Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 17.12.2015 Datenspeicherungen bei Fußballspielen Ich frage die Staatsregierung: 1. Werden im Freistaat Bayern über die hier ansässigen Fanprojekte sowie deren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Informationen und persönliche Daten durch die bayerischen Sicherheitsbehörden erfasst? 1.1 Wenn ja, welche Daten werden erfasst (bitte unter Nennung der Rechtsgrundlage, der Speicherfristen , der Zugriffsberechtigten, der Einsichts- und Löschungsrechte der Betroffenen und der Darstellung einer ggf. bestehenden Möglichkeit einer Datenweitergabe an Dritte)? 2. Werden oder wurden (bitte unter Nennung des Zeitraums ) in der bayerischen Fußballszene V-Personen (anlassbezogen oder permanent) der Polizei oder des Verfassungsschutzes eingesetzt? 3. Werden oder wurden in der bayerischen Fußballszene Fußballfans durch technische Maßnahmen überwacht (z. B. Abhören von Telekommunikationsdaten)? 3.1 Wenn ja, wann und zu welchen Anlässen findet oder fand diese Überwachung statt (bitte ggf. unter Nennung der Rechtsgrundlage)? 4. Unter welchen Umständen werden Handy-Standortortungen bei Fußballfans in Bayern durchgeführt (bitte unter Nennung der Rechtsgrundlage)? 5. Unter welchen Kriterien werden polizeiliche Videoüberwachungen von Fußballfans an Spieltagen (z. B. durch mobile Videohandkameras oder mobile Videofahrzeuge ) ausgewertet, wer hat Zugriff auf die Aufnahmen und wie lange werden sie gespeichert (bitte unter Nennung der Rechtsgrundlage)? 5.1 Wird die Videoüberwachung innerhalb und im Umfeld der Allianz Arena von der Polizei betrieben und gesteuert oder von den privatrechtlich Verantwortlichen und wie wird mit dem erfassten Material verfahren (bitte unter Nennung der Rechtsgrundlage der Videoüberwachung und der Rechtsgrundlagen für Speicherung, Auswertung, Löschung und möglicherweise Weitergabe an Dritte)? 6. Welche Dienstanweisungen oder Richtlinien der Staatsregierung/der Ministerien existieren oder existierten in Bezug auf Straftaten mit Fußballbezug für die Staatsanwaltschaften in Bayern (bitte unter Nennung des Inhalts)? 7. Gibt es nach dem Urteil des BVerfG vom März 2015 Anweisungen, das Tragen von Bekleidungen mit Aufdrucken wie „ACAB“ oder „FCKCPS“ nicht mehr wegen dem Straftatbestand der Beleidigung zur Anzeige zu bringen? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 22.02.2016 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: 1. Werden im Freistaat Bayern über die hier ansässigen Fanprojekte sowie deren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Informationen und persönliche Daten durch die bayerischen Sicherheitsbehörden erfasst? 1.1 Wenn ja, welche Daten werden erfasst (bitte unter Nennung der Rechtsgrundlage, der Speicherfristen , der Zugriffsberechtigten, der Einsichts- und Löschungsrechte der Betroffenen und der Darstellung einer ggf. bestehenden Möglichkeit einer Datenweitergabe an Dritte)? Bei der Bayerischen Polizei gibt es keine eigenständige Datensammlung , in der Informationen und persönliche Daten der Fanprojektmitarbeiter gespeichert werden. Jedoch werden die Kontaktdaten des Fanprojekts bei denjenigen Polizeidienststellen vorgehalten, welche mit dem Fanprojekt in Kontakt treten müssen. Zudem werden die Kontaktdaten des Fanprojekts in der Vereinsbeschreibung aufgeführt, welche bundesweit an die einsatzführenden Polizeidienststellen versandt und im Portal der Landesinformationsstelle für Sporteinsätze (LIS) beim Polizeipräsidium München den einsatzführenden bayerischen Polizeidienststellen zur Verfügung gestellt wird. 2. Werden oder wurden (bitte unter Nennung des Zeitraums) in der bayerischen Fußballszene V-Personen (anlassbezogen oder permanent) der Polizei oder des Verfassungsschutzes eingesetzt? Der etwaige Einsatz von V-Leuten oder Vertrauenspersonen in der bayerischen Fußball-Fanszene war bereits Ge- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 10.06.2016 17/10270 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/10270 genstand der Schriftlichen Anfrage der Frau Abgeordneten