Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 972 17. 11. 2016 1Eingegangen: 17. 11. 2016 / Ausgegeben: 20. 12. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Plant sie auf Bundesebene darauf hinzuwirken, dass die Situation der Hebammen im Zollernalbkreis und in Baden-Württemberg verbessert bzw. entschärft wird? 2. Wie hat sich die Entscheidung der für Konflikte zuständigen Schiedsstelle vom 25. September 2015 (Refinanzierung der Berufshaftpflichtversicherung in Raten) sowie die ersten rechnerischen Ergebnisse des Regressverzichts für die Hebammen ausgewirkt? 3. Wie viele freiberuflich tätige Hebammen gibt es derzeit im Zollernalbkreis und in Baden-Württemberg? 4. Wie hat sich die Erhöhung der Haftpflichtprämie auf die Statistik der fest angestellten bzw. ambulant tätigen Hebammen ausgewirkt? 5. Wie viele Hebammen haben ihren Beruf aufgrund der immer weiter steigenden Berufshaftpflichtbeiträge im Zollernalbkreis seit 2011 aufgeben müssen? 6. Wie viele Versicherer gibt es noch in Deutschland, die Hebammen eine Berufshaftpflicht anbieten? 7. Wie hoch beziffert sie aufgrund der Berufsaufgabe der Hebammen die unzureichende Versorgung im Zollernalbkreis und in Baden-Württemberg insgesamt? 8. In welcher Art und in welchem Umfang beteiligen sich die Verbände der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherungen an den Kosten? Kleine Anfrage des Abg. Stefan Herre AfD und Antwort des Ministeriums für Soziales und Integration Situation der Hebammen im Zollernalbkreis Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 972 2 9. Wie lange können freiberufliche Hebammen in der Zukunft ihren Beruf noch ausüben, da immer mehr Versicherungsunternehmen sich in dieser Angelegenheit vom Markt zurückziehen und die Risiken nicht mehr für Hebammen absichern wollen? 10. Was bietet sie aktuell für Lösungen, um ein Verschwinden dieses Berufs sowie der noch aktiven Hebammen im Zollernalbkreis und in Baden-Württemberg zu verhindern, sodass die derzeitige Versorgung verbessert wird oder zumindest gehalten werden kann? 14. 11. 2016 Herre AfD B e g r ü n d u n g Das Thema Haftpflichtversicherung für freiberufliche Hebammen schwelt weiter. Die Entlastungen für Hebammen liegen derzeit bei maximal rund 600 Euro im Jahr. Die haftungsergänzende Fondslösung der Landesregierung Rheinland-Pfalz steht weiterhin im Raum. Welche Lösung bietet in dieser Sache die grünschwarze Regierung in Baden-Württemberg? In Baden-Württemberg bekommt nicht jede Frau vor und nach der Geburt Hilfe von einer Hebamme – das ist ein Ergebnis einer vom Hebammenverband Baden-Württemberg (Karlsruhe) in Auftrag gegebenen Umfrage mit Stand November 2016. Nach der von der Universität Freiburg vorgenommenen Umfrage konnten einige Frauen gar keine Hebamme finden, manche hatten Hebammen kontaktiert, die bereits ausgebucht waren. Die meisten Frauen hätten noch Leistungen im gewünschten Umfang erhalten, aber ein beträchtlicher Anteil der Frauen stufe deren Umfang als zu gering ein. „Die Hebammenversorgung in Baden-Württemberg ist in Not geraten“, lautet das Fazit des Verbands. Mit dieser Kleinen Anfrage soll die aktuelle Situation näher beleuchtet werden. A n t w o r t Mit Schreiben vom 9. Dezember 2016 Nr. 34-0141.5/132 beantwortet das Minis - terium für Soziales und Integration die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Plant sie auf Bundesebene darauf hinzuwirken, dass die Situation der Hebammen im Zollernalbkreis und in Baden-Württemberg verbessert bzw. entschärft wird? Eine flächendeckende Versorgung mit Hebammenhilfe im ganzen Land sicherzustellen und eine dauerhaft tragfähige Lösung für die Versorgungsstrukturen mit freiberuflicher Hebammenhilfe in Baden-Württemberg zu finden, ist ein wichtiges Anliegen der Landesregierung. Mit dieser Aufgabe wird sich auch der vom Ministerium für Soziales und Integration geplante Runde Tisch Geburtshilfe, der demnächst seine Arbeit aufnehmen wird, befassen. Entscheidungen, die Hebammen oder Entbindungspfleger auf Bundesebene betreffen , werden auch künftig von der Landesregierung mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, entsprechend begleitet und ggfs. eingefordert werden. