Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 03.03.2016 Legionellenkontamination in Haar 1 1. Ist den zuständigen Behörden vorstehender Sachverhalt bekannt? Bejahendenfalls, welche Maßnahmen wurden ergriffen? Kommt es bei den gemäß § 14 Abs. 3 Trinkwasserverordnung (TrinkwV 2001) von Betreibern von Trinkwasserinstallationen durchzuführenden Untersuchungen des Trinkwassers auf Legionellen zur Überschreitung des in der TrinkwV 2001 definierten technischen Maßnahmenwertes (100 koloniebildende Einheiten (KBE)/100 ml), so liegt es in der Verantwortung des Betreibers der Trinkwasserinstallation (hier der Vermieter bzw. die von ihm beauftragte Hausverwaltung ), entsprechende Maßnahmen gemäß § 16 Abs. 7 TrinkwV 2001 zu treffen. Der Betreiber hat das Gesundheitsamt über die Überschreitung des technischen Maßnahmenwertes sowie über die Durchführung der Maßnahmen zu informieren. Kommt der Betreiber auch nach Aufforderung des Gesundheitsamtes seinen Pflichten gemäß § 16 Abs. 7 TrinkwV 2001 nicht vollständig nach, hat das Gesundheitsamt die Erfordernis von Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit zu prüfen und diese gegebenenfalls anzuordnen. Im vorliegenden Fall wurde das Gesundheitsamt München Land als zuständige Behörde erstmals am 13.02.2015 von der Hausverwaltung über die Kontamination des Trinkwassers mit Legionellen informiert. Auch in Absprache mit dem Gesundheitsamt hat die Hausverwaltung seither entsprechende Maßnahmen durchgeführt: Je nach Untersuchungsbefund wurden Nutzungseinschränkungen ausgesprochen . Zum Schutz wurden Filter an die Bewohner ausgegeben. Darüber hinaus wurde ein Ingenieurbüro mit der technischen Untersuchung und Planung der notwendigen Maßnahmen am Leitungsnetz beauftragt. Inzwischen wurden auch bereits umfangreiche Arbeiten durchgeführt, weitere Umbauten werden erforderlich sein. 2. Sind nur die vorbezeichneten Häuser betroffen? Nein, in der Wohnanlage Wieselweg 2–6 wurden bei einer Untersuchung Ende Oktober 2015 in einer Probe 2.400 KBE/ 100 ml, in einer weiteren 160 KBE/100 ml Legionellen gefunden. In weiteren elf Proben waren keine Überschreitungen zu beanstanden, der technische Maßnahmenwert von 100 KBE/100ml wurde eingehalten. 17. Wahlperiode 03.05.2016 17/10485 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Peter Paul Gantzer SPD vom 01.02.2016 Legionellenkontamination in Haar 1 und 2 Legionellenkontamination in Haar 1 Seit Juli 2015 sind in den Häusern Wieselweg 8–12 in Haar Legionellenkontaminationen aufgetreten. Deswegen wurde mindestens zweimal ein Duschverbot für die betroffenen Wohnungen verhängt. Außerdem wurden Schwermetallbelastungen im Trinkwasser festgestellt, sodass die Wohnungseigentümer bzw. Mieter das Trinkwasser nicht trinken dürfen. Ich frage die Staatsregierung: 1. Ist den zuständigen Behörden vorstehender Sachverhalt bekannt? Bejahendenfalls, welche Maßnahmen wurden ergriffen? 2. Sind nur die vorbezeichneten Häuser betroffen? 3. Welches sind die Messergebnisse bezüglich der Legionellen bzw. des Trinkwassers (im Vergleich zu normalen Werten)? 4. Nachdem die Hausverwaltung die Messwerte nicht bekannt geben will und sich diesbezüglich auf den Datenschutz beruft, frage ich die Staatsregierung, ob dieses richtig ist? Legionellenkontamination Haar 2 Nachdem der zuständige Behördenleiter im Fall der Legionellenkontamination in Haar laut Pressebericht erklärt hat, „konkrete Informationen zu einem konkreten Gebäude könne er aus Datenschutzgründen nicht herausgeben, weil es zu einer Wertminderung des Gebäudes kommen könne, wenn verbreitet werde, dass es mit der Hausinstallation Probleme gebe.“ , frage ich im Nachgang zu meiner Anfrage vom 01.02.2016: Ist diese Aussage richtig, oder mit anderen Worten: Geht Profit vor Gesundheit? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/10485 3. Welches sind die Messergebnisse bezüglich der Legionellen bzw. des Trinkwassers (im Vergleich zu normalen Werten)? a) Legionellenkontamination Der technische Maßnahmenwert für Legionellen liegt bei 100 KBE/100 ml. Eine Überschreitung dieses Maßnahmenwertes ist gemäß § 16 Abs. 1 TrinkwV 2001 gegenüber dem Gesundheitsamt unverzüglich anzuzeigen. Eine weitere Differenzierung der Befunde anhand der Höhe der Kontamination lehnt sich am technischen Regelwerk und an der Empfehlung des Umweltbundesamtes an. Demnach unterscheidet man – eine mittlere Kontamination ≥ 100 KBE/100 ml – eine hohe Kontamination ≥ 1000 KBE/100 ml – eine extrem hohe Kontamination ≥ 10000 KBE/100 ml mit unterschiedlichen Konsequenzen bezüglich weitergehenden Untersuchungen und Sanierungsdringlichkeit. Den ersten Nachweis von Legionellen in den Häusern Wieselweg 8–12 erhielt das Gesundheitsamt München Land am 13.02.2015. Von den 13 Proben aus der gesamten Anlage waren zwei auffällig, dabei wurden einmal 3.000 und einmal 7.200 KBE/100 ml nachgewiesen. Am 13.08.2015 gingen weitere Untersuchungsergebnisse beim Gesundheitsamt ein. Dieses Mal lagen 21 Proben oberhalb des technischen Maßnahmenwertes, davon drei mit einer extrem hohen Kontamination, der höchste Wert war 62.800 KBE/100 ml. Weitere sechs Proben waren im Bereich der hohen Kontamination, in den restlichen zwölf Proben lag eine mittlere Kontamination vor. In der Untersuchungsserie (65 Proben) vom 02.10.2015 waren zehn Proben mit hoher und acht Proben mit mittlerer Kontamination auffällig geworden, eine extrem hohe Kontamination fand sich in dieser Untersuchungsserie nicht. In der aktuellen Untersuchung vom 15.01.2016 (65 Proben) lagen 21 Proben oberhalb des technischen Maßnahmenwertes, davon 16 mit mittlerer, vier mit hoher und eine mit einer extrem hohen Kontamination (14.100 KBE/100 ml). b) Überschreitungen von chemischen Parametern gem. TrinkwV 2001 Am 20.08.2015 wurde das Gesundheitsamt München Land erstmals über Grenzwertüberschreitungen bei chemischen Parametern informiert. Es wurden mehrere Schwermetalle mit erhöhter Konzentration nachgewiesen, insbesondere Blei mit 0,44 mg/l. Der Grenzwert für Blei liegt bei 0,01 mg/l. Danach wurden weitere Kontrolluntersuchungen auf chemische Parameter durchgeführt mit folgenden Ergebnissen: Entnahmeserie am 01.10.2015 (Zufallsstichprobe): Der Parameter Blei lag an der überwiegenden Mehrzahl der Probeentnahmestellen über dem Grenzwert (0,01 mg/l). Der höchste Wert lag bei 1,9 mg/l. Der Parameter Kupfer wurde vereinzelt überschritten. Der höchste Wert lag bei 15 mg/l (Grenzwert 2 mg/l). Der Parameter Nickel wurde zweimal überschritten. Der höchste Wert lag bei 0,031 mg/l (Grenzwert 0,02 mg/l). Es bleibt anzumerken, dass in dieser Entnahmeserie die Proben als Zufallsstichprobe entnommen