Simone Tolle vom 09.10.2012, der Anfrage zum Plenum des Herrn Abgeordneten Tobias Thalhammer vom 28.01.2013 und der Schriftlichen Anfrage des Herrn Abgeordneten Thomas Mütze vom 10.01.2013. Auf die Antworten wird Bezug genommen (LT-Drs. 16/15024, 16/15490 und 16/15818). Ergänzend wird zudem auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage im Deutschen Bundestag verwiesen (BT-Drs. 17/11303). Die bayerische Fußball-Fanszene und ihre Strukturen sind und waren keine Beobachtungsobjekte des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz (BayLfV). Daher werden auch, entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen , keine nachrichtendienstlichen Maßnahmen in diesem Zusammenhang eingesetzt. Derartige Maßnahmen sind nur denkbar, wenn sich aus der Fußballszene Bestrebungen entwickeln würden, die den Aufgabenbereich des BayLfV betreffen. V-Personen des BayLfV in extremistischen Gruppierungen werden möglicherweise auch Kontakte in die Fußball- Fanszene pflegen oder selbst Fußballspiele besuchen. Dies geschieht aber grundsätzlich außerhalb deren Tätigkeit für das BayLfV und dient auch nicht dem Erkenntnisgewinn des BayLfV, solange es nicht im Zusammenhang mit extremistischen Bestrebungen steht. Die Bayerische Polizei setzt grundsätzlich keine Vertrauenspersonen ein, um gezielt Erkenntnisse im Milieu der Fußball-Fanszene zu gewinnen. Soweit im Vorfeld konkreter Fußballereignisse die Notwendigkeit besteht, die Erkenntnislage über gewaltbereite Personen und Gruppierungen abzuklären, geschieht dies in der Regel durch den bewährten Einsatz der szenekundigen Beamten (SKB). Die SKB sind als Polizeibeamte in den relevanten Fangruppen bekannt. 3. Werden oder wurden in der bayerischen Fußballszene Fußballfans durch technische Maßnahmen überwacht (z. B. Abhören von Telekommunikationsdaten )? 3.1 Wenn ja, wann und zu welchen Anlässen findet oder fand diese Überwachung statt (bitte ggf. unter Nennung der Rechtsgrundlage)? Lediglich im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Schwaben Nord wurde im Jahr 2014 ein Fußballfan der Ultraszene Augsburg anlässlich eines Raubes nach Spielende zum Nachteil mehrerer Gästefans mittels technischer Maßnahmen überwacht. Die Telekommunikationsüberwachung wurde gemäß § 100 a der Strafprozessordnung (StPO) durchgeführt. 4. Unter welchen Umständen werden Handy-Standortortungen bei Fußballfans in Bayern durchgeführt (bitte unter Nennung der Rechtsgrundlage)? Handy-Standortortungen bei Personen nur in Bezug auf ihre Eigenschaft als Fußballfan sind rechtlich nicht zulässig und werden von der Bayerischen Polizei nicht durchgeführt. 5. Unter welchen Kriterien werden polizeiliche Videoüberwachungen von Fußballfans an Spieltagen (z. B. durch mobile Videohandkameras oder mobile Videofahrzeuge) ausgewertet, wer hat Zugriff auf die Aufnahmen und wie lange werden sie gespeichert (bitte unter Nennung der Rechtsgrundlage)? Die Auswertung von polizeilichen Videoüberwachungen von Fußballfans an Spieltagen zur Verfolgung von Straftaten oder bedeutenden Ordnungswidrigkeiten erfolgt aufgrund von § 163 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 483 Abs. 1 StPO im Sinne von Datennutzung (Datenverarbeitung für Zwecke des Strafverfahrens). Dabei trägt die Videoauswertung zur Verbesserung der Beweislage bei, indem sie es ermöglicht, Tatverdächtige zu identifizieren sowie neue Fahndungsansätze zu gewinnen und letztlich auch eine beweiskräftige Dokumentation zu erstellen. Der Zugriff auf die Videoaufnahmen und -aufzeichnungen ist bei der Bayerischen Polizei beschränkt. Zugriff haben nur diejenigen Polizeibeamte, die mit der Ermittlung von Straftaten im Zusammenhang mit Fußballbegegnungen befasst sind, sowie speziell eingesetzte Polizeibeamte zur Beweissicherung . Die Löschfrist (Löschung nach Abschluss des Verfahrens) ergibt sich aus § 489 Abs. 2 StPO (Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten). Die Löschung der polizeilichen Videoaufzeichnungen erfolgt gem. Art. 32 Abs. 4 des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) spätestens nach 3 Wochen, soweit diese nicht zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung oder Straftaten benötigt werden. 