Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 921 04. 11. 2016 1Eingegangen: 04. 11. 2016 / Ausgegeben: 16. 12. 2016 K l e i n e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie hat sich der Bestand an Saat- und Rabenkrähen in Baden-Württemberg seit 1960 entwickelt? 2. Inwieweit werden Krähen-Schäden an Niederwild, Schafen, Singvögeln sowie in der biologischen und konventionellen Landwirtschaft in Baden-Württemberg erhoben und registriert? 3. In welchen Regionen in Baden-Württemberg sind die Schäden und Beeinträchtigungen durch Saat- und Rabenkrähen besonders groß? 4. Wie beurteilt sie die Schäden und Beeinträchtigungen durch Saat- und Rabenkrähen im Wahlkreis Breisgau und im Wahlkreis Ettlingen? 5. Sieht sie Möglichkeiten, um entstandene Krähenschäden in der Landwirtschaft zu entschädigen, und wenn ja, welche? 6. Welche Möglichkeiten sieht sie, um den Bestand der Saat- und Rabenkrähen zu regulieren und liegen ihr Erkenntnisse vor, wie andere Länder damit umgehen? 7. In welchem Umfang werden Abschussgenehmigungen für Raben- und Saatkrähen mit welchen Auflagen in Bezug auf den unterschiedlich hohen Schutzstatus erteilt? 8. Gibt es Überlegungen, Saatkrähen dem Jagdrecht zu unterstellen? 03. 11. 2016 Dr. Rapp, Neumann CDU Kleine Anfrage der Abg. Dr. Patrick Rapp und Christine Neumann CDU und Antwort des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Schäden durch Krähen in der Landwirtschaft Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 921 2 B e g r ü n d u n g Nach aktuellem Kenntnisstand sehen sich landwirtschaftliche Betriebe in Baden- Württemberg, insbesondere auch im Bereich der biologischen Landwirtschaft, massiven Schädigungen durch Saat- und Rabenkrähen ausgesetzt. Mit der Kleinen Anfrage sollen die Situation und mögliche Lösungsansätze näher beleuchtet werden. A n t w o r t * ) Mit Schreiben vom 8. Dezember 2016 Nr. Z(27)-0141.5/74F beantwortet das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Umweltministerium die Kleine Anfrage wie folgt: Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie hat sich der Bestand an Saat- und Rabenkrähen in Baden-Württemberg seit 1960 entwickelt? Zu 1.: Die Bestandsentwicklung der Saatkrähe ist seit den 1960er-Jahren sehr gut dokumentiert . Aktuell wird der Brutbestand auf 8.000 bis 8.500 Brutpaare geschätzt. Der Bestandstrend ist kurzfristig (25 Jahre) sehr positiv, während er langfristig (50 bis 150 Jahre) als stabil eingestuft wird. Obwohl der Brutbestand in den letzten Jahren zunimmt, ist die Art in Baden-Württemberg nach wie vor vergleichsweise restriktiv verbreitet. Die Schwerpunktvorkommen liegen im Bereich der Rheinebene sowie in Oberschwaben. Die im Land überwinternden Saatkrähen übersteigen mit rund 300.000 bis 450.000 Vögeln den Brutbestand bei Weitem. Dabei sind die Niederungen im Land, insbesondere am Oberrhein, bedeutende Überwinterungsgebiete. Für die Rabenkrähe liegen keine landesweit systematisch erfassten Daten vor, die eine gesicherte Aussage zur langfristigen Bestandsentwicklung zulassen würden. Aktuell wird der baden-württembergische Brutbestand auf 90.000 bis 100.000 Brutpaare geschätzt. Die Bestandsentwicklung wird sowohl lang- als auch kurzfristig (über 50 bis 150 Jahre bzw. 25 Jahre) als stabil angesehen. Punktuelle Untersuchungen von der Hochfläche der Schwäbischen Alb lassen zumindest in einigen Regionen eine starke Bestandsabnahme (Faktor vier) zwischen den 1950erund den 1990er-Jahren erkennen. Die vergleichsweise stabile Entwicklung des Brutbestandes in den letzten Jahrzehnten kontrastiert auffallend mit dem vielfach geäußerten subjektiven Empfinden einer massiven Zunahme der Art. Dies kann teilweise darauf zurückgeführt werden, dass urbane Gebiete heute in vielen Gegenden die Verbreitungsschwerpunkte der Rabenkrähe bilden. 