Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian Streibl FREIE WÄHLER vom 10.02.2014 Hubschrauberabsturz am Scheinberg (Landkreis Garmisch-Partenkirchen) Anfang März 2013 und die Folgen für die Umwelt Ich frage die Staatsregierung: 1. Liegen der Staatsregierung Erkenntnisse vor, welche Untersuchungen infolge des Hubschrauberabsturzes angestellt wurden, um die Folgen des Absturzes für das unmittelbare und mittelbare Umfeld der Absturzstelle zu untersuchen, aufgeschlüsselt nach: a) Untersuchungen von Bundesbehörden, b) Untersuchungen von Landesbehörden und c) Art der Untersuchungen (z. B. Bodengutachten)? 2. Liegen der Staatsregierung Erkenntnisse vor, welche kurz-, mittel- und langfristigen Folgen der Hubschrauberabsturz auf die Umwelt im Bereich der Absturzstelle hatte, aufgeschlüsselt nach: a) auf die Vegetation im Umfeld der Absturzstelle und b) auf den Boden im Bereich der Absturzstelle? 3. Liegen der Staatsregierung Erkenntnisse vor, in wel- chem Umfang im Bereich des Naturschutzgebiets Ammergebirge im Jahr 2013 Übungsflüge mit Hubschraubern bzw. anderen Luftfahrzeugen durchgeführt wurden, aufgeschlüsselt nach: a) militärischen Übungsflügen (welche Armee, Anzahl, Gründe für die Übungsflüge im NSG Ammergebirge), b) polizeilichen Übungsflügen und c) Übungsflügen von Rettungsorganisationen und ziviler Institutionen? Antwort der Leiterin der Bayerischen Staatskanzlei Staatsministerin für Bundesangelegenheiten und Sonderaufgaben vom 12.03.2014 Nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes ist für militärische Angelegenheiten, einschließlich der des militärischen Flugbetriebs, ausschließlich der Bund zuständig. Zu Teilen der Schriftlichen Anfrage kann die Staatsregierung mangels Zuständigkeit keine eigenen Erkenntnisse zur Be- antwortung beitragen. Gleichwohl hat die Staatsregierung beim Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) bezüglich der den militärischen Flugbetrieb betreffenden Anteile eine Stellungnahme eingeholt. 1. Liegen der Staatsregierung Erkenntnisse vor, welche Untersuchungen infolge des Hubschrauberabsturzes angestellt wurden, um die Folgen des Absturzes für das unmittelbare und mittelbare Umfeld der Absturzstelle zu untersuchen, aufgeschlüsselt nach: a) Untersuchungen von Bundesbehörden und c) Art der Untersuchungen Das BMVg hat hierzu folgende Stellungnahme übermittelt: „Die Bundeswehr führte unmittelbar nach dem Unfall orientierende Untersuchungen im näheren und weiteren Umfeld der Absturzstelle mit eigenem Fachpersonal durch. Zur Präzisierung der Ergebnisse beauftragte die Bundeswehr ein externes Sachverständigenbüro mit einer Detailuntersuchung . Im Rahmen dieser Untersuchung wurden Bodenproben an der unmittelbaren Unfallstelle, in deren Umfeld sowie auf einer Vergleichsfläche genommen und chemisch analysiert.“ b) Untersuchungen von Landesbehörden und c) Art der Untersuchungen Nach Abschluss der Aufräumarbeiten am Absturzplatz durch die Bundeswehr haben die Bayerischen Staatsforsten AöR (BaySF) von der Bundeswehr ein Gutachten zur Klärung der Auswirkungen des Absturzes und nachfolgenden Brandes auf die Umwelt verlangt. Das detaillierte Gutachten von dem Sachverständigen nach § 18 BBodSchG, Herrn Dr. J. D., ist am 05.02.2014 erschienen. Neben dem Bodengutachten liegen ein Bericht der ABC- und