Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 14.03.2016 1. Wie schätzt die Staatsregierung die Gefährdung durch rechtsextreme Personen mit Zugang zu Waffen ein? Die Affinität von Rechtsextremisten zu Waffen und Sprengstoff generiert ein hervorgehobenes Gefährdungspotenzial. Legaler Schusswaffenbesitz ist bei bayerischen Rechtsextremisten im bundesweiten Vergleich zur Gesamtbevölkerung jedoch nicht überrepräsentiert. Präventive und repressive polizeiliche Maßnahmen belegen , dass die rechte Szene bundesweit nach wie vor über eine nicht unerhebliche Anzahl an Waffen und Munition verfügt , die auch die Verübung von schweren Gewalttaten ermöglicht . 2. In welchen Umfang und seit wann prüft die Staatsregierung ein ähnliches Vorgehen wie in Bremen (z. B. Verschärfung des Versammlungsrechts, Waffenverbote für Rechtsradikale u. Ä.)? Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 Waffengesetz (WaffG) gelten Personen , die einzeln oder als Mitglied in einer (nicht verbotenen) Partei oder Vereinigung extremistische Bestrebungen verfolgen oder unterstützen, regelmäßig als waffenrechtlich unzuverlässig, sodass sie keine Waffenerlaubnis erhalten. Diese Regelung wurde 2003 auf Initiative Bayerns in das Waffengesetz aufgenommen. Nach dem Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 30.09.2009, Az. 6 C 29.08) genügt eine passive Mitgliedschaft allerdings noch nicht, um die Regelunzuverlässigkeit annehmen zu können; erforderlich ist der Nachweis einer aktiven extremistischen Betätigung. Die Waffenbehörden prüfen die Zuverlässigkeit einer Person bei jedem Antrag auf eine Waffenerlaubnis, nach Erteilung einer Waffenerlaubnis turnusmäßig alle drei Jahre und darüber hinaus bei einem Anlass. Dabei binden sie nach § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 WaffG auch die Polizei ein. Die Polizei prüft die Zuverlässigkeit durch einen Abgleich mit fünf landes- und vier bundesweiten polizeilichen Datenbeständen, darunter auch entsprechende Staats- 17. Wahlperiode 03.05.2016 17/10523 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Markus Rinderspacher SPD vom 11.01.2016 Legaler und illegaler Waffenbesitz und Waffenhandel von Rechtsextremen II Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie schätzt die Staatsregierung die Gefährdung durch rechtsextreme Personen mit Zugang zu Waffen ein? 2. In welchem Umfang und seit wann prüft die Staatsregierung ein ähnliches Vorgehen wie in Bremen (z. B. Verschärfungen des Versammlungsrechts, Waffenverbote für Rechtsradikale u. Ä.)? 3. In welchem Umfang liegen der Staatsregierung Erkenntnisse über sogenannte „C18-Gruppen“ oder ähnliche Terrorzellen in Bayern vor? 4. In welchem Umfang liegen der Staatsregierung Erkenntnisse darüber vor, dass von rechtsextremen Personen in Hessen der Einsatz von Waffen und Gewalt in konfrontativen Situationen oder der allgemeine Umgang mit Waffen 4.1 durch die Teilnahme an Schießübungen im In- und Ausland , 4.2 auf andere Weise trainiert wird? 5. In welchem Umfang liegen der Staatsregierung Erkenntnisse über sogenannte „Wehrsportübungen“ von Rechtsextremen in Bayern vor? 6. Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung vor, dass sich rechtsextreme Personen durch Mitgliedschaften in Schützenvereinen, Reservistengruppierungen oder auf andere Weise Zugang zu Waffen verschaffen? 7. Seit wann liegen der Staatsregierung diese Erkenntnisse vor? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/10523 schutzdatenbestände. Bei einem Treffer erarbeiten die Bewertungsstellen der Polizei einen Erkenntnisbericht für die Waffenbehörde und binden dabei erforderlichenfalls weitere Dienststellen ein. Da der Informationsaustausch zwischen dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz (BayLfV) und den Staatsschutzdienststellen der Bayerischen Polizei eng ist, sind die dem BayLfV bekannten Rechtsextremisten regelmäßig auch in den Staatsschutzdateien gespeichert. Dies gilt für Personen aus dem Bereich des gewaltbereiten unorganisierten Rechtsextremismus ebenso wie für organisierte Rechtsextremisten, die als solche erkennbar auftreten. Bei Personen, deren rechtsextremistischer Bezug erstmals erkennbar wird, prüft das BayLfV deren Melderegistereinträge auch darauf, ob für sie dort eine Waffenerlaubnis gespeichert ist. Ist dies der Fall, informiert das BayLfV die zuständige Waffenbehörde. Diese Verfahren gewährleisten im Rahmen des rechtlich Möglichen, dass die bayerischen Waffenbehörden regelmäßig die Erkenntnisse von Polizei und Verfassungsschutz über rechtsextremistische Bezüge erhalten, die eine Versagung einer Waffenerlaubnis, gegebenenfalls auch ein Waffenbesitzverbot rechtfertigen. Die Waffenbehörden sind durch das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr auch gehalten, von der Regelunzuverlässigkeitsnorm konsequent Gebrauch zu machen. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass Rechtsextremisten rechtmäßig Waffen besitzen, insbesondere Personen, – deren rechtsextremistische Einstellung der Polizei und dem Landesamt für Verfassungsschutz (noch) nicht bekannt ist, – bei denen die Erkenntnisse nicht ausreichend belastbar sind, sei es, weil sie nicht gerichtsverwertbar oder nicht ausreichend valide sind, – bei denen nur Erkenntnisse vorliegen, die älter als fünf Jahre sind, – die nicht aktiv auftreten und daher unterhalb der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeitsschwelle bleiben oder – deren Besitz erlaubnisfreier Waffen den Behörden nicht bekannt ist. Die bayerischen Waffenbehörden ordnen, soweit dies das Waffenrecht jeweils zulässt, im Einzelfall auch Waffenbesitzverbote gegen Rechtsextremisten an. Art. 6 und Art. 20 Abs. 1 Nr. 1 des Bayerischen Versammlungsgesetzes verbieten es unter Strafbewehrung, Waffen oder sonstige Gegenstände, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen oder zur Beschädigung von Sachen geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, ohne Erlaubnis bei oder auf dem Weg zu Versammlungen mit sich zu führen, zu Versammlungen hinzuschaffen oder sie zur Verwendung bei Versammlungen bereitzuhalten oder zu verteilen. Dieses Waffenverbot in Zusammenhang gilt unabhängig vom Phänomenbereich für jedermann. 3. In welchem Umfang liegen der Staatsregierung Erkenntnisse über sogenannte „C18-Gruppen“ oder ähnliche Terrorzellen in Bayern vor? Das BayLfV ist bestrebt, derartige Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und Erkenntnisse über solche Sachverhalte an die Strafverfolgungsbehörden weiterzugeben. Als Beispiel für die Weitergabe von Erkenntnissen, die zu Ermittlungen durch die Strafverfolgungsbehörden führte, kann hier auf den Sachverhalt Oldschool Society verwiesen werden, der ursprünglich auf Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden beruhte. Hinsichtlich bayerischer Kontakte zum Netzwerk Combat 18 (C18) wird darauf hingewiesen, dass der in der Antwort zu Frage 4.1 in Teil I der Schriftlichen Anfrage Drs. 17/10525 geschilderte Sachverhalt (illegaler Waffenhandel) Hinweise auf C18-Kontakte aufweist. Darüber hinaus liegen dem BayLfV keine Erkenntnisse über bestehende C18-Gruppierungen in Bayern vor. 4. In welchem Umfang liegen der Staatsregierung Erkenntnisse darüber vor, dass von rechtsextremen Personen in Hessen der Einsatz von Waffen und Gewalt in konfrontativen Situationen oder der allgemeine Umfang mit Waffen 4.1 durch die Teilnahme an Schießübungen im In- und Ausland, 4.2 auf andere Weise trainiert wird? Die Beobachtung rechtsextremistischer Personen in Hessen und ihr dortiges Verhalten unterliegt dem Beobachtungsauftrag des