2. Inwieweit werden Krähen-Schäden an Niederwild, Schafen, Singvögeln sowie in der biologischen und konventionellen Landwirtschaft in Baden-Württemberg erhoben und registriert? Zu 2.: Von Krähen verursachte Schäden werden nicht systematisch erhoben und regis - triert. Daher liegen auch für die Wahlkreise Breisach und Ettlingen keine entsprechenden Erhebungen vor. Gleichwohl lassen sich Regionen identifizieren, von denen bekannt ist, dass die dort ansässigen Populationen der Raben- und Saat- *) Der Überschreitung der Drei-Wochen-Frist wurde zugestimmt. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 921 krähe Schäden verursachen und als Belästigung wahrgenommen werden. In Baden -Württemberg sind dies die Bereiche entlang des Oberrheins mit Schwerpunkten in der Ortenau und im Kreis Rastatt sowie im Oberschwäbischen mit Schwerpunkten im Rißtal und in Laupheim. Hinsichtlich der Wirkung der Krähenpopulationen auf den Singvogelbestand wird auf die Antwort zu Frage 4 der Kleinen Anfrage der Abgeordneten Burger und Rombach CDU – Drucksache 15/5248 – verwiesen. Nach Auskunft des Landesschafzuchtverbandes Baden-Württemberg e. V. wurden von Schäfern vereinzelt Schäden gemeldet, bei denen die Schäfer Krähen als Verursacher angesehen haben. Ein abschließender Nachweis konnte jedoch nur in Einzelfällen erbracht werden. 3. In welchen Regionen in Baden-Württemberg sind die Schäden und Beeinträchtigungen durch Saat- und Rabenkrähen besonders groß? Zu 3.: Im Regierungsbezirk Freiburg treten Schäden durch Raben- und Saatkrähen im ganzen Rheintal bis in die Vorbergzone auf, wobei die Gebiete Lahr, Kehl-Ringsheim , Offenburg, Oberkirch und Renchen im Ortenaukreis besonders betroffen sind, sowie im Landkreis Emmendingen das Ackerland zwischen Teningen und der Hochburg. Im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald ist der Bereich um Bad-Krozingen, im Landkreis Lörrach sind die Gebiete von Weil am Rhein bis Schliengen und von Schwörstadt bis Grenzach und im Landkreis Konstanz vor allem der Bereich Bodman-Ludwigshafen betroffen. Im Landkreis Waldshut- Tiengen werden Einzelfälle berichtet. Geschädigt werden vor allem ungebeizte Maisanbauflächen (besonders Biomais und Saatmais), Erdbeeren und Kirschen sowie durch Rabenkrähen angepickte Silageballen. Aus dem Regierungsbezirk Tübingen gibt es Meldungen aus zwei Landkreisen: Im Zollernalbkreis sind durch die Rabenkrähen vor allem Fahrsiloanlagen gefährdet . Die Vögel suchen sich vorwiegend Silos aus, in denen Mais lagert. Um an den Mais zu kommen, wird die Silofolie aufgepickt, wodurch Luft und Wasser in die Silage eindringt und diese verschimmelt. Die betroffenen Landwirte können durch das Aufbringen von „Elefantenfolie“, ähnlich einer Teichfolie, die Schäden an der Silofolie durch die Krähen abmildern. Das Auflegen eines Netzes auf die Silofolie hat keinen Abwehreffekt auf die Krähen. Die Teichfolie verursacht Kos - ten zwischen 3 bis 5 €/m² ohne die Kosten des Aufbringens. Im Frühjahr sind vor allem Erbsen, Ackerbohnen und Maisbestände durch die Krähen gefährdet. Die Schäden sind punktuell sehr groß. Gezielt fliegen die Krähen bestellte Äcker an, die gerade auflaufen, und ziehen die kleinen