Selbsthilfeschule der Bundeswehr vom 17.04.2013 und ein Bericht des Bundeswehr -Dienstleistungszentrums Landsberg am Lech vom 23.04.2013 vor. Neben Bodenproben fanden insbesondere Strahlenmessungen und Kohlenstoff-Fasermessungen sowie mehrere organoleptische Befunde vor Ort statt. Der Sachverständige hat nach Kenntnis der Staatsregierung keine Analysen von Bäumen und Holz durchgeführt, da die zu erwartenden Schadstoffe aus der Verbrennung, insbesondere Kohlefasern, nicht in die Zellen von Bäumen eingebaut werden. Daher wurde ausschließlich eine Bodenanalyse durchgeführt und die Wirkungspfade Boden-Oberflächenwasser und Boden-Mensch über die Aufnahme der dort spärlich wachsenden Heidelbeeren untersucht. 2. Liegen der Staatsregierung Erkenntnisse vor, welche kurz-, mittel- und langfristigen Folgen der Hubschrauberabsturz auf die Umwelt im Bereich der Absturzstelle hatte, aufgeschlüsselt nach: a) auf die Vegetation im Umfeld der Absturzstelle b) auf den Boden im Bereich der Absturzstelle Das BMVg hat hierzu folgende Stellungnahme übermittelt: Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 17.04.2014 17/1001 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/1001 „Das externe Sachverständigengutachten kommt zu dem Ergebnis, dass bei dem Unfall im Wesentlichen Metalle und Schwermetalle in den Oberboden an der Absturzstelle eingetragen wurden. Laut Gutachten ist aufgrund der natürlichen Standortgegebenheiten jedoch davon auszugehen , dass die Gefahr einer Mobilisierung der Schadstoffe als gering einzuschätzen ist. Die durch Absturz und Brand zerstörte Pflanzenwelt wird sich laut Gutachten im Laufe der Zeit erholen. Die im Bereich des Brandflecks im Boden befindlichen Schwermetalle können prinzipiell in gewissem Umfang durch Wurzeln von Heidelbeeren oder von Pilzen aufgenommen werden und in die jeweiligen Früchte bzw. Fruchtkörper gelangen. Die davon ausgehende Gefahr für Beeren- und Pilzsammler wird durch den Gutachter jedoch als gering eingeschätzt, denn die Flächenausdehnung und die Konzentrationen der eingetretenen Belastung sind sehr gering. Hinzu kommt, dass es sich um relativ unzugängliches , steiles Hanggelände handelt. Zusammenfassend stellt der Gutachter fest, dass derzeit keine weiteren Untersuchungen sowie Sanierungs- oder Sicherungsmaßnahmen erforderlich sind.“ Seitens der Staatsregierung wird die Frage wie folgt beantwortet : Zu 2. a) Die Absturzstelle liegt im Naturschutzgebiet Ammergebirge, das im betroffenen Bereich zudem Natura-2000-Gebiet ist (FFH-Gebiet 8431-371 Ammergebirge und Europäisches Vogelschutzgebiet 8330-471 Ammergebirge mit Kienberg und Schwarzenberg sowie Falkenstein). Durch den Hubschrauberabsturz und das damit einhergehende Brandereignis wurde Vegetation im Umfeld der Absturzstelle beschädigt oder zerstört. Detaillierte Erkenntnisse über mittel - und langfristige Folgen des Hubschrauberabsturzes auf die vorgenannten Schutzgebiete liegen nicht vor. Insgesamt kann, aufgrund der durchgeführten Untersuchungen und der Inaugenscheinnahme am 24.02.2014 durch das AELF Weilheim zusammen mit dem BaySF-Forstbetrieb Oberammergau, aus forstwirtschaftlicher Sicht festgestellt werden, dass bei Durchführung der vom Gutachter geforderten Maßnahmen (überwiegend bereits erfolgt, vorsorglich ist geplant, noch ein Hinweisschild gegen den Verzehr von Beeren und Pilzen aufzustellen) • für die Vegetation keine negativen kurz-, mittel- oder langfristigen Folgen entstanden sind außer dem Verlust einiger Bäume, die ersetzt wurden, • die Schutzfunktion des Waldes temporär auf geringfügiger Fläche abgenommen hat und keine weiteren Maßnahmen veranlasst sind und • der Boden im Bereich der Absturzstelle zwar kontaminiert wurde, aber keine negativen kurz-, mittel- oder langfristigen Folgen für Mensch oder Oberflächenwasser zu befürchten sind. zu 2. b) Die Analysen zeigen, dass die freigesetzten organischen Stoffe durch den Brand des Hubschraubers bei einer geschätzten Hitzeentwicklung von bis zu 1100 °C überwiegend verbrannt sind. Es wurden lediglich geringe Reste des Treibstoffs in Form von Mineralölkohlenwasserstoffen und aromatischen Kohlenwasserstoffen (sog. BTEX) in geringer Konzentration nachgewiesen. Im Bereich des unmittelbaren Brandherdes wurden die Schwermetalle Blei, Cadmium, Kupfer, Nickel und Zink sowie die Metalle Aluminium und Titan in z. T. in erheblichen Konzentrationen nachgewiesen. Die Metalle / Schwermetalle stammen aus den Werkstoffen des Hubschraubers und wurden durch die hohe Hitzeentwicklung freigesetzt. Sie sind jedoch unter den vor Ort herrschenden Bedingungen nahezu immobil und werden kaum vertikal verlagert. Eine horizontale Verfrachtung durch Bodenerosion kann aufgrund der Hanglage jedoch nicht ausgeschlossen werden. Der Bereich der Unfallstelle entwässert in die Linder. Zwischen der Absturzstelle und der Linder befindet sich ein Kiesfangbecken, das als Pufferzone angesehen werden kann. Aus einem Rückhaltebecken unterhalb der Absturzstelle wurden unmittelbar nach dem Unfall Wasserproben entnommen, die geringe Gehalte an Mineralölkohlenwasserstoffen , BTEX und polyzyklischen Kohlenwasserstoffen (PAK) aufwiesen. Im Falle eines Bodenabtrags durch Erosion könnte das dem Gewässer vorgeschaltete Kiesfangbecken den mit Schwermetallen belasteten Boden vollständig zurückhalten. Als Maßnahme wird die Unfallstelle weiter beobachtet. Im Falle einer erosiven Verlagerung wird belastetes Bodenmaterial aus dem Kiesfang entnommen und ordnungsgemäß entsorgt. Weitergehende Maßnahmen sind aus wasserwirtschaftlicher Sicht nicht veranlasst. 3. Liegen der Staatsregierung Erkenntnisse vor, in welchem Umfang im Bereich des Naturschutzgebiets Ammergebirge im Jahr 2013 Übungsflüge mit Hubschraubern bzw. anderen Luftfahrzeugen durchgeführt wurden, aufgeschlüsselt nach: a) militärischen Übungsflügen (welche Armee, Anzahl , Gründe für die Übungsflüge im NSG Ammergebirge )? Das BMVg hat hierzu folgende Stellungnahme übermittelt: „Die Nutzung des Luftraumes über dem Naturschutzgebiet Ammergebirge ist für alle Luftfahrzeuge nach dem Luftverkehrsgesetz nebst Durchführungsverordnungen bei Einhaltung der Sichtflugregeln ohne vorherige Anmeldung gestattet. Aus diesem Grund werden keine gesonderten Daten über Flugbewegungen in diesem Bereich erhoben. Ein Sichtflugbetrieb mit militärischen Luftfahrzeugen findet aufgrund der Luftraumstruktur in diesem Bereich nicht statt. Der Umfang der durchgeführten Flüge mit militärischen Hubschraubern über dem Naturschutzgebiet Ammergebirge kann nur anhand einer Flugdichteauswertung annäherungsweise ermittelt werden. Im Jahr 2013 war eine Konzentration der Flugbewegungen