dortigen Landesamts für Verfassungsschutz, nicht dem des BayLfV. Dem BayLfV ist bekannt, dass bayerische Rechtsextremisten Schießstände in Osteuropa nutzen, um dort mit scharfen Waffen zu schießen. Der Schießstand Jimi in der Nähe von Eger (Tschechische Republik) wurde beispielsweise schon in den Medien im Zusammenhang mit der bayerischen rechtsextremistischen Szene erwähnt. Für eine Nutzung solcher Schießstände durch die Personen aus der rechtsextremistischen Szene spricht das große Angebot an dort verfügbaren Waffen und deren legale Verwendungsmöglichkeit . Dem BayLfV liegen keine Erkenntnisse vor, die auf Aktivitäten bayerischer Rechtsextremisten hinweisen, um den Gebrauch von Waffen abseits von Schießständen zu trainieren . Im Hinblick auf Bayern ist zuletzt der Münchner Stadtrat der Bürgerinitiative Ausländerstopp München (BIA) dadurch aufgefallen, dass er öffentlich forderte, Rechtsextremisten nicht als unzuverlässig hinsichtlich des Waffenbesitzes einzustufen und ihnen damit den Zugang zu Waffen zu erleichtern . Hintergrund war das Einziehen einer Waffenbesitzkarte eines früheren Kandidaten der BIA durch das Münchner Kreisverwaltungsreferat. 5. In welchem Umfang liegen der Staatsregierung Erkenntnisse über sogenannte „Wehrsportübungen“ von Rechtsextremisten in Bayern vor? In der Vergangenheit wurden immer wieder Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene in Deutschland bekannt, die als Wehrsportübungen bezeichnet werden konnten. Derzeit liegen dem BayLfV keine Informationen über Gruppierungen in Bayern vor, die ähnlich der Wehrsportgruppe Hoffmann derartige Aktivitäten zum Zweck haben. Dem BayLfV ist bekannt, dass Rechtsextremisten in Bayern immer wieder Wanderungen und gemeinsame Aktivitäten in der Natur durchführen. Auch ist bekannt, dass in der rechtsextremistischen Szene ein grundsätzliches Interesse an Militär und Militaria besteht. So können bei Hausdurchsuchungen immer wieder militärische Gegenstände und Schriften gefunden werden, die sich mit Militär beschäftigen, vor allem mit den Militärverbänden des III. Reiches. Allerdings reichen diese Aktivitäten nicht an das heran, was als Wehrsportübung bekannt ist. Darunter wären vor allem die Ausbildung nach militärischen Standards und militä- Drucksache 17/10523 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 risches Training zu verstehen. Dies würde neben Geländeübungen auch eine Formalausbildung sowie das Erlangen militärischer Kenntnisse einschließen. 6. Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung vor, dass sich rechtsextreme Personen durch Mitgliedschaften in Schützenvereinen, Reservistengruppierungen oder auf andere Weise Zugang zu Waffen verschaffen? 7. Seit wann liegen der Staatsregierung diese Erkenntnisse vor? Dem BayLfV sind in der Vergangenheit einzelne Versuche von Rechtsextremisten bekannt geworden, bei Schützenvereinen oder Reservistenverbänden Anschluss zu finden. Allerdings waren diese nach Erkenntnissen des BayLfV nicht erfolgreich. Der Bayerische Sportschützenbund e.V. sensibilisiert seine Mitgliedsvereine fortlaufend über Bestrebungen von Rechtsextremisten , in Vereinen Fuß zu fassen, und fordert von seinen Vereinen eine konsequente Abgrenzung ein. Der Bayerische Sportschützenbund e.V. ist nicht nur seit April 2012 Mitglied im „Bayerischen Bündnis für Toleranz“, sondern hat beispielsweise in Abstimmung mit der bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE) auch eine Handreichung für die Vereine zum Umgang mit Rechtsextremisten erarbeitet. Die bayerischen Sicherheitsbehörden sind ständig bestrebt , ihren Erkenntnisstand zum Thema Waffen und Rechtsextremismus zu erweitern, um möglichst frühzeitig entstehende Gefahren zu erkennen und Erkenntnisse an die Strafverfolgungsbehörden weitergeben zu können.