Keim - pflanzen heraus. Es gelingt den Landwirten kaum, die Vögel von den Äckern durch abschreckende Maßnahmen wie das Abfeuern von Schreckschusspistolen fernzuhalten. In der Stadt Laupheim und Umgebung (Landkreis Biberach) wird von einer der größten Saatkrähenkolonien in Baden-Württemberg berichtet. Die Schäden zeigen sich im Stadtbereich hauptsächlich in Form von Lärm und Schmutz (Verkotung ). Es gibt seit Juli 2016 einen vom Landratsamt koordinierten „Runden Tisch Saatkrähen“, an dem die Landwirtschaft beteiligt ist. Von den Landwirten werden die entstandenen Schäden in den meisten Fällen nicht gemeldet, da es keine Entschädigung gibt. Der Schadensdruck kann je nach Witterungslage und alternativem Futterangebot sehr niedrig bis sehr hoch sein. Aus dem Regierungsbezirk Stuttgart wurden in den Landkreisen Esslingen, Heilbronn , Hohenlohe und Schwäbisch-Hall für Rabenkrähen Schonzeitverkürzungen verfügt bzw. das Einvernehmen hierzu erteilt. In den meisten Fällen handelte es sich um punktuelle Schadereignisse, die für den einzelnen landwirtschaftlichen Betrieb jedoch von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sein konnten. Schäden an Zuckerrüben (1,5 ha) in Untereisesheim im Jahr 2015 sowie regelmäßig Schäden an Salat, Kohl und Erdbeeren auf den Fildern werden berichtet. Weitere ein- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 921 4 zelne Schadensmeldungen (Picken an Dichtungen von Scheiben, Siloballen, Weih - nachtsbaumkulturen, Lämmer) sind bekannt, lassen aber keine Häufung in bestimmten Regionen erkennen. 4. Wie beurteilt sie die Schäden und Beeinträchtigungen durch Saat- und Rabenkrähen im Wahlkreis Breisgau und im Wahlkreis Ettlingen? Zu 4.: Besondere Aussagen zu den Wahlkreisen Breisgau und Ettlingen können nicht gemacht werden. Es ist davon auszugehen, dass die unter Nr. 3 für die Rheinebene beschriebenen Schadbilder auch für die Wahlkreise Breisgau und Ettlingen zutreffen . 5. Sieht sie Möglichkeiten, um entstandene Krähenschäden in der Landwirtschaft zu entschädigen, und wenn ja, welche? Zu 5.: Eine allgemeine, unmittelbar aus den Rechtsvorschriften abzuleitende Verpflichtung des Staates zu Entschädigungszahlungen für von wild lebenden Tieren verursachte Schäden besteht nicht. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in einem Urteil vom 6. April 2010, Az. 12 U 11/10 explizit ausgeführt, dass für den durch Rabenkrähen verursachten Schaden an landwirtschaftlichen Kulturen kein Entschädigungsanspruch gegenüber dem Land besteht. Die Einführung einer Entschädigung – unabhängig davon, ob gesetzlich verankert oder freiwillig – zieht automatisch den Anspruch nach Entschädigung für von anderen wild lebenden Tieren verursachte Schäden nach sich. Das Land kann den wirtschaftenden Menschen nicht generell gegen Risiken aus der freien Natur absichern. Dies würde das Land auf Dauer finanziell überfordern. 6. Welche Möglichkeiten sieht sie, um den Bestand der Saat- und Rabenkrähen zu regulieren und liegen ihr Erkenntnisse vor, wie andere Länder damit umgehen? Zu 6.: Im Rahmen der Novellierung der jagdrechtlichen Bestimmungen wurde die Verordnung der Landesregierung über Ausnahmen von den Schutzvorschriften für Rabenvögel vom 15. Juli 1996 (Rabenvogelausnahmeverordnung) aufgehoben und die Rabenkrähe (Corvus corone) den Bestimmungen des Jagd- und Wildtiermanagementgesetzes (JWMG) unterstellt. Mit dem Inkrafttreten der Verordnung des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz zur Durchführung des