Antwort des Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie vom 19.02.2016 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz wie folgt beantwortet: Die Entscheidung über eine vorzeitige Stilllegung des Heizkraftwerks München Nord liegt nicht in der Verantwortung der Staatsregierung. Die erfragten Daten liegen hier nur teilweise vor und werden für einzelne Kraftwerksblöcke im Hinblick auf die Vermeidung von bürokratischem Aufwand auch in Zukunft nicht erfasst werden. Die Beantwortung der Schriftlichen Anfrage basiert auf den der Staatsregierung vorliegenden Informationen. Grundsätzlich liegt die Entscheidung über den Betrieb eines Kraftwerkes innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen bei dem jeweiligen Betreiber (Stadtwerke München). Insofern besteht auch für das Heizkraftwerk Nord kein gesetzlich festgelegter Stilllegungszeitpunkt. Eine Stilllegung erfolgt aufgrund technisch-wirtschaftlicher Überlegungen des Betreibers. Die Stadtwerke München haben unter externer gutachterlicher Begleitung durch das Öko-Institut untersucht, wie ein Ausstieg aus der Kohleverbrennung im Block 2 des Heizkraftwerks München Nord durchgeführt werden könnte und welche ökonomischen und ökologischen Effekte dies zur Folge hätte. Die in der frei zugänglichen Dokumentation („Untersuchung unterschiedlicher Szenarien zum Ausstieg aus der Kohleverstromung am Standort Nord“, Öko-Institut, 2015) ausgewiesenen Untersuchungsergebnisse sind in die Antworten mit eingeflossen. 1. Welche Kosten entstehen durch eine Laufzeitverkürzung und wie setzen sich diese zusammen? Laut der genannten Dokumentation entsteht den Stadtwerken München als Betreiber des Heizkraftwerks Nord bei einer vorzeitigen Stilllegung des Blocks 2 ein finanzieller Schaden in Höhe von 340 bis 600 Mio. € (bei einer Stilllegung im Jahr 2020), von 180 bis 380 Mio. € (bei einer Stilllegung im Jahr 2025) und von 55 bis 170 Mio. € (bei einer Stilllegung im Jahr 2030). Es wird davon ausgegangen, dass sich die finanziellen Einbußen hauptsächlich aus entgangenen Gewinnen aus dem Verkauf des theoretisch nach der vorzeitigen Stilllegung erzeugten Stroms zusammensetzen. Genauere Angaben hierzu können nur die Stadtwerke München als Betreiber der Anlage machen. 2. Wie würde sich eine Laufzeitverkürzung auf den Strompreis auswirken? Die im Falle einer Laufzeitverkürzung wegfallende Stromerzeugung des Blocks 2 des Heizkraftwerks München Nord würde durch Erzeugung aus anderen Kraftwerken im deut- 17. Wahlperiode 08.04.2016 17/10169 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Peter Paul Gantzer SPD vom 18.01.2016 Heizkraftwerk München Nord Seit Dezember 2015 werden parteiübergreifend Unterschriften für ein Bürgerbegehren „Raus aus der Steinkohle“ gesammelt . Die Initiative will die Laufzeit des Heizkraftwerks (HKW) München Nord bzw. des Kohleblocks 2 (vorgesehen bis 2035) auf 2022 verkürzen. Ich frage die Staatsregierung: 1. Welche Kosten entstehen durch eine Laufzeitverkürzung und wie setzen sich diese zusammen? 2. Wie würde sich eine Laufzeitverkürzung auf den Strompreis auswirken? 3. Welche Varianten der Laufzeitverkürzung stehen zur Debatte und welche Kosten bringen sie jeweils mit sich? 4. Welchen Schadstoffausstoß hat das Kraftwerk und wie wird sich dieser voraussichtlich in Zukunft entwickeln? 5. Welcher Schaden und damit zusammenhängende Kosten entstehen durch den Schadstoffausstoß des Kohleblocks 2? 6. Hat die Laufzeitverkürzung einen Einfluss auf die Versorgungssicherheit ? 7. Wie beurteilt die Staatsregierung insgesamt die Rolle des HKW bei der künftigen Stromversorgung? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/10169 schen und europäischen Markt ersetzt. Da sich der deutsche Großhandelsstrompreis auf dem gesamten deutschösterreichischen Marktgebiet unter Einbezug von Im- und Exporten mit dem europäischen Ausland bildet, sind bei der vorzeitigen Stilllegung eines einzigen Kraftwerks keine nennenswerten Auswirkungen auf den Strompreis zu erwarten. 3. Welche Varianten der Laufzeitverkürzung stehen zur Debatte und welche Kosten bringen sie jeweils mit sich? Der Staatsregierung sind keine einzelnen Varianten bekannt. In den Untersuchungen der Stadtwerke München wurden die Auswirkungen einer Laufzeitverkürzung bis 2020, 2025 und 2030 untersucht. Für die dabei entstehenden Kosten vgl. Antwort zu Frage 1. 4. Welchen Schadstoffausstoß hat das Kraftwerk und wie wird sich dieser voraussichtlich in Zukunft entwickeln ? Der Schadstoffausstoß des Heizkraftwerks München Nord ist unter www.thru.de veröffentlicht. Für das zur Verfügung stehende Berichtsjahr 2013 ergibt sich der in folgender Tabelle dargestellte Schadstoffausstoß, der nicht nur aus dem Block 2 (Kohleverbrennung), sondern auch aus den Blöcken 1 und 3 emittiert wurde. Freisetzung in die Luft: Jahresfracht Schadstoffbezeichnung CAS- Nummer Schwellenwert 2.650.000.000 kg Kohlendioxid (CO2) 124-38-9 100.000.000 kg/ Jahr 1.870.000 kg Stickoxide (NOX/NO2) - 100.000 kg/Jahr 215.000 kg Schwefeloxide (SOX/SO2) - 150.000 kg/Jahr 46.100 kg Distickoxid (N2O) 10024-97-2 10.000 kg/Jahr 39,5 kg Quecksilber und Verbindungen (als Hg) - 10 kg/Jahr Der Schadstoffausstoß des Heizkraftwerks München Nord wird sich bei gleicher Auslastung in Zukunft durch Absenkung von Emissionsgrenzwerten in der Verordnung über Großfeuerungsanlagen – Dreizehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Großfeuerungs-, Gasturbinen- und Verbrennungsanlagen – 13. BImSchV) – voraussichtlich weiter reduzieren . 5. Welcher Schaden und damit zusammenhängende Kosten entstehen durch den Schadstoffausstoß des Kohleblocks 2? Für den Block 2, in dem Steinkohle verbrannt wird, gilt die Verordnung über Großfeuerungs-, Gasturbinen- und Verbrennungsmotoranlagen (13. BImSchV) vom 02.05.2013. Die 13. BImSchV wurde zu diesem Datum novelliert und setzt die europäische Richtlinie 2010/75/EU vom 24.11.2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung) um, die gegenwärtig für diese Anlagen den aktuellen Stand der Technik – insbesondere Emissionsgrenzwerte für Luftschadstoffe – festlegt. In § 1 Abs. 3 der 13. BImSchV wird klargestellt, dass diese Verordnung insbesondere Anforderungen an Feuerungsanlagen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und zur Erfüllung von Luftqualitätsanforderungen der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union nach § 48 a Abs. 1 und 3 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes enthält. Da die hier festgelegten Emissionsgrenzwerte bereits Vorsorgewerte darstellen, sind zum jetzigen Zeitpunkt keine Schäden durch den Ausstoß von Luftschadstoffen des Blocks 2 und damit zusammenhängende Kosten erkennbar. 6. Hat die Laufzeitverkürzung einen Einfluss auf die Versorgungssicherheit ? Aufgrund des Ausstiegs aus der Kernenergie und fehlenden Investitionen in neue Kraftwerke sinkt insbesondere in Süddeutschland die gesichert zur Verfügung stehende Kraftwerksleistung. Die vorzeitige Abschaltung eines konventionellen Kraftwerks stellt vor diesem Hintergrund insbesondere vor Vollendung des derzeit geplanten Übertragungsnetzausbaus in Deutschland eine Verschärfung der Situation dar. Aufgrund der den für die Versorgungssicherheit zuständigen Netzbetreibern zur Verfügung stehenden Instrumente ist davon auszugehen, dass die Versorgungssicherheit in Deutschland auch im Falle der angesprochenen Laufzeitverkürzung gewährleistet ist. Aus den Untersuchungen der Stadtwerke München und des Öko-Instituts geht außerdem hervor, dass eine vorzeitige Stilllegung des Blocks 2 mit dem Verlust der Inselnetzfähigkeit des Verteilnetzes der Stadtwerke München einhergeht und der Netzwiederaufbau deutlich erschwert wird. 7. Wie beurteilt die Staatsregierung insgesamt die Rolle des HKW bei der künftigen Stromversorgung? Das HKW Nord ist durch die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), die gleichzeitige Erzeugung von Strom und Wärme, besonders effizient (hoher Gesamtwirkungsgrad) und leistet bereits einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele . Das HKW Nord ist durch die KWK daher neben der Stromversorgung auch für die Fernwärmeversorgung Münchens von großer Bedeutung. Allerdings ist in München mittelfristig die Umstellung der Fernwärme auf regenerative Wärmeversorgung, insbesondere durch Tiefengeothermie, vorgesehen. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Förderung der KWK sind im Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) geregelt, das zum 01.01.2016 novelliert wurde und auf Bestreben Bayerns künftig gezielt die besonders CO2-arme Erzeugung durch hoch effiziente Gas-KWK der allgemeinen Versorgung unterstützt. So erhalten erstmalig Neubauprojekte , die eine kohlebefeuerte KWK-Anlage ersetzen , zusätzlich einen Bonus für den eingespeisten Strom in Höhe von 0,6 ct/kWh. Weiterhin werden auch bestehende gasbefeuerte Anlagen in der allgemeinen Versorgung befristet bis 2019 gefördert. KWK-Anlagen sollen damit eine zusätzliche Emissionsminderung von 4 Millionen Tonnen CO2 bis zum Jahr 2020 erbringen und damit einen wichtigen Beitrag zur Erreichung des 40 %-Einsparziels bis 2020 leisten. Die Rolle, die dem HKW München Nord für die künftige Stromversorgung – auch unter Berücksichtigung der geänderten gesetzlichen Rahmenbedingungen – beigemessen wird, hängt dabei von zahlreichen technischen und wirtschaftlichen Kriterien ab und obliegt allein dem Betreiber .