Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Verena Osgyan BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 21.01.2016 Weitere Kostensteigerungen und Verzögerungen beim Neubau des Chemikums in Erlangen Wie aktuellen Medienberichterstattungen nun zu entnehmen ist, ist der vorhandene genehmigte Kostenrahmen von 91,4 Millionen Euro für den Neubau des Chemikums mittlerweile fast ausgeschöpft und müsse um mindestens 1 Million Euro aufgestockt werden. Auch ergeben sich weitere Verzögerungen . Anknüpfend an eine Schriftliche Anfrage vom 1. Juni 2015 Drs. 17/7661 frage ich die Staatsregierung: 1. Wie gestaltet sich die Chronologie der Ereignisse seit Juli 2015 bis heute? 2. Auf welcher Kostenschätzung basierte der ursprüngliche Kostenrahmen und wie haben sich die Kosten im Verlauf seit Juli 2015 entwickelt? 3. Welche Gründe liegen für die weiteren Kostensteigerungen und Bauverzögerungen vor? 4. Welche Auswirkungen haben die Verzögerungen aktuell und in naher Zukunft auf Lehre, Forschung und die Studierenden ? 5. Welche Maßnahmen hat die Staatsregierung im Bezug auf die Verzögerungen und die Kostenentwicklung bereits ergriffen? 6. Hat die Staatsregierung bereits juristische Schritte gegen das Architekturbüro geprüft, und wenn ja, zu welchem Ergebnis ist sie gekommen? 7. Wann wird das Chemikum voraussichtlich fertiggestellt und bezogen? 8. Welche weiteren Kosten muss die Staatsregierung für den Neubau des Chemikums außerhalb des bereits genehmigten Kostenrahmens von 91,4 Millionen Euro tragen ? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 06.03.2016 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, als Fortsetzung der Schriftlichen Anfrage der Frau Abgeordneten Verena Osgyan vom 1. Juni 2015 Drs. 17/7661, wie folgt beantwortet: 1. Wie gestaltet sich die Chronologie der Ereignisse seit Juli 2015 bis heute? Die mit Schreiben vom 3. Juli 2015 beschriebenen Störungen bei der Einregulierung der Lüftungsanlagen wurden durch den Austausch von Volumenstromreglern in allen Laboren bis Anfang Juli 2015 behoben. Dadurch wurde erstmalig für jedes einzeln abgenommene Digestorium ein stabiler Betriebszustand und damit die Voraussetzung für die von der Landesunfallkasse geforderten „live-tests“ (Realbetriebssimulation ) erreicht. Die daraufhin durch Sachverständige durchgeführten Tests ergaben eine gravierende Abweichung (rund 21 %) von den erforderlichen Luftmengen . Die offenkundig gewordene lüftungstechnische Unterversorgung des Gebäudes wurde in unverzüglich eingeleiteten Schwachstellenanalysen und Untersuchungen bis Ende August 2015 bestätigt. Unter Einschaltung neuer Fachplanungsbüros wurde bis November 2015 ein Lösungskonzept entwickelt. Bis Ende Februar 2016 erfolgten die Ausarbeitung der Planung und die Erstellung eines 2. Nachtrags bis zur Vorlagereife für den Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen. 2. Auf welcher Kostenschätzung basierte der ursprüngliche Kostenrahmen und wie haben sich die Kosten im Verlauf seit Juli 2015 entwickelt? Wie in der Antwort vom 13. Juli 2015 auf die Schriftliche Anfrage Drs. 17/7661 bereits mitgeteilt, wurde die Entwurfsplanung im Juli 2008 mit einer Gesamtsumme von 80 Millionen Euro zur Realisierung freigegeben. Aufgrund von konjunkturell bedingten Kostensteigerungen, zusätzlichen Nutzerwünschen und insbesondere aufgrund von insolvenzbedingten Mehrkosten für Planungs- und Bauzeitverlängerung wurde am 5. Dezember 2014 der Kostenrahmen durch Vorlage eines ersten Nachtrags auf 91,4 Millionen Euro erhöht . Von den genehmigten Kosten sind mittlerweile rd. 89 Millionen Euro verausgabt. 3. Welche Gründe liegen für die weiteren Kostensteigerungen und Bauverzögerungen vor? Die Ursachen für die weitere Bauverzögerung liegen im Wesentlichen in einem schwerwiegenden rechnerischen Planungsfehler in der komplexen Lüftungsplanung und der daraus resultierenden lüftungstechnischen Unterversorgung, die eine Benutzung der Labore in der vorgesehenen Gleichzeitigkeit aus Gründen des Arbeitsschutzes bis dato verhin- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 22.04.2016 17/10630 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/10630 dert. Der Planungsfehler kann durch bloße Planänderungen nicht mehr behoben werden. Es bedarf einer baulichen Erweiterung der bereits bestehenden raumlufttechnischen Anlagen zur Erhöhung der Luftleistung, die Mehrkosten verursacht . Weitere Kostensteigerungen resultieren aus den Folgen der erneuten Bauzeitverlängerung, aus Massenmehrungen aufgrund fehlerhafter Ausschreibungen der Ingenieurbüros sowie aus nachträglich geforderter Erhöhung von Sicherheitsstandards. In Abhängigkeit vom gerichtlichen Erfolg bereits laufender oder in Vorbereitung befindlicher Rechtsverfahren zur Klärung der Haftungsfragen und Regressforderungen, beziehungsweise zur Abwehr strittiger Zahlungsforderungen einzelner Auftragnehmer und Planungsbüros, beinhaltet die Kostensteigerung einen Risikoanteil. 4. Welche Auswirkungen haben die Verzögerungen aktuell und in naher Zukunft auf Lehre, Forschung und die Studierenden? Die Lehre in der Organischen Chemie, der Pharmazie und der Lebensmittelchemie kann wie bisher weitergeführt werden . Aufgrund der veralteten und zu kleinen Laboratorien sowie der nicht ausreichenden Anzahl an Laborabzügen können in der praktischen Ausbildung allerdings nur die von der Prüfungsordnung geforderten Mindeststandards erfüllt werden. Adäquate und moderne Praktikumsplätze in hinreichender Zahl können erst mit der Fertigstellung der Laborlüftung des Chemikums angeboten werden. Laufende Forschungsprojekte können zwar weiter wie bisher durchgeführt werden, aber eine zeitgemäße, voll wettbewerbsfähige Forschungsinfrastruktur wird der Organischen Chemie, der Pharmazie und der Lebensmittelchemie erst nach Erweiterung der Lüftungsanlagen des Chemikums zur Verfügung stehen. 5. Welche Maßnahmen hat die Staatsregierung im Bezug auf die Verzögerungen und die Kostenentwicklung bereits ergriffen? Es wurde ein Teilnutzungskonzept beschlossen, das einen schrittweisen Einzug in den Bürotrakt des Gebäudes sowie die Nutzung der Hörsäle und der Cafeteria ermöglicht. Die erforderlichen Maßnahmen zur Erweiterung der Lüftungsanlagen wurden zwischen dem Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, der Obersten Baubehörde , dem Staatlichen Bauamt, der Landesunfallkasse als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung und der Universität Erlangen-Nürnberg abgestimmt. Die Universität hat ein Inbetriebnahme-Management eingerichtet. Bis zur Inbetriebnahme werden Maßnahmen zum Schutz der Anlagen und zur Reduzierung der Betriebskosten auf ein Minimum getroffen. 6. Hat die Staatsregierung bereits juristische Schritte gegen das Architekturbüro geprüft, und wenn ja, zu welchem Ergebnis ist sie gekommen? Die Prüfung der möglichen juristischen Schritte hat eine Verantwortlichkeit des Lüftungsplaners ergeben. Es ist beabsichtigt , ein gerichtliches Verfahren in die Wege zu leiten. Ein externes Rechtsanwaltsbüro wurde eingeschaltet, um das Staatliche Bauamt bei der Vorbereitung und Durchführung der anstehenden rechtlichen Verfahren zu unterstützen . 7. Wann wird das Chemikum voraussichtlich fertiggestellt und bezogen? Die Terminplanung wurde im Einvernehmen mit der Universität Erlangen-Nürnberg wie folgt aufgestellt: 2016 März Fortführung der Ausführungsplanung 2016 April Teilinbetriebnahme der nicht von den Lüftungsproblemen betroffenen Gebäudeteile wie Hörsäle , Büros und Cafeteria 2016 Juli Baubeginn der Nachrüstungsarbeiten für Laborlüftung 2017 Januar Bauliche Fertigstellung der Laborlüftung 2017 bis Juli Abnahmen, Einregulierung und Probebetrieb 2017 bis Okt. Umzug und Inbetriebnahme der Labore bis zum Wintersemester 2017/2018 8. Welche weiteren Kosten muss die Staatsregierung für den Neubau des Chemikums außerhalb des bereits genehmigten Kostenrahmens von 91,4 Millionen Euro tragen? Die Kosten für einen zweiten Nachtrag werden derzeit durch die Regierung von Mittelfranken und die Oberste Baubehörde geprüft. Der Behandlung des zweiten Nachtrags im Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzen des Bayerischen Landtags am 6. April 2016 kann im Rahmen dieses Antwortschreibens nicht vorgegriffen werden.