inneres, Digitalisierung und Migration im Einvernehmen mit dem Minis - terium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau und dem Ministerium für Soziales und Integration die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Liegen ihr aktuelle Zahlen vor, wie viele Migranten gegenwärtig Hartz IV beziehen ? Zu 1.: Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit weist die Zahl der erwerbsfähigen Leis - tungsberechtigten mit einem Migrationshintergrund aus. Erwerbsfähig ist gemäß § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Das Merkmal des Migrationshintergrundes wird durch Befragung ermittelt. Die Definition des statistischen Merkmals Migrationshintergrund ist in § 6 der Migrationshintergrund -Erhebungsverordnung (MighEV) geregelt. Menschen mit einem Migrationshintergrund sind nicht nur die Personen, die keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, sondern alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundes - republik Deutschland Zugewanderten, sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in Deutschland als Deutsche Geborenen mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil. Einen Migrationshintergrund können demnach auch Menschen mit einer deutschen Staatsangehörigkeit haben. Die aktuellste Statistik vom März 2016 führt 313.983 er- 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 616 werbsfähige Leistungsberechtigte, davon haben 247.049 Personen Angaben zum Migrationshintergrund gemacht. Aus diesen Angaben ergaben sich 159.278 er - werbs fähige Leistungsberechtigte mit Migrationshintergrund. Darin enthalten sind 33.769 erwerbsfähige Leistungsberechtigte ohne eigene Migrationserfahrung, da - runter 15.742 mit deutscher Staatsangehörigkeit. Von den Menschen mit eigener Migrationserfahrung besitzen 35.665 (davon 15.472 Spätaussiedler) die deutsche Staatsangehörigkeit. 2. Wie viele davon verfügen über einen anerkannten Flüchtlingsstatus? Zu 2.: Angaben dazu, wie viele anerkannte Flüchtlinge Leistungen nach dem SGB II erhalten , sind nicht möglich, da der Status als anerkannter Asylbewerber derzeit nicht als eigene Gruppe in den Arbeitsmarktstatistiken ausgewiesen wird. 3. Ist den baden-württembergischen Sicherheitsbehörden die Zahl der Salafisten und anderer gewaltbereiter Islamisten bekannt, die sich in Baden-Württemberg aufhalten? Zu 3.: Die Landesregierung geht aktuell von rund 3.500 Anhängern und Aktivisten islamistischer Vereinigungen im Land aus. Dem Bereich des Salafismus werden ca. 620 Personen zugeordnet. Rund 120 davon werden dem gewaltorientierten Spektrum zugerechnet. 4. Welche Maßnahmen wurden bislang getroffen, um zu unterbinden, dass radikale Islamisten in der Nähe von Asylantenunterkünften und Flüchtlingsheimen Personen rekrutieren? Zu 4.: Zwischen den regional zuständigen Polizeipräsidien im Land und den Leitern der Flüchtlingsunterkünfte bestehen enge Kontakte. Bei Bekanntwerden solcher Aktionen bei den Sicherheitsbehörden wird einzelfallbezogen die Durchführung von Maßnahmen der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung geprüft. Unter kriminalpräventiven Gesichtspunkten wurde im Zuge des Maßnahmenpakets „Sonderprogramm der Landesregierung zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus“ die Einrichtung des „Kompetenzzentrums zur Koordinierung des Präventionsnetzwerks gegen (islamistischen) Extremismus in Baden-Württemberg“ (KPEBW) beschlossen, das im Dezember 2015 eingeweiht wurde. Das KPEBW ist die zentrale Koordinierungsstelle zum Aufbau und der nachhaltigen Etablierung eines Präventionsnetzwerks gegen (islamistischen) Extremismus in Baden-Württemberg. Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) hat bereits am 14. September 2015 in einem Schreiben alle Polizeipräsidien, das Landeskriminalamt Baden-Württem - berg (LKA) und das damals zuständige Integrationsministerium Baden-Württemberg auf entsprechende Entwicklungen im Land sowie in den übrigen Bundesländern hingewiesen. Dabei wurden die Dienststellen gebeten, entsprechende Informationen über Bestrebungen von Salafisten respektive Islamisten dem LfV zeitnah zu melden. Im März 2016 hat das LfV die Broschüre „Extremismus erkennen. Handreichung für Betreiber von Flüchtlingsunterkünften“ veröffentlicht. Die Publikation informiert schwerpunktmäßig über die Aktivitäten von Islamisten, aber auch von anderen Extremisten im Umfeld der Unterkünfte. Sie soll der Sensibilisierung von Personen dienen, die mit Flüchtlingen arbeiten. In den Erstaufnahmeeinrichtungen untersagen die Hausordnungen grundsätzlich missionarische Tätigkeiten und das Werben von Mitgliedern auf dem Gelände der Unterkünfte. Zur Durchsetzung dieser Regelung werden strenge Zugangs- und Besuchskontrollen durchgeführt. Regelmäßigen Zutritt erhalten nur berechtigte Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 616 4 Personen, für die ein erweitertes Führungszeugnis vorliegt. Besucher dürfen das Gelände nur nach vorheriger Anmeldung betreten. Besuchsanträge von Mitgliedern religiöser Sekten werden grundsätzlich abgelehnt. Aushänge, die innerhalb des Geländes von Erstaufnahmeeinrichtungen angebracht werden sollen, werden vorher durch die Einrichtungsleitung überprüft. Die Beschäftigten in Erstaufnahmeeinrichtungen sind entsprechend sensibilisiert und dazu angehalten, ein besonderes Augenmerk auf Auffälligkeiten im Zusammenhang mit Rekrutierungsaktivitäten zu richten und diese unmittelbar zu melden . Die Beschäftigten der Sozial- und Verfahrensberatung sind ebenfalls angewiesen , in Gesprächen mit den Bewohnern der Erstaufnahmeeinrichtungen auf die Thematik hinzuweisen und diese auch direkt nach Anwerbungs- und Rekrutierungsversuchen zu fragen. Es besteht ein regelmäßiger Austausch zwischen den Regierungspräsidien, den Beschäftigten der Einrichtungen vor Ort und den zuständigen Polizeidienststellen, um etwaige Aktivitäten in den Einrichtungen frühzeitig zu erkennen und zu unterbinden. Im Anschluss an die Erstaufnahme werden die Flüchtlinge den unteren Aufnahmebehörden bei den Landrats- und Bürgermeisterämter der Stadtkreise in die vorläufige Unterbringung zugeteilt. Die Stadt- und Landkreise verfügen über das Hausrecht der jeweiligen Unterbringungseinrichtung und entscheiden eigenverantwortlich , wie sie Missionierungs- und Radikalisierungsversuchen begegnen. 5. In welchem Umfang wurden Personen, deren Antrag auf Asyl abgelehnt wurde, bereits in ihre Herkunftsländer zurückverbracht? Zu 5.: In diesem Jahr wurden mit Stichtag vom 16. November 2016 insgesamt 2.906 abgelehnte Asylbewerber abgeschoben. Davon wurden 223 Ausländer gemäß der Dublin-Verordnung in einen anderen EU-Mitgliedstaat überstellt. 6. Wie viele Vertreter des unter Frage 5 genannten Personenkreises halten sich im Vergleich hierzu gegenwärtig mit einer Duldung in Baden-Württemberg auf? Zu 6.: Ausweislich des Ausländerzentralregisters lebten zum Stichtag 30. September 2016 insgesamt 26.947 geduldete Ausländer in Baden-Württemberg. Die Zahl der abgelehnten Asylbewerber, die geduldet werden, wird statistisch nicht gesondert erfasst. 7. Wurde bei der Aufnahme von Flüchtlingen erfasst, über welches Land diese nach Deutschland eingereist sind? Zu 7.: Der Reiseweg von Asylsuchenden wird durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Rahmen seiner Zuständigkeit für die Durchführung von Dublinund Asylverfahren erhoben und geprüft. 8. Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wurden im Jahr 2015 in Baden-Württemberg aufgenommen? Zu 8.: Die Jugendämter entscheiden im Rahmen der fachlichen Vorgaben des SGB VIII in kommunaler Selbstverwaltung, in welchen Einrichtungen sie unbegleitete minderjährige Ausländerinnen und Ausländer (UMA) bzw. die als solche eingereisten jungen Volljährigen unterbringen. Sie haben die Möglichkeit, UMA bzw. als solche eingereiste junge Volljährige in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe innerhalb Baden-Württembergs, aber auch in einem anderen Bundesland, unter- 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 616 zubringen. Von daher kommt es weniger auf den Ort der Unterbringung, sondern vielmehr darauf an, welches Jugendamt für den UMA zuständig ist (Fallverantwortung ). Zum Stichtag 4. Januar 2016 befanden sich 6.101 UMA bzw. als solche einge - reiste unbegleitete Volljährige in jugendhilferechtlicher Zuständigkeit der badenwürttembergischen Jugendämter. 9. Wie viele Familiennachzüge (Anzahl der Fälle/Anzahl der Personen) nach Baden-Württemberg haben bereits stattgefunden? Zu 9.: Die Ermittlung der erfragten Zahlen würde die Sichtung jeder einzelnen Ausländerakte bei allen Ausländerbehörden im Land erforderlich machen; das ist mit vertretbarem Aufwand nicht möglich. 10. Ist die Anzahl der Anträge zur Bewilligung künftiger Familiennachzüge nach Baden-Württemberg bekannt? Zu 10.: Die Anzahl der Anträge zur Bewilligung künftiger Familiennachzüge nach Baden- Württemberg ist der Landesregierung nicht bekannt. Für die Einreise zum Zwecke des Familiennachzugs sind die deutschen Auslandsvertretungen am jeweiligen Wohnort bzw. am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts der nachzugswilligen Ausländer zuständig. Auf eine Anfrage des Innenministe - riums anlässlich der Großen Anfrage der Fraktion der AfD zum Familiennachzug von Flüchtlingen in Baden-Württemberg (Drs. 16/524) hatte das Auswärtige Amt wie folgt geantwortet: „Aufgrund der verfassungsrechtlichen Trennung von Bundes- und Länderzuständigkeiten erfolgt keine Zulieferung von Antwortelementen durch das Auswärtige Amt als Bundesressort.“ Vor diesem Hintergrund wurde von einer erneuten Anfrage beim Auswärtigen Amt abgesehen. Strobl Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration