Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Alexander Muthmann FREIE WÄHLER vom 28.01.2014 Hochwasserschutzmaßnahmen für Passau Das katastrophale Hochwasser im Juni 2013 hat allen die Dringlichkeit weiterer Hochwasserschutzmaßnahmen an bayerischen Gewässern vor Augen geführt. Demzufolge werden derzeit überall, vor allem aber auch an der Donau, eine ganze Reihe verbessernder Hochwasserschutzmaßnahmen geplant und durchgeführt. Ich frage die Staatsregierung: 1. Inwieweit werden bei der Genehmigung solcher Hochwasserschutzmaßnahmen in ganz Bayern, nicht nur an Inn und Donau, die Auswirkungen für die Unterlieger und dabei insbesondere für die Stadt Passau als der am meisten betroffene „Ausleitungsort“ aller bayerischen Hochwässer berücksichtigt? 2. a) Gilt angesichts der schon bisher massiven Betroffenheit der Stadt Passau durch bayerische Hochwasserlagen an Donau/Inn jede weitere auch noch so geringfügige Erhöhung der Hochwasserrisiken durch oberstromige Hochwasserschutzmaßnahmen als erheblich ? b) Ab wann muss seitens der Genehmigungsbehörden eine Erheblichkeit im Sinne des § 68 Abs. 3 Nr. 1 des WHG mit Blick auf die Passauer Betroffenheit angenommen werden, wenn mit Blick auf die Hochwasserbetroffenheit in Passau oberstromige Hochwasserschutzmaßnahmen in Passau auch „unerhebliche “ Erhöhungen der Hochwasserrisiken bewirken können? 3. Welche Hochwasserschutzmaßnahmen werden derzeit , vor allem zwischen Regensburg und Vilshofen, gebaut oder sind in Planung? a) Ist bei diesen in Bau oder in Planung befindlichen Maßnahmen mit zusätzlichen negativen Auswirkungen auf den Pegelstand und damit auf die gesamte Hochwassersituation in Passau zu rechnen? b) Wenn ja, um wie viel soll sich nach den vorliegenden wasserwirtschaftlichen Berechnungen bei einem einhundertjährigen Hochwasser der Pegelstand in Passau erhöhen? 4. Werden an der Donau derzeit Polderflächen untersucht , die als Retentionsraum bei Hochwässern dienen können? a) Würden diese Polder, wenn sie als Retentionsraum konzipiert und ausgebaut sind, eine Entlastung für die Hochwassersituation in Passau bringen? b) Wenn ja, wie groß wären diese Entlastungen bei verschiedenen Hochwasserlagen, insbesondere bei einem einhundertjährigen Hochwasser? 5. a) Gibt es – wie etwa an der Donau – geplante Maßnahmen , wodurch die Hochwassergefahren, die vom Inn ausgehen, durch oberstromige Hochwasserschutzmaßnahmen und Rückhalteflächen entschärft werden können, nachdem der Inn die Hochwasserlage in Passau maßgeblich bestimmt? b) Welche weitergehenden Überlegungen bestehen seitens der Bayerischen Staatsregierung, um am Inn wirksame Hochwasserschutzmaßnahmen zu realisieren ? 6. a) Gibt es, und gegebenenfalls seit wann, Kontakte und Gespräche mit den österreichischen Behörden, um Hochwasserschutzmaßnahmen entlang des Inns gemeinsam abzustimmen, zu konzipieren und umzusetzen , nachdem die Hochwassergefahr, die durch den Inn insbesondere auch für Passau verursacht wird, offenkundig nur in Zusammenarbeit mit den österreichischen Behörden verbessert werden kann? b) Wenn solche Gespräche und Kontakte noch nicht bestehen , sollen solche demnächst stattfinden? c) Wenn solche gemeinsamen Überlegungen und Kontakte bereits bestehen: Welche Ergebnisse, haben diese Kontakte erbracht, gibt es gemeinsame Planungen und Umsetzungsüberlegungen und wie sehen diese aus? 7. Ist der Bayerischen Staatsregierung die Resolution des Schärdinger Wasserschutzverbandes an die Europäische Union mit Vorschlägen für die Schutzmaßnahmen entlang des Inns bekannt und wie werden die dortigen Ansätze und Lösungsvorschläge hinsichtlich ihrer Realisierbarkeit beurteilt? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 13.03.2014 1. Inwieweit werden bei der Genehmigung solcher Hochwasserschutzmaßnahmen in ganz Bayern, nicht nur an Inn und Donau, die Auswirkungen für die Unterlieger und dabei insbesondere für Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 25.04.2014 17/1013 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/1013 die Stadt Passau als der am meisten betroffene „Ausleitungsort“ aller bayerischen Hochwässer berücksichtigt? Die Auswirkungen einer Hochwasserschutzmaßnahme auf Unterlieger werden im wasserrechtlichen Verfahren nach dem Maßstab des § 68 Abs. 3 Nr. 