Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 626 22. 09. 2016 1Eingegangen: 22. 09. 2016 / Ausgegeben: 02. 11. 2016 K l e i n e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie viele tätliche Angriffe gegen Zugbegleiter und Fahrkartenkontrolleure in Baden-Württemberg sind ihr für die Jahre 2013 bis August 2016 bekannt geworden ? 2. Wie viele davon führten zur vorübergehenden oder endgültigen Dienstunfähigkeit der Betroffenen? 3. Wie viele der Angreifer waren deutsche Staatsangehörige? 4. Sind ihr in den letzten drei Jahren – und ggf. wie viele – gewaltsame Zusammenstöße von Angehörigen der sog. „Reichsbürger“ mit staatlichen Vollzugsbediensteten bekannt geworden? 5. Wie viele Angreifer in Baden-Württemberg waren Subkulturen wie Punks, Anarchisten, Hooligans und anderen gesellschaftlichen Randkulturen zuzuordnen ? 6. Trifft es nach ihren Erkenntnissen zu, dass Fahrkartenkontrolleure mittlerweile aus Angst teilweise auf Kontrollen der Fahrkarten von gruppenweise reisenden Fahrgästen verzichten, die mutmaßlich der Personengruppe der Asylbewerber oder derselben ausländischen Ethnie angehören? Kleine Anfrage der Abg. Lars Patrick Berg und Dr. Jörg Meuthen ABW und Antwort des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Situation von Zugbegleitern, Fahrkartenkontrolleuren und anderen öffentlichen Bediensteten Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 626 2 7. Sieht sie einen Zusammenhang mit der Verschärfung der Sicherheitslage in Gefängnissen, in Zügen, in Gerichten, in öffentlichen Bädern in den letzten Jahren mit der Zunahme der Zuwanderung nach Baden-Württemberg im selben Zeitraum? 22. 09. 2016 Berg, Dr. Meuthen ABW B e g r ü n d u n g Medienberichten zufolge soll es verstärkt zu Angriffen gegen Zugbegleiter, Schaff - ner und Fahrkartenkontrolleure kommen. Diese Kleine Anfrage soll das Ausmaß der Situation beleuchten. A n t w o r t Mit Schreiben vom 18. Oktober 2016 Nr. 3-1212.3/187 beantwortet das Ministe - rium für Inneres, Digitalisierung und Migration im Einvernehmen mit dem Minis - terium für Verkehr die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung Es wird darauf hingewiesen, dass die Beantwortung der vorliegenden Fragen entgegen der ursprünglichen Anfrage in bereinigter Ziffernreihenfolge vorgenommen wurde. 1. Wie viele tätliche Angriffe gegen Zugbegleiter und Fahrkartenkontrolleure in Baden-Württemberg sind ihr für die Jahre 2013 bis August 2016 bekannt geworden ? 3. Wie viele der Angreifer waren deutsche Staatsangehörige? Zu 1. und 3.: Bei der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) handelt sich um eine sogenannte reine Ausgangsstatistik, in der strafrechtlich relevante Sachverhalte nach der polizeilichen Sachbearbeitung vor Abgabe an die Strafverfolgungsbehörden erfasst werden. Hierbei werden Fall-, Opfer- und Tatverdächtigenzahlen differenziert dargestellt. Die Erfassung opferbezogener Merkmale erfolgt nach den bundesweit einheitlichen PKS-Erfassungskriterien im Zusammenhang mit den sogenannten Opferdelikten1. Die PKS weist im Betrachtungszeitraum 2013 bis 2015 entsprechende Straftaten zum Nachteil des Auswerteparameters Opfertyp „Fahrdienstpersonal “ wie folgt aus: _____________________________________ 1 Straftaten gegen das Leben, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Rohheits- und persönliche Freiheitsdelikte, sonstige Straftatbestände StGB und strafrechtliche Nebengesetze mit Opfererfassung. 2013 2014 2015 Straftaten 114 104 133 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 626 Für das laufende Jahr 2016 zeichnet sich im Vorjahresvergleich ein Rückgang der Fallzahlen ab. Bei den ermittelten Tatverdächtigen (TV) im Jahr 2015 handelte es sich mehrheitlich um deutsche Staatsangehörige: Für das laufende Jahr 2016 zeichnen sich ein Rückgang der Anzahl der TV insgesamt sowie ein vergleichsweise leichter Anstieg des Anteils nichtdeutscher TV ab. 2. Wie viele davon führten zur vorübergehenden oder endgültigen Dienstunfähigkeit der Betroffenen? 