Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Michael Piazolo FREIE WÄHLER vom 19.01.2016 Interkulturelle Kompetenz in der Aus- und Fortbildung der Bayerischen Polizei In der Beschlussempfehlung und im Bericht des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) Untersuchungsausschusses des Bundestages vom 22.08.2013 wurden erhebliche Verbesserungen in den Bereichen Polizeiaus- und fortbildung angemahnt. Insbesondere die Bildungsmodule zu Menschenrechten und interkultureller Kompetenz sollen deutlich verbessert werden. Dabei fordert der Untersuchungsausschuss u. a. auch, interkulturelle Kompetenz im Leitbild der Polizei zu verankern und entsprechende Ausund Fortbildungsinhalte, die bereits im höheren und gehobenen Dienst (3. und 4. Qualifikationsebene) vermittelt werden , auch auf den mittleren Dienst (2. Qualifikationsebene) zu übertragen. Darüber hinaus empfiehlt der Bericht auch die Erhöhung des Anteils von Migrantinnen und Migranten im Polizeidienst. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sieht in der praktischen Umsetzung dieser Ansprüche sowohl im Bund als auch in den Bundesländern trotz eindeutiger Absichtserklärungen noch einen großen Nachholbedarf. Aufgrund des demografischen Wandels mit einer steigenden Zahl an Menschen mit Migrationshintergrund und der hohen Zahl an Flüchtlingen stellt sich die Frage, welche Schritte die Staatsregierung unternommen hat, um auch im Freistaat Bayern die Ausbildungs- und Fortbildungspläne für die Polizei auf die Stärkung interkultureller Kompetenz auszurichten. Ich frage die Staatsregierung: 1. Wurden seit den Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses die Aus- und Fortbildungsinhalte der Bayerischen Polizei im Bereich der interkulturellen Kompetenz geändert bzw. ausgeweitet/erweitert? a) Wenn ja, inwieweit? b) Wenn nein, warum nicht? 2. Welchen Stellenwert hat die interkulturelle Kompetenz in der Ausbildung der unterschiedlichen Qualifikationsebenen ? a) Welche Lerninhalte der Ausbildung in den Qualifikationsebenen fördern nach Auffassung der Staatsregierung die interkulturelle Kompetenz? b) Enthalten die Lehrpläne/Ausbildungspläne der Qualifikationsebenen ein explizites interkulturelles Training und seit wann ist es Bestandteil der Ausbildung? c) Wie viele Unterrichtsstunden umfasst das interkulturelle Training? 3. Welche Inhalte werden durch das interkulturelle Training in der Ausbildung der unterschiedlichen Qualifikationsebenen vermittelt (bitte um Angabe der verfolgten Lernziele und um Angabe der Lehrinhalte des interkulturellen Trainings)? a) Wie viele Auszubildende nahmen an den Programmen teil? 4. Welche Fortbildungsprogramme für die Bayerische Polizei fördern die interkulturelle Kompetenz (bitte um Auflistung aller angebotenen Fortbildungsprogramme in Bayern)? a) Enthalten diese Fortbildungsprogramme ein explizites interkulturelles Training (bitte auch um Angabe der Anzahl der Seminareinheiten)? b) Wie viele Polizeibeschäftigte nahmen seit der Implementierung an den entsprechenden Fortbildungsprogrammen teil? 5. Welche Inhalte werden durch das interkulturelle Training in der Fortbildung vermittelt? a) Welche Lernziele verfolgt das interkulturelle Training? b) Welche Lehrinhalte beinhaltet das interkulturelle Training ? c) Welchen pädagogischen und didaktischen Prinzipien folgt das interkulturelle Training? 6. Über welche Qualifikation verfügen die Lehrenden für interkulturelle Kompetenz in der Ausbildung und in der Fortbildung der Bayerischen Polizei? 7. Sind Fortbildungsprogramme zur interkulturellen Kompetenz auf bestimmte Zielgruppen in den unterschiedlichen Qualifikationsebenen beschränkt? 8. Werden die Ausbildungs- und Fortbildungsprogramme zur interkulturellen Kompetenz evaluiert? a) Wenn ja, mit welchem Ergebnis (bitte auch die wesentlichen Aussagen nennen)? b) Wenn nein, warum nicht? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 03.03.2016 Eine leistungsfähige und bürgerorientierte Polizeiarbeit ist die Grundlage für ein funktionierendes Gemeinwesen und ein wichtiger Standortfaktor für ein sicheres Bayern. Als Dienstleister für die Öffentlichkeit steht die Bayerische Polizei besonders vor der Herausforderung, bei der Aufgabenerfüllung auf die Bedürfnisse aller Bevölkerungsgruppen eingehen zu können. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 22.04.2016 17/10428 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/10428 Interkulturelle Kompetenz ist seit jeher eine wichtige Schlüsselqualifikation, um im täglichen Polizeidienst der Aufgabenzuweisung im Bereich der Prävention und Repression gerecht werden zu können. Dabei stellt sowohl die Anzahl der Kulturen und Subkulturen als auch die Tiefe bzw. der Umfang des jeweiligen Normen - und Wertekontextes eine besondere Herausforderung für unsere Polizei dar. Einer abschließenden Vermittlung sind allein aufgrund des Umfangs sowohl in der Ausbildung wie auch der Fortbildung klare Grenzen gesetzt. Insoweit ist und bleibt der Polizeiberuf ein Erfahrungsberuf, der auf Expertenwissen aufbaut. Dieses wird zu einem großen Teil in der beruflichen Praxis erworben. Aufgabe der Ausbildung ist es deshalb vor allem, unseren jungen Beamten die Bedeutung des Themas zu verdeutlichen und Hintergründe, Zusammenhänge und wichtige Wirkmechanismen zu vermitteln. Beamte in Ausbildung sollen vor dem Hintergrund eines lebenslangen Lernprozesses durch die Ausbildung befähigt werden, sich im späteren Berufsleben zielgerichtet Expertenwissen zu erwerben. Die Teilnahme an verschiedenen, zielgerichteten Fortbildungsmaßnahmen unterstützt diesen Prozess. Dies vorangestellt, wird die Schriftliche Anfrage wie folgt beantwortet : 1. Wurden seit den Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses die Aus- und Fortbildungsinhalte der Bayerischen Polizei im Bereich der interkulturellen Kompetenz geändert bzw. ausgeweitet/ erweitert? a) Wenn ja, inwieweit? b) Wenn nein, warum nicht? Ausbildung 2. Qualifikationsebene Im Zusammenhang mit den Ergebnissen des NSU-Untersuchungsausschusses wurde der Ausbildungsplan für die 2. Qualifikationsebene (QE) des Polizeivollzugsdienstes, u. a. auch auf die Thematik „Interkulturelle Kompetenz“ hin eingehend überprüft. Die Themenstellung „Interkulturelle Kompetenz“ war bereits in verschiedenen Ausbildungsfächern fächerübergreifend im Rahmen eines ganzheitlichen Ansatzes im Ausbildungsplan angemessen vertreten. Um die Thematik noch intensiver in den Fokus der Polizeiausbildung 2. QE zu rücken, werden im Jahr 2016 verstärkend Projekttage „Interkulturelle Kompetenz“ durchgeführt. Studienpläne für die 3. und 4. Qualifikationsebene Der Fachbereich Polizei der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern (FHVR – Fachbereich Polizei) ist im Forschungsrahmenprogramm H2020 der EU an dem Projekt „Unity“ beteiligt, bei dem es um die Verbesserung und Optimierung der Kommunikation zwischen Polizei und Minderheitengruppierungen geht. Interkulturelle Kompetenz und interkulturelle Kommunikation spielen hierbei für die erfolgreiche Entwicklung des Projekts eine Rolle. Ergebnisse, die für die Ausbildung der Polizei relevant sind, werden auch in das