Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Tanja Schweiger FREIE WÄHLER vom 07.10.2013 Hochwasserschutzmaßnahmen im Einzugsgebiet der Donau im östlichen Landkreis Regensburg und Oberlieger – Anfrage II In der Süddeutschen Zeitung vom Februar 2007 wird der Präsident des Landesamtes für Umwelt, Claus Kumutat, mit den Worten: „gesteuerte Flutpolder sind dort gar nicht vorgesehen “ zitiert. In der regionalen Presse vom September 2013 wird Staatsminister Dr. Marcel Huber damit zitiert, dass das Projekt „gesteuerte Flutpolder“ nun vorangetrieben werden muss. Daher frage ich die Staatsregierung: 1. a) Welche Maßnahmen sind jetzt im Bereich östlich von Regensburg konkret geplant, b) wurden bisherige Planungen verworfen, und wenn ja, c) aus welchem Grund? 2. Welche Details sind der Staatsregierung in Bezug auf das Hochwasser im Juni 2013 und das Schleusenmanagement bekannt und teilt die Staatsregierung die Annahme der Interessengemeinschaft, dass die Schleusen flussabwärts nach Regensburg zu spät geöffnet wurden, wodurch die Hochwassermarke nochmals erheblich anstieg? 3. Warum befand sich beim letzten Hochwasser in den geplanten und bereits fertiggestellten Retentionsräumen der Pfatter bei Pfatter kein Wasser und wie und wann geht es weiter mit der geplanten Renaturierung der Pfatter? 4. Wie beurteilt die Bayerische Staatsregierung die Problematik , dass durch Hochwässer in Poldergebieten entgegen typischen, darauf eingestellten Auegebieten, Flora und Fauna nachhaltig durch Wasser als auch die damit verbundenen Verschmutzungen massiv gestört werden und damit a) das Bodenleben vernichtet wird, b) eine landwirtschaftliche Nutzung auf Jahre hinaus un- terbleiben könnte, c) Böden massiv verunreinigt werden? 5. Welche Maßnahmen werden flussaufwärts, ab Pfatter an Gewässern III. Ordnung getroffen, um Wasser bereits da zurückzuhalten, wo es entsteht, unterteilt nach: a) Maßnahme, b) Volumen, c) Realisierungszeitraum? 6. Wie erklärt sich die Staatsregierung, dass auf dem Anwesen in Maiszant, das seit mehr als 500 Jahren besteht , jetzt erstmals Grundwasser im Mauerwerk des Gebäudes auftrat? 7. Sind der Staatsregierung flussaufwärts von Regensburg Naturräume bekannt, die als Retentionsraum zur Verfügung stehen könnten, und welche Planungen laufen hierzu? 8. a) Wie steht die Staatsregierung zu der Auffassung, mit dem Hochwasserschutz bereits dort, wo das Wasser entsteht, zu beginnen, um die Wassermassen gar nicht in die Donau zu leiten, sondern deutlich vorher bereits in Rückhaltebecken für mindestens 1 Woche speichern zu können, nachdem die Rückhaltebecken in Bach an der Donau die Wassermassen, die aus dem Vorwald kamen, sehr gut aufgefangen und somit eine Überschwemmung in der Ortschaft verhindert haben ? b) Welche und wie viele solcher Maßnahmen sind an den Zuläufen zu Donau und Regen bereits realisiert bzw. sind noch in Planung? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 13.11.2013 1. a) Welche Maßnahmen sind jetzt im Bereich östlich von Regensburg konkret geplant, b) wurden bisherige Planungen verworfen, und wenn ja, c) aus welchem Grund? Im Flutpolderprogramm der Bayerischen Staatsregierung von 2003 waren im östlichen Landkreis Regensburg keine Standorte für gesteuerte Flutpolder vorgesehen. Mögliche Rückhalteräume an der Donau werden derzeit im Rahmen einer Gesamtbetrachtung identifiziert. Das vergangene Hochwasserereignis vom Juni 2013 hat gezeigt, wie wichtig es ist, im Katastrophenfall Hochwasser gezielt zurückhalten zu können. Gesteuerte Flutpolder sind hoch effiziente Maßnahmen, um Hochwasserspitzen gezielt zu kappen. Daher ist es absolut notwendig, den Bau gesteuerter Flutpolder voranzutreiben und auch weitere Standorte zu identifizieren. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 10.01.2014 17/105 Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/105 2. Welche Details sind der Staatsregierung in Bezug auf das Hochwasser im Juni 2013 und das Schleusenmanagement bekannt und teilt die Staatsregierung die Annahme der Interessengemeinschaft, dass die Schleusen flussabwärts nach Regensburg zu spät geöffnet wurden, wodurch die Hochwassermarke nochmals erheblich anstieg? Fehlsteuerungen an den Schleusen beim Hochwasser im Juni 2013 sind der Staatsregierung nicht bekannt. Im Hochwasserfall wird die Schifffahrt auf der Donau in der Regel eingestellt, daher werden auch keine Schleusungsvorgänge an den Wehranlagen mit Schiffsschleuse durchgeführt. Der Hochwasserabfluss erfolgt im Regelfall über die Wehrklappen, ein Rückhalt des Hochwassers an den Wehranlagen ist weder möglich noch beabsichtigt. Die genauen Betriebsvorgänge an den Schleusen der Bundesschifffahrtsstraße werden in Betriebsvorschriften durch die Bundesschifffahrtsverwaltung geregelt. 3. Warum befand sich beim letzten Hochwasser in den geplanten und bereits fertiggestellten Retentionsräumen der Pfatter bei Pfatter kein Wasser und wie und wann geht es weiter mit der geplanten Renaturierung der Pfatter? Beim Hochwasserereignis vom Juni 2013 hat sich vor der sog. Bechaubrücke am oberen Ende des bisherigen Pfatterausbaus ein Hochwasserstau eingestellt. Trotz Rückstau und der sich daraus ergebenden Überflutung der Staatsstraße oberhalb der Bechaubrücke haben sich die neu geschaffenen Retentionsräume im linken Pfattervorland in diesem oberen Gewässerabschnitt plangemäß gefüllt. Im Zuge der nach dem Hochwasser durchgeführten Unterhaltungsmaßnahmen an der Pfatter wurden Einschwemmungen im Flussbett und auch im Brückenbereich beseitigt sowie umgestürzte, querliegende Bäume entnommen. Diese Abflusshindernisse können im Zusammenwirken mit einer Drosselwirkung der Bechaubrücke dazu geführt haben , dass die Retentionsräume im unteren Pfatterabschnitt nicht wie in der Planung von 2001 vorgesehen beaufschlagt wurden. Die 2001 durchgeführte Renaturierung war als ein erster Bauabschnitt zu einer umfassenden Renaturierung bis Moosham vorgesehen. Durch die zwischenzeitliche Entwicklung bei der Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) ist aktuell vorgesehen, ein Umsetzungskonzept zur EG-WRRL zu erstellen und im Wesentlichen punktuelle Maßnahmen zur Erreichung des „guten Zustands“ zu verwirklichen . 4. Wie beurteilt die Bayerische Staatsregierung die Problematik, dass durch Hochwässer in Poldergebieten entgegen typischen, darauf eingestellten Auegebieten, Flora und Fauna nachhaltig durch Wasser als auch die damit verbundenen Verschmutzungen massiv gestört werden und damit a) das Bodenleben vernichtet wird, b) eine landwirtschaftliche Nutzung auf Jahre hinaus unterbleiben könnte, c) Böden massiv verunreinigt werden? Auswirkungen auf Flora und Fauna müssen standortbezogen im Einzelfall geprüft werden. Im Zuge der Planungen werden die Auswirkungen auf Flora und Fauna beurteilt und, soweit erforderlich, Abhilfemaßnahmen vorgesehen. Mit be- troffenen Landnutzern im Flutungsbereich gesteuerter Flutpolder werden Vereinbarungen getroffen, die entsprechende Entschädigungsregelungen vorsehen, um Beeinträchtigungen der landwirtschaftlichen Nutzung auszugleichen. 5. Welche Maßnahmen werden flussaufwärts, ab Pfatter an Gewässern III. Ordnung getroffen, um Wasser bereits da zurückzuhalten, wo es entsteht, unterteilt nach: a) Maßnahme, b) Volumen, c) Realisierungszeitraum? Für Unterhaltung und Ausbau an Gewässern dritter Ordnung sind nach dem Bayerischen Wassergesetz im Regelfall die Kommunen zuständig. Maßnahmen zum Hochwasserrückhalt an Gewässern dritter Ordnung werden deshalb von den Kommunen geplant und ausgeführt. Der Freistaat Bayern unterstützt die Kommunen dabei mit Fördermitteln nach den Richtlinien für Zuwendungen zu wasserwirtschaftlichen Vorhaben. Deshalb liegen der Bayerischen Staatsregierung nur Daten von Vorhaben mit finanzieller Beteiligung des Freistaats vor. Im bayerischen Einzugsgebiet der Donau oberstrom der Gemeinde Pfatter wurden in den letzten fünf Jahren rund 60 kommunale Vorhaben zur Verbesserung des Hochwasserrückhalts an Gewässern dritter Ordnung mit Mitteln in Höhe von etwa 31 Millionen Euro gefördert. Das Rückhaltevolumen dieser Vorhaben beträgt rund 4 Millionen Kubikmeter. Zur Wirkung solcher Rückhaltebereiche an Gewässern dritter Ordnung wird auf die Beantwortung von Frage 8 verwiesen. Von den oben genannten rund 60 kommunalen Vorhaben ist inzwischen rund die Hälfte abgeschlossen. Über den Planungs - und Realisierungshorizont weiterer eventuell noch anstehender kommunaler Vorhaben in diesem Bereich, für die noch keine Förderung beantragt wurde, liegen der Bayerischen Staatsregierung keine Informationen vor. 6. Wie erklärt sich die Staatsregierung, dass auf dem Anwesen in Maiszant, das seit mehr als 500 Jahren besteht, jetzt erstmals Grundwasser im Mauerwerk des Gebäudes auftrat? Bereits im Winter 2002/2003 kam es im östlichen Bereich von Regensburg zu hohen Grundwasserständen. Bei der seit dem Jahr 1971 im Betrieb befindlichen Grundwassermessstelle Maiszant 214A wurde als Extremwert ein Grundwasserstand von 325,19 müNN bei einer Geländehöhe von 325,37 müNN, d. h. annähernd geländegleich gemessen. Nach Neuordnung des Grundwassernetzes wird seit dem Jahr 2003 ca. 800 m südwestlich des Anwesens Maiszant eine Grundwassermessstelle betrieben. Beim Hochwasser vom Mai/Juni 2013 stieg hier der GW-Stand bis auf 325,48 müNN und damit bis zur Geländeoberkante (325,44 müNN) an. Die Geländehöhe beim Anwesen Maiszant liegt auf etwa 325,90 müNN. Überträgt man den Grundwasseranstieg am Pegel auf die Hofstelle, so ist die Vernässung des Mauerwerks , infolge des über die Fundamente aufsteigenden Grundwassers, durchaus realistisch. Ein Grund dafür sind sicherlich die außergewöhnlich hohen Niederschläge im ersten Halbjahr 2013. Ein weiterer Grund kann möglicherweise auch die Randlage des Anwesens im Überschwemmungsgebiet der Pfatter sein. Mit dem Drucksache 17/105 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Übertritt der Pfatter über die Ufer und über die Staatsstraße floss das Hochwasser 2013 überwiegend in Richtung Osten und damit auch bis zum Anwesen Maiszant ab. 7. Sind der Staatsregierung flussaufwärts von Regensburg Naturräume bekannt, die als Retentionsraum zur Verfügung stehen könnten, und welche Planungen laufen hierzu? Konkrete Planungen laufen für die Errichtung des gesteuerten Flutpolders Riedensheim westlich von Neuburg an der Donau. Das Rechtsverfahren soll in Kürze abgeschlossen werden. Weitere mögliche Rückhalteräume an der Donau werden derzeit im Rahmen einer Gesamtbetrachtung identifiziert . 8. a) Wie steht die Staatsregierung zu der Auffassung, mit dem Hochwasserschutz bereits dort, wo das Wasser entsteht, zu beginnen, um die Wassermassen gar nicht in die Donau zu leiten, sondern deutlich vorher bereits in Rückhaltebecken für mindestens 1 Woche speichern zu können, nachdem die Rückhaltebecken in Bach an der Donau die Wassermassen , die aus dem Vorwald kamen, sehr gut aufgefangen und somit eine Überschwemmung in der Ortschaft verhindert haben? b) Welche und wie viele solcher Maßnahmen sind an den Zuläufen zu Donau und Regen bereits realisiert bzw. sind noch in Planung? Der Freistaat Bayern unterstützt Vorhaben zur Verbesserung des Hochwasserrückhaltes an Gewässern dritter Ordnung mit hohen Fördersätzen, da diese Vorhaben sehr wichtig für den lokalen Hochwasserschutz vor Ort sind. Für Maßnahmen zur Verbesserung des natürlichen Rückhalts in Gewässer und Aue, für Gewässerrenaturierungen und für die Planung und den Bau von Hochwasserrückhaltebecken werden deshalb Fördersätze zwischen 65 % und 75 % gewährt . Solche Maßnahmen haben aber wegen ihrer in der Regel geringen Größe und ihrer Lage am Gewässeroberlauf nur lokale, jedoch keine überregionale Schutzwirkung für Siedlungen an den großen Gewässern. So haben beim Juni-Hochwasser 2013 kleine Hochwasserrückhaltebecken an den Gewässeroberläufen keinen messbaren Einfluss auf die Hochwasserspitze in der Donau gehabt. Kleine Hochwasserrückhaltebecken füllen sich bereits bei kleinen und mittleren Hochwasserereignissen, auf die sie ausgelegt sind. Bei großen überregionalen Hochwasserereignissen ist das Rückhaltepotenzial kleiner Becken beim Beginn der Hochwasserwelle bereits „belegt“. Das heißt, die Becken sind bereits voll, wenn die Wellenspitze im großen Gewässer abläuft, und können so nicht zur Kappung der Hochwasserspitze beitragen. Das in der Anfrage angeführte Beispiel Bach an der Donau verdeutlicht dies: Die beiden Hochwasserrückhaltebecken haben beim Juni-Hochwasser 2013 gut funktioniert und ihren Zweck erfüllt, Bach an der Donau vor dem Hochwasser des Perlenbachs und des Adersbachs zu schützen. Allerdings waren die beiden Becken vollständig gefüllt und deren Rückhaltewirkung bereits „verbraucht“, als die Hochwasserwelle einige Tage später in der Donau aufgetreten ist. Solche dezentralen Rückhaltemaßnahmen sind also nicht geeignet, zu einer gezielten Dämpfung der Hochwasserwelle in der Donau beizutragen. Zudem können viele kleine Rückhaltemaßnahmen in den Oberläufen von Gewässern im Gegensatz zu wenigen großen Poldern nicht koordiniert und gesteuert geflutet werden, um eine Hochwasserwelle gezielt zu kappen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Hochwasserrückhaltemaßnahmen an den Gewässern dritter Ordnung von großer Bedeutung für den lokalen Hochwasserschutz sind und deshalb durch den Freistaat Bayern angemessen gefördert werden. Sie können aber besonders effiziente Hochwasserschutzmaßnahmen, wie gesteuerte Flutpolder, Rückgewinnung von Retentionsräumen hinter bestehenden Deichen (zweite Deichlinie) oder überregional wirkende Hochwasserspeicher nicht ersetzen. Die in den letzten fünf Jahren mit Fördermitteln des Freistaates Bayern realisierten Vorhaben wurden bereits in Frage 5 a behandelt. Welche und wie viele solcher Vorhaben mit lokaler Hochwasserschutzwirkung im bayerischen Einzugsgebiet der Donau künftig noch geplant und realisiert werden, ist der Staatsregierung nicht bekannt, da die Vorhabensträgerschaft bei den Kommunen liegt.