Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ulrike Gote BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 03.02.2016 Übergriffe auf Journalistinnen und Journalisten bei Pegida -Demonstrationen 1.1 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über gewaltsame Übergriffe und Sachbeschädigungen, die von Teilnehmerinnen und Teilnehmern an Pegida- Demonstrationen in Bayern auf Pressevertreter und Pressevertreterinnen und deren Eigentum verübt worden sind (bitte unter Nennung des Datums und Ort des Vorfalls und einer kurzen Sachverhaltsdarstellung)? 1.2 Wie viele Ermittlungsverfahren sind aufgrund der vorgenannten Vorfälle eingeleitet worden und welchen Stand haben diese jeweils? 1.3 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung darüber, dass Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte solche Übergriffe beobachtet haben sollen, ohne eingeschritten zu sein? 2. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung darüber , dass Journalistinnen und Journalisten Anzeigen wegen strafrechtlichen Handlungen von Demonstrationsteilnehmerinnen und Demonstrationsteilnehmern vornehmen wollten, aber von den Polizeieinsatzkräften abgewiesen worden sein sollen? 3. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung darüber, dass Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte Pressevertreterinnen und Pressevertreter von Pegida-Demonstrationen grob zurückgedrängt und somit an der Ausübung ihrer Tätigkeit gehindert haben sollen? 4. Wie beurteilt die Staatsregierung Vorfälle, bei denen Pressevertreter und Pressevertreterinnen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie Ordnerinnen und Ordnern der Pegida-Demonstrationen mit Taschenlampen geblendet, Fahnen bedrängt oder Wasser bespritzt worden sind, in Bezug auf die Verpflichtung der anwesenden Polizeieinsatzkräfte, dieses Verhalten zu unterbinden? 5. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über einen Vorfall bei einer Pegida-Demonstration in München am 22.11.2015, bei dem ein Fotograf erkennungsdienstlich behandelt worden ist und dabei ein Blatt Papier mit seinem Namen vor sich halten musste? 6. Wie beurteilt die Staatsregierung den Vorwurf, dass Polizeieinsatzkräfte Personalien der von Pegida-Demonstrationen berichtenden Journalisten aufgenommen haben, obwohl diese sich bereits durch einen Presseausweis ausweisen konnten? 7. Wie stellt die Polizei in solchen Fällen sicher, dass Pegida -Demonstrantinnen und -Demonstranten nicht die Gelegenheit erhalten, die Personalien der Journalisten in Erfahrung zu bringen? 8. Welche Maßnahmen ergreift die Bayerische Polizei, um die freie Berichterstattung durch Journalistinnen und Journalisten bei Pegida-Demonstrationen zu gewährleisten (z. B. Bereitstellung von Kontaktbeamtinnen und Kontaktbeamten)? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 11.03.2016 Die Schriftliche Anfrage wird unter Beteiligung des Staatsministeriums der Justiz zu den Fragen 1.1 und 1.2, der Präsidien der Bayerischen Landespolizei und des Bayerischen Landeskriminalamts (BLKA) wie folgt beantwortet: 1.1 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über gewaltsame Übergriffe und Sachbeschädigungen, die von Teilnehmerinnen und Teilnehmern an Pegida -Demonstrationen in Bayern auf Pressevertreter und Pressevertreterinnen und deren Eigentum verübt worden sind (bitte unter Nennung des Datums und Ort des Vorfalls und einer kurzen Sachverhaltsdarstellung )? 1.2 Wie viele Ermittlungsverfahren sind aufgrund der vorgenannten Vorfälle eingeleitet worden und welchen Stand haben diese jeweils? Die Frage 1.1 zielt dem Wortlaut nach auf mehrere Auswahlkriterien ab, die kumulativ gegeben sein müssten. Für die Begrifflichkeit „gewaltsame Übergriffe“ wären im Vorfeld geeignete Straftatbestände zu bestimmen, um die mittels des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK) gemeldeten Straftaten einzugrenzen . Weiterhin wären die mit den vorgenannten Kriterien erhobenen Straftaten bei „PEGIDA-Demonstrationen“ zu filtern. Hierzu gibt es im Rahmen des KPMD-PMK keine bundesweit festgelegten Katalogwerte, mithilfe derer diese Einschränkung vorgenommen werden kann. Zudem enthielt der KPMD-PMK bis 2015 keine Datenfelder, welche eine Zuordnung von Opfern als „Pressevertreter“ ermöglichte. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 27.04.2016 17/10561 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/10561 In Summe ist demgemäß festzuhalten, dass die Fragestellung aus Ziffer 1.1 und auch die grundsätzlich daraus resultierenden nachfolgenden Fragen aus Sicht des KPMD- PMK nicht beantwortet werden können. Es wurden daher die Präsidien der Bayerischen Landespolizei und das BLKA im Rahmen einer Verbandsabfrage um Mitteilung relevanter Vorfälle gebeten. Hiervon ausgehend wurden der Staatsregierung entsprechende Ereignisse ausschließlich in Zusammenhang mit Versammlungen der „GIDA“-Bewegung in München bekannt . Das Polizeipräsidium (PP) München hat hierzu Folgendes berichtet: Am 23.03.2015 beleidigte in München ein Teilnehmer der „BAGIDA“-Versammlung einen Journalisten und sprach ihm gegenüber Drohungen aus, als dieser Lichtbilder fertigen wollte. Gegen den Versammlungsteilnehmer wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Er wurde vom Amtsgericht München zu einer Geldstrafe verurteilt. Am 29.06.2015 schüttete ein Teilnehmer der „BAGIDA“- Versammlung einen halben Becher Wasser in Richtung eines Journalisten und traf hierbei auch die Kamera. Als ein weiterer Journalist das Geschehen fotografieren wollte, wurde auch dieser von einem Teilnehmer der „BAGIDA“- Versammlung mit einem halben Becher Wasser bespritzt. An den Kameras der Journalisten war kein Schaden erkennbar . Seitens der beiden Journalisten wurde kein Strafantrag gestellt. Am 20.07.2015 schlug in München ein Teilnehmer der „PEGIDA“-Versammlung nach Versammlungsende mit einem Schild, welches als Kundgebungsmittel genutzt wurde , auf die Kamera eines Schülers, der die Versammlung fotografierte. An der Kamera wurde kein Schaden festgestellt . Gegen den Versammlungsteilnehmer wurde ein Ermittlungsverfahren wegen versuchter Sachbeschädigung eingeleitet. Das Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft München I gemäß § 154 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) im Hinblick auf ein anderes laufendes Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung, in dem unter dem 22.01.2016 Anklage zum Amtsgericht München erhoben wurde, vorläufig eingestellt. Am 26.10.2015 hielt in München ein Teilnehmer der „PEGIDA“-Versammlung eine Zigarette in Richtung des Gesichts eines Journalisten. Hierauf wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Nötigung eingeleitet und wegen dieses Vorwurfs unter dem 25.02.2016 Anklage zum Amtsgericht München erhoben. Das Strafverfahren ist noch nicht abgeschlossen . Im Nachgang zur „PEGIDA“-Versammlung vom 02.11.2015 in München wurde dem PP München durch Mitteilung eines Pressevertreters bekannt, dass Ordner der „PEGIDA“ durch Blenden mit Taschenlampen und durch Verdecken der freien Sicht versucht hätten, die Presseberichterstattung zu behindern. Hierzu wurde auch ein Video im Internet eingestellt. Eine diesbezügliche Anzeige eines möglichen Geschädigten ging beim PP München nicht ein. 1.3 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung darüber , dass Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte solche Übergriffe beobachtet haben sollen, ohne eingeschritten zu sein? Hierzu liegen keine Erkenntnisse vor. 2. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung darüber , dass Journalistinnen und Journalisten Anzeigen wegen strafrechtlichen Handlungen von Demonstrationsteilnehmerinnen und Demonstrationsteilnehmern vornehmen wollten, aber von den Polizeieinsatzkräften abgewiesen worden sein sollen ? Hierzu liegen keine Erkenntnisse vor. 3. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung darüber , dass Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte Pressevertreterinnen und Pressevertreter von Pegida -Demonstrationen grob zurückgedrängt und somit an der Ausübung ihrer Tätigkeit gehindert haben sollen? Nach Mitteilung des BLKA wurde am 09.02.2016 über den Nachrichtendienst „Twitter“ ein Hinweis bekannt, wonach es anlässlich der „PEGIDA“-Versammlung am 08.02.2016 „Übergriffe auf Pressevertreter“ gegeben haben soll. Dazu wurde per Link auf einen Kurzfilm hingewiesen. Das zuständige Dezernat für Amtsdelikte im BLKA hat hierauf Ermittlungen aufgenommen. Das Video zeigt jedoch nur, dass die filmende Person in eine Gruppe von Polizeibeamten, die kreisförmig aufgestellt steht, eigeninitiativ und ohne ersichtlichen Grund eindringt. Die polizeilichen Ermittlungen sind hierzu noch nicht abgeschlossen. 4. Wie beurteilt die Staatsregierung Vorfälle, bei denen Pressevertreter und Pressevertreterinnen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie Ordnerinnen und Ordnern der Pegida-Demonstrationen mit Taschenlampen geblendet, Fahnen bedrängt oder Wasser bespritzt worden sind, in Bezug auf die Verpflichtung der anwesenden Polizeieinsatzkräfte , dieses Verhalten zu unterbinden? Über die unter 1.1 genannten Vorfälle hinaus sind der Staatsregierung keine entsprechenden Ereignisse bekannt. Soweit dieses Verhalten vorhersehbar ist, wird die Bayerische Polizei im Rahmen ihrer Möglichkeiten alle erforderlichen und rechtlich zulässigen Maßnahmen treffen, um eine Fortsetzung solchen Verhaltens zu unterbinden. 5. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über einen Vorfall bei einer Pegida-Demonstration in München am 22.11.2015, bei dem ein Fotograf erkennungsdienstlich behandelt worden ist und dabei ein Blatt Papier mit seinem Namen vor sich halten musste? Eine „PEGIDA“-Versammlung am 22.11.2015 ist der Staatsregierung nicht bekannt. Im Rahmen der am 23.11.2015 in München stattfindenden „PEGIDA“-Versammlung störte ein unbeteiligter Pressevertreter polizeiliche Maßnahmen. Hierauf wurde ihm durch Einsatzkräfte der Polizei ein Platzverweis erteilt. Da er diesem nicht Folge leistete, wurden seine Identität festgestellt und Lichtbilder gefertigt. Hinsichtlich der Behauptung, dass der Betroffene ein Blatt Papier mit seinem Namen vor sich hätte halten müssen, liegen dem zuständigen PP München keine Erkenntnisse vor. 6. Wie beurteilt die Staatsregierung den Vorwurf, dass Polizeieinsatzkräfte Personalien der von Pegida -Demonstrationen berichtenden Journalisten aufgenommen haben, obwohl diese sich bereits durch einen Presseausweis ausweisen konnten? Presseausweise sind keine amtlich ausgestellten Doku- Drucksache 17/10561 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 mente und entsprechen nicht den Anforderungen eines amtlichen Lichtbildausweises. Zur gesicherten Feststellung der Identität sind Presseausweise daher nicht ausreichend. Liegen die rechtlichen Voraussetzungen für eine Identitätsfeststellung vor, kann das Vorzeigen eines amtlichen Lichtbildausweises verlangt werden. 7. Wie stellt die Polizei in solchen Fällen sicher, dass Pegida-Demonstrantinnen und -Demonstranten nicht die Gelegenheit erhalten, die Personalien der Journalisten in Erfahrung zu bringen? Die Bayerische Polizei gewährleistet bei einer Identitätsfeststellung durch die Wahl einer geeigneten Kontrollörtlichkeit sowie durch die Art und Weise der Durchführung der Identitätsfeststellung , dass Unberechtigte grundsätzlich keine personenbezogenen Daten Dritter erlangen können. 8. Welche Maßnahmen ergreift die Bayerische Polizei , um die freie Berichterstattung durch Journalistinnen und Journalisten bei Pegida-Demonstrationen zu gewährleisten (z. B. Bereitstellung von Kontaktbeamtinnen und Kontaktbeamten)? Die Bayerische Polizei gewährleistet im Rahmen von Versammlungslagen das Grundrecht der Pressefreiheit. Die Innenministerkonferenz und der Deutsche Presserat haben bereits Anfang der 1970er-Jahre regelmäßig angepasste Verhaltensgrundsätze für Presse/Rundfunk und Polizei zur Vermeidung von Behinderungen bei der Durchführung polizeilicher Aufgaben und der freien Ausübung der Berichterstattung vereinbart. Diese Grundsätze sehen auch Regularien über das Verhalten im Zusammenhang mit polizeilichen Einsätzen bei Demonstrationen vor. Prinzipiell gilt, dass die Medien in eigener Verantwortung entscheiden, in welchem Umfang und in welcher Form sie über Ereignisse von öffentlichem Interesse berichten. Auch Versammlungen zählen hierzu. Gemäß Nr. 10 der Verhaltensgrundsätze unterstützt die Polizei bei ihren Einsätzen, auch bei Versammlungen, die Medien bei ihrer Informationsgewinnung. Andererseits sollen die Medienvertreter polizeiliche Einsätze nicht behindern . Auch für sie gelten die polizeilichen Verfügungen, wie z. B. Absperrmaßnahmen und Räumaufforderungen, es sei denn, dass Ausnahmen zugelassen werden. Bei größeren Versammlungslagen, wie den Demonstrationen von „PEGIDA“, bildet die Bayerische Polizei grundsätzlich einen Einsatzabschnitt „Presse- und Öffentlichkeitsarbeit “. Die dort eingesetzten Kräfte, die in der Regel der Pressestelle des einsatzführenden Polizeipräsidiums angehören , sind vor Ort im Einsatzraum unterwegs, als Pressesprecher erkennbar und stehen als Ansprechpartner für die Pressevertreter zur Verfügung. Sollten sich Probleme und Störungen ergeben, welche die freie Berichterstattung beeinträchtigen , so beseitigen die Pressesprecher diese entweder selbst oder verständigen die Einsatzleitung, um weitere erforderliche Maßnahmen zu veranlassen. Im Bereich des PP München erfolgt beim Betreten der Versammlungsfläche eine Begleitung durch Beamte der Pressestelle oder durch speziell geschulte Kommunikationsbeamte . Hierdurch ist sichergestellt, dass Medienvertreter der Ausübung ihrer journalistischen Tätigkeit nachgehen können.