Curriculum der 3. oder 4. Qualifikationsebene mit einfließen. Die hohe Zahl der Flüchtlinge wird im Projekt thematisiert. Auch besteht eine enge Verbindung zum Partnerprojekt Inspec 2T, an dem die Deutsche Hochschule der Polizei in Münster (DHPol) beteiligt ist. Änderungen im Curriculum der 3. QE werden spätestens ab dem Wintersemester 2016/17, wahrscheinlich aber schon zum Sommersemester 2016 umgesetzt. Die Ausbildung in den Bereichen der Soziologie, Psychologie und Politischen Bildung beinhaltet bereits jetzt Themen der interkulturellen Kompetenz. Dies wird auch künftig so beibehalten. Der Masterstudiengang (4. QE) an der DHPol beinhaltet das Thema Interkulturelle Kommunikation in den Modulen 19 (internationale und interkulturelle Polizeiarbeit) und 20 (Führung in komplexen und interkulturellen Kommunikationsprozessen ). Bei der gegenwärtigen Curriculumrevision soll die interkulturelle Kompetenz eine noch stärkere Akzentuierung erhalten . Zentrale Fortbildung bei der Bayer. Polizei Das Thema „Interkulturelle Kompetenz“ ist seit 2007 fester Bestandteil der polizeilichen Fortbildung. Bereits in diesem Jahr wurden Trainer des sog. polizeilichen Antistress-, Kommunikations - und Einsatzbewältigungstrainings (PAKET) als Multiplikatoren am Fortbildungsinstitut der Bayer. Polizei in Ainring (BPFI Ainring) ausgebildet, die das Thema „Hintergrundwissen zum arabisch-islamischen Kulturkreis“ im Rahmen von Dienstunterrichten behandelten. Dieses Basiswissen wurde damals allen Beamtinnen und Beamten der Bayer. Polizei nähergebracht. Weiterhin wurde festgelegt, in welchen Seminaren des zentralen Fortbildungsprogramms der Bayer. Polizei die Thematik behandelt werden soll. Begleitend wurden spezifische Informationen im Intranet der Bayer. Polizei (Intra-Pol) veröffentlicht, welche stets aktuell gehalten werden. Mit Vorlage des Berichts des NSU-Untersuchungsausschusses wurden die Ergebnisse zur Fortbildung aufgegriffen und besonders im Seminar „Führungspraxis“, das sich an Beamte der 4. QE richtet, behandelt. Auch in den übrigen Seminaren des zentralen Fortbildungsprogrammes der Bayer. Polizei , bei denen interkulturelle Kompetenz besonders relevant ist, sind entsprechende Unterrichtssequenzen Bestandteil bzw. wurden aufgenommen. Hierunter fallen unter anderem die Seminare „Staatsschutz“, „Verhandlungsgruppen“, „Kriminalprävention Islamismus“, „Fachseminar Islamismus“, „Gefährderansprache Stalking“ und „Führungstraining 4“. Aktuell haben wir eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die zeitnah die aktuellen Fortbildungsbedarfe im Zusammenhang mit dem Flüchtlingszustrom erheben und Vorschläge zur Umsetzung der erforderlichen Fortbildungsmaßnahmen entwerfen wird. Hierbei wird die Vermittlung interkultureller Kompetenz ein wesentlicher Aspekt sein. In die Arbeitsgruppe sind sowohl das BPFI Ainring, das Strategische Innovationszentrum des Bayer. Landeskriminalamts (SIZ) und der Zentrale Psychologische Dienst der Bayer. Polizei (ZPD) eingebunden. 2. Welchen Stellenwert hat die interkulturelle Kompetenz in der Ausbildung der unterschiedlichen Qualifikationsebenen ? a) Welche Lerninhalte der Ausbildung in den Qualifikationsebenen fördern nach Auffassung der Staatsregierung die interkulturelle Kompetenz? b) Enthalten die Lehrpläne/Ausbildungspläne der Qualifikationsebenen ein explizites interkulturelles Training und seit wann ist es Bestandteil der Ausbildung? Drucksache 17/10428 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 c) Wie viele Unterrichtsstunden umfasst das interkulturelle Training? Ausbildung 