Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ruth Müller SPD vom 25.11.2015 „Vorsätzliche Zerstörung“ archäologischer Grabungsstellen in Landshut In einem Artikel der Landshuter Zeitung vom 12. November 2015 wird auf Seite 13 über eine „vorsätzliche Zerstörung“ archäologischer Grabungsstellen berichtet. Ich frage die Staatsregierung: 1. Trifft es zu, dass bei Ausgrabungen 2012/2013 am Kollerbräuparkplatz in Landshut Funde aus der Zeit um 1475 zutage kamen, die sich der Zeit der Landshu ter Hochzeit zuordnen lassen? 2. a) Trifft es zu, dass auf Wunsch des Investors die Bo dendenkmalpflege einer übergangsweisen Abdeckung des Areals zugestimmt hat, damit ein angrenzendes Gebäude abgerissen werden konnte? b) Gibt es eine vertragliche Festlegung, dass die Ausgra bungen anschließend wieder aufgenommen werden konnten? 3. Trifft es zu, dass bei unangekündigten Kontrollen der Baustelle im Januar 2013 das Landesamt für Denk malpflege festgestellt hat, dass sowohl die Überde ckung der Grabungsfläche als auch die abgedeckte Befundschicht weggebaggert worden war? 4. Trifft es zu, dass trotz sofort verhängtem Baustopp die Fundstellen weiter abgebaggert wurden? 5. Wie bewertet die Staatsregierung die Höhe der durch die Stadt Landshut verhängten Bußgeldzahlung auf grund eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens gegen den Bauherren? 6. Was ist der Staatsregierung über den Verbleib der Ausgrabungsobjekte bekannt? 7. Trifft es zu, dass bereits bei anderen Grabungen in Landshut, z. B. an der Fischergasse (hier soll etwa ein Drittel der Grabungsfläche, der Baurampe war, un kontrolliert weggebaggert worden sein), ähnliche Vor kommnisse auftraten und hier keine Bußgeldverfahren eingeleitet worden waren? Antwort des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 25.02.2016 Die Schriftliche Anfrage der Frau Abgeordneten Ruth Mül ler vom 25.11.2015 betreffend „Vorsätzliche Zerstörung archäologischer Grabungsstellen in Landshut“ wird auf Grundlage entsprechender Informationen des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege (BLfD), der Regierung von Niederbayern und der Stadt Landshut wie folgt beantwortet: 1. Trifft es zu, dass bei Ausgrabungen 2012/2013 am Kollerbräuparkplatz in Landshut Funde aus der Zeit um 1475 zutage kamen, die sich der Zeit der Landshuter Hochzeit zuordnen lassen? Die archäologischen Funde und Befunde, die im Vorfeld der geplanten Bebauung des sogenannten Kollerbräupark platzes dokumentiert und dem BLfD im Rahmen der vorge schriebenen Dokumentationskontrollen für das Grabungs areal 2 vorgelegt wurden, datieren in die Zeit zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert. Drei der im Februar und März 2013 ausgegrabenen und dokumentierten Latrinen enthiel ten jedoch ein herausragendes Fundspektrum, wie z. B. hochwertige Gläser, die in die 2. Hälfte des 15. Jahrhun derts datieren und damit in die Zeit der Landshuter Hochzeit. Wissenschaftliche Analysen, die das BLfD in Auftrag gab, bestätigen die Datierungen. 