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 972 2. Wie hat sich die Entscheidung der für Konflikte zuständigen Schiedsstelle vom 25. September 2015 (Refinanzierung der Berufshaftpflichtversicherung in Raten) sowie die ersten rechnerischen Ergebnisse des Regressverzichts für die Hebammen ausgewirkt? Jede freiberuflich tätige Hebamme oder jeder tätige Geburtspfleger, die oder der Geburtshilfe anbietet, kann zweimal im Jahr beim GKV-Spitzenverband die Auszahlung ihrer Haftpflichtversicherungskosten (unter- oder ganzjährig versichert, rückwirkend ab 1. Juli 2015) beantragen. Voraussetzung für die Zahlung des Sicherstellungszuschlags ist, dass die antragstellende Hebamme oder der antragstellende Entbindungspfleger pro Quartal mindestens eine bzw. im Versicherungsjahr mindestens vier geburtshilfliche Leistungen erbracht hat und ihre Haftpflichtkosten nachweisen kann. Der GKV-Spitzenverband berechnet dann den zu überweisenden Ausgleichsbetrag, der um bestimmte Beträge (z. B. um Haftpflichtkostenbestandteile , die in den Gebührenpositionen verblieben sind, Haftpflichtkostenbestandteile für Privatversicherte oder Haftpflichtkostenbestandteile für private Haftpflichtversicherungen) bereinigt wird. Damit wird – so der GKV- Spitzenverband – die GKV insgesamt nur mit demjenigen Anteil der Haftpflichtkosten belastet, der auf die Absicherung geburtshilflicher Tätigkeiten in der GKV entfällt. Der Auszahlungsbetrag wird, wenn sich die Haftpflichtprämie erhöht, automatisch angepasst. Der GKV-Spitzenverband hat Mitte Januar 2016 begonnen, die ersten Anträge von Hebammen zu bearbeiten und den Sicherstellungszuschlag rückwirkend auszubezahlen . Mit Stand: 31. Oktober 2016 lagen dem GKV-Spitzenverband 3.010 Anträge von 2.038 Hebammen bzw. Entbindungspflegern vor. Von diesen Anträgen wurden bisher 2.666 ausbezahlt, da in diesen Fällen alle Unterlagen vollständig vorlagen. Die Gesamtsumme der Auszahlungen belief sich bislang auf über 6 Mio. Euro. Der durchschnittliche Zahlbetrag je Hebamme oder Entbindungspfleger lag bei rund 3.000 Euro. Zum anhängigen gerichtlichen Verfahren zum Schiedsstellenbeschluss im Zusammenhang mit der Umsetzungslösung für den Sicherstellungzuschlag wird auf die Antwort zu Ziffer 1 der LT-Drs. 16/561 – Hebammenleistungen in Baden-Württemberg – verwiesen. Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes (GKV-VSG), das am 23. Juli 2015 in Kraft getreten ist, wurde ein Regressverzicht der Kranken- und Pflegekassen eingeführt. In § 134 a Abs. 5 SGB V wird nunmehr ausgeschlossen, dass die Kranken - und Pflegekassen die Ansprüche im Zusammenhang mit Behandlungsfehlern in der Geburtshilfe, die gem. § 116 Abs. 1 SGB X auf sie übergegangen sind, gegenüber freiberuflich tätigen Hebammen – außer im Fall von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit – geltend machen. Hierzu hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) mitgeteilt, dass dessen Mitgliedsunternehmen in dem vergleichsweise kurzen Zeitraum seit Inkrafttreten des Gesetzes bislang keinen entlastenden Effekt feststellen konnten. Für eine Beurteilung ist es jedoch aus Sicht des Ministeriums für Soziales und Integration zu früh, da der Regressverzicht seit ca. einem Jahr gesetzlich verankert ist. 3. Wie viele freiberuflich tätige Hebammen gibt es derzeit im Zollernalbkreis und in Baden-Württemberg? Beim Gesundheitsamt des Zollernalbkreises sind derzeit 24 freiberuflich tätige Hebammen gelistet. Diese Zahl ist seit 2012 konstant geblieben (siehe Ziffer 1 der LT-Drs. 15/1168 – Hebammenversorgung in Baden-Württemberg). Als Mitglieder des Deutschen Hebammenverbandes (DHV) werden nach Angaben des Hebammenverbandes Baden-Württemberg e. V. im Zollernalbkreis eine Hebamme mit Geburtshilfe und 15 Hebammen ohne Geburtshilfe geführt. Insgesamt gibt es im Zollernalbkreis 29 aktive Hebammen, die Mitglieder im DHV sind. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 972 4 Die Mitgliedszahlen für Baden-Württemberg belaufen sich auf 268 Hebammen und Entbindungspfleger mit Geburtshilfe und 1.101 Hebammen und Entbindungspfleger ohne Geburtshilfe. Insgesamt gibt es landesweit 2.500 aktive Hebammen und Entbindungshelfer, die Mitglieder im DHV sind. Neben den Hebammen und Entbindungspflegern mit und ohne Geburtshilfe sind in den jeweiligen Gesamtzahlen der beruflich aktiven Mitglieder u. a. auch angehende Hebammen und Geburtshelfer, Lehrerinnen und Lehrer für Hebammen - wesen, angestellte Hebammen und Geburtshelfer sowie Professorinnen und Professoren enthalten. Aus der vom GKV-Spitzenverband geführten „Vertragspartnerliste Hebammen“, in der alle Hebammen und Entbindungspfleger, die dem Vertrag nach § 134 a SGB V beigetreten sind und mit den gesetzlichen Kassen abrechnen können, ge - listet sind, geht hervor, dass aktuell für Baden-Württemberg 493 Hebammen und Entbindungspfleger mit Geburtshilfe und 1.886 Hebammen und Entbindungspfleger ohne Geburtshilfe gemeldet sind. Ob diese Hebammen und Entbindungspfleger mit und ohne Geburtshilfe in Vollzeit oder in Teilzeit arbeiten, geht aus diesen Zahlen nicht hervor. 4. Wie hat sich die Erhöhung der Haftpflichtprämie auf die Statistik der fest angestellten bzw. ambulant tätigen Hebammen ausgewirkt? Vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg wird lediglich die Zahl der festangestellten Hebammen und Entbindungspfleger sowie der Beleghebammen und Belegentbindungspfleger an den Krankenhäusern erhoben. Die Anzahl der festangestellten Hebammen/Entbindungspfleger an Krankenhäusern in Baden-Württemberg hat sich seit dem Jahr 2010 wie folgt entwickelt: Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg Die Anzahl der Beleghebammen/Belegentbindungspfleger an Krankenhäusern in Baden-Württemberg hat sich seit dem Jahr 2010 wie folgt entwickelt: Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2016, Krankenhausstatistik, Grunddaten Weitergehende statistische Erhebungen insbesondere zur Anzahl der freiberuflich tätigen Hebammen und Entbindungspfleger gibt es in Baden-Württemberg (und auch in den anderen Bundesländern) nicht. Jahr Festangestellte Hebammen/Entbindungspfleger 2010 1.389 2011 1.416 2012 1.379 2013 1.391 2014 1.391 2015 1.375 Jahr Beleghebammen/Belegentbindungspfleger 2010 98 2011 100 2012 95 2013 90 2014 67 2015 93 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 972 Nach der „Vertragspartnerliste Hebammen“ des GKV-Spitzenverbandes hat sich die Zahl der Hebammen und Entbindungspfleger mit und ohne Geburtshilfe in Baden-Württemberg seit 2014 wie folgt entwickelt: 5. Wie viele Hebammen haben ihren Beruf aufgrund der immer weiter steigenden Berufshaftpflichtbeiträge im Zollernalbkreis seit 2011 aufgeben müssen? Hierzu liegen der Landesregierung keine konkreten Erkenntnisse vor, sie weist aber darauf hin, dass die Zahl der beim Gesundheitsamt gemeldeten freiberuflich tätigen Hebammen und Entbindungspfleger im Zollernalbkreis seit 2012 konstant ist (vgl. Antwort zu Frage 3). 