2. Qualifikationsebene Im Rahmen der Ausbildung werden die Beamtinnen und Beamten nicht nur rechtlich und taktisch auf ihre künftige Aufgabe, sondern auch in psychologischer Hinsicht auf den Umgang mit dem Bürger vorbereitet. Der Bürger erwartet von Polizeibeamten neben kommunikativen Fähigkeiten auch psychologisches Geschick und insbesondere Kompetenz bei der Konfliktbewältigung. Angehende Polizeibeamte sollen lernen, ihr Verhalten und ihre Vorgehensweise der Situation und dem Gegenüber entsprechend anzupassen. Ziel ist es, kritische Situationen in erster Linie mit psychologischen und kommunikativen Mitteln zu lösen. Hierbei ist interkulturelle Kompetenz eine Kernkompetenz für das verantwortungsvolle Handeln in einer sich verändernden Gesellschaft. Die Unterrichtsinhalte vermitteln die Fähigkeit, interkulturelle Situationen und Zusammenhänge wahrzunehmen und sie mit ihren Problemstellungen zu erfassen , das eigene Bedingungs-, Bezugs- und Wertesystem zu sehen und eigene Einstellungen, das eigene Verhalten und Handeln kritisch reflektieren zu können, sowie Konflikte im interkulturellen Kontext wahrzunehmen und bearbeiten zu können. Interkulturelle Kompetenz bedeutet allerdings nicht, sich den Wertvorstellungen anderer vollständig zu unterwerfen, sondern sie zu kennen und sie, soweit möglich und im Einzelfall angebracht, im Sinne einer Konfliktvermeidungsstrategie zu respektieren. Die nachfolgend unter 3. dargestellte Polizeiausbildung wird in Inhalt und Umfang seit Beginn der modularen Polizeiausbildung im Jahr 2006 durchgeführt. Interkulturelle Kompetenz war seit dem Jahr 2000 bereits Ausbildungsinhalt, wenn auch noch nicht in der dargestellten Breite. Zu Lerninhalten und Unterrichtsstunden verweisen wir auf unsere Antwort zu Frage 3. Studienpläne für die 3. und 4. Qualifikationsebene Interkulturelle Kompetenz wird besonders durch das Studium der Fächer Soziologie, Psychologie und Politische Bildung gefördert. Inhaltliche Schwerpunkte liegen in den drei Fächern auf dem Wissen bzw. dem Verständnis um die gesellschaftliche Schichtung, die gruppendynamischen Prozesse, Stereotype und Einstellungen, sowie die kulturellen Aspekte der Globalisierung, der Migration, der internationalen Konflikte und Beziehungen. Ein explizites interkulturelles Training wird voraussichtlich ab dem Sommersemester 2016 mit einem Stundenansatz von voraussichtlich vier bis sechs Stunden in das Curriculum der 3. QE aufgenommen. Im Curriculum der 4. QE ist die Thematik derzeit, wie unter 1. dargestellt, im Modul 19 (Umfang: workload 120) und im Modul 20 (Umfang: workload 60) verankert. 3. Welche Inhalte werden durch das interkulturelle Training in der Ausbildung der unterschiedlichen Qualifikationsebenen vermittelt (bitte um Angabe der verfolgten Lernziele und um Angabe der Lehrinhalte des interkulturellen Trainings)? a) Wie viele Auszubildende nahmen an den Programmen teil? Ausbildung 2. Qualifikationsebene Die Basis für die interkulturelle Kompetenz künftiger Polizeibeamter liegt auch hier in der Persönlichkeitsbildung. Ziel sind sozial kompetente Polizeibeamte, die vorurteilsfrei und der Situation angemessen mit dem Bürger umgehen, unabhängig von dessen Herkunft, Stand, Religion oder Weltanschauung . Die Thematik „interkulturelle Kompetenz“ wird in verschiedenen Ausbildungsfächern durchgängig in der Ausbildung behandelt. Gelehrt werden verfassungsrechtliche Grundsätze , Menschenbild und Menschenwürde als Bindeglied zu weltanschaulichen, kulturellen und religiösen Fragen sowie der Umgang mit sozialen Randgruppen. Schwerpunkte werden hier in den Fächern Politische Bildung/Zeitgeschehen und in der Berufsethik gesetzt. In praktischen Modulen werden ethnische Besonderheiten verschiedener Bevölkerungsgruppen, interkulturelle Zusammenhänge , Hintergründe von Migration und Integration vermittelt und mittels zielgerichteter Einsatzkommunikation anschließend trainiert. Im Zuge von Projekttagen und Außenveranstaltungen werden fallweise auch beispielsweise Moscheen oder Synagogen besucht. Zudem stehen Referenten aus verschiedensten Bereichen mit Migrationshintergrund oder anderen kulturellen Wurzeln z. B. Ausländerbeiräte, Russlanddeutsche etc. Rede und Antwort. Das Fachwissen für die Thematik Interkulturelle Kompetenz wird insbesondere in folgenden Modulen/Fächern mit den zugeordneten Inhalten gelehrt: • Politische Bildung/Zeitgeschehen: Grundrechte, Rechtsstaat, Sozialstaat, Kriminalität als gesellschaftliches Problem, politischer und religiöser Extremismus , islamistische und islamistisch-terroristische Organisationen, Deutschland und Europa in der Welt, Auslandseinsätze der Polizei, Kooperation der Polizeien (EuroPol, Interpol). Globalisierung: Ursachen, Erscheinungsformen, Gewinner und Verlierer Migration und Integration: Integration und Vorurteile, besondere Situation von Flüchtlingen und Asylbewerbern, interkulturelle Kompetenz als Anforderung für den Polizeiberuf Tagespolitisches Zeitgeschehen • Berufsethik: Die soziale Rolle des Polizeibeamten in der Gesellschaft, das Selbstverständnis der Polizei, Werte und Normen, Menschenbild und Menschenwürde Aktuelle weltanschauliche, religiöse und kulturelle Fragen Vielfältigkeit in Polizei und Gesellschaft (Religion, sexuelle Orientierung, ethnischer Hintergrund, familiäre Situation ) Soziale Randgruppen, gesellschaftliche Problemgruppen Systematische Nachbereitung der Praxiserfahrungen Unterrichtung aus aktuellen Anlässen des Zeitgeschehens • Allgemeines Polizeirecht: Grundsätze des Einschreitens, Grundrechte und staatliche Gewalt, Einschreiten gegen Personen mit Sonderstellung z. B. Exterritoriale • Besonderes Sicherheitsrecht: Ausländerrecht, Versammlungsrecht, verfassungsrechtliche Grundsätze • Kriminalistik: Staatsschutz, Verdachtskriterien islamistischer Terrorismus Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/10428 • Kommunikation und Konfliktbewältigung: Grundlagen der Kommunikation, Grundsätze der Gesprächsführung , Wahrnehmung, Konflikte Ethnische Besonderheiten von Bevölkerungsgruppen und Vermittlung interkultureller Zusammenhänge Interkulturelle Kompetenz und Einsatzkommunikation • Englisch (spezifischer Wortschatz): Asylbewerber, Menschenhandel, illegaler Aufenthalt • Organisation und Dienstbetrieb: Außenausbildung (z. B. Besuch einer Moschee, Studienfahrt ins Ausland) • Polizeiliches Einsatzverhalten: Handlungsempfehlungen für das Durchsuchen von Wohnungen und Personen Verteilt über die fünf Ausbildungsabschnitte ergibt sich für die oben genannten Fächer/Module eine Gesamtstundenzahl von 175 Unterrichtseinheiten. Alle Lerninhalte sind im Ausbildungsplan verpflichtend für alle Ausbildungsseminare festgelegt und gelten somit für alle Auszubildenden in der 2. QE des Polizeivollzugsdienstes. Nach jedem Ausbildungsabschnitt wird festgestellt, ob der Beamte das Ausbildungsziel erreicht hat. Hierbei sind nicht nur theoretisches Wissen und praktisch/taktische Fertigkeiten erforderlich. Großer Wert wird auch auf die charakterliche Geeignetheit für den Polizeiberuf gelegt. So sind auch die Fächer Kommunikation/Konfliktbewältigung und Berufsethik Prüfungsfächer. Zum Ende der 2 Jahre und 6 Monate