Jagd- und Wildtiermanagementgesetzes vom 2. April 2015 (DVO JWMG) erhielt die Rabenkrähe eine Jagdzeit vom 1. August bis 20. Februar. Diese Jagdzeit ist gemäß den Vorgaben der EU (Vogelschutzrichtlinie, keine Jagd zur Brutzeit) festgelegt. Damit ist grundsätzlich ein rechtlicher Rahmen geschaffen, der eine Abwehr von Schäden in der Landwirtschaft ermöglicht. Mit der Unterstellung der Rabenkrähe unter das Jagdrecht ist den jagdrechtsinhabenden Personen (Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümern) die Möglichkeit gegeben, durch pachtvertragliche Regelungen oder andere zivilrechtliche Vereinbarungen mit den Jagdausübungsberechtigten Einfluss auf eine gegebenenfalls erforderliche Bejagung der Rabenkrähen zu nehmen. Die Zahl der erlegten Rabenkrähen schwankt seit 2000 zwischen 23.000 und 35.000 pro Jahr, wobei die höchsten Strecken (>2 Tiere/100 ha Jagdfläche) in der mittleren und nördlichen Oberrheinebene erzielt werden. Von 2012 bis 2015 hat die Krähenstrecke in Baden-Württemberg sogar um fast 30 % abgenommen. Diese Zahlen belegen, dass es sich bei den jagdlichen Eingriffen im Wesentlichen um sogenannte Vergrämungsabschüsse zur Schadensabwehr handelt. Daraus kann geschlossen werden, dass die überwiegende Mehrheit der jagdrechtsinhabenden und der jagdausübungsberechtigten Personen stärkere Eingriffe, die als Bestandsregulierung bewertet werden könnten, nicht für erforderlich hält. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 921 Zur Vermeidung von Schäden durch Saatkrähen in der Landwirtschaft kommen anbautechnische Maßnahmen (z. B. bei Mais: Aussaatzeitpunkt, exakte Einsaat, ein- bis zweitägige Pause zwischen Vorbereitungsarbeiten und Einsaat) und Vergrämungsmaßnahmen bzw. deren Kombination in Betracht. Eine Vergrämung kann mit akustischen (z. B. Lärmmaschinen, Abspielen von Angstschreien, Vogelklatschen, Knallgeräte, Ultraschall, Feuerwerkskörper), optischen (z. B. große Ballons, über das Feld gespannte Flatterbänder, Scheinwerfer, Greifvogel- und Uhuattrappen) und repellenten (Saatgutbeize) Maßnahmen oder durch konsequente Störung (z. B. Beizjagd, unregelmäßiges Scheuchen) durchgeführt werden. Zum Umgang mit Saatkrähen im Siedlungsbereich hat die Naturschutzverwaltung den Städten im Land im August 2014 über den Städtetag „Hinweise zum Umgang mit Saatkrähen im Siedlungsbereich“ zur Verfügung gestellt. Die Hinweise enthalten folgende wesentlichen Elemente: Da zunehmender Mangel an geeigneten Brutbäumen in der freien Landschaft sowie Störungen und Verfolgungen die Krähen vermehrt in die Städte und Ortschaften getrieben haben, besteht ein Weg zur Verringerung der Zunahme der Saatkrähenpopulationen in den städtischen Bereichen darin, die Lebensräume in den Außenbereichen wieder attraktiv zu machen. Mit einer gleichzeitigen ökologischen Aufwertung dieser Lebensräume, beispielsweise durch Erhalt und Schaffung geeigneter Brutmöglichkeiten in der Feldflur, könnte der Siedlungsdruck der Saatkrähen auf die Ortschaften verringert werden. In diesem Zusammenhang wird die Ausarbeitung eines auf die Gegebenheiten der jeweiligen Kommune abgestimmten Vergrämungskonzeptes für das gesamte Stadtgebiet empfohlen. Im Laufe der letzten Jahre wurden in den Kommunen mit nennenswerten Saatkrähen -Populationen (insbesondere Bühl, Lahr, Baden-Baden, Laupheim) verschiedene Maßnahmen zur Vergrämung der Vögel angewandt: • Einsatz von optischen Mitteln (z. B. Flatterbänder, Scheinwerfer, Greifvogelund Uhuattrappen), • Einsatz von akustischen