2. a) Trifft es zu, dass auf Wunsch des Investors die Bodendenkmalpflege einer übergangsweisen Abdeckung des Areals zugestimmt hat, damit ein angrenzendes Gebäude abgerissen werden konnte? Ein erstes Grabungsareal vom Oktober/November 2012 wurde auf Wunsch des Investors vorübergehend konserva torisch überdeckt (Schutzvlies samt Schotterschicht), damit das Gebäude Herrngasse 374 ohne Gefährdung für die im unmittelbaren Umfeld tätige Grabungsfirma abgetragen wer den konnte. Das BLfD stimmte dieser zwischenzeitlichen Überdeckung im Sinne des Baufortschritts schriftlich zu. b) Gibt es eine vertragliche Festlegung, dass die Ausgrabungen anschließend wieder aufgenommen werden konnten? Der Investor, die CityPalaisLandshut GmbH, hatte einen Vertrag mit der archäologischen Fachfirma Anzenberger und Leicht geschlossen, um die Auflagen der bodendenkmal rechtlichen Erlaubnis der Stadt Landshut vom 06.06.2012 umzusetzen. Die Arbeiten standen unter der fachlichen Kont rolle des BLfD. Im Dezember 2012 kündigte die City PalaisLandshut GmbH diesen Vertrag, wurde aber sofort und wiederholt schriftlich durch das BLfD darauf hingewie sen, eine neue archäologische Fachfirma für die Fortfüh rung der denkmalfachlichen Arbeiten zu beauftragen, da an sonsten die Gefahr einer Ordnungswidrigkeit bestehe. Der Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 31.03.2016 17/10324 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/10324 Investor war somit zu jeder Zeit über den Stand der erledig ten Arbeiten und der noch ausstehenden Arbeiten informiert. 3. Trifft es zu, dass bei unangekündigten Kontrolle der Baustelle im Januar 2013 das Landesamt für Denkmalpflege festgestellt hat, dass sowohl die Überdeckung der Grabungsfläche als auch die abgedeckte Befundschicht weggebaggert worden war? Am Mittag des 15.01.2013 stellte das BLfD bei einer unan gekündigten Baustellenkontrolle fest, dass im Grabungs areal 1 sowohl die zwischenzeitliche konservatorische Über deckung als auch der Rest der erhaltenen archäologischen Fundschichten und Befunde weggebaggert worden waren und der Bagger noch im Einsatz war. Die Arbeiten wurden eingestellt, als auf Betreiben des BLfD die Bauaufsicht der Stadt Landshut am Nachmittag einen Baustopp für Erdar beiten aussprach. Ein schriftlicher Bescheid wurde durch die Stadt Landshut am 18.01.2013 erstellt. 4. Trifft es zu, dass trotz sofort verhängtem Baustopp die Fundstellen weiter abgebaggert wurden? Am Morgen des 16.01.2013 wollten Mitarbeiter des BLfD den Zerstörungsumfang an der archäologischen Fundstel le im Rahmen einer Beweissicherung aufnehmen. Dabei mussten die BLfDMitarbeiter feststellen, dass trotz des ausgesprochenen Baustopps für Erdarbeiten die Zerstörung der archäologischen Fundstelle weiter betrieben wurde. Auf Forderung des BLfD sprach die Bauaufsicht der Stadt Landshut erneut einen Baustopp für Erdarbeiten aus. Die Aushubarbeiten wurden daraufhin sofort eingestellt. 5. Wie bewertet die Staatsregierung die Höhe der durch die Stadt Landshut verhängten Bußgeldzahlung aufgrund eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens gegen den Bauherren? Nach Mitteilung der Stadt wurde zunächst mit Bescheid vom 10.04.2013 ein Bußgeld in Höhe von 9.000 € wegen vor sätzlichen Verstoßes gegen Art. 7 Abs. 1 DSchG festgesetzt. Zur Ermittlung des Betrags wurde sowohl der wirtschaftliche Vorteil durch die entstandene zeitliche Ersparnis als auch der wirtschaftliche Vorteil durch geringere Aufwendungen für Grabungs und Dokumentationskosten grob abgeschätzt und daraufhin als pauschales Bußgeld von 9.000 € festge setzt. Erst eine genaue Prüfung des vorausgegangenen Schrift wechsels und das Vorbringen des Beschuldigten, dass er aufgrund eines Schreibens des Landesamts für Denkmal pflege vom 21.12.2012 wohl von einer zumindest teilweisen Freigabe ausgehen konnte, führte zu einer erneuten Über prüfung der Bußgeldhöhe und inwieweit sich der Vorwurf einer vorsätzlichen Tat im Rahmen eines eventuellen Ge richtsverfahrens durchsetzen lassen würde. Es wurden Ge spräche mit den Beteiligten geführt, die Aktenlage geprüft und darüber übereingekommen, dass für die fahrlässige Be gehung einer Ordnungswidrigkeit ein Bußgeld von 4.000 € festgesetzt wird. Dieses wurde mit Bußgeldbescheid vom 24.04.2013 erhoben und vereinnahmt. Vergleichsfälle für gleichgelagerte Sachverhalte lagen der Stadt nicht vor. Die Höhe des Bußgeldes wurde in Abwägung der gerichtlichen Durchsetzbarkeit und der Ahndung des Verstoßes gegen denkmalschutzrechtliche Auflagen von der Stadt für ange messen erachtet. Die für die Aufsicht hinsichtlich Vollzugsfragen zuständige Höhere Denkmalschutzbehörde, die Regierung von Nieder bayern, hat bei einigen Unteren Denkmalschutzbehörden hinsichtlich des Vorliegens aktueller Bußgeldfälle angefragt. Die Bodendenkmäler betreffenden genannten 5 Bußgeldfäl le bewegen sich demnach von 5.000 € bis 33.000 € (wobei das letzte im diesbezüglichen Gerichtsverfahren dann auf 16.100 € reduziert wurde). Eine belastbare Vergleichbarkeit von Fällen herzustellen dürfte im Hinblick auf die jeweils sehr differenzierenden Um stände allerdings schwierig sein. Das Staatsministerium hat die Regierung um eine weitere Stellungnahme hinsichtlich der Bewertung und Reduzierung des verhängten Bußgelds gebeten. Die Regierung hat daraufhin mitgeteilt, dass auch nach Vorlage ergänzender Unterlagen durch die Stadt eine belastbare Bewertung nach wie vor nicht möglich ist. 6. Was ist der Staatsregierung über den Verbleib der Ausgrabungsobjekte bekannt? Die Funde aus dem Bereich des Grabungsareals 1 (Okto ber/November 2012) wurden nach einem Rechtsstreit am 31.03.2015 ungereinigt und wissenschaftlich unbearbeitet der CityPalaisLandshut GmbH (Eigentümer gem. § 984 BGB) durch die ehemals beauftragte Grabungsfirma Anzen berger & Leicht übergeben. Das BLfD wurde über den Ver bleib der Funde informiert. Bereits zuvor war der Eigentümer mehrfach darauf hingewiesen worden, dass das Verfahren ohne die im denkmalrechtlichen Bescheid der Stadt Lands hut geforderte Fundbearbeitung nicht mit einer schriftlichen Freigabe abgeschlossen werden kann. Die Funde der Gra bungsfläche 2 (Februar/März 2013) wurden nach deren vor schriftsmäßigen Reinigung und Dokumentation beim BLfD abgegeben (Mai 2015) und im November 2015 abschlie ßend überprüft. Ein Schreiben an den Investor und Fund eigentümer, die CityPalaisLandshut GmbH, ging ungeöff net an das BLfD zurück. Eine korrekte oder neue Anschrift der CityPalaisLandshut konnte nicht verifiziert werden und EMails mit Bitte um Übermittlung der Adresse an den Ge schäftsführer und andere dem BLfD bekannte Mitarbeiter der CityPalaisLandshut GmbH blieben unbeantwortet. Die Funde aus dem Grabungsareal 2 werden deshalb bis auf Weiteres beim BLfD zwischengelagert. 7. Trifft es zu, dass bereits bei anderen Grabungen in Landshut, z. B. an der Fischergasse (hier soll etwa ein Drittel der Grabungsfläche, der Baurampe war, unkontrolliert weggebaggert worden sein), ähnliche Vorkommnisse auftraten und hier keine Bußgeldverfahren eingeleitet worden waren? Das BLfD hat bei keinen anderen Grabungen in Landshut ein Ordnungswidrigkeitsverfahren angestrebt und es ist nicht bekannt, dass die Stadt Landshut selbst in dieser Rich tung tätig geworden ist. Ein mit dem oben geschilderten Fall vergleichbarer Vorgang ist nicht durch das BLfD dokumen tiert worden.