Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 961 14. 11. 2016 1Eingegangen: 14. 11. 2016 / Ausgegeben: 13. 12. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Sind Windenergievorhaben nach ihrer Erkenntnis mit § 3 der geltenden Fassung der Verordnung des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis über das Landschaftsschutzgebiet „Bergstraße-Nord“ vom 24. Oktober 1997 vereinbar? 2. Trifft es zu, dass die Stadt Weinheim – auf Vermittlung eines örtlichen Landtagsabgeordneten hin – sich direkt mit dem Umweltministerium in Verbindung gesetzt hat, um ihr Modell für den Flächennutzungsplan unmittelbar von der Obersten Naturschutzbehörde prüfen zu lassen, obwohl diese Entscheidung in die Zuständigkeit der Unteren Naturschutzbehörde des Landratsamts Rhein- Neckar-Kreis fällt? 3. Trifft es zu, dass daraufhin die Obere Naturschutzbehörde beim Regierungs - präsidium Karlsruhe das vorläufige Prüfungsergebnis von der Unteren Naturschutzbehörde des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis zur Sichtung angefordert hat? 4. Welche weiteren formellen oder informellen Anregungen, Empfehlungen, Hinweise oder andere Formen von Einflussnahme gab es gegebenenfalls seitens der Oberen und der Obersten Naturschutzbehörde an die Untere Naturschutzbehörde des Rhein-Neckar-Kreises hinsichtlich einer Änderung der Landschaftsschutzgebietsverordnung zwecks Ermöglichung von Windenergievorhaben auf dem Geiersberg bei Weinheim? 14. 11. 2016 Glück FDP/DVP Kleine Anfrage des Abg. Andreas Glück FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Windenergievorhaben im Landschaftsschutzgebiet „Bergstraße-Nord“ Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 961 2 A n t w o r t Mit Schreiben vom 6. Dezember 2016 Nr. 7-0141.5/5/1 beantwortet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Sind Windenergievorhaben nach ihrer Erkenntnis mit § 3 der geltenden Fassung der Verordnung des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis über das Landschaftsschutzgebiet „Bergstraße-Nord“ vom 24. Oktober 1997 vereinbar? Landschaftsschutzgebiete sind nach dem Windenergieerlass Baden-Württemberg vom 9. Mai 2012 keine „Tabu-“ sondern nur „Prüfflächen“ für die Windenergie. Mit den Schreiben des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz vom 17. Mai 2013 und vom 7. November 2013 wurden die Naturschutzbehörden gebeten, die vorhandenen rechtlichen Zulassungs- und Planungsmöglichkeiten von Windenergieanlagen in Landschaftsschutzgebieten zu prüfen und auszuschöpfen – auch weil dem Ausbau der Windenergie eine besondere Bedeutung bei der Verwirklichung der Klimaschutzziele des Landes nach dem Klimaschutzgesetz Baden-Württemberg zukommt und die Landschaftsschutzgebiete einen erheblichen Anteil an der Landesfläche Baden-Württembergs (22,7 Prozent) ausmachen . Im Hinblick auf das Landschaftsschutzgebiet „Bergstraße Nord“ ist in § 3 der Landschaftsschutzgebietsverordnung des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis der Schutzzweck des Landschaftsschutzgebiets geregelt. Dieser besteht im Wesentlichen darin, die Landschaft der Bergstraße als Übergangszone zwischen der ebenen Niedertrasse des Rheins und dem durch stark bewegte Geländeformen und ausgedehnte Wälder geprägten Odenwald in ihren Grundzügen und in ihrer charakteristischen Ausprägung zu erhalten. Für Windenergievorhaben als bauliche Anlagen gilt, wie in den allermeisten Landschaftsschutzgebietsverordnungen, nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 der Landschaftsschutzgebietsverordnung „Bergstraße Nord“ ein Bauverbot mit Erlaubnisvorbehalt. Eine Erlaubnis ist in der Regel nicht geeignet, um einen Widerspruch von Windenergievorhaben mit dem Schutzzweck einer