im Bereich der Berge Frieder und Hochplatte festzustellen . Hier finden Gebirgsausbildungsflüge mit Hubschraubern der Bundeswehr statt, bei denen Lande- und Schwebeflug in schwierigem Gelände sowie Winch- und Außenlastmanöver geübt werden. Für diesen Teil der Ausbildung wird ein geeignetes Gebirgsareal benötigt, welches zurzeit lediglich im Bereich Ammergebirge zur Verfügung steht. Die Ausbildung im Gebirge ist notwendig, um die Besatzungen auf die Gegebenheiten im Auslandseinsatz, insbesondere in Afghanistan, dem Aufnehmen und Absetzen von Lasten, der Suche und Rettung von Verwundeten, der Landung in schwierigem Gelände sowie für die Durchführung von Rettungsflügen im Gebirge innerhalb der Bundesrepublik Deutschland vorzubereiten.“ Drucksache 17/1001 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 b) polizeilichen Übungsflügen? Zwischen dem damaligen Bayerischen Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen (jetzt Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz) und Hubschrauberbetreibern (u. a. auch die Polizeihubschrauberstaffel Bayern) wurde am 27.11.2002 die „Vereinbarung über die Inanspruchnahme des bayerischen Alpenraums durch Hubschrauber“ getroffen, um bedrohte Tierarten zu schützen und insbesondere die Adlerhorste zu schonen. Die Polizeihubschrauberstaffel Bayern hält sich strikt an diese Vereinbarung, soweit keine polizeilich notwendigen Flüge durchgeführt werden müssen. Finden Übungen der Polizeihubschrauberstaffel Bayern im Gebirge statt, werden diese von den örtlichen Bergwachtbereitschaften bzw. der Alpinen Einsatzgruppe der Polizei vorbereitet und mit den für den Naturschutz verantwortlichen Behörden und Institutionen abgesprochen. Die Polizeihubschrauberstaffel Bayern führte im Jahr 2013 keine Übungsflüge mit Polizeihubschraubern im Bereich des Naturschutzgebietes Ammergebirge durch. c) Übungsflügen von Rettungsorganisationen und ziviler Institutionen? Über Zahl und Umfang solcher Flüge führt die Bayerische Staatsregierung keine Statistiken. Zivile Übungsflüge können über dem Ammergebirge – ebenso wie sonst überall auch – unter Beachtung der luftrechtlichen Vorschriften, insbesondere unter Einhaltung der Sicherheitsmindesthöhen, durchgeführt werden. Eine Abfrage des StMI bei den Luftrettungsorganisationen zu Übungsflügen im Ammergebirge im Jahr 2013 ergab Folgendes: • Die ADAC Luftrettung gGmbH und die DRF Stiftung Luftrettung gGmbH haben im Jahr 2013 keine Übungsflüge im Ammergebirge durchgeführt. • Ein Zivilschutzhubschrauber des Bundes, der in Kooperation mit dem Bayerischen Roten Kreuz (Landesgeschäftsstelle ) im Luftrettungsdienst eingesetzt wird, führte am 26.09.2013 von 14.00 Uhr bis 17:18 Uhr am Westrand des Ammergebirges im Bereich Tegelberg eine Übung durch. Geübt wurde das Flugverfahren mit Rettungstau in Zusammenarbeit mit den Bergwachtbereitschaften Allgäu. • Die Luftrettungsstaffel Bayern e.V. – Deutscher Flugbeobachtungsdienst – teilte mit, dass der für dieses Gebiet zuständige Stützpunkt Ohlstadt (der Luftrettungsstaffel Bayern e.V.) im Rahmen der Luftbeobachter-Standortschulung (LBO-Ausbildung Stufe II) am 18.10.2013 zwei Flüge im Gebiet des Ammergebirges durchgeführt hat. Weitere Einsatz- bzw. Übungsflüge der Luftrettungsstaffel Bayern e.V. habe es in diesem Gebiet im Jahr 2013 nicht gegeben.