Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 912 31. 10. 2016 1Eingegangen: 31. 10. 2016 / Ausgegeben: 07. 12. 2016 K l e i n e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie hoch sind die durchschnittlichen Kosten pro Monat pro UMA in den oben genannten Landkreisen im Jahr 2016? 2. Wie schlüsseln sich diese Kosten für Verpflegung, Unterkunft, Sicherheit, Krankenversorgung, Bildung, Taschengeld usw. pro Monat auf? 3. Wie hoch sind die von den Land- und Stadtkreisen nachgefragten, aber vom Land nicht bewilligten Kostenerstattungen für die vorläufige Unterbringung für Flüchtlinge und UMA in den genannten Kreisen? 4. Wie hoch sind die Aufwendungen für Personal- und Sachkosten jeweils innerhalb der Kreisjugendämter der genannten Kreise, welche nicht gemäß § 89 d Sozialgesetzbuch (SGB) VIII erstattungsfähig sind? 5. Welche Maßnahmen wird sie zur Entlastung der Kreise mit Blick auf die Kos - ten für die UMA bis Ende 2017 ergreifen? 6. Welche Erkenntnisse liegen ihr über Straftaten durch UMA in den genannten Landkreisen für das Jahr 2016 vor? 7. Wie wird das tatsächliche Alter der UMA überprüft? 8. Bei wie vielen der UMA wird festgestellt, dass diese nicht minderjährig sind? Kleine Anfrage der Abg. Lars Patrick Berg und Dr. Jörg Meuthen AfD und Antwort des Ministeriums für Soziales und Integration Kostenerstattung für „Unbegleitete Minderjährige Ausländer“ (UMA) in den Landkreisen Rems-Murr, Tuttlingen und Schwarzwald-Baar Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 912 2 9. Welche Kosten entstehen durch Falschangaben beim Alter der sich als UMA ausgebenden Personen? 10. Welche Pflicht- und welche Freiwilligenleistungen erbringen die genannten Kreise 2016 für die UMA? 25. 10. 2016 Berg, Dr. Meuthen AfD B e g r ü n d u n g Wie von Kreisräten gegenüber den Fragestellern herangetragen wurde, soll es verschiedene Standpunkte zur Finanzierung der UMA zwischen Land und Kreisen geben. Diese Kleine Anfrage soll das Thema erhellen helfen. A n t w o r t Mit Schreiben vom 22. November 2016 Nr. 22-0141.5/16/912 beantwortet das Ministerium für Soziales und Integration im Einvernehmen mit dem Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration und sowie dem Ministerium der Justiz und für Europa die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie hoch sind die durchschnittlichen Kosten pro Monat pro UMA in den oben genannten Landkreisen im Jahr 2016? Die nachfolgenden Angaben beruhen auf kurzfristig vorgenommenen Berechnungen der drei in der Kleinen Anfrage benannten Kreisjugendämter. Sie beziehen sich auf den Zeitraum von Januar bis September oder im Wege der Hochrechnung bis Dezember 2016. Bei den vorstehenden Angaben handelt es sich um Durchschnittswerte, die sich aus einer Gesamtschau aller Hilfeformen für UMA ergeben. 2. Wie schlüsseln sich diese Kosten für Verpflegung, Unterkunft, Sicherheit, Kran - kenversorgung, Bildung, Taschengeld usw. pro Monat auf? Bei stationären Hilfen zur Erziehung nach § 34 des Achten Buches Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) liegen die monatlichen Kosten im Durchschnitt bei rund 5.000 bis zu 7.000 Euro. Im Rahmen von betreutem Jugendwohnen und sonstigen betreuten Wohnformen liegen die Kosten zwischen 2.000 und 4.000 Euro monatlich. Bei einer Unterbringung in sogenannten Gast - familien (Pflegefamilien) liegen die Kosten bei höchstens 2.000 Euro monatlich. Kreisjugendamt Rems-Murr-Kreis Schwarzwald-Baar- Kreis (ohne Stadt Villingen- Schwenningen, da eigenes Jugendamt) Tuttlingen Durchschnittliche monatliche Fallkosten (ohne Verwaltungskosten ) kein Durchschnittswert mitgeteilt etwa 