Landschaftsschutzgebietsverordnung auszuräumen. Bei Windenergievorhaben können jedoch die Voraussetzungen für eine Befreiung (§ 8 der Landschaftsschutzgebietsverordnung „Bergstraße Nord“ in Verbindung mit § 67 Bundesnaturschutzgesetz) oder im Rahmen der Regional- oder Bauleitplanung für die „Planung in eine Befreiungslage“ vorliegen . Liegen die Voraussetzungen einer Befreiung bzw. einer Befreiungslage, insbesondere bei großflächiger Betroffenheit oder (teilweiser) Funktionslosigkeit des Landschaftsschutzgebiets, nicht vor, kommt eine Änderung der Landschaftsschutzgebietsverordnung , insbesondere durch Ausweisung einer Windenergie - zone, oder eine (teilweise) Aufhebung des Schutzgebiets in Betracht (siehe dazu auch Ziffer 2 der Drucksache 16/401). Sowohl bei der Prüfung einer Befreiung von der Landschaftsschutzgebietsverordnung als auch bei der Prüfung der Änderung oder Aufhebung eines Landschaftsschutzgebiets sind die für die Windenergieplanung sprechenden Gründe, insbesondere das besondere öffentliche Interesse am Aufbau einer nachhaltigen Energieversorgung und an dem Beitrag zum Klimaschutz, mit den sich aus dem Schutzzweck der Landschaftsschutzgebietsverordnung ergebenden Belangen des Natur- und Landschaftsschutzes abzuwägen. Daher ist jeweils im Einzelfall zu beurteilen, ob und ggf. in welchen Bereichen Windenergievorhaben im Landschaftsschutzgebiet „Bergstraße Nord“ geplant werden können. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 961 2. Trifft es zu, dass die Stadt Weinheim – auf Vermittlung eines örtlichen Landtagsabgeordneten hin – sich direkt mit dem Umweltministerium in Verbindung gesetzt hat, um ihr Modell für den Flächennutzungsplan unmittelbar von der Obersten Naturschutzbehörde prüfen zu lassen, obwohl diese Entscheidung in die Zuständigkeit der Unteren Naturschutzbehörde des Landratsamts Rhein- Neckar-Kreis fällt? Dem Umweltministerium wurde durch ein Schreiben eines Landtagsabgeordneten mitgeteilt, die Stadt Weinheim habe beim Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis beantragt , im Landschaftsschutzgebiet „Bergstraße Nord“ eine Windenergiezone auszuweisen , und das Landratsamt habe angekündigt, die beantragte Änderung der Verordnung nicht durchzuführen. 3. Trifft es zu, dass daraufhin die Obere Naturschutzbehörde beim Regierungspräsidium Karlsruhe das vorläufige Prüfungsergebnis von der Unteren Naturschutzbehörde des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis zur Sichtung angefordert hat? 4. Welche weiteren formellen oder informellen Anregungen, Empfehlungen, Hinweise oder andere Formen von Einflussnahme gab es gegebenenfalls seitens der Oberen und der Obersten Naturschutzbehörde an die Untere Naturschutzbehörde des Rhein-Neckar-Kreises hinsichtlich einer Änderung der Landschaftsschutzgebietsverordnung zwecks Ermöglichung von Windenergievorhaben auf dem Geiersberg bei Weinheim? Das Umweltministerium hat das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis zur Beantwortung des unter Ziffer 2 genannten Schreibens um Stellungnahme gebeten und zwischenzeitlich das Regierungspräsidium Karlsruhe als höhere Naturschutzbehörde beauftragt, die beabsichtigte Entscheidung der unteren Naturschutzbehörde vor dem Hintergrund der örtlichen Verhältnisse einer umfassenden rechtlichen und fachlichen Prüfung zu unterziehen. Weitere formelle oder informelle Anregungen, Empfehlungen, Hinweise oder andere Formen von Einflussnahme gab es nicht. Die höhere Naturschutzbehörde wird in Erfüllung des Prüfauftrags des Umweltministeriums als Oberster Naturschutzbehörde die Akten zum Änderungsverfahren für Landschaftsschutzgebiet „Bergstraße Nord“ anfordern. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft