Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Hans Jürgen Fahn FREIE WÄHLER vom 26.01.2016 Anerkennung von Abschlüssen von Russland deutschen Ich frage die Staatsregierung: 1. Inwieweit erfolgt eine Anerkennung von Diplomen und anderen Abschlüssen (z. B. auch bei Ärzten und Lehrern) von Russlanddeutschen in Bayern bzw. welche Voraus setzungen müssen gegeben sein, damit eine Anerken nung erfolgt? 2. Wie viele Anträge wurden in den letzten 5 Jahren in Bay ern gestellt und wie vielen Anträgen wurde stattgegeben, bzw. wie viele Anträge wurden abgelehnt und wie lautete die jeweilige Begründung? 3. Inwieweit musste auch z. B. durch eine Zusatzqualifikati on nachgebessert werden bzw. finden Qualifikationsana lysen im Rahmen des Anerkennungsverfahrens flächen deckend statt? 4. Wird das am 01.01.2016 in Kraft getretene Berufsqualifi kationsfeststellungsgesetz auch im Fall der Anerkennung von Abschlüssen von Russlanddeutschen Anwendung finden, und wenn ja, in welcher Weise? 5. Wie entwickeln sich diese Zahlen auch im Hinblick auf die aktuelle Zuwanderungslage nach Auffassung der Staats regierung in den nächsten Jahren? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 29.02.2016 1. Inwieweit erfolgt eine Anerkennung von Diplomen und anderen Abschlüssen (z. B. auch bei Ärzten und Lehrern) von Russlanddeutschen in Bayern bzw. wel che Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit eine Anerkennung erfolgt? Die Bezeichnung „Russlanddeutsche“ mag um gangs sprachlich gebraucht werden, lässt jedoch keine den ge setzlichen Anforderungen genügende Abgrenzung des Per sonenkreises zu. Das Bundesvertriebenengesetz (BVFG) nennt nur Spät aussiedler (§ 4 BVFG) und setzt bei diesen die deutsche Volkszugehörigkeit (§ 6 BVFG) voraus. Nur einem Spätaus siedler – nicht jeder über das Spätaussiedleraufnahmever fahren in Deutschland aufgenommenen Person – werden gem. § 10 BVFG Beweiserleichterungen bei der Beibrin gung von im Herkunftsland abgelegten Prüfungen und Be fähigungsnachweisen gewährt. Diese Erleichterungen sind von der für eine Anerkennung der Prüfungen zuständigen Stelle zu beachten. Für den Vollzug des BVFG sind seit 01.01.2005 die Bun desländer nicht mehr zuständig. Die Zuständigkeit liegt al lein beim Bund und bei der dafür von diesem bestimmten Behörde, nämlich dem Bundesverwaltungsamt (BVA). Alternativ haben Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler die Möglichkeiten, eine Anerkennung beruflicher Abschlüs se, die sie in den Aussiedlungsgebieten erworben haben, nach dem Gleichwertigkeitsverfahren des Berufsqualifi kationsfeststellungsgesetzes (BQFG) oder in Bayern seit 01.08.2013 nach dem Bayerischen Berufsqualifikationsfest stellungsgesetzes, (BayBQFG) zu beantragen. Über die Berufsanerkennung in Deutschland informiert die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung bereitgestellte Informationsplattform „Anerken nung in Deutschland“, die nicht nur das auch für Spätaussiedler gül tige Verfahren erläutert, sondern auch auf die heterogenen Zuständigkeiten verweist. 2. Wie viele Anträge wurden in den letzten 5 Jahren in Bayern gestellt und wie vielen Anträgen wurde statt gegeben, bzw. wie viele Anträge wurden abgelehnt und wie lautete die jeweilige Begründung? Für den Vollzug des BVFG sind seit 01.01.2005 die Bundes länder nicht mehr zuständig. Die Zuständigkeit liegt allein beim Bund und bei der dafür von diesem bestimmten Be hörde, nämlich dem Bundesverwaltungsamt (BVA). Dieses führt allgemeine Statistiken zum Spätaussiedleraufnahme verfahren und wertet dabei u. a. auch die Berufsstruktur der Neuankömmlinge aus, wie es die Jahresstatistik 2014 auf S. 15, 16 zeigt. Die Jahresstatistik für 2015 steht noch nicht zum Abruf zur Verfügung. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 08.04.2016 17/10329 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/10329 Drucksache 17/10329 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Im Rahmen der Anerkennung nach dem BQFG und Bay BQFG werden nach Auskunft des Bayerischen Landesamtes für Statistik (LfStat) keine Daten zum Status „Spätaussiedler“ erhoben. Erhoben werden in den Anerkennungsverfahren lediglich die Staatsangehörigkeit des Antragstellers sowie der zugehörige Ausbildungsstaat. Ausgehend von der Prä misse, dass Spätaussiedler im Rahmen ihrer Anerkennung auch umgehend die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten, hat sich das LfStat um folgende Annäherung bemüht: Die folgenden Tabellen für die Jahre 2012 bis 2014 ge ben einen