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) fachlich und rechtlich bewertet. Die Planfeststellung oder die Plangenehmigung für einen Ausbau ist demnach zwingend zu versagen, sofern der beabsichtigte Ausbau eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit erwarten lässt. Für eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit nennt § 68 Abs. 3 Nr. 1 WHG zwei Beispiele. Danach beeinträchtigt die erhebliche und dauerhafte, nicht ausgleichbare Erhöhung der Hochwasserrisiken das Wohl der Allgemeinheit und führt zwingend zu einem Versagungsgrund . Nach der Legaldefinition in § 73 Abs. 1 Satz 2 WHG ist unter einem Hochwasserrisiko die Kombination der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Hochwasserereignisses mit den möglichen nachteiligen Hochwasserfolgen für die menschliche Gesundheit, die Umwelt, das Kulturerbe, wirtschaftliche Tätigkeiten und erhebliche Sachwerte zu verstehen . Eine solche Hochwassergefahr kann dadurch bewirkt werden, dass durch Ausbaumaßnahmen der Hochwasserabfluss beschleunigt und die Hochwasserwelle unterstrom erhöht wird. Gerade bei Deichbaumaßnahmen ist deshalb zu prüfen, ob derartige nachteilige Auswirkungen eintreten und wie diese planerisch vermieden werden können. 2. a) Gilt angesichts der schon bisher massiven Betroffenheit der Stadt Passau durch bayerische Hochwasserlagen an Donau/Inn jede weitere auch noch so geringfügige Erhöhung der Hochwasserrisiken durch oberstromige Hochwasserschutzmaßnahmen als erheblich? b) Ab wann muss seitens der Genehmigungsbehörden eine Erheblichkeit im Sinne des § 68 Abs. 3 Nr. 1 des WHG mit Blick auf die Passauer Betroffenheit angenommen werden, wenn mit Blick auf die Hochwasserbetroffenheit in Passau oberstromige Hochwasserschutzmaßnahmen in Passau auch „unerhebliche“ Erhöhungen der Hochwasserrisiken bewirken können? Nicht jede Erhöhung der Hochwassergefahr wird als eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit angesehen, sondern nur solche, die erheblich und dauerhaft sind. Erhebliche Erhöhungen liegen dann vor, wenn sie messbar sind und sich aus ihnen eine Verschärfung der Hochwassersituation ableiten lässt. Aus der Erhöhung müssen Folgerungen ableitbar sein, die für die Hochwassersituation bestimmend sind und die von einem Hochwasser ausgehenden Gefahren erhöhen. Ob eine Erheblichkeit in diesem Sinn vorliegt, ist im Einzelfall im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zu prüfen und zu beurteilen. Die Angabe einer konkreten Grenze, ab wann von erheblichen Auswirkungen auszugehen ist, ist nicht möglich. 3. Welche Hochwasserschutzmaßnahmen werden derzeit, vor allem zwischen Regensburg und Vilshofen , gebaut oder sind in Planung? Im Donauabschnitt zwischen Gmünder Au, Bezirksgrenze Oberpfalz zu Niederbayern und Vilshofen werden derzeit folgende Hochwasserschutzmaßnahmen gebaut oder sind in Planung: • Sofortprogramm zur Sicherung der bestehenden Hochwasserschutzanlagen zwischen Straubing und Vilshofen – teils in Bau, teils in Planung • Flutpolder Öberauer Schleife – in Planung • Donauausbau mit Hochwasserschutz zwischen Strau- bing und Deggendorf – Planfeststellung beantragt • Hochwasserschutz Hermannsdorf – Ainbrach – Planfest- stellungsverfahren läuft • Deichrückverlegung Mündung Sulzbach (2 Verfahren) – Planfeststellungsverfahren läuft • Neubau linker Isardeich – Planfeststellungsverfahren läuft • Deichrückverlegung Natternberg – in Bau (Restarbeiten) • Neubau Schöpfwerk Saubach – in Bau • Hochwasserschutz Niederalteich – in Planung • Hochwasserschutz Winzer – in Planung • Hochwasserschutz Windorf – in Bau (Teilabschnitt) a) Ist bei diesen in Bau oder in Planung befindlichen Maßnahmen mit zusätzlichen negativen Auswirkungen auf den Pegelstand und damit auf die gesamte Hochwassersituation in Passau zu rechnen ? b) Wenn ja, um wie viel soll sich nach den vorliegenden wasserwirtschaftlichen Berechnungen bei einem einhundertjährigen Hochwasser der Pegelstand in Passau erhöhen? Bei den in Bau oder im Planfeststellungsverfahren befindlichen Maßnahmen ergeben sich keine zusätzlichen negativen Auswirkungen auf die Hochwassersituation in Passau. Bei den noch in Planung befindlichen Maßnahmen werden die Auswirkungen im jeweiligen Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren geprüft. Das Wasserhaushaltsgesetz sieht vor, dass bei der Umsetzung von Hochwasserschutzmaßnahmen „eine erhebliche und dauerhafte, nicht ausgleichbare Erhöhung der Hochwasserrisiken nicht zu erwarten“ sein darf. Nach diesem Maßstab ist bei jeder aktiven Hochwasserschutzmaßnahme eine Prüfung und Bewertung der Auswirkungen auf die Unterlieger sichergestellt, sodass sich keine relevanten Verschlechterungen ergeben dürfen. Darüber hinaus sollen durch das Konzept gesteuerter Flutpolder an Donau und Inn mittelfristig auch für die Stadt Passau spürbare Verbesserungen eintreten. 