Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 677 28. 09. 2016 1Eingegangen: 28. 09. 2016 / Ausgegeben: 07. 11. 2016 K l e i n e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie hoch sind die aktuellen Belegungszahlen in der Landeserstaufnahmestelle Mannheim in der Pyramiden-/Industriestraße und in den Bedarfsorientierten Erst aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge auf dem Gebiet Benjamin-Frank - lin-Village in Mannheim-Käfertal, den Spinelli-Barracks in Mannheim-Feuden - heim und den Hammond-Barracks in Mannheim-Seckenheim? 2. Mit welcher Anzahl geflüchteter Menschen hat die Stadt Mannheim auf Basis aktueller Prognosen nach ihrer Einschätzung in den Jahren 2016 und 2017 in der Erstaufnahme zu rechnen? 3. Welche Kapazitäten muss die Stadt Mannheim in den Jahren 2016 und 2017 für die Erstaufnahme von Flüchtlingen vorhalten? 4. Bis wann beabsichtigt sie die teilweise oder vollständige Schließung der Bedarfsorientierten Erstaufnahmeeinrichtungen auf dem Gebiet Benjamin-Frank - lin-Village in Käfertal, der Spinelli-Barracks in Mannheim-Feudenheim und der Hammond-Barracks in Mannheim-Seckenheim und deren Rückgabe in die Verantwortung der Stadt Mannheim bzw. der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben ? 5. Wie ist der aktuelle Sach- und Verfahrensstand bezüglich des Neubaus der Landeserstaufnahmestelle in der Untermühlau- bzw. Ludwig-Jolly-Straße (Bau - beginn, Zahl der Plätze, Bezugsfertigkeit)? 6. Ist von ihrer Seite geplant, der Stadt Mannheim geflüchtete Menschen entgegen der aktuellen Praxis in der kommunalen Anschlussunterbringung bzw. im Rahmen der Umsetzung der sogenannten Wohnsitzauflage zuzuweisen? Kleine Anfrage der Abg. Dr. Boris Weirauch und Dr. Stefan Fulst-Blei SPD und Antwort des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Zukunft der Flüchtlingsaufnahme und Unterbringung in Mannheim Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 677 2 7. Wenn Frage 6 bejaht wird, mit welcher Anzahl geflüchteter Menschen muss die Stadt Mannheim in den Jahren 2016 und 2017 rechnen und wo sollen diese nach ihrem Willen untergebracht werden? 8. Wird sie die Stadt Mannheim im Rahmen der Anschlusshilfen für unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA) unterstützen und wenn ja, in welcher Form und in welcher Höhe? 28. 09. 2016 Dr. Weirauch, Dr. Fulst-Blei SPD B e g r ü n d u n g Die Stadt Mannheim ist eine der Städte, die für die Erstaufnahme von Flücht - lingen zuständig ist. Sie betreibt eine Landeserstaufnahmestelle und mehrere Be - darfs orientierte Erstaufnahmeeinrichtungen. Ziel der Kleinen Anfrage ist es zu erfahren, wie es mit der Aufnahme von Flüchtlingen in Mannheim mittel- und langfristig weitergeht. Insbesondere ist der Fortgang des geplanten Neubaus der Landeserstaufnahmestelle von Interesse, der für eine weiterhin angemessene Unterbringung von Flüchtlingen erforderlich ist. Die Konversionsflächen, auf denen die Bedarfsorientierten Erstaufnahmeeinrichtungen eingerichtet wurden, sollen nach den langjährigen Planungen der Stadt Mannheim für die weitere Stadtentwicklung (Wohnungen, Naherholung, Gewerbe, Infrastruktur ) erschlossen werden bzw. werden momentan bereits erschlossen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwiefern diese Flächen auch zukünftig für die Unterbringung von Flüchtlingen vorgesehen sind. A n t w o r t Mit Schreiben vom 21. Oktober 2016 Nr. 7-0141.5/16/0677 beantwortet das Minis - terium für Inneres, Digitalisierung und Migration im Einvernehmen mit dem Ministerium für Soziales und Integration die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie hoch sind die aktuellen Belegungszahlen in der Landeserstaufnahmestelle Mannheim in der Pyramiden-/Industriestraße und in den Bedarfsorientierten Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge auf dem Gebiet Benjamin-Frank - lin-Village in Mannheim-Käfertal, den Spinelli-Barracks in Mannheim-Feuden - heim und den Hammond-Barracks in Mannheim-Seckenheim? Zu 1.: Die genannten Erstaufnahmeeinrichtungen in der Stadt Mannheim sind derzeit wie folgt belegt (Stand 4. Oktober 2016): Pyramiden-/Industriestraße: 524 Personen Benjamin-Franklin-Village: 1.880 Personen Spinelli-Barracks: 739 Personen 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 677 In den Hammond-Barracks werden seit dem 1. Oktober 2016 zunächst keine Asyl - suchenden mehr untergebracht. Die Einrichtung wird durch das Land jedoch bis auf Weiteres für die Flüchtlingsaufnahme vorgehalten und kann im Bedarfsfall kurzfristig wieder in Betrieb genommen werden. 2. Mit welcher Anzahl geflüchteter Menschen hat die Stadt Mannheim auf Basis aktueller Prognosen nach ihrer Einschätzung in den Jahren 2016 und 2017 in der Erstaufnahme zu rechnen? Zu 2.: Das BAMF hat gegenüber den Bundesländern bisher keine Einschätzung zu den voraussichtlichen Zugangszahlen der Jahre 2016 und 2017 abgegeben. Der Landesregierung liegen daher zu diesem Zeitpunkt keine aktuellen Prognosen vor. 3. Welche Kapazitäten muss die Stadt Mannheim in den Jahren 2016 und 2017 für die Erstaufnahme von Flüchtlingen vorhalten? 4. Bis wann beabsichtigt sie die teilweise oder vollständige Schließung der Bedarfsorientierten Erstaufnahmeeinrichtungen auf dem Gebiet Benjamin-Frank - lin-Village in Käfertal, der Spinelli-Barracks in Mannheim-Feudenheim und der Hammond-Barracks in Mannheim-Seckenheim und deren Rückgabe in die Verantwortung der Stadt Mannheim bzw. der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben ? 5. Wie ist der aktuelle Sach- und Verfahrensstand bezüglich des Neubaus der Landeserstaufnahmestelle in der Untermühlau- bzw. Ludwig-Jolly-Straße (Bau - beginn, Zahl der Plätze, Bezugsfertigkeit)? Zu 3., 4. und 5.: Das Land hat eine Projektgruppe Standortkonzeption eingerichtet, deren Ziel es ist, die vorhandenen Strukturen für die Erstaufnahme von Flüchtlingen im Sinne der Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit zu prüfen und gegebenenfalls neu zu gestalten. Die Erstaufnahmestruktur in Baden-Württemberg soll in einer Weise gestaltet werden, die es erlaubt, flexibel auf das jeweilige Ankunftsgeschehen zu reagieren. Im Rahmen dieser Umgestaltung werden auch die durch das Land genutzten Liegenschaften in Mannheim einer Prüfung unterzogen. Aussagen über die weitere Nutzung der Erstaufnahmeeinrichtungen können jedoch erst nach der Erarbeitung der Gesamtkonzeption und in deren Kontext getroffen werden. Aktuell ruht das Verfahren um einen LEA-Neubau in der Ludwig-Jolley-Straße. In der Neukonzeption der Erstaufnahmestrukturen wird der Neubau aufgrund der mit diesem verbundenen, hohen Kosten und insbesondere auch wegen der vom Landesbetrieb Vermögen und Bau festgestellten, schlechten Eignung des Grundstücks für die Unterbringung von Flüchtlingen voraussichtlich nicht mehr umgesetzt werden können. Auch diesbezüglich kann jedoch erst nach Abschluss einer umfassenden Standortkonzeption eine endgültige Festlegung erfolgen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 677 4 6. Ist von ihrer Seite geplant, der Stadt Mannheim geflüchtete Menschen entgegen der aktuellen Praxis in der kommunalen Anschlussunterbringung bzw. im Rahmen der Umsetzung der sogenannten Wohnsitzauflage zuzuweisen? 7. Wenn Frage 6 bejaht wird, mit welcher Anzahl geflüchteter Menschen muss die Stadt Mannheim in den Jahren 2016 und 2017 rechnen und wo sollen diese nach ihrem Willen untergebracht werden? Zu 6. und 7.: Das am 6. August 2016 in Kraft getretene Integrationsgesetz beinhaltet eine Regelung zur Steuerung der Wohnsitznahme von schutzberechtigten Ausländern, § 12 a des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Neben der darin verankerten gesetz - lichen Verpflichtung zur Wohnsitznahme in dem Land, in das der Ausländer zur Durchführung seines Asylverfahrens oder im Rahmen seines Aufnahmeverfahrens zugewiesen worden ist, wird den Ländern darüber hinaus ermöglicht, zur Förderung einer nachhaltigen Integration eine Verpflichtung zur Wohnsitznahme an einem bestimmten Ort innerhalb des Landes auszusprechen. Von dieser Regelung hat Baden-Württemberg Gebrauch gemacht. Im Hinblick auf die erheblich angestiegenen Zugangszahlen würde die grundsätzlich freie Wohnortwahl von Personen, denen in Deutschland Schutz zuerkannt wurde, zu einem Ungleichgewicht führen und damit auch die Förderung der nachhaltigen Integration dieses Personenkreises in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland erschweren. Ansonsten kann es dazu kommen, dass vorhandener Wohnraum, vorhandene Sprachkurse, vorhandene Integrationsmöglichkeiten in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt sowie weitere Integrationsangebote vor allem im ländlichen Raum ungenutzt bleiben und in anderen Räumen, vor allem in