Überblick über Anerkennungsverfahren von Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit und einer Ausbildung in einer der ehemaligen Sowjetrepubliken. Wir weisen eindrücklich darauf hin, dass es sich hier möglicher weise, aber nicht zwingend um Spätaussiedler handelt. Anerkennungsverfahren nach dem Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz BQFG und BayBQFG* nach Entscheidung vor Rechtsbehelf und Ausbildungsstaat mit deutscher Staatsangehörigkeit in Bayern 2012 Kennziffer Ausbildungsstaat Insgesamt abge schlossene Verfahren Entscheidung vor Rechtsbehelf noch keine Entscheidung negativ positiv – volle Gleichwertigkeit Auflage einer Ausgleichsmaß name positiv (beschränkter Berufszugang nach HWO) 139 Lettland 1 1 – 1 – – – 142 Litauen 3 3 – 2 1 – – 146 Moldau 5 1 – 1 – – 4 159 Sowjetunion 14 4 1 3 – – 10 160 Russische Föderation 97 47 2 37 8 – 50 166 Ukraine 42 17 2 14 1 – 25 169 Weißrussland 6 4 – 4 – – 2 422 Armenien 1 – – – – – 1 425 Aserbaidschan 2 – – – – – 2 430 Georgien 1 – – – – – 1 444 Kasachstan 59 23 2 19 2 – 36 450 Kirgisistan 2 1 – 1 – – 1 471 Turkmenistan 3 2 – 2 – – 1 477 Usbekistan 1 – – – – – 1 Insgesamt 237 103 7 84 12 – 134 Anerkennungsverfahren nach dem Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz BQFG und BayBQFG* nach Entscheidung vor Rechtsbehelf und Ausbildungsstaat mit deutscher Staatsangehörigkeit in Bayern 2013 Kennziffer Ausbildungsstaat Insgesamt abge schlossene Verfahren Entscheidung vor Rechtsbehelf noch keine Entscheidung negativ positiv – volle Gleichwertigkeit Auflage einer Ausgleichsmaß name positiv (beschränkter Berufszugang nach HWO) 127 Estland 1 1 1 – – – – 139 Lettland 1 1 – 1 – – – 146 Moldau 3 3 1 2 – – – 159 Sowjetunion 21 19 5 14 – – 2 160 Russische Föderation 64 47 5 27 15 – 17 166 Ukraine 24 18 4 10 4 – 6 169 Weißrussland 1 1 1 – – – – 425 Aserbaidschan 1 1 – 1 – – – 430 Georgien 4 4 1 3 – – – 444 Kasachstan 46 32 1 24 7 – 14 450 Kirgisistan 1 1 – 1 – – – 470 Tadschikistan 3 2 1 1 – – 1 477 Usbekistan 1 1 – – 1 – – Insgesamt 171 131 20 84 27 – 40 Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/10329 Anerkennungsverfahren nach dem Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz BQFG und BayBQFG* nach Entscheidung vor Rechtsbehelf und Ausbildungsstaat mit deutscher Staatsangehörigkeit in Bayern 2014 Kennziffer Ausbildungsstaat Insgesamt abge schlossene Verfahren Entscheidung vor Rechtsbehelf noch keine Entscheidung negativ positiv – volle Gleichwertigkeit Auflage einer Ausgleichsmaß name positiv (beschränkter Berufszugang nach HWO) 127 Estland 1 1 – 1 – – – 139 Lettland 1 1 – 1 – – – 142 Litauen 1 – – – – – 1 146 Moldau 3 2 1 1 – – 1 148 Niederlande 8 7 1 6 – – 1 159 Sowjetunion 24 22 5 16 1 – 2 160 Russische Föderation 64 54 10 35 9 – 10 166 Ukraine 21 17 1 14 2 – 4 169 Weißrussland 3 3 – 2 1 – – 430 Georgien 3 2 – 2 – – 1 444 Kasachstan 51 39 6 28 5 – 12 450 Kirgisistan 5 5 – 3 2 – – 470 Tadschikistan 1 1 – 1 – – – 477 Usbekistan 1 1 – 1 – – – Insgesamt 187 155 24 111 20 – 32 Wir weisen darauf hin, dass die Erhebungen gemäß BQFG und BayBQFG keinerlei Informationen beinhalten zu den Ablehnungsgründen. 3. Inwieweit musste auch z. B. durch eine Zusatzqualifi kation nachgebessert werden bzw. finden Qualifika tionsanalysen im Rahmen des Anerkennungsverfah rens flächendeckend statt? Hierzu liegen der Staatsregierung keine Daten vor: Hin sichtlich der Nachbesserung von Zusatzqualifi kationen führt das LfStat keine Erhebungen durch. Laut LfStat werden im Rahmen der Erhebungen gemäß BQFG und BayBQFG keinerlei Informationen zu etwaigen flächendeckenden Qualifikationsanalysen erhoben. 4. Wird das am 01.01.2016 in Kraft getretene Berufsqua lifikationsfeststellungsgesetz auch im Fall der Aner kennung von Abschlüssen von Russlanddeutschen Anwendung finden, und wenn ja, in welcher Weise? Mit dem am 01.01.2016 in Kraft getretenen Gesetz wurde die EURichtlinie 2013/55/EU zur Anerkennung von Be rufsqualifikationen im BayBQFG umgesetzt. Ziel der No vellierung war, dass Personen aus EUMitgliedstaaten und gleichgestellten Staaten ihre Berufsqualifikationen auf dem deutschen Arbeitsmarkt noch besser nutzen können. Für Spätaussiedler hat sich durch die Umsetzung der EURicht linie im BayBQFG nichts für die Anerkennung von Abschlüs sen geändert. 5. Wie entwickeln sich diese Zahlen auch im Hinblick auf die aktuelle Zuwanderungslage nach Auffassung der Staatsregierung in den nächsten Jahren? Aufgrund der variablen Situation sind keine Prognosen für die Zukunft möglich.