dauernden Ausbildung erfolgt im Rahmen der Qualifikationsprüfung die Überprüfung der Fachkompetenz, Handlungskompetenz und der sozialen/persönlichen Kompetenz. Die Ausbildungsabschnitte wurden, entsprechend der Einstellungszahlen seit 2014, von jährlich ca. 1.200 Beamtinnen und Beamten der 2. QE absolviert. Studienpläne für die 3. und 4. Qualifikationsebene Die Lernziele und -inhalte für den neu geplanten Unterricht werden noch festgelegt. An diesem sowie an den in unserer Antwort zu Frage 2. dargestellten Unterrichten des Studienplans für die 3. und 4. QE nehmen alle Studierenden an der FHVR - Fachbereich Polizei teil. Seit 2014 durchlaufen jährlich ca. 300 Studierende im Rahmen der Aufstiegsqualifizierung und ca. 90 Laufbahnbewerber das Studienprogramm für die 3. QE, das Studienprogramm für die 4. QE im Rahmen der Ausbildungsqualifizierung jährlich ca. 25 Beamtinnen und Beamte. 4. Welche Fortbildungsprogramme für die Bayerische Polizei fördern die interkulturelle Kompetenz (bitte um Auflistung aller angebotenen Fortbildungsprogramme in Bayern)? a) Enthalten diese Fortbildungsprogramme ein explizites interkulturelles Training (bitte auch um Angabe der Anzahl der Seminareinheiten)? b) Wie viele Polizeibeschäftigte nahmen seit der Implementierung an den entsprechenden Fortbildungsprogrammen teil? In folgenden Seminaren des zentralen Fortbildungsprogramms für die Bayer. Polizei wird das Thema interkulturelle Kompetenz mit unterschiedlichen Stundenansätzen unterrichtet : • Staatsschutz N • Staatsschutz F • Verhandlungsgruppen N1 • Verhandlungsgruppen N2 • Kriminalprävention Islamismus • Fachseminar Islamismus • Gefährderansprache Stalking • Führungstraining 4 Ein spezielles Training zur interkulturellen Kompetenz findet nur im Seminar „Führungstraining 4“ mit einem Stundenansatz von vier Unterrichtseinheiten statt. In den übrigen der genannten Seminare wird das Thema im Rahmen von Vorträgen, Unterrichtsgesprächen und Diskussionen behandelt. In den Jahren 2014 und 2015 wurden insgesamt vier Seminare „Führungstraining 4“ durchgeführt. Daran nahmen insgesamt 44 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte teil. 5. Welche Inhalte werden durch das interkulturelle Training in der Fortbildung vermittelt? a) Welche Lernziele verfolgt das interkulturelle Training ? b) Welche Lehrinhalte beinhaltet das interkulturelle Training? c) Welchen pädagogischen und didaktischen Prinzipien folgt das Interkulturelle Training? Die Fortbildungsseminare haben zum Ziel, die persönliche und soziale Kompetenz der Teilnehmer weiterzuentwickeln. Nach den Seminaren sollen bei den Teilnehmern praxisorientiertes Grundlagenwissen und aktuelle Rechtskenntnisse vorhanden sein. Außerdem sollen die Teilnehmer über die notwendige Handlungskompetenz im Umgang mit Mitbürgern aus anderen Kulturkreisen verfügen. Das Erkennen von Radikalisierungstendenzen gehört ebenfalls zum Fortbildungsziel . Als eine Auswahl von Unterrichtsthemen sei genannt: • Grundlagen zum Islam und Umgang mit dem Kulturkreis • Lagebild Islamismus, Erscheinungsformen und Tendenzen • Radikalisierungsverläufe und -merkmale • Gesprächsführung bei Personen mit Migrationshintergrund , kulturelle Besonderheiten In der Fortbildung wird das Prinzip einer erwachsenengerechten und praxisorientierten Fortbildung verfolgt. Deshalb besteht das didaktische Konzept eines jeden Seminars in der teilnehmerorientierten Mischung aus Unterrichts- und Trainingsmethoden. Die Seminare setzen sich aus Fachvorträgen , Unterrichtsgesprächen, Diskussionen und Gruppenarbeiten zusammen. Keinesfalls wird hier ausschließlich mittels Vortrag unterrichtet. Für bestimmte Themen werden Fachreferenten aus Wissenschaft und Praxis eingesetzt. 6. Über welche Qualifikation verfügen die Lehrenden für interkulturelle Kompetenz in der Ausbildung und in der Fortbildung der Bayerischen Polizei? Ausbildung 2. Qualifikationsebene und zentrale Fortbildung am BPFI Ainring Die Qualität der Aus- und Fortbildung im Allgemeinen steht und fällt im Besonderen mit der Qualität des Lehr-Lern- Prozesses und damit mit der Qualität des Lehr- und Ausbildungspersonals selbst. Wesentliche Erfolgskriterien sind dabei die persönlichen, fachlichen und pädagogischen Fähigkeiten . Deshalb bietet die Ausbildung der 2. QE und die für die Ausbildung der 2. QE und die zentrale Fortbildung zuständige Bayer. Bereitschaftspolizei nicht nur berufsbegleitende Fortbildungen für alle grundsätzlich im Ausbildungs- Drucksache 17/10428 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 plan enthaltenen Fächer an, sondern legt bereits im Vorfeld Wert auf die Personalauswahl sowie einen entsprechenden Eignungsnachweis. Dieser Eignungsnachweis, die sogenannte Lehrbefähigung , differenziert dabei als Eingangsvoraussetzung für die anschließende Ausbildungs- und Lehrtätigkeit nicht zwischen einzelnen Fächern und betont oder gewichtet einzelne , sondern prüft anhand eines definierten und strukturierten Kriterienkataloges die persönliche und soziale Kompetenz, die fachliche Kompetenz und die pädagogisch-didaktischen Fähigkeiten ab. Dazu gehört die für die Vermittlung interkultureller Kompetenz notwendige Vorurteilsfreiheit, hohes (Werte- und Normen-)Reflexionsvermögen sowie die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen. Im weiteren Fortgang der dienstlichen Tätigkeit als Polizeifachlehrer bzw. Polizeiausbilder absolvieren die Lehrenden berufsbegleitende Fortbildungen, die eines oder mehrere ihrer unterrichteten Fächer betreffen. Dabei ist der ganzheitliche Ansatz der Persönlichkeitsbildung, der auch für die Beamten in Ausbildung selbst angestrebt wird, Leitlinie für die Fortbildung des Lehrpersonals. Aspekte interkultureller Kompetenz werden nicht im Rahmen einer singulären Maßnahme mit der damit einhergehenden Gefahr mangelnder Nachhaltigkeit und geringerer Bewusstseinsbildung vermittelt . Vielmehr sind die drei Hauptkomponenten „Kenntnisse über kulturelle Spezifika“, „Kenntnisse der eigenen Verhaltensmuster “, „Kenntnisse über kulturelle Dimensionen“ Bestandteile unterschiedlichster formaler Fortbildungen (z. B. im Rahmen des „Fachseminar Islamismus“ oder „Kriminalprävention Islamismus “) und des informellen, arbeitsplatzintegrierten Lernens . Beispiele hierfür sind fachspezifische Besprechungen, in dessen Rahmen Fortbildungsmaterial vorgestellt wird, oder die obligatorische Teilnahme des Lehrpersonals an externen Ausbildungsveranstaltungen. So ergibt sich bei der Hospitation in einem Flüchtlingsheim oder dem klassenweisen Besuch einer Moschee auch für das begleitende Lehrpersonal ein Mehrwert für das Verstehen fremder Kulturen. Daneben werden auch eigene ausgebildete Pädagogen und Politologen sowohl in der Ausbildung wie auch der Fortbildung eingesetzt. Eine Pädagogin des Fortbildungsinstituts der Bayer. Polizei hat eine Qualifizierung im Rahmen eines zweijährigen Trainingskurses, veranstaltet und durchgeführt von der EU und vom Europarat (Advanced Training for Trainers in Europe), mit Hauptfokus Vermittlung und Weitergabe von interkultureller Kompetenz absolviert. Vereinzelt, insbesondere in der Fortbildung, werden auch externe Islamwissenschaftler