4.500 Euro etwa 3.000 Euro 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 912 Die drei Kreisjugendämter haben zudem Folgendes mitgeteilt: Die jeweiligen Nebenkosten werden nicht fallbezogen erfasst. Es kann aber gesagt werden, dass für Taschengeld pauschal 48,50 Euro monatlich, für Bekleidung 36,00 Euro und für die Verwaltungsgebühr der gesetzlichen Krankenkasse monatlich 40,00 bis 49,00 Euro (Abwicklung der Krankenkosten) aufgewendet werden. Weitere Kostenfaktoren sind die tatsächlichen Krankheitskosten und die Aufwendungen für Bildungsmaßnahmen (z. B. Integrationskurse). Hieraus ergeben sich monatliche Nebenkosten von 150 bis 200 Euro pro Fall, die in den unter Ziffer 1. ausgewiesenen Kosten bereits enthalten sind. Im Krankheitsfall können allerdings einzelfallbezogen höhere Kosten anfallen. 3. Wie hoch sind die von den Stadt- und Landkreisen nachgefragten, aber vom Land nicht bewilligten Kostenerstattungen für die vorläufige Unterbringung für Flüchtlinge und UMA in den genannten Kreisen? Hier ist zwischen Leistungen nach dem baden-württembergischen Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) und der Kostenerstattung für UMA nach § 89 d SGB VIII zu unterscheiden. Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) Das Land erstattet den Stadt- und Landkreisen gemäß § 15 FlüAG für im Rahmen der vorläufigen Unterbringung entstehende Ausgaben für jede nach § 7 aufgenommene und untergebrachte Person einmalig eine Pauschale. Mit den Pauschalen werden notwendige Ausgaben für personellen und sächlichen Verwaltungsaufwand zur Durchführung des FlüAG, für Flüchtlingssozialarbeit, für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und dem Sozialgesetzbuch, für liegenschaftsbezogene Ausgaben sowie für Aufwendungen der Gemeinden im Rahmen der Anschlussunterbringung erstattet. Für die Jahre 2015 und 2016 findet zudem eine nachlaufende Pauschalenneufestsetzung auf der Grundlage der jeweiligen Haushaltsergebnisse der Stadt- und Landkreise statt, die nach den Vereinbarungen des Koalitionsvertrags auch in den Jahren nach 2016 fortgesetzt werden soll. Auf UMA finden die Bestimmungen des baden-württembergischen FlüAG über die Erstaufnahme, Unterbringung und Betreuung keine Anwendung. Dies gilt auch nach Eintritt der Volljährigkeit und nach Ende des Leistungsbezugs nach dem SGB VIII, sofern nicht erstmalig ein Asylantrag gestellt wird. Kostenerstattung für UMA nach § 89 d SGB VIII Das Land hat bisher keine Anträge der drei in Rede stehenden Jugendämter auf (Fall-)Kostenerstattung nach § 89 d SGB VIII abgelehnt. Nach Mitteilung des Kreisjugendamts Rems-Murr-Kreis werden derzeit einige Anträge auf Kostenerstattung beim hierfür zuständigen Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – bearbeitet. 4. Wie hoch sind die Aufwendungen für Personal- und Sachkosten jeweils innerhalb der Kreisjugendämter der genannten Kreise, welche nicht gemäß § 89 d Sozialgesetzbuch (SGB) VIII erstattungsfähig sind? Die nachstehenden Angaben beruhen auf den Mitteilungen der drei von der Anfrage berührten Kreisjugendämter. Die Unterschiede dürften methodisch begründet sein. Im Bereich des Kreisjugendamtes Rems-Murr-Kreis sind im Zeitraum von 1. Januar 2016 bis 30. September 2016 rund 62.500 Euro von nicht nach § 89 d SGB VIII erstattungsfähigen Aufwendungen angefallen. Das Kreisjugendamt Schwarzwald-Baar-Kreis hat für die Zeit vom 1. Januar 2016 bis 30. September 2016 nicht erstattungsfähige Personalkosten in Höhe von 163.000 Euro mitgeteilt. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 912 4 Im Kreisjugendamt Tuttlingen wurden im Jahr 2016 im Arbeitsbereich UMA insgesamt sieben neue Personalstellen in den Arbeitsfeldern Vormundschaften, Sozialer Dienst und Wirtschaftliche Jugendhilfe geschaffen. Darüber hinaus wurde eine Sachgebietsleitung für diesen Arbeitsbereich eingesetzt. Die Personal- und Sachkosten für die eingesetzten Beschäftigten liegen in der Zeit vom 1. Januar 2016 bis 30. September 2016 bei rund 403.000 Euro. 5. Welche Maßnahmen wird sie zur Entlastung der Kreise mit Blick auf die Kos - ten für die UMA bis Ende 2017 ergreifen? Das Land ist nach § 89 d Absatz 1 SGB VIII bundesgesetzlich verpflichtet, den Jugendämtern die gesamten fallbezogenen Kosten für die Unterbringung, Ver - sorgung und Betreuung von UMA zu erstatten. Diese Kosten werden nicht im Rahmen von Pauschalen, sondern im Wege der Spitzabrechnung der tatsächlichen Kosten getragen. Darüber hinaus werden die Landkreise, die Stadtkreise und die beiden kreisangehörigen Städte Konstanz und Villingen-Schwenningen als örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe ab dem kommenden Jahr im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs aus zusätzlichen Bundesmitteln voraussichtlich insgesamt 11 Mio. Euro zusätzlich erhalten, die zur teilweisen Abdeckung der nach § 109 Satz 1 SGB X eigentlich von den Trägern der Jugendämter zu finanzierenden Verwaltungskosten bestimmt sind. 6. Welche Erkenntnisse liegen ihr über Straftaten durch UMA in den genannten Landkreisen im Jahr 2016 vor? Polizeiliche Kriminalstatistik Bei der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) handelt sich um eine sogenannte reine Ausgangsstatistik, in der strafrechtlich relevante Sachverhalte nach der polizeilichen Sachbearbeitung vor Abgabe an die Strafverfolgungsbehörden erfasst werden. Tatverdächtige werden in der PKS anonymisiert erfasst. Entsprechende Tatverdächtigenattribute werden in begrenztem Umfang katalogmäßig gespeichert . Mit Blick auf UMA werden lediglich die Altersangaben/-gruppen (beispielsweise Kinder/Jugendliche) erfasst. Eine Unterscheidung zwischen tatverdächtigen minderjährigen Ausländern mit bzw. ohne Begleitung ist demnach landesweit nicht möglich. Für das Jahr 2016 ist bislang im Rems-Murr-Kreis ein Rückgang und in den Landkreisen Tuttlingen und Schwarzwald-Baar ein Anstieg der minderjährigen nichtdeutschen Tatverdächtigen1 festzustellen. Schwerpunkte liegen dabei in allen drei Landkreisen in der Begehung von Diebstahls- und Körperverletzungsdelikten. Die festgestellten Anstiege sind im Übrigen einhergehend mit der im Kontext der Zuwanderung gestiegenen Anzahl an minderjährigen Flüchtlingen zu bewerten. Strafverfolgungsstatistik Die im Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz und für Europa geführte Strafverfolgungsstatistik erfasst lediglich rechtskräftige Verurteilungen und enthält keine Angabe darüber, ob es sich bei den Straftätern um UMA handelt. Unabhängig davon liegen die Zahlen für das Jahr 2016 frühestens im Herbst 2017 vor und sind nicht nach den einzelnen Landkreisen aufgeschlüsselt. _____________________________________ 1 Hierbei handelt es sich um alle minderjährigen nichtdeutschen Tatverdächtigen, unabhängig des Vorhandenseins von Eltern oder Sorgeberechtigten und des Aufenthaltsanlasses. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 912 7. Wie wird das tatsächliche Alter der UMA überprüft? Die Aufgaben nach SGB VIII, wozu auch die Betreuung, Unterbringung und Versorgung von UMA gehören, werden von den Jugendämtern als örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe in kommunaler Selbstverwaltung wahrgenommen. Es liegt daher in der Eigenverantwortung der Jugendämter, wie sie diese Aufgaben innerhalb der Vorgaben des SGB VIII wahrnehmen. Nach § 42 f Absatz 1 SGB VIII hat das Jugendamt im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme der ausländischen Person gemäß § 42 a SGB VIII deren Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in deren Ausweispapiere festzustellen oder hilfsweise mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme einzuschätzen und festzustellen. Dabei ist die ausländische Person entsprechend ihrem Entwicklungsstand zu beteiligen und in geeigneter Form auf ihre Rechte im Verwaltungsverfahren hinzuweisen. Der ausländischen Person ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person ihres Vertrauens zu benachrichtigen. In der Verwaltungspraxis ist in aller Regel eine Ein - schätzung und Feststellung der Minderjährigkeit erforderlich, weil nur ein geringer Teil der UMA über Ausweisdokumente verfügt. Die drei Kreisjugendämter haben mitgeteilt, dass sie das Alter der UMA entsprechend der Vorgabe in § 42 f Absatz 1 SGB VIII im Rahmen einer qualifizierten Inaugenscheinnahme einschätzen und festlegen. Dokumente, aus denen sich das Alter der UMA ergibt, liegen in nahezu allen Fällen nicht vor. Die Inaugenscheinnahme umfasst zum einen das Einholen von Daten und Informationen in einem persönlichen Gespräch mit dem UMA (Kommission, zwei Fachkräfte und ein Dolmetscher). Hierbei wird vor allem auch überprüft, ob die vom UMA gemachten Angaben in ihrer zeitlichen Abfolge schlüssig sind. Zum anderen fließen in die Bewertung das Verhalten und der äußere Eindruck des UMA ein. Eine ärztliche Abklärung wird nur in Fällen veranlasst, in denen berechtigte Zweifel an der Minderjährigkeit bestehen. 8. Bei wie vielen der UMA wird festgestellt, dass diese nicht minderjährig sind? Das Kreisjugendamt Rems-Murr-Kreis hat im Rahmen der durchgeführten Alters - überprüfungen keine Fälle festgestellt, in denen bereits eine Volljährigkeit vorgelegen hat. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass das Kreisjugendamt Rems- Murr-Kreis vor allem Zuweisungen von UMA über die Landesverteilstelle beim Kommunalverband für Jugend und Soziales – Landesjugendamt – erhalten hat. In diesen Fällen waren die Altersfeststellungen bereits im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme durch die Aufnahmejugendämter – also vor der Verteilung – vorgenommen worden. Von den Kreisjugendämtern Schwarzwald-Baar-Kreis und Tuttlingen wurden Alterseinschätzungen bisher hingegen ausschließlich im Vorfeld der vorläufigen Inobhutnahme nach § 42 a SGB VIII vorgenommen (Zugang über die Bedarfsorientierte Erstaufnahmeeinrichtung [BEA]). In Fällen, in denen die Volljährigkeit festgestellt worden ist, wurden die jungen Menschen in der BEA belassen und somit nicht im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe versorgt. Im Bestand der UMA, die dem Kreisjugendamt Tuttlingen zugewiesen worden sind, sind bisher keine Fälle aufgetreten, in denen sich nachträglich eine Volljährigkeit herausgestellt hat. 9. Welche Kosten entstehen durch Falschangaben beim Alter der sich als UMA ausgebenden Personen? Bei den drei abgefragten Kreisjugendämtern sind bisher keine entsprechenden Kosten entstanden. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 912 6 10. Welche Pflicht- und welche Freiwilligenleistungen erbringen die genannten Kreise 2016 für die UMA? Der Rems-Murr-Kreis erbringt für UMA sämtliche notwendigen Maßnahmen bzw. Leistungen gemäß dem SGB VIII. Darüber hinausgehende Freiwilligkeitsleistungen erfolgen nicht. Die anderen beiden Landkreise haben hierzu keine Angaben gemacht. Lucha Minister für Soziales und Integration