4. Werden an der Donau derzeit Polderflächen untersucht , die als Retentionsraum bei Hochwässern dienen können? Flutpolderstandorte an der Donau wurden im Rahmen einer aktuellen Studie von der TU München untersucht, ihre Wirkung einzeln und in Kombination analysiert. Insgesamt konnte dabei an der Donau ein potenziell reaktivierbares Rückhaltevolumen von 136 Millionen m3 ermittelt werden. In den Donauabschnitten Neu-Ulm – Donauwörth, Donauwörth – Kelheim, Kelheim – Passau sollen jetzt auf Basis des Bayerischen Flutpolderkonzeptes ab 2014 Machbarkeitsstudien mit vertieften Wirkungsanalysen begonnen werden. a) Würden diese Polder, wenn sie als Retentionsraum konzipiert und ausgebaut sind, eine Entlastung für die Hochwassersituation in Passau bringen? Ja. Die Wirkung hängt allerdings sehr stark von der regionalen Verteilung und Ausprägung der jeweiligen Hoch- Drucksache 17/1013 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 wasserereignisse ab. Die Polder sollen allerdings nicht nur Passau, sondern den gesamten Flussverlauf unterhalb der jeweiligen Polder entlasten. Für Passau sind insbesondere mögliche Flutpolder am Inn bedeutsam, die im Wege einer Studie untersucht werden sollen. b) Wenn ja, wie groß wären diese Entlastungen bei verschiedenen Hochwasserlagen, insbesondere bei einem einhundertjährigen Hochwasser? Für eine genaue Beantwortung dieser Frage müssen erst die Ergebnisse der derzeit laufenden vertieften Wirkungsanalysen vorliegen. In den Wirkungsanalysen werden unterschiedliche Hochwasserereignisse untersucht, auch in der Wirkung der Rückhaltung auf die Stadt Passau bei einem 100-jährlichen Hochwasserereignis. Wir gehen von einer spürbaren Entlastung auch für Passau aus. 5. a) Gibt es – wie etwa an der Donau – geplante Maßnahmen , wodurch die Hochwassergefahren, die vom Inn ausgehen, durch oberstromige Hochwasserschutzmaßnahmen und Rückhalteflächen entschärft werden können, nachdem der Inn die Hochwasserlage in Passau maßgeblich bestimmt? Im bayerischen Einzugsgebiet des Inn laufen derzeit folgende Planungen für größere Rückhaltemaßnahmen: • Flutpolder Feldolling (Mangfall, Vorhabensträger Frei- staat Bayern) – im Planfeststellungsverfahren • Ein privater Kraftwerksbetreiber hat für den Bereich Feld- kirchen am Inn eine Studie für einen Flutpolder beauftragt . b) Welche weitergehenden Überlegungen bestehen seitens der Bayerischen Staatsregierung, um am Inn wirksame Hochwasserschutzmaßnahmen zu realisieren? Im Rahmen des Bayerischen Flutpolderkonzeptes ist beabsichtigt , in Abstimmung mit der Republik Österreich im Rahmen einer Innstudie die Möglichkeiten und Wirkungen von Rückhaltemaßnahmen an Inn und Salzach umfassend zu untersuchen. 6. a) Gibt es, und gegebenenfalls seit wann, Kontakte und Gespräche mit den österreichischen Behörden , um Hochwasserschutzmaßnahmen entlang des Inns gemeinsam abzustimmen, zu konzipieren und umzusetzen, nachdem die Hochwassergefahr, die durch den Inn insbesondere auch für Passau verursacht wird, offenkundig nur in Zusammenarbeit mit den österreichischen Behörden verbessert werden kann? b) Wenn solche Gespräche und Kontakte noch nicht bestehen, sollen solche demnächst stattfinden? Im Rahmen des „Regensburger Vertrags“ finden seit Langem regelmäßige Gespräche zwischen Bayern und Österreich zu wasserwirtschaftlichen Fragen statt. Gegenstand dieser Gespräche sind regelmäßig auch Fragen des Hochwasserschutzes . c) Wenn solche gemeinsamen Überlegungen und Kontakte bereits bestehen: welche Ergebnisse haben diese Kontakte erbracht, gibt es gemeinsame Planungen und Umsetzungsüberlegungen und wie sehen diese aus? Ein wesentliches Ergebnis dieser Gespräche ist die Zusammenarbeit zwischen Bayern und Österreich bei der Erstellung von Hochwasservorhersagen am Inn. 7. Ist der Bayerischen Staatsregierung die Resolution des Schärdinger Wasserschutzverbandes an die Europäische Union mit Vorschlägen für die Schutzmaßnahmen entlang des Inns bekannt und wie werden die dortigen Ansätze und Lösungsvorschläge hinsichtlich ihrer Realisierbarkeit beurteilt ? Die Resolution ist bekannt, eine Beurteilung liegt bisher nicht vor. Die Vorschläge sollen im Rahmen der geplanten Innstudie geprüft werden.