6. Wie viele Versicherer gibt es noch in Deutschland, die Hebammen eine Berufshaftpflicht anbieten? Nach Angaben des GDV gab es Ende 2015 insgesamt 15 Versicherer im deutschen Markt, die die rund 14.800 freiberuflich tätigen Hebammen und Entbindungspfleger versichert hatten. Generell besteht für diese freiberuflich tätigen Hebammen und Entbindungspfleger in Deutschland die Möglichkeit, sich über den Gruppenvertrag des Deutschen Hebammenverbandes (DHV) zu versichern; Voraussetzung hierfür ist die Mitgliedschaft im DHV. Rund 18 % der freiberuflich tätigen Hebammen und Entbindungspfleger sind auch geburtshilflich tätig. Für diese Hebammen und Entbindungspfleger mit geburtshilflicher Tätigkeit gibt es seit dem 1. Juli 2015 neben dem Gruppenvertrag des DHV nur noch ein Angebot der Allianz. Lediglich in Einzelfällen zeichnen derzeit noch andere Versicherer entsprechende Deckungen. Die überwiegende Anzahl der Hebammen (82 %) und Entbindungspfleger hat keine geburtshilfliche Tätigkeit versichert. Für diese Hebammen und Entbindungspfleger ohne geburtshilfliche Tätigkeit bieten verschiedene Haftpflichtversicherer Versicherungsschutz an. 7. Wie hoch beziffert sie aufgrund der Berufsaufgabe der Hebammen die unzureichende Versorgung im Zollernalbkreis und in Baden-Württemberg insgesamt ? Im Zollernalbkreis verfügt das Zollernalb-Klinikum über einen Versorgungsauftrag Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Die Anzahl der geborenen Kinder im Klinikum hat sich seit dem Jahr 2011 wie folgt entwickelt: Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg Jahr Hebammen/Entbindungspfleger mit Geburtshilfe Hebammen/Entbindungspfleger ohne Geburtshilfe 2014 452 1.892 2015 470 1.876 2016 493 1.886 Jahr Anzahl der Geburten im Zollernalb-Klinikum 2011 688 2012 654 2013 704 2014 749 2015 790 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 972 6 Das Zollernalb Klinikum deckt den Bedarf für geburtshilfliche Leistungen im Zollernalbkreis ausreichend ab. In Baden-Württemberg verfügen insgesamt 80 Kran - kenhäuser über einen Versorgungsauftrag „Geburtshilfe“, damit ist die flächendeckende Versorgung mit geburtshilflichen Abteilungen in Baden-Württemberg gesichert. Nach Angaben des Gesundheitsamtes des Zollernalbkreises wurde die letzte Haus - geburt, die dem Gesundheitsamt gemeldet wurde, 2008 durchgeführt. Zur Situation im Land wird auf die Antworten zu den Ziffern 3, 5 und 7 der LT- Drs. 16/561 – Hebammenleistungen in Baden-Württemberg – verwiesen. Neben der Geburtshilfe ist die Vor- und Nachsorge bei Schwangeren, Müttern und Babys eine wichtige Aufgabe der Hebammen und Geburtshelfer. Der Versorgungsgrad in der Vor- und Nachsorge kann aktuell mangels verfügbarer Daten nicht beurteilt werden. Diese Fragestellung soll jedoch ebenfalls im Rahmen des Runden Tisches beraten werden. 8. In welcher Art und in welchem Umfang beteiligen sich die Verbände der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherungen an den Kosten? Vgl. Antwort zu Frage 2. 9. Wie lange können freiberufliche Hebammen in der Zukunft ihren Beruf noch ausüben, da immer mehr Versicherungsunternehmen sich in dieser Angelegenheit vom Markt zurückziehen und die Risiken nicht mehr für Hebammen ab - sichern wollen? Vgl. Antworten zu Fragen 5 und 6. 10. Was bietet sie aktuell für Lösungen, um ein Verschwinden dieses Berufs sowie der noch aktiven Hebammen im Zollernalbkreis und in Baden-Württemberg zu verhindern, sodass die derzeitige Versorgung verbessert wird oder zumindest gehalten werden kann? Weder für den Zollernalbkreis noch für Baden-Württemberg ist derzeit ein zahlenmäßiger Rückgang bei den Hebammen und Entbindungspfleger festzustellen (vgl. Antworten zu den Fragen 3 bis 5). Dies wird auch vom Hebammenverband Baden-Württemberg e. V. bestätigt. Im Rahmen des Runden Tisches Geburtshilfe (siehe auch Antwort zu Frage 1), erhofft sich das Ministerium für Soziales und Integration einen Gesamtüberblick über aktuell bestehende Versorgungsengpässe zu gewinnen. Weitere Aussagen zur Versorgungssituation im Land sind erst nach diesen Gesprächen möglich. Lucha Minister für Soziales und Integration