Ballungsgebieten , nicht ausreichen. Eine gleichmäßige Verteilung der nach Baden- Württemberg eingereisten Personen auf die Kommunen ist daher auch im Hinblick auf die Planbarkeit unerlässlich. Dadurch wird künftig auch eine gehäufte Ansiedlung bestimmter Ethnien vermieden. Von dieser Regelung ist die Stadt Mannheim nicht ausgeschlossen, da nach den vorläufigen Anwendungshinweisen des Innenministeriums zu § 12 a AufenthG das sogenannte LEA-Privileg keine Anwendung findet. Das bedeutet, dass Quotennachlässe für Stadt- oder Landkreise, auf deren Gebiet sich eine Erstaufnahmeeinrichtung des Landes befindet, im Rahmen der Umsetzung des § 12 a AufentG unberücksichtigt bleiben. Mithin können schutzberechtigte Ausländer, welche zum Personenkreis des § 12 a AufenthG gehören, auch der Stadt Mannheim zugewiesen werden. Zur Frage, mit welcher Anzahl geflüchteter Menschen die Stadt Mannheim in den Jahren 2016 und 2017 rechnen muss, verweisen wir auf die Antwort zu Frage 2. Das sogenannte LEA-Privileg wirkt sich allerdings weiterhin im Rahmen des Verteilverfahrens nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) aus, im Rahmen dessen die Stadt Mannheim weiterhin nur wenige bzw. keine Personen in der kom - munalen Anschlussunterbringung der Stadt Mannheim wird aufnehmen müssen. Die Entscheidung über die Art der Unterbringung trifft die örtlich zuständige Gemeinde . 8. Wird sie die Stadt Mannheim im Rahmen der Anschlusshilfen für unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA) unterstützen und wenn ja, in welcher Form und in welcher Höhe? Zu 8.: Die einzelfallbezogenen Jugendhilfeaufwendungen für unbegleitete minderjährige Ausländerinnen und Ausländer – UMA – (Fallkosten), wozu insbesondere auch Pflegesätze in stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, das Pflegegeld für Pflegefamilien und die Kosten für die Krankenhilfe als Annexleistung gehören, werden dem Jugendamt der Stadt Mannheim aufgrund von § 89 d des Achten Buches Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe – (SGB VIII) voll- 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 677 umfänglich durch das Land erstattet. Erstattet werden die tatsächlich entstandenen Kosten, eine Pauschalierung erfolgt nicht. Voraussetzung ist, dass die entsprechenden Maßnahmen und Leistungen von der Stadt Mannheim rechtmäßig erbracht worden sind (§§ 89 d, f Absatz 1 Satz 1 SGB VIII). Im Landeshaushalt für 2016 sind für die Kostenerstattung nach § 89 d SGB VIII und hiermit zusammenhängende Ausgleichszahlungen derzeit insgesamt rund 311,3 Mio. Euro vorge - sehen. Nach § 41 SGB VIII haben die Jugendämter unter bestimmten Voraussetzungen Leistungen an volljährig gewordene UMA zu erbringen („Hilfe für junge Volljährige , Nachbetreuung“). Auch die damit verbundenen Fallkosten unterfallen, soweit die Hilfe rechtmäßig erbracht worden ist, der Kostenerstattung durch das Land nach § 89 d SGB VIII. Im Gegensatz hierzu sind die – im Umfang deutlich geringeren – Verwaltungs - kosten des Jugendamtes für UMA von der Stadt Mannheim als örtlichem Träger der öffentlichen Jugendhilfe selbst zu tragen (§ 109 Satz 1 SGB X). Verwaltungskosten in diesem Sinne sind Personal- und Sachkosten, die in der allgemeinen behördlichen Vorhaltepflicht von Personal- und Sachmitteln zur Erfüllung einer Aufgabe anfallen. Aufgrund eines Beschlusses der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zur Asyl- und Flüchtlingspolitik vom 24. September 2015 wird den Ländern seit dem 1. Januar 2016 ein Betrag in Höhe von 350 Mio. Euro als Beitrag des Bundes zur Finanzierung der Kosten für UMA zur Verfügung gestellt. Hiervon entfallen rund 46 Mio. Euro auf das Land Baden- Württemberg. Über den kommunalen Finanzausgleich fließen hiervon wiederum 23 Prozent – also rund 11 Mio. Euro – an die Kommunen. Damit erfolgt – über die Verpflichtung zur Erstattung der Fallkosten nach § 89 d SGB VIII hinaus – eine zusätzliche finanzielle Entlastung der Träger der Jugendämter. Dem Ministerium für Soziales und Integration stehen im Übrigen keine Haushaltsmittel zur Verfügung, mit denen die Jugendämter bei der Integration von UMA über die vorstehend beschriebene gesetzliche Kostenerstattungspflicht hinaus durch Zuwendungen (Freiwilligkeitsleistungen im Sinne von § 23 Landeshaushaltsordnung ) unterstützt werden könnten. Strobl Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration