Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christine Kamm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 04.02.2016 Vermisst geltende unbegleitete Flüchtlinge im Kindesund Jugendalter Keine Spur gibt es laut Europol von mindestens 10.000 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (umF) in Europa . In Deutschland galten Anfang des Jahres knapp 5.000 umF auf der Flucht als vermisst, so das Bundeskriminalamt (BKA). Dies kann verschiedene Ursachen haben. Europol- Stabschef Brian Donald befürchtet jedoch, dass viele von ihnen in die Hände von kriminellen Banden geraten sein könnten . Europol geht davon aus, dass mindestens 5.000 umF in Italien und 1.000 umF in Schweden verschwunden sind. Von diesen 10.000 verschwundenen Kindern sind jedoch laut Europol-Stabschef Donald nicht alle Opfer von Verbrechen geworden. Es ist jedoch unklar, wo sich diese Kinder aufhalten . Er geht davon aus, dass viele auch einfach von ihren sich bereits hier aufhaltenden Verwandten abgeholt wurden. Eine Sprecherin des Bundeskriminalamtes teilte der Mitteldeutschen Zeitung mit, dass Anfang des Jahres 2016 4.749 umF als vermisst galten. Der Großteil von ihnen, knapp 4.300, ist zwischen 14 und 17 Jahren alt. Die Zahl ist alarmierend: ein halbes Jahr zuvor lag die Zahl der vermissten umF bei 1.637. Aus diesem Anlass frage ich die Staatsregierung: 1. Welche Erkenntnisse haben die Staatsregierung bzw. das Bayerische Landeskriminalamt (BLKA) über Zahlen von vermissten umF in Bayern? 2. Welche Erkenntnisse haben die Staatsregierung bzw. das BLKA über Zahlen von umF, welche in Bayern in den Jahren 2015 und 2016 Opfer von Verbrechen geworden sind? 3. Um welche Arten von Verbrechen handelte es sich hierbei jeweils? 4. Tauchten als verschwunden gegoltene umF in Bayern in Einrichtungen oder über Verwandte bei den Meldeämtern oder im Rahmen sonstiger Anlässe wieder auf? 5. Welche Erkenntnisse haben die Staatsregierung bzw. das BLKA über organisierte Kriminalität, die gegen Flüchtlinge gerichtet ist (beispielsweise im Bereich des Menschenhandels, der sexuellen Ausbeutung oder Sklaverei )? 6. Welche Erkenntnisse haben die Staatsregierung bzw. das BLKA über organisierte Kriminalität, die speziell gegen umF gerichtet ist (beispielsweise im Bereich des Menschenhandels, der sexuellen Ausbeutung und Sklaverei )? 7. Inwiefern arbeitet das Bayerische Landeskriminalamt mit anderen LKAs, dem Bundeskriminalamt (BKA) und der Polizei anderer europäischer Länder zusammen, um das Schicksal verschwundener Flüchtlingskinder aufzuklären ? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 14.03.2016 1. Welche Erkenntnisse haben die Staatsregierung bzw. das Bayerische Landeskriminalamt (BLKA) über Zahlen von vermissten umF in Bayern? Im Jahr 2015 wurden in Bayern insgesamt 4.452 (2014: 442) unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (umF) bei der Polizei als vermisst gemeldet. 2. Welche Erkenntnisse haben die Staatsregierung bzw. das BLKA über Zahlen von umF, welche in Bayern in den Jahren 2015 und 2016 Opfer von Verbrechen geworden sind? In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) wird das Merkmal „unbegleiteter minderjähriger Flüchtling“ nach den bundesweit geltenden Richtlinien nicht erfasst. Aussagen zu der gestellten Frage sind daher nicht möglich. 3. Um welche Arten von Verbrechen handelte es sich hierbei jeweils? Hierzu dürfen wir auf die Antwort zu Frage 2 verweisen. 4. Tauchten als verschwunden gegoltene umF in Bayern in Einrichtungen oder über Verwandte bei den Meldeämtern oder im Rahmen sonstiger Anlässe wieder auf? Nach den Erkenntnissen des Bayer. Landeskriminalamtes sind hier insbesondere folgende Fallkonstellationen feststellbar : 1. Die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge kehren nach einiger Zeit freiwillig in ihre zugewiesene Jugendschutzeinrichtung zurück. 2. Sie wurden auf der Durchreise im Bundesgebiet oder im Ausland von Polizeibehörden aufgegriffen und in Gewahrsam genommen. 3. Teilweise melden sich die umF in anderen Bundesländern oder im Ausland bei den Ausländerbehörden, ersuchen um Asyl und werden dort in Obhut genommen. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 29.04.2016 17/10640 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/10640 Im Jahr 2015 konnten 1.090 (2014: 68) umF im Bundesgebiet sowie in den skandinavischen Ländern wieder aufgegriffen werden. 5. Welche Erkenntnisse haben die Staatsregierung bzw. das BLKA über organisierte Kriminalität, die gegen Flüchtlinge gerichtet ist (beispielsweise im Bereich des Menschenhandels, der sexuellen Ausbeutung oder Sklaverei)? Zunächst wird nochmals auf die Antwort zu Frage 2 Bezug genommen. Darüber hinaus liegen derzeit auch keine Erkenntnisse vor, dass Flüchtlinge (sowohl Erwