Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 681 28. 09. 2016 1Eingegangen: 28. 09. 2016 / Ausgegeben: 10. 11. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie wird die Residenzpflicht kontrolliert bzw. durchgesetzt? 2. Wie ist die Residenzpflicht räumlich umrissenen (orts- oder kreisscharf)? 3. Welche Handhabe hat eine Gemeinde oder ein Kreis – wie der Enzkreis – um die Residenzpflicht durchzusetzen? 4. Inwieweit kann eine Gemeinde innerhalb eines Kreises die Residenzpflicht flexibel auf einen anderen Ort übertragen? 5. Nach welcher Dauer nach Verlassen des bestimmten Aufenthaltsorts kann die Gemeinde die Plätze neu vergeben? 6. Inwieweit muss eine Gemeinde den Familiennachzug bei der Anschlussunterbringung miteinplanen bzw. Plätze vorhalten? 7. Ist eine Gemeinde verpflichtet, aufgrund der rückwirkend eingeführten Residenzpflicht Personen wieder aufzunehmen, die vor Verkündung der Residenzpflicht diese missachtet haben und in andere Bundesländer – wie Nordrhein- Westfalen – gereist sind? 8. Wer übernimmt die Kosten, wenn durch Vollzug der Residenzpflicht Asylbegehrende nach Wochen wieder zurückkommen und die Plätze neu vergeben wurden? Kleine Anfrage des Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Residenzpflicht von Flüchtlingen im Enzkreis Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 681 2 9. Wie will sie den Gemeinden Planungssicherheit in Bezug auf Nichteinhalten der Residenzpflicht geben? 22. 09. 2016 Dr. Schweickert FDP/DVP B e g r ü n d u n g Durch die Verteilung der Flüchtlinge anhand eines vorgeschrieben Verteilungsschlüssels werden Bekannte, Familien oder Freunde getrennt. Um wieder zusammenzufinden , verlassen die Flüchtlinge zeitweise oder dauerhaft die zugeteilte Unter kunft. Dieser Zustand bedeutet für die Gemeinden mangelnde Planungs - sicherheit. A n t w o r t Mit Schreiben vom 26. Oktober 2016 Nr. 4-1342.9/39 beantwortet das Ministe - rium für Inneres, Digitalisierung und Migration die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Ausländer unterliegen in Deutschland je nach Aufenthaltsstatus unterschiedlichen Aufenthalts- und Wohnsitzbeschränkungen. Ausländer, die sich noch im laufenden Asylverfahren befinden (Asylbewerber), sowie vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer (Geduldete) unterliegen grund - sätzlich einer räumlichen Beschränkung des Aufenthalts. Die räumliche Beschrän - kung des Aufenthalts erlischt grundsätzlich, wenn sich die Person seit drei Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufhält. Er kann sich dann frei im Bundesgebiet bewegen. Zusätzlich unterliegen Asylbewerber und Geduldete grundsätzlich der Pflicht, ihren gewöhnlichen Aufenthalt (Wohnsitz) an einem bestimmten Ort nehmen. Die Wohnsitzverpflichtung erlischt, sobald die betroffenen Ausländer in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt selbstständig zu sichern. Darüber hinaus kann grundsätzlich auch von Ausländern mit einem Aufenthalts - titel verlangt werden, ihre Wohnung in einem bestimmten räumlichen Bereich (etwa in einem bestimmten Bundesland oder in einer bestimmten Gemeinde) zu beziehen . Die Freizügigkeit im Bundesgebiet wird im Übrigen grundsätzlich nicht eingeschränkt . Für schutzberechtigte Ausländer (insbesondere anerkannte Asylbewerber oder Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde) wurde mit dem Inkrafttreten des Integrationsgesetzes am 6. August 2016 im Aufenthaltsgesetz (AufenthG) eine spezielle Regelung zur Steuerung der Wohnsitznahme geschaffen (§ 12 a AufenthG). Die Freizügigkeit im Bundesgebiet wird im Übrigen grundsätzlich nicht eingeschränkt. Es wird davon ausgegangen, dass sich die Fragen auf die Wohnsitzverpflichtung für schutzberechtigte Ausländer beziehen. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 681 1. Wie wird die Residenzpflicht kontrolliert bzw. durchgesetzt? Zu 1.: Die neu eingeführte Wohnsitzregelung wurde im Integrationsgesetz mit entsprechenden Änderungen im SGB II und im SGB XII flankiert. Sozialleistungen werden nur noch am zugewiesenen Wohnort gewährt. Daneben kann die Wohnsitzverpflichtung mit den Mitteln des Verwaltungszwangs vollstreckt werden. In Betracht kommt hier insbesondere die Anordnung eines Zwangsgeldes. Darüber hinaus ist die Nichteinhaltung der Wohnsitzauflage bußgeldbewehrt . 2. Wie ist die Residenzpflicht räumlich umrissenen (orts- oder kreisscharf)? Zu 2.: Die Wohnsitzverpflichtung für schutzberechtigte Ausländer ist zweistufig aufgebaut . Zunächst besteht eine unmittelbare gesetzliche Verpflichtung zur Wohnsitznahme in dem Land, in das der Ausländer zur Durchführung seines Asylverfahrens oder im Rahmen seines Aufnahmeverfahrens zugewiesen worden ist. Darüber hinaus kann eine Verpflichtung zur Wohnsitznahme an einem bestimmten Ort innerhalb des Landes angeordnet werden, wenn dies der Förderung einer nachhaltigen Integration dient. Die Wohnsitzverpflichtung erfolgt grundsätzlich gemeindescharf. 3. Welche Handhabe hat eine Gemeinde oder ein Kreis – wie der Enzkreis – um die Residenzpflicht durchzusetzen? Zu 3.: Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 4. Inwieweit kann eine Gemeinde innerhalb eines Kreises die Residenzpflicht flexibel auf einen anderen Ort übertragen? Zu 4.: Die Wohnsitzauflage nach § 12 a AufenthG wird nicht erteilt oder entfällt, wenn der Ausländer oder ein Angehöriger seiner Kernfamilie eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich und einem Einkommen in Höhe von (derzeit) 710 Euro aufnimmt oder aufgenommen hat, eine Berufsausbildung aufnimmt oder aufgenommen hat oder in einem Studien- oder Ausbildungsverhältnis steht. Darüber hinaus kann in Härtefällen und bei Vorliegen familiärer Belange die Wohnsitzverpflichtung geändert oder aufgehoben werden. Bei einem beabsichtigten Wohnortwechsel innerhalb des Landes entscheidet die Ausländerbehörde, in deren Bezirk der Wohnsitz verlegt werden soll. 5. Nach welcher Dauer nach Verlassen des bestimmten Aufenthaltsorts kann die Gemeinde die Plätze neu vergeben? Zu 5.: Es liegt im Ermessen der Gemeinde ggf. vorgehaltene Wohnräume für schutzberechtigte Ausländer nach Freiwerden neu zu vergeben. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 681 4 6. Inwieweit muss eine Gemeinde den Familiennachzug bei der Anschlussunterbringung miteinplanen bzw. Plätze vorhalten? Zu 6.: Gemäß § 12 a Abs. 6 AufenthG erhalten die Familienangehörigen eine Wohnsitzauflage , die der Wohnsitzauflage des Stammberechtigten, zu dem der Nachzug erfolgt , räumlich und zeitlich entspricht. Eine Prognose des aus dem Familiennachzug zu schutzberechtigten Ausländern resultierenden Wohnungsbedarfes ist nicht möglich. 7. Ist eine Gemeinde verpflichtet, aufgrund der rückwirkend eingeführten Residenzpflicht Personen wieder aufzunehmen, die vor Verkündung der Residenz - pflicht diese missachtet haben und in andere Bundesländer – wie Nordrhein- Westfalen – gereist sind? Zu 7.: Die Fragen, die sich bei der Handhabung der Rückwirkungsfälle stellen, werden zwischen dem Bund und den Ländern besprochen. Ein abschließendes Ergebnis liegt derzeit noch nicht vor. Deshalb kann diesbezüglich noch keine Stellungnahme abgegeben werden. 8. Wer übernimmt die Kosten, wenn durch Vollzug der Residenzpflicht Asylbegehrende nach Wochen wieder zurückkommen und die Plätze neu vergeben wurden? Zu 8.: Die Kosten des Umzugs trägt der Ausländer selbst. Gegebenenfalls können bei Vorliegen der materiellen Voraussetzungen Sozialleistungen für den Umzug gewährt werden. 9. Wie will sie den Gemeinden Planungssicherheit in Bezug auf Nichteinhalten der Residenzpflicht geben? Zu 9.: Über die in der Antwort zu Frage 1 dargestellten Maßnahmen hinaus besteht keine Möglichkeit, die Weiterwanderung von Wohnsitzverpflichteten zu verhindern. Zuständig für die Anwendung der entsprechenden Maßnahmen sind die Behörden vor Ort. Strobl Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration