Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Kerstin Celina BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 21.01.2016 Qualitätskriterien bei Hausgeburten Im Pflege-Neuordnungsgesetz (PNG) aus dem Jahr 2012 hatte der Gesetzgeber geregelt, dass die Vertragspartner bis 2015 Leistungsbeschreibungen und Mindestanforderungen an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität der Hebammenleistungen sowie ein verwaltungsarmes Verfahren zum Nachweis der erfüllten Qualitätsanforderungen vertraglich zu vereinbaren haben. Die Schiedsstelle legte nach dem monatelangen Streit zwischen dem Hebammenverband und den gesetzlichen Krankenversicherungen verbindliche Ausschlusskriterien für Hausgeburten fest. Mit dem Schiedsspruch im Herbst 2015 kommen neue Vorgaben , die eine Geburt im Geburtshaus ausschließen (z. B. bei bestimmten Krankheiten). Zudem wurden relative Kriterien festgelegt, wie die Überschreitung des Geburtstermins (Geburtshaus ein Tag, Hausgeburt drei Tage nach der 40. Schwangerschaftswoche), die eine ärztliche Abklärung voraussetzen, aber eine Geburt außerhalb der Klinik nicht grundsätzlich ausschließen. Nur nach einer fachärztlichen Erlaubnis bezahlen die Krankenkassen die Hausgeburt. Vor diesem Hintergrund frage ich die Staatsregierung: 1. Auf welchen medizinischen Erkenntnissen beruhen diese Kriterien, dass zum Beispiel drei Tage über dem errechneten Geburtstermin ein Facharzt über Zulässigkeit von Hausgeburt entscheiden muss? 1.1 Gibt es Studienergebnisse, die den „relativen Kriterien “ zugrunde liegen? 2. Ist der Staatsregierung bekannt, dass werdende Mütter neben der Gebühr für die normale Rufbereitschaft inzwischen auch Kosten eines Anteils der Haftpflichtprämie für die Hebamme mit übernehmen www.eltern.de/hausgeburt? 2.1 Wie beurteilt die Staatsregierung dies im Hinblick auf das Ziel, werdenden Müttern Wahlfreiheit für eine Hausgeburt oder eine Klinikgeburt zu gewähren? 3. In welchen Kliniken in Bayern gibt es Hebammenkreißsäle ? 4. Wie viele Geburtskliniken und Geburtshilfeabteilungen gibt es derzeit in Bayern (bitte nach Regierungsbezirk auflisten)? 4.1 Wie viele Geburtskliniken und Geburtshilfeabteilungen wurden in den vergangenen 10 Jahren in Bayern geschlossen (bitte nach Regierungsbezirk auflisten)? 5. Wie stellt die Staatsregierung die Versorgung schwangerer Flüchtlinge in Bayern sicher? Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 13.03.2016 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wie folgt beantwortet: 1. Auf welchen medizinischen Erkenntnissen beruhen diese Kriterien, dass zum Beispiel drei Tage über dem errechneten Geburtstermin ein Facharzt über Zulässigkeit von Hausgeburt entscheiden muss? Für außerklinische Geburten hat die Schiedsstelle am 25. November 2015 grundsätzlich inhaltlich dieselben Ausschlusskriterien zur Qualitätssicherung übernommen, wie sie bislang schon für die Geburten in hebammengeleiteten Einrichtungen gelten. Das Beiblatt 1 – Ausschlusskriterien zur Anlage 3 Qualitätsvereinbarung zum Vertrag nach § 134 a SGB V enthält hierzu folgende Vorbemerkung: „Die Ausschlusskriterien (vom 12.03.2008) aus dem Ergänzungsvertrag über Betriebskostenpauschalen bei ambulanten Geburten in von Hebammen geleiteten Einrichtungen und die Anforderungen an die Qualitätssicherung in diesen Einrichtungen gemäß § 134 a SGB V in der Fassung vom 01.06.2012 werden in das Beiblatt Ausschlusskriterien inhaltlich übernommen. Diese wurden seit der Übernahme in den Ergänzungsvertrag nicht auf ihre Evidenzbasierung und somit auf ihre Relevanz und Aktualität hin überprüft. Die Vertragspartner werden diese vertraglich vereinbarten Ausschlusskriterien für die außerklinische Geburtenbetreuung mit der aktuellen Studienlage abgleichen und bei Bedarf inhaltlich und strukturell ändern.“ Es obliegt ausschließlich den Vertragspartnern auf Bundesebene , im Rahmen der Vertragsverhandlungen auch darüber zu befinden, welche Leistungen als ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung im Bereich der Hebammenhilfe gelten. Das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) hat keine Aufsichtsbefugnisse über die Vertragspartner auf Bundesebene und die dortige Schiedsstelle. Die Aufsicht über die Schiedsstelle obliegt dem Bundesministerium für Gesundheit (§ 134 a Abs. 4 Satz 6 i. V. m. § 129 Abs. 10 Satz 1 des Sozialgesetzbuches (SGB) Fünftes Buch (V)). Da die Aufsicht allein auf die Geschäftsführung der Schiedsstelle beschränkt ist, kann jedoch auch das Bundesministerium für Gesundheit im Rahmen der Aufsicht getroffene Entscheidungen weder fachlich prüfen noch darauf Einfluss nehmen. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 22.04.2016 17/10622 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/10622 1.1 Gibt es Studienergebnisse, die den „relativen Kriterien “ zugrunde liegen? Siehe Antwort zu Frage 1. Dem StMGP liegen zudem aus der zur Verfügung stehenden Literatur keine Erkenntnisse vor, die die Validität der beschriebenen Ausschlusskriterien für eine Hausgeburt untersucht haben. 2. Ist der Staatsregierung bekannt, dass werdende Mütter neben der Gebühr für die normale Rufbereitschaft inzwischen auch Kosten eines Anteils der Haftpflichtprämie für die Hebamme mit übernehmen www.eltern.de/hausgeburt? Die Vergütung von Hebammenleistungen durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) wird nach § 134 a SGB V durch Verträge geregelt, die der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (SpiBu) mit den maßgeblichen Berufsverbänden der Hebammen und den Verbänden der von Hebammen geleiteten Einrichtungen schließt. Dabei gilt in der GKV für Versicherte grundsätzlich das Sachleistungsprinzip . Die bayerische Verordnung über Gebühren für Hebammenhilfe außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung (Hebammengebührenverordnung – HebGebV) verweist dynamisch auf die jeweils aktuelle Vergütungsvereinbarung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Über die genannten Vergütungsvorschriften hinausgehende Abrechnungsmöglichkeiten für Hebammenleistungen bestehen nicht. 2.1 Wie beurteilt die Staatsregierung dies im Hinblick auf das Ziel, werdenden Müttern Wahlfreiheit für eine Hausgeburt oder eine Klinikgeburt zu gewähren ? Die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung mit Hebammenhilfe ist ein wichtiges Ziel. Dies schließt die Möglichkeit der freien Wahl des Geburtsortes – ob ambulant oder stationär im Krankenhaus, durch Hausgeburt, im Geburtshaus oder in einer Hebammenpraxis – ein. Daher betont auch der Koalitionsvertrag auf Bundesebene die Wichtigkeit der Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung mit Geburtshilfe. Die Koalitionspartner sagen darin zu, die Situation der Geburtshilfe und der Hebammen im Speziellen zu beobachten und für eine angemessene Vergütung zu sorgen. Dementsprechend haben die Vertragspartner nach § 134 a SGB V bei den Vergütungsverhandlungen u. a. die berechtigten wirtschaftlichen Interessen der freiberuflich tätigen Hebammen und dabei insbesondere Kostensteigerungen bei der Berufshaftpflichtversicherung zu berücksichtigen , ebenso den Bedarf der Versicherten an Hebammenhilfe unter Einbeziehung deren Qualität und der Wahlfreiheit der Versicherten. Die Steigerungen der Berufshaftpflichtprämien wurden in den letzten Jahren aufgrund einvernehmlicher Vereinbarungen zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und den Hebammenverbänden durch die gesetzlichen Krankenkassen ausgeglichen. 3. In welchen Kliniken in Bayern gibt es Hebammenkreißsäle ? Hierzu liegen dem StMGP keine Informationen vor, da die Krankenhausstatistik dahingehend keine Angaben enthält. Nach Auskunft der Website des Deutschen Hebammenverbandes in Bayern gibt es lediglich am Klinikum Nürnberg – Betriebsstätte Süd einen solchen. 4. Wie viele Geburtskliniken und Geburtshilfeabteilungen gibt es derzeit in Bayern (bitte nach Regierungsbezirk auflisten)? Bezirk Anzahl Abteilungen Bayern 112 Oberbayern 37 Niederbayern 13 Oberpfalz 9 Oberfranken 11 Mittelfranken 13 Unterfranken 10 Schwaben 19 Stand: 01.01.2016 4.1 Wie viele Geburtskliniken und Geburtshilfeabteilungen wurden in den vergangenen 10 Jahren in Bayern geschlossen (bitte nach Regierungsbezirk auflisten)? Bezirk Schließungen Bayern 29 Oberbayern 5 Niederbayern 5 Oberpfalz 3 Oberfranken 2 Mittelfranken 5 Unterfranken 5 Schwaben 4 Zeitraum: 01.01.2006 bis 01.01.2016 5. Wie stellt die Staatsregierung die Versorgung schwangerer Flüchtlinge in Bayern sicher? Nach § 4 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) wird grundsätzlich die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandsmitteln sowie sonstige zur Genesung, zur Besserung oder Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen notwendige Leistungen gewährt. Werdenden Müttern und Wöchnerinnen werden ärztliche und pflegerische Hilfe und Betreuung, Hebammenhilfe, Arznei-, Verband- und Heilmittel bewilligt. Asylbewerberinnen und Asylbewerber nehmen grundsätzlich am allgemeinen ärztlichen Versorgungsangebot teil. Sie haben ein Recht auf freie Arztwahl. Sie erhalten hierfür vom zuständigen örtlichen Träger pro Quartal einen Krankenschein und können damit niedergelassene Ärzte aufsuchen . Soweit neben dem allgemeinen ärztlichen Versorgungsangebot nötig, hat der Freistaat Bayern in den Aufnahmeeinrichtungen sog. Ärztezentren eingerichtet, um die kurative Versorgung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern in den Aufnahmeeinrichtungen vor Ort auf niederschwelliger Basis vornehmen zu können. Die Ärztezentren umfassen neben der allgemeinmedizinischen Versorgung in der Regel auch eine gynäkologische und pädiatrische Sprechstunde . Neben diesem niederschwelligen Versorgungsangebot bleibt es auch hier den Menschen unbenommen, sich mit einem Krankenschein an die niedergelassenen Ärzte vor Ort zu wenden.