wurden, die aufgrund der unklaren Stagnationszeiten weniger aussagekräftig sind. Entnahmeserie am 09.12.2015 (Stagnationsproben): Der Grenzwert für den Parameter Blei wurde erneut an vielen Messstellen überschritten. Der höchste Wert lag dieses Mal bei 0,058 mg/l und wurde in dieser Entnahmeserie als Stagnationsprobe mit definierten Stagnationszeiten gezogen. Der Wert ist daher aussagekräftiger als die am 01.10.2015 genommenen Zufallsstichproben. Darüber hinaus kam es zu einer einmaligen Überschreitung des Parameters Kupfer (2,7 mg/l), weitere Grenzwertüberschreitungen der beprobten chemischen Parameter gem. TrinkwV 2001 waren nicht zu beanstanden. Entnahmeserie am 14.01.2015 (Zufallsstichproben): Der Parameter Blei wurde bei 50 % der gezogenen Proben überschritten. Der höchste Wert lag bei 0,11 mg/l und damit deutlich niedriger als in der ersten auf Zufallsstichproben basierenden Messreihe. Die im Gemeindenetz durchgeführten Untersuchungen zeigten keine Auffälligkeiten. 4. Nachdem die Hausverwaltung die Messwerte nicht bekannt geben will und sich diesbezüglich auf den Datenschutz beruft, frage ich die Staatsregierung ob dies richtig ist? Eine Weigerung der Hausverwaltung zur Bekanntgabe der Messwerte unter Berufung auf Datenschutzgründe ist nicht zulässig. Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 TrinkwV 2001 muss den Verbrauchern „geeignetes und aktuelles Informationsmaterial “ auf „Grundlage der Untersuchungsergebnisse nach §§ 14, 14 a […]“ zur Verfügung gestellt werden. Der Normzweck des § 21 TrinkwV 2001 ist die Information der Verbraucher über die Qualität des ihnen zur Verfügung gestellten Wassers. Deshalb hat der Unternehmer oder sonstige Inhaber einer Wasserversorgungsanlage den Verbrauchern auch die Untersuchungsergebnisse mitzuteilen , sofern diese für die Verwendung des Trinkwassers durch den Verbraucher relevant sind. Der Betreiber der Trinkwasserinstallation (hier der Vermieter bzw. die Hausverwaltung ) ist demnach verpflichtet, die Messergebnisse den betroffenen Verbrauchern (hier Mietern) zur Verfügung zu stellen. Da es sich bei der Untersuchung auf Legionellen um eine systemische Untersuchung der Trinkwasserinstallation handelt, geben die Messwerte Informationen zum Gesamtsystem der Trinkwasserinstallation, nicht aber zu einzelnen Wohnungen. Eine wohnungsspezifische Bekanntgabe der Messwerte ist demnach nicht aussagekräftig und somit auch nicht erforderlich. Legionellenkontamination in Haar 2 Ist diese Aussage richtig? Oder mit anderen Worten: Geht Profit vor Gesundheit? Nach der Trinkwasserverordnung (TrinkwV 2001) obliegen Informationspflichten hinsichtlich der Qualität des Trinkwassers zunächst grundsätzlich dem Unternehmer und einem sonstigen Inhaber einer Wasserversorgungsanlage. Nach § 21 TrinkwV 2001 hat auch der Unternehmer und der sonstige Inhaber einer privaten und gewerblich (z. B. im Rahmen einer Vermietung) genutzten Wasserversorgungsanlage nach § 3 Nr. 2 Buchst. e TrinkwV 2001 die betroffenen Verbraucher (z. B. Mieter) mindestens einmal jährlich über die Qualität des bereitgestellten Trinkwassers zu informieren . Wird dem Unternehmer oder dem sonstigen Inhaber einer solchen Wasserversorgungsanlage bekannt, dass der in Anlage 3 Teil II festgelegte technische Maßnahmenwert für Legionellen überschritten wird, hat er unverzüglich die in § 16 Abs. 7 TrinkwV 2001 festgelegten Maßnahmen zu treffen. Im Rahmen dieser Maßnahmen hat der Unternehmer oder der sonstige Inhaber eine Gefährdungsanalyse zu erstellen oder erstellen zu lassen. Über das Ergebnis der Gefährdungsanalyse und sich möglicherweise Drucksache 17/10485 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 daraus ergebende Einschränkungen der Verwendung des Trinkwassers hat er unverzüglich die betroffenen Verbraucher zu informieren (§ 16 Abs. 7 Satz 6 TrinkwV 2001). Kommt der Unternehmer oder der sonstige Inhaber der Wasserversorgungsanlage dieser Verpflichtung nicht nach, fordert das Gesundheitsamt diesen zur Pflichterfüllung auf und ordnet ggf. erforderliche Maßnahmen an (§ 9 Abs. 8 TrinkwV 2001). Unabhängig hiervon trifft das Gesundheitsamt bzw. die Kreisverwaltungsbehörde die notwendigen Maßnahmen, um Gefahren für die menschliche Gesundheit , die vom Trinkwasser ausgehen können, zu verhindern (§ 39 Abs. 2 des Infektionsschutzgesetzes – IfSG–, § 20 TrinkwV 2001). Die Trinkwasserverordnung sieht somit verpflichtend die Information der betroffenen Verbraucher, also des potentiell gefährdeten Personenkreises vor. Diese Informationspflicht hat vorrangig der Unternehmer oder der sonstige Inhaber der Wasserversorgungsanlage zu erfüllen. Eine generelle Informationspflicht der Öffentlichkeit durch das Gesundheitsamt bei privaten, gewerblich genutzten Trinkwasserinstallationen besteht demgegenüber nicht. Vielmehr ist die Informationsbefugnis diesbezüglich eingeschränkt, da es sich bei den entsprechenden Sachangaben um personenbezogene Daten handelt. Dies hat seinen Grund darin, dass diese Sachangaben im gegebenen Kontext Auswirkungen auf die rechtliche, wirtschaftliche oder soziale Position der Betroffenen (Eigentümer, aber auch Mieter) aufweisen (Simitis/Dammann, BDSG, 8. Auflage 2014, § 3 Rn. 60). Bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch das zuständige Gesundheitsamt sind die datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu beachten, insbesondere das Bayerische Datenschutzgesetz (BayDSG) sowie die Art. 30, 31 des Gesundheitsdienst - und Verbraucherschutzgesetzes (GDVG). Auch im Rahmen des allgemeinen Auskunftsrechts nach Art. 36 BayDSG bzw. der Information auf Grundlage des Umweltinformationsgesetzes (UIG) ist die Weitergabe personenbezogener Daten an besondere Voraussetzungen geknüpft (vgl. Art. 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayDSG, § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG). Ob und inwieweit hiernach eine Auskunfts - bzw. Informationsbefugnis besteht, hat die jeweils zuständige Behörde eigenverantwortlich zu beurteilen. Dabei kann sich eine Informationsbefugnis bzw. eine Informationspflicht dann ergeben, wenn eine entsprechende Information der Öffentlichkeit zur Abwendung von Gesundheitsgefahren , die von Trinkwasser ausgehen, erforderlich ist (§ 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IfSG). Dies ist bei privaten, gewerblich genutzten Trinkwasserinstallationen regelmäßig nicht der Fall, da Gesundheitsgefahren für die Öffentlichkeit insoweit nicht bestehen. Der Kreis der betroffenen Verbraucher (Mieter und Bewohner) ist, wie dargestellt, bereits nach den einschlägigen Bestimmungen der Trinkwasserverordnung zu informieren.