Mitteln (z. B. Lärmmaschinen, Abspielen von Angstschreien , Vogelklatschen, Knallgeräte, Ultraschall, Feuerwerkskörper), • Einsatz von Falknern, • Baumpflegemaßnahmen (gezieltes Ausschneiden von Astgabeln bei Neubesiedelungen , Kronenkappung), hierbei ist jedoch darauf zu achten, dass Baumpflegemaßnahmen z. B. bei Schirm-Platanen die Anlage von Nestern nicht sogar noch begünstigen, • Entfernen von Nestern vor der Brutzeit, • Entfernen von Brutbäumen. Grundsätzlich sind Vergrämungsmaßnahmen nur dann dauerhaft wirksam, wenn sie auch nach Beginn der Nestbauphase (im März) fortgeführt werden. Vergrämungsmaßnahmen während der Nestbaumaßnahme bedürfen jedoch einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 45 Abs. 7 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). Als nach derzeitigem Kenntnisstand weniger geeignet muss die Verwendung zulässiger, weil für das Auge von Mensch und Tier ungefährlicher Laserstrahlen angesehen werden (Laser Klasse 1 und 2), da im Rahmen eines evtl. Einsatzes zur Vogelabwehr auch andere Aspekte, wie Blendwirkung im Straßen- bzw. Flugverkehr zu berücksichtigen sind. Verschiedentlich wird in der Öffentlichkeit das Aufhängen toter Krähen zur Vergrämung anderer Krähen thematisiert. Diese „Methode“ ist wirkungslos. Darüber hinaus ist das Aufhängen toter Krähen zur Vergrämung anderer Krähen verboten und kann als Verstoß gegen das Besitzverbot (§ 44 Abs. 2 Ziff. 1 BNatSchG) oder das Vermarktungsverbot (§ 44 Abs. 2 Ziff. 2 BNatSchG) geahndet (§ 69 Abs. 3 Nr. 20 bzw. 21 BNatSchG) werden. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 921 6 Als letztes Mittel kommt in besonderen Fällen eine letale Vergrämung von Saatkrähen infrage, um insbesondere Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen durch Saatkrähen zu verhindern. Die Saatkrähe ist als europäische Vogelart nach § 7 Abs. 2 Nr. 13 Buchstabe b), bb) BNatSchG besonders geschützt und unterliegt damit den Schutzbestimmungen der §§ 44 und 45 BNatSchG. Nach § 44 Abs. 1 BNatSchG ist es insbesondere verboten, der Saatkrähe nachzustellen, sie zu fangen , zu verletzen oder zu töten. Nach § 45 Abs. 7 BNatSchG können zur Abwendung erheblicher wirtschaftlicher Schäden, im Interesse der Gesundheit des Menschen , der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art Ausnahmen von den Zugriffsverboten des § 44 BNatSchG zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Population einer Art nicht verschlechtert. Vor einer Beantragung einer aus artenschutzrechtlichen Gründen notwendigen Ausnahme oder Befreiung sind daher andere geeignete Vergrämungsmethoden, wie zum Beispiel der Einsatz von optischen oder akustischen Mitteln, im Einzelfall zu prüfen und ein Vergrämungskonzept vor Ort auszuarbeiten. Eine Ausnahme kann nicht erteilt werden für letale Vergrämungsmaßnahmen, die allein eine Reduktion des Krä hen - bestandes zum Ziel haben. Aus Bayern, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen sowie der Schweiz liegen vergleichbare Hinweise zur Vergrämung von Krähen vor. 7. In welchem Umfang werden Abschussgenehmigungen für Raben- und Saatkrähen mit welchen Auflagen in Bezug auf den unterschiedlich hohen Schutzstatus erteilt? Zu 7.: Mit der Unterstellung der Rabenkrähe unter die Bestimmungen des JWMG bedarf es keiner gesonderten behördlichen Abschussgenehmigung für das Erlegen von Rabenkrähen innerhalb der in § 10 Abs. 1 Nr. 35 DVO JWMG bestimmten Jagdzeit . Nach § 41 Absatz 6 Nr. 2 JWMG können die unteren Jagdbehörden im Einvernehmen mit der oberen Jagdbehörde durch Einzelanordnungen die Schonzeiten mit Ausnahme der allgemeinen Schonzeit abkürzen oder besondere Jagdzeiten bestimmen . In neun Landkreisen wurden seit Inkrafttreten der neuen Bestimmungen Anträge auf Abkürzung der Schonzeit der Rabenkrähe gestellt. In 21 Fällen wurde die Schonzeit verkürzt. Die durch Einzelanordnung bestimmten Jagdzeiten bezogen sich dabei immer auf die im Einzelfall vorliegenden Gründe. Die genaue Zahl der außerhalb der regulären Jagdzeit erlegten Tiere ist nicht bekannt. Allerdings genügte gemäß den bereits vorliegenden Angaben in den meisten Fällen der Abschuss weniger Einzeltiere, um übermäßige Wildschäden wirkungsvoll zu vermeiden . Die Anordnungen zur Verkürzung der Schonzeit der Rabenkrähe wurden von den Landkreisen mit Auflagen versehen und für einen begrenzten Zeitraum festgesetzt . Teilweise wurden die Anzahl der zulässigen Vergrämungsabschüsse oder die Flächen, auf denen diese zulässig waren, bestimmt. Je nach Lage des Einzelfalls wurde die Anordnung mit weiteren Auflagen versehen. Voraussetzung für die Erteilung von Ausnahmen gemäß § 45 Abs. 7 BNatSchG zur letalen Vergrämung von Saatkrähen ist die Antragstellung bei der zuständigen unteren Naturschutzbehörde bei den Land- und Stadtkreisen. Bei Anträgen zur Verringerung von Schäden in der Landwirtschaft wird das Vorliegen der Voraussetzung von § 45 Abs. 2 Ziff. 2 BNatSchG von der zuständigen unteren Landwirtschaftsbehörde bestätigt. Die untere Naturschutzbehörde prüft, ob zumutbare Alternativen zur letalen Vergrämung vorliegen. Ist dies nicht der Fall, wird dem zuständigen Jagdausübungsberechtigten eine Ausnahme von den Tötungs- und Besitzverboten des § 44 Abs. 1 BNatSchG erteilt. In dieser Entscheidung sind die Flächen benannt, auf denen Saatkrähen letal vergrämt werden dürfen. Folgende Nebenbestimmungen werden üblicherweise festgesetzt: 7 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 921 • Die Abschüsse sind zeitversetzt vorzunehmen, um die Vergrämungswirkung zu erhöhen. • Pro Futterplatz dürfen maximal drei Saatkrähen erlegt werden. • Die Genehmigung gilt für die Zeit der kritischen Pflanzphase, wenn Schäden eingetreten sind. • Die Abschüsse dürfen ausschließlich zum Zweck der Vergrämung erfolgen. • Die Zahl der abgeschossenen Vögel ist der unteren Naturschutzbehörde zu übermitteln. Für 2016 liegen noch keine flächendeckenden Angaben über die Anzahl erteilter Ausnahmen vor. Im Jahr 2015 hatten die damals noch zuständigen Regierungspräsidien insgesamt 86 Ausnahmeentscheidungen zur letalen Vergrämung von Saat - krähen sowie 11 Ausnahmen zur absichtlichen Zerstörung oder Entfernung von Nestern der Saatkrähe erteilt. Eine weitere Ausnahme wurde zum Verscheuchen von Saatkrähen erteilt. 8. Gibt es Überlegungen, Saatkrähen dem Jagdrecht zu unterstellen? Zu 8.: Die Saatkrähe unterliegt den artenschutzrechtlichen Bestimmungen des Europäischen Parlaments. Nach Artikel 7 Abs. 3 der Richtlinie 2009/147/EG des Euro - päischen Parlaments und des Rates (Vogelschutzrichtlinie) dürfen in den einzelnen Mitgliedstaaten nur Arten, die in Anhang II/B entsprechend zugeordnet sind, bejagt werden. Die Saatkrähe ist nicht unter den in Deutschland bejagbaren Arten angeführt. Somit sind Vergrämungsabschüsse nur im Rahmen einer naturschutzrechtlichen Genehmigung nach § 45 Abs. 7 BNatSchG zulässig. Eine Unterstellung unter die Bestimmungen des JWMG würde an dieser Rechtslage nichts ändern. In Vertretung Puchan Ministerialdirektorin