5.1 Wird die Videoüberwachung innerhalb und im Umfeld der Allianz Arena von der Polizei betrieben und gesteuert oder von den privatrechtlich Verantwortlichen und wie wird mit dem erfassten Material verfahren (bitte unter Nennung der Rechtsgrundlage der Videoüberwachung und der Rechtsgrundlagen für Speicherung, Auswertung, Löschung und möglicherweise Weitergabe an Dritte)? Die Videoanlage der Allianz Arena wird während polizeilicher Einsätze ausschließlich von der Polizei betrieben und gesteuert. Zugriff auf die Anlagen der polizeilichen Videoüberwachung haben – mit Ausnahme bei System- und Wartungsarbeiten durch die betreffenden Firmen – nur die in der Befehlsstelle eingesetzten Polizeibeamten der Videoüberwachung und Mitarbeiter des Polizeiführungsstabes. Während der polizeilichen Einsätze werden die Videoaufnahmen an den Ordnungsdienst des Veranstalters übertragen , damit dieser im Rahmen des Hausrechts ggf. eigenständig Maßnahmen treffen kann. Ein Zugriff auf die Anlage selbst oder auf Aufzeichnungen ist nicht möglich. Außerhalb der Veranstaltungen nutzt der Sicherheitsdienst das Videosystem eigenverantwortlich zur Objektsicherung . In der Allianz Arena erfolgt die Aufzeichnung zu polizeilichen Zwecken auf einem fest installierten Datenträger. Daher wird nicht der Originaldatenträger dem zuständigen Fachkommissariat beim Polizeipräsidium München übergeben , sondern eine DVD, auf welche die relevanten Videosequenzen exportiert werden. Bei dem zuständigen Fachkommissariat erfolgt anschließend u. a. mit Unterstützung der szenekundigen Beamten die Auswertung hinsichtlich Straftaten und Ordnungswidrigkeiten. Diesbezüglich relevante Videoaufzeichnungen werden bei Straftaten mit der Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft übermittelt, bei Ordnungswidrigkeiten an das Kreisverwaltungsreferat. Die weitere Aufbewahrung/Löschung erfolgt von diesen Behörden aus. Bei denjenigen Aufzeichnungen, die nicht für ein Strafbzw . Ordnungswidrigkeitenverfahren benötigt werden, erfolgt gemäß Art. 32 Abs. 4 PAG die Löschung spätestens drei Wochen nach der Datenerhebung. Drucksache 17/10270 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Rechtsgrundlagen der polizeilichen Videoüberwachung: • Aufzeichnung/Überwachung: Art. 32 PAG (Gefahrenabwehr) § 100 h, § 163 StPO, §§ 53, 46 des Ordnungswidrigkeitengesetzes – OwiG (Verfolgung von Straftaten und OWi) • Speicherung/Nutzung: Art. 37, 38 PAG (Gefahrenabwehr) § 163 Abs. 1 StPO i. V. m. § 483 Abs. 1 StPO, §§ 53, 46 OwiG (Verfolgung von Straftaten und OWi) • Weitergabe an Dritte: Art. 39, 40, 41 PAG (Gefahrenabwehr) §§ 477 ff. StPO, §§ 53, 46 Ordnungswidrigkeitengesetz – OwiG (Verfolgung von Straftaten und OWi) 6. Welche Dienstanweisungen oder Richtlinien der Staatsregierung/der Ministerien existieren oder existierten in Bezug auf Straftaten mit Fußballbezug für die Staatsanwaltschaften in Bayern (bitte unter Nennung des Inhalts)? Im Geschäftsbereich des Staatsministeriums der Justiz gibt es aktuell weder Dienstanweisungen noch Richtlinien, die speziell Straftaten mit Fußballzug zum Gegenstand haben und sich an die bayerischen Staatsanwaltschaften richten. Entsprechendes gilt für die Vergangenheit. 7. Gibt es nach dem Urteil des BVerfG vom März 2015 Anweisungen, das Tragen von Bekleidungen mit Aufdrucken wie „ACAB“ oder „FCKCPS“ nicht mehr wegen dem Straftatbestand der Beleidigung zur Anzeige zu bringen? Im Geschäftsbereich des Staatsministeriums der Justiz gibt es seit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2015 (Aktenzeichen 1 BvR 1036/14), wonach das Tragen eines mit der Buchstabenkombination „FCK- CPS“ beschrifteten Ansteckers im öffentlichen Raum vor dem Hintergrund des Grundrechts auf Meinungsfreiheit nicht ohne Weiteres strafbar ist, keine Anweisung, das Tragen von Bekleidung mit Aufdrucken wie „ACAB“ oder „FCK- CPS“ nicht mehr wegen des Straftatbestandes der Beleidigung zur Anzeige zu bringen.