5. Wie viele Angreifer in Baden-Württemberg waren Subkulturen wie Punks, Anarchisten, Hooligans und anderen gesellschaftlichen Randkulturen zuzuordnen ? Zu 2. und 5.: Der Landesregierung liegen hierzu keine statistischen Erkenntnisse vor. 4. Sind ihr in den letzten drei Jahren – und ggf. wie viele – gewaltsame Zusammenstöße von Angehörigen der sog. „Reichsbürger“ mit staatlichen Vollzugsbediensteten bekannt geworden? Zu 4.: Straftaten der politisch motivierten Kriminalität werden statistisch auf Grundlage des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes (KPMD) erfasst. Mit Beschluss der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 10. Mai 2001 sind rückwirkend zum 1. Januar 2001 mit dem „Definitionssystem Politisch motivierte Kriminalität“ und den „Richtlinien für den Kriminalpolizeilichen Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK)“ die bundesweit einheitlich geltenden Kriterien zur Definition und Erfassung politisch motivierter Straftaten in Kraft gesetzt worden. Bei der Bezeichnung „Reichsbürger“ handelt es sich um keinen statistischen Erfassungsparameter der Polizei Baden- Württemberg, sodass im Sinne der Fragestellung eine Recherche in den polizei - lichen Informationssystemen mit dem Suchkriterium „Reichsbürger“ im Zusammenhang mit Gewaltstraftaten gegen Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB durchgeführt wurde, die den Zeitraum 1. Januar 2013 bis 28. September 2016 umfasst. In diesem Zusammenhang sind insgesamt fünf entsprechende Straf - taten in Baden-Württemberg ermittelt worden. Dabei geht es um Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB), Gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315 b StGB) und Körperverletzung (§ 223 StGB). 6. Trifft es nach ihren Erkenntnissen zu, dass Fahrkartenkontrolleure mittlerweile aus Angst teilweise auf Kontrollen der Fahrkarten von gruppenweise reisenden Fahrgästen verzichten, die mutmaßlich der Personengruppe der Asylbewerber oder derselben ausländischen Ethnie angehören? Zu 6.: Dem Verkehrsministerium sind keine Fälle bekannt, in denen eine Fahrausweiskontrolle „aus Angst“ unterblieben ist. Das Zugbegleitpersonal kontrolliert die Fahrausweise planmäßig ohne Ansehen der Person. Die Eisenbahnverkehrsunter- 2013 2014 2015 TV Gesamt 110 96 127 TV Deutsche 73 60 85 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 626 4 nehmen, die im Auftrag des Landes die Leistungen im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) erbringen, haben keine Probleme angezeigt. 7. Sieht sie einen Zusammenhang mit der Verschärfung der Sicherheitslage in Gefängnissen, in Zügen, in Gerichten, in öffentlichen Bädern in den letzten Jahren mit der Zunahme der Zuwanderung nach Baden-Württemberg im selben Zeitraum? Zu 7.: Für das aktuelle Jahr 2016 zeichnet sich im Mehrjahresvergleich im Zusammenhang mit Straftaten an o. g. Tatörtlichkeiten ein Anstieg der ermittelten tatverdächtigen Asylbewerber/Flüchtlinge2 ab. Der Anstieg ist im Kontext mit den gestiegenen Zuwanderungszahlen insgesamt zu sehen. Mithin lässt der festgestellte Anstieg an tatverdächtigen Asylbewerbern/Flüchtlingen keine Rückschlüsse auf die Art und Schwere der Straftaten an den o. g. Tatörtlichkeiten zu. So handelte es sich bei den festgestellten Straftaten im Bereich des Zugverkehrs schwerpunktmäßig um das Erschleichen von Leistungen und des unerlaubten Aufenthalts. Strobl Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration _____________________________________ 2 Hierzu zählen Personen mit dem Aufenthaltsstatus Asylbewerber, Duldung vorhanden, Kontingent -/Bürgerkriegsflüchtling und unerlaubter Aufenthalt.