Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 15.02.2016 1. Wie viele Rückkehrer von Kriegshandlungen aus Syrien und dem Irak sind der Staatsregierung bekannt ? Mit Stand 27.01.2016 liegen der Staatsregierung Kenntnisse zu 23 bayerischen Islamisten bzw. Islamisten aus Bayern vor, die wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind.1 Als Ergebnis der kontinuierlichen Aus- und Bewertung der Erkenntnislage zu zurückgekehrten Personen liegen den bayerischen Sicherheitsbehörden aktuell zu vier in Bayern wohnhaften Personen Erkenntnisse vor, wonach sie sich aktiv am bewaffneten Widerstand in Syrien oder Irak beteiligt haben bzw. beteiligt haben könnten. Von diesen vier Personen befinden sich aktuell zwei in Haft. Zur Mehrzahl der Rückkehrer liegen jedoch keine eindeutig belegbaren Informationen vor, dass sie sich aktiv an Kampfhandlungen vor Ort beteiligt haben. 2. a) Wie werden die Rückkehrer überwacht und welcher Personalaufwand ist dafür notwendig? b) Steht ausreichend Personal dafür zur Verfügung? Die bayerischen Sicherheitsbehörden handeln hinsichtlich der generellen Problematik von Reisebewegungen gewaltorientierter Islamisten auf der Grundlage des seit 2009 bestehenden und fortgeschriebenen Gemeinsamen Handlungskonzeptes des Bayerischen Landeskriminalamtes, des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz und der jeweils betroffenen Staatsschutz-Dienststellen der Polizeipräsidien . Im Zuge der vermehrten Ausreisen in Richtung des Dschihadschauplatzes Syrien und der dadurch potenziell gestiegenen Problematik der (Wieder-) Einreisen gewaltorientierter Islamisten wurde das Gemeinsame Handlungskonzept 2013 mit Blick auf (Wieder-)Einreisen konkretisiert. So erarbeitet das Bayerische Landeskriminalamt in enger Absprache mit den tangierten bayerischen Staatsschutzdienststellen der Polizei und gemeinsam mit den zuständigen Sicherheitsbehörden möglichst frühzeitig vor der geplanten Wiedereinreise eines mutmaßlichen Teilnehmers an den bewaffneten Auseinandersetzungen im Krisengebiet Syrien/Irak – zum Teil im Rahmen eines präventiven Ermittlungsverfahrens – ein auf den jeweiligen Einzelfall abgestimmtes behördenübergreifendes Maßnahmenkonzept. Hierbei kommt insbesondere der engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Verfassungsschutz eine besondere Bedeutung zu. Ggf. werden auch 1 Von den vorgenannten 23 Rückkehrern sind aktuell 20 Personen in Bayern wohnhaft. Drei Rückkehrer haben derzeit eine außerbayerische Meldeanschrift. 17. Wahlperiode 08.04.2016 17/10146 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Peter Paul Gantzer SPD vom 11.01.2016 Überwachung von Rückkehrern aus Syrien und dem Irak (Hit-Teams) Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie viele Rückkehrer von Kriegshandlungen aus Syrien und dem Irak sind der Staatsregierung bekannt? 2. a) Wie werden die Rückkehrer überwacht und welcher Personalaufwand ist dafür notwendig? b) Steht ausreichend Personal dafür zur Verfügung? 3. Hat die Staatsregierung Kenntnisse von sog. „Hit- Teams“, die eigens für Anschläge in Europa ausgebildet wurden, und wie wird versucht, diese auszumachen ? 4. a) Gibt es Programme zur Deradikalisierung speziell für Rückkehrer? b) Bejahendenfalls: Wie arbeiten diese und gibt es bereits Erfolge? 5. Können Rückkehrer sicherheitsrelevante Informationen für die Sicherheitsbehörden liefern? 6. Wie hat sich die Zahl der Ausreisenden, die sich zur Unterstützung des Islamischen Staates (IS) auf den Weg nach Syrien und den Irak machen, im Jahr 2015 entwickelt? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/10146 Vertreter der AG BIRGIT zu den Besprechungen hinzugezogen . Nachdem bei diesen Personen in der Regel die Voraussetzungen für die Einstufung als sog. Gefährder vorliegen, ist ergänzend auch das Konzept „Standardmaßnahmen bei Gefährdern und Relevanten Personen“ des Bundeskriminalamtes zu berücksichtigen. Auch die festgelegten Kommunikations- und Entscheidungswege für die Sicherheitsbehörden in Bayern, aber auch für die Einbindung der Bundessicherheitsbehörden, ggf. weiterer beteiligter Landesbehörden und des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums (GTAZ) in Berlin haben sich in zahlreichen Fällen bewährt. Die konkreten Handlungsoptionen und Maßnahmen hängen primär von der jeweiligen Erkenntnislage und ihrer Verwertbarkeit im Einzelfall ab. Resultierend daraus sind entsprechende polizeirechtliche, strafverfahrensrechtliche, nachrichtendienstliche und/oder ausländerrechtliche sowie ggf. auch deradikalisierende Anschlussmaßnahmen abzustimmen und umzusetzen. Die jüngsten Lageentwicklungen haben zu einer weiteren Intensivierung der Maßnahmen der Sicherheitsbehörden geführt und binden dort ein hohes Maß an Ressourcen. Der erforderliche Personalaufwand für die Überwachung von Rückkehrern ist jeweils von der Bewertung des Einzelfalls und der zu veranlassenden Maßnahmen abhängig. Der zum Teil sehr hohe erforderliche Personalaufwand verteilt sich im Bereich der Polizei fallweise auf mehrere eingebundene Dienststellen. Grundsätzlich bestimmen die polizeiliche Taktik und die Priorität des vorliegenden Sachverhaltes den variablen Personalansatz. Den erhöhten Anforderungen bei der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus wurde bereits durch zusätzliche Stellen für Polizei und Verfassungsschutz Rechnung getragen. 3. Hat die Staatsregierung Kenntnisse von sog. „Hit- Teams“, die eigens für Anschläge in Europa ausgebildet wurden, und wie wird versucht, diese auszumachen ? Übereinstimmend mit der allgemeinen Gefährdungslage werden auch den bayerischen Sicherheitsbehörden seit geraumer Zeit Hinweise mit möglichen terroristischen Gefährdungssachverhalten in verstärktem Maße gemeldet. Den bayerischen Sicherheitsbehörden liegen insbesondere Meldungen ausländischer Nachrichtendienste und Behörden vor, die unterschiedliche Bedrohungslagen beinhalten , u. a. auch Meldungen über Personen, die Anschläge in Europa verüben wollen und hierfür angeblich in den Kampfgebieten in Syrien und im Irak ausgebildet wurden. Diese Hinweise werden grundsätzlich im GTAZ durch alle betroffenen Behörden gemeinsam bewertet und im Rahmen bundesweiter Dateiabfragen in den zur Verfügung stehenden Auskunftssystemen bei den Landeskriminalämtern einer weiteren Prüfung unterzogen. Ergänzend wird versucht, durch Anfragen bei Unternehmen der Informationstechnologie (z. B. Telefonanbieter, Netzagenturen oder Internetdienstanbieter ) verifizierende und identifizierende Daten zu erhalten. Aufgrund von meist nur fragmentarisch bekannten Informationen ist jedoch eine eindeutige Zuordnung der übermittelten Daten zu festgestellten Personen oftmals nicht zweifelsfrei möglich, wodurch die Ergreifung von Maßnahmen erheblich erschwert wird. Die bayerischen Sicherheitsbehörden prüfen jedoch in enger Abstimmung mit den Bundessicherheits- und ggf. weiteren Landesbehörden in jedem Einzelfall, ob sich aus den vorliegenden Hinweisen eine konkrete Gefahr für den Freistaat Bayern bzw. bayerische Belange ableiten lässt. Je nach Sachverhalt findet auch eine Abstimmung auf internationaler Ebene statt. Aktuell liegen keine Hinweise vor, die auf eine konkrete Gefahr für Bayern, z. B. durch die angesprochenen „Hit-Teams“, hindeuten. Allerdings muss auf die nach wie vor geltende Gefährdungslage hingewiesen werden. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein erklärtes und tatsächliches Ziel dschihadistisch motivierter Gewalt. Hierdurch besteht im Bundesgebiet eine hohe abstrakte Gefahr, die sich jederzeit inForm von gefährdungsrelevanten Ereignissen bis hin zu terroristischen Anschlägen und Entführungen konkretisieren kann. 4. a) Gibt es Programme zur Deradikalisierung speziell für Rückkehrer? b) Bejahendenfalls: Wie arbeiten diese und gibt es bereits Erfolge? Mit Ministerratsbeschluss vom 09.12.2014 wurde eine interministerielle Arbeitsgruppe aus Vertretern des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr (StMI), des Staatsministeriums für Justiz, des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration und des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst unter Federführung des StMI damit beauftragt, bereits bestehende Präventionsmaßnahmen und Projekte gegebenenfalls weiterzuentwickeln und zu einem Bayerischen Präventionsnetzwerk Salafismus zu vernetzen. Dem kam die interministerielle Arbeitsgruppe mit der Vorlage eines Konzepts für ein Bayerisches Präventions- und Deradikalisierungsnetzwerk gegen Salafismus nach, das am 28.07.2015 im Ministerrat beschlossen wurde. Danach deckt das Netzwerk die Bereiche Prävention und Deradikalisierung systematisch ab. Laut Ministerratsbeschluss soll die Deradikalisierungsarbeit durch eine Zentrale Beratungsstelle, die von einem zivilgesellschaftlichen Träger betrieben wird, gewährleistet werden. Das Deradikalisierungsangebot der Beratungsstelle soll sich grundsätzlich auch an sog. Rückkehrer richten, indem es z. B. Ausstiegshilfen anbietet. Das Bayerische Landeskriminalamt führt derzeit ein Vergabeverfahren zur Gewinnung eines geeigneten zivilgesellschaftlichen Trägers in Bayern durch. 5. Können Rückkehrer sicherheitsrelevante Informationen für die Sicherheitsbehörden liefern? Es bestehen bedingt Chancen, durch Rückkehrer an sicherheitsrelevante Informationen zu gelangen. Es ist den Sicherheitsbehörden bekannt, dass in Syrien ankommende Dschihadisten sehr oft in ihrer ursprünglichen (Reise-) Gruppe verbleiben. Vor allem die sprachliche Zuordnung vor Ort bringt es mit sich, dass deutschsprachige Rückkehrer viele Kontakte zu anderen deutschsprachigen Jihadisten knüpfen und somit über Erkenntnisse zu diesen verfügen . Teilweise können Rückkehrer auch sehr detaillierte Einblicke in die Struktur und Organisation der Islamistenszene in Deutschland geben. Konkrete Sachverhaltsschilderungen und die Nennung von Personen mit Bezug nach Bayern/Deutschland können einen großen Mehrwert für Polizei und Verfassungsschutz darstellen und ggf. die Einleitung von weiteren Ermittlungsverfahren ermöglichen. Im Hinblick auf die Umsetzung von Präventions- und Deradikalisierungsmaßnahmen sind darüber hinaus auch Angaben zum jeweiligen Hintergrund und die Faktoren ihrer Radikalisierung im Vorfeld einer Ausreise von großem Interesse. Drucksache 17/10146 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 6. Wie hat sich die Zahl der Ausreisenden, die sich zur Unterstützung des Islamischen Staates (IS) auf den Weg nach Syrien und den Irak machen, im Jahr 2015 entwickelt? Nachfolgendes Schaubild liefert eine Übersicht über die Entwicklung der Ausreisezahlen seit Mai 2013 bis Dezember 2015 für Bayern und den Bund. Demnach sind bis Dezember 2015 ca. 80 bayerische Islamisten bzw. Islamisten aus Bayern in Richtung Syrien bzw. Irak gereist oder planen dies in nächster Zeit, um dort aufseiten islamistisch-dschihadistischer Gruppierungen an Kampf-handlungen teilzunehmen oder dort agierende terroristische Gruppen in sonstiger Weise zu unterstützen (Ende 2014: ca. 50). Nicht in allen Fällen liegen Erkenntnisse vor, dass sich diese Personen tatsächlich in Syrien bzw. in den von der Terrormiliz Islamischer Staat kontrollierten Gebieten im Irak aufhalten oder auch aufgehalten haben. Bundesweit zeichnete sich zuletzt eine verringerte Ausreisedynamik ab. Die undurchsichtigen Verhältnisse in Syrien und im Irak lassen eine eindeutige Zuordnung der ausgereisten Personen zu bestimmten Terrorgruppierungen vor Ort meist nicht zu. Die Ausreisezahlen beziehen sich daher nicht ausschließlich auf Unterstützer des sog. IS.