und Politologen mit Vorträgen beauftragt. Studium der 3. und 4. Qualifikationsebene Der Pool der Dozenten des Fachgebiets 6, bei dem die Lehrinhalte im Kontext der interkulturellen Kompetenz angesiedelt sind, besteht aus einer promovierten Psychologin, einem promovierten Politikwissenschaftler, einem Soziologen , einem Pädagogen, zwei Polizeibeamten der 4. QE und zwei Polizeibeamten der 3. QE. 7. Sind Fortbildungsprogramme zur interkulturellen Kompetenz auf bestimmte Zielgruppen in den unterschiedlichen Qualifikationsebenen beschränkt? Die Definition der Zielgruppe eines Fortbildungsseminars richtet sich in erster Linie nach dem jeweiligen Tätigkeitsfeld und grundsätzlich nicht nach Qualifikationsebenen. Infolgedessen und aufgrund des Spektrums der Seminare, die dieses Thema behandeln, ist eine Beschränkung auf einzelne Qualifikationsebenen nicht möglich und auch nicht gewollt. 8. Werden die Ausbildungs- und Fortbildungsprogramme zur interkulturellen Kompetenz evaluiert? a) Wenn ja, mit welchem Ergebnis (bitte auch die wesentlichen Aussagen nennen)? b) Wenn nein, warum nicht? Ausbildung 2. Qualifikationsebene und zentrale Fortbildung am BPFI Ainring Im Sinne des ganzheitlichen, explizit fächerübergreifenden Ansatzes erscheint ein vereinzelter, reiner Unterricht zur interkulturellen Kompetenz als nicht zielführend. Vielmehr erscheint es sinnvoller eben jene Bestandteile, wie sie in solchen Unterrichten regelmäßig erscheinen, wie „Entstehung von Vorurteilen und Stereotypen“ oder „Kriminalität von Randgruppen“ kontinuierlich über die gesamte 30-monatige Ausbildung zu verteilen, um eine möglichst effektive Verzahnung zwischen den Theorie- und Praxisphasen der Ausbildung zu erzielen. Aus diesem Grund wird auch keine unterkomplexe Evaluation eines solchen reinen Aus- oder Fortbildungsprogrammes durchgeführt, welches die Bedingungsfaktoren polizeilichen Handelns nicht in seiner Differenzierung erfasst. Stattdessen besteht eine regelmäßige Evaluation der gesamten Ausbildung, zum Beispiel über eine auch im Hochschulbereich übliche, „Absolventenbefragung “, zuletzt im Jahr 2015. Zusätzlich wird auch eine regelmäßige Befragung nach Beendigung der Praktika zur Wirksamkeit nahezu aller Ausbildungsinhalte durchgeführt. In Rahmen dieser Vollerhebung wird auch die Vorbereitung auf die berufliche Praxis im Hinblick auf „Umgang mit dem Bürger“ gemessen. Zuletzt antworteten von mehr als 1.000 Beamte in Ausbildung auf die Frage: „Wie gut wurden Sie durch die Ausübung auf die Tätigkeit „Umgang mit dem Bürger“ vorbereitet “ 87,2 % im positiven Bereich, also mit „sehr gut“, „gut“ oder „eher gut“. Dies wird auch durch die diensterfahrenen Praxisbegleiter in der Einschätzung der Vorbereitung mit 87,5 % positiven Rückmeldungen eindrucksvoll bestätigt. Zum Abschluss eines Fortbildungsseminars wird ein durch die Teilnehmer auszufüllender Befragungsbogen zu Inhalten und Unterrichtsmethoden verteilt, der anschließend ausgewertet wird. Die Ergebnisse können durchweg als sehr gut bzw. gut bezeichnet werden. Evaluation der Studiengänge der 3. und 4. QE Ausbildungsveranstaltungen werden im Rahmen der Dozentenevaluation bewertet. Generelle Aussagen lassen sich aber nur für das Studium insgesamt oder die Rahmenbedingungen machen. Individuelle Evaluierungsergebnisse von Veranstaltungen allgemein zugänglich zu machen, würde Rückschlüsse auf den Dozenten zulassen. Dies ist nicht in der Evaluationsordnung vorgesehen. Die Ergebnisse der Evaluierung von Veranstaltungen sind ausschließlich für den jeweils durchführenden Dozenten bestimmt.