Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 630 26. 09. 2016 1Eingegangen: 26. 09. 2016 / Ausgegeben: 07. 11. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Staatangehörige aus Rumänien und Bulgarien sind seit der Einfüh - rung der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit Anfang 2015 nach Baden-Württemberg zugezogen? 2. Wie verteilen sich diese zahlenmäßig auf die Land- und Stadtkreise im Land? 3. Wie viele von diesen sind Hartz-IV-Empfänger? 4. Gibt es von ihrer Seite aus Pläne, die durch die Zuwanderung aus Osteuropa vor allem für die Großstädte entstehenden finanziellen Lasten im Land gerechter zu verteilen? 5. Gibt es von ihrer Seite aus Pläne, die starke Zuwanderung aus Osteuropa durch Minderung von Anreizen zu reduzieren? 6. Gibt es von ihrer Seite aus Pläne, sich auf Bundesebene oder auf Ebene der EU für eine Modifizierung der EU-Freizügigkeit einzusetzen? 21. 09. 2016 Martin ABW Kleine Anfrage der Abg. Claudia Martin ABW und Antwort des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Zuzug von rumänischen und bulgarischen Staats - angehörigen nach Baden-Württemberg Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 630 2 B e g r ü n d u n g Wie unlängst bekannt wurde leben z. B. in Mannheim – bei 337.000 Einwohnern – derzeit ca. 10.000 Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien, von denen wiederum 20 Prozent Hartz-IV-Empfänger seien. Nach Aussage des Leiters des Fachbereichs für Arbeit und Soziales habe die Stadt Mannheim „weder die Frage nach Wohnen und Bildung noch der Integration in den Arbeitsmarkt gelöst“. Alleine für die berufliche Qualifizierung der Südosteuropäer rechne er mit zehn Millionen Euro. A n t w o r t Mit Schreiben vom 20. Oktober 2016 Nr. 4-1311/37 beantwortet das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration im Einvernehmen mit dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau und dem Ministerium für Soziales und Integration die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Staatangehörige aus Rumänien und Bulgarien sind seit der Einfüh - rung der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit Anfang 2015 nach Baden-Württemberg zugezogen? Zu 1.: Zum Zuzug bulgarischer und rumänischer Staatsangehöriger liegen keine Daten vor. Angegeben werden können allerdings die Zahlen der in Baden-Württemberg aufhältigen bulgarischen und rumänischen Staatsangehörigen. Die Übergangsrege - lung für bulgarische und rumänische Staatsangehörige endete bereits am 31. Dezember 2013. 2. Wie verteilen sich diese zahlenmäßig auf die Land- und Stadtkreise im Land? Zu 2.: Die Verteilung der in Baden-Württemberg aufhältigen bulgarischen und rumänischen Staatsangehörigen auf die Landkreise lässt sich mit vertretbarem Aufwand nicht ermitteln. Stichtag bulgarische Staatsangehörige rumänische Staatsangehörige 31.12.2013 20.417 60.447 31.12.2014 26.291 81.089 31.12.2015 31.322 102.070 31.08.2016 33.495 112.886 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 630 Für die Stadtkreise gilt zum Stichtag 31. August 2016 Folgendes: 3. Wie viele von diesen sind Hartz-IV-Empfänger? Zu 3.: Der Landesregierung liegen keine Daten über die Anzahl der Leistungsberechtigten nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vor, die seit der Einfüh - rung der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Baden-Württemberg zugezogen sind. Der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) für den Rechtskreis des SGB II kann nicht entnommen werden, ob und in welchem Zeitraum vor Leistungsbezug ausländische Leistungsbezieher zugewandert sind (vgl. Landtagsdrucksache 15/4960, dort zu den Ziffern 1 bis 6). 4. Gibt es von ihrer Seite aus Pläne, die durch die Zuwanderung aus Osteuropa vor allem für die Großstädte entstehenden finanziellen Lasten im Land gerechter zu verteilen? Zu 4.: Der Bund hat seine Beteiligung an den Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zur finanziellen Entlastung von durch Zuwanderung aus anderen EU-Mitgliedstaaten, namentlich aus Bulgarien und Rumänien, besonders betroffenen Kommunen einmalig für das Jahr 2014 erhöht . Der auf Baden-Württemberg entfallende Erhöhungswert betrug gemäß der Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zur Festlegung der Höhe der Sonderentlastung von Kommunen mit besonderen Herausforderungen aus dem Zuzug aus anderen EU-Mitgliedstaaten über die Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft und Heizung für das Jahr 2014 (Sonderbundesbeteiligungs -Festlegungsverordnung 2014 – SBBFestV 2014) vom 9. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2004) 0,38 Prozentpunkte. Dies entspricht einem Betrag von insgesamt 3.791.251,28 Euro. Diese Mittel wurden vom Land an die Stadt- und Landkreise entsprechend eines Betroffenheitswertes weitergeleitet. Bei dem Verteilungsmaßstab wurde dabei der prozentuale Anstieg der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten aus Bulgarien und Rumänien von Juni 2013 auf Juni 2014 mit der Anzahl dieser Personengruppe im Bestand Juni 2014 gewichtet. Das ehemalige Ministerium für Integration hat 2013 den Aufbau von Informa - tions- und Beratungsstellen für Zuwanderer aus Südosteuropa, insbesondere aus Bulgarien und Rumänien, in den Mannheimer Quartieren Neckarstadt-West, Innen - stadt/Westliche Unterstadt und Jungbusch gefördert. Die Arbeit der Beratungsstellen wird seitdem – mittlerweile vom Ministerium für Soziales und Integration – finanziell unterstützt. Die Förderung betrug in den Jahren 2013 und 2014 insge- Stadtkreis bulgarische Staatsangehörige rumänische Staatsangehörige Baden-Baden 246 773 Freiburg im Breisgau 779 2.681 Heidelberg 579 883 Heilbronn 1.013 2.514 Karlsruhe 1.323 5.458 Mannheim 4.917 4.001 Pforzheim 630 2.628 Stuttgart 2.698 6.121 Ulm 465 1.261 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 630 4 samt 120.000 Euro. Aufgrund des erhöhten Bedarfs vonseiten der Stadt wurde der Landeszuschuss für die Jahre 2015 und 2016 auf insgesamt 157.920 Euro aufgestockt . Die Informations- und Beratungsstellen leisten Hilfe zur Selbsthilfe und fungieren als „Wegweiser“ in bestehende Beratungsangebote. Die Beratungsschwerpunkte liegen insbesondere auf den Bereichen Arbeit, Wohnen, Bildung und Gesundheit. Eine weitere Fördermöglichkeit für Kommunen ergibt sich aus dem Programm VwV-Integration des Ministeriums für Soziales und Integration. Kreise, Städte, Gemeinden und freie Träger können sich mit Projekten zur Stärkung kommunaler Strukturen, zur Elternbeteiligung oder zur Stärkung der gesellschaftlichen Teil - habe für eine Förderung des Landes bewerben. Förderfähig sind auch spezielle, auf bestimmte Zuwanderergruppen zugeschnittene Maßnahmen. 5. Gibt es von ihrer Seite aus Pläne, die starke Zuwanderung aus Osteuropa durch Minderung von Anreizen zu reduzieren? Zu 5.: Migrationsmotiv vieler Zuwanderer aus Süd- und Südosteuropa ist die Arbeits - suche. Aufgrund des robusten Arbeitsmarkts ist Deutschland für diese Menschen ein attraktives Zielland. Seit dem 1. Januar 2014 gilt für Bürger aus den Ländern Rumänien und Bulgarien die vollständige Arbeitnehmerfreizügigkeit. Sie ist neben der Niederlassungsfreiheit in Artikel 45 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union verankert. Bevor ab 2014 für Bulgarien und Rumänien in Deutschland die uneingeschränkte EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit galt, wurde ihnen mit dem EU-Beitritt 2007 bereits die Möglichkeit der selbstständigen Erwerbs - tätigkeit eröffnet. Ab 2012 wurden außerdem die Zugangsmöglichkeiten für Arbeitnehmer – insbesondere für Akademiker und Fachkräfte sowie für Auszubildende und Saisonarbeitnehmer – erweitert, sodass nur im Bereich geringqualifizierter Tätigkeiten bis Ende 2013 noch weitgehende Beschränkungen bestanden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geht davon aus, dass sich der bisher beobachtbare Anstieg der Wanderungen aus Rumänien und Bulgarien nicht verstetigen wird. Anfang Mai 2016 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales den Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch“ vorgelegt, durch welches Personen, die sich ohne materielles Freizügigkeitsrecht oder Aufenthaltsrecht ebenso wie Personen, die sich mit einem Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten, und Personen, die ihr Aufenthaltsrecht nur aus Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 ableiten, von Leistungen nach dem SGB II und SGB XII ausgeschlossen werden sollen. Nach aktuellen Meldungen hat das Bundeskabinett am 12. Oktober 2016 den Referentenentwurf verabschiedet. 6. Gibt es von ihrer Seite aus Pläne, sich auf Bundesebene oder auf Ebene der EU für eine Modifizierung der EU-Freizügigkeit einzusetzen? Zu 6.: Bei nicht erwerbstätigen Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen, die noch kein Daueraufenthaltsrecht haben und die nicht über ausreichenden Krankenver - sicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen, ist es bereits nach geltendem Recht möglich, den Verlust des Freizügigkeitsrechts festzustellen. Konkrete Absichten, eine Änderung des Freizügigkeitsrechts von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen zu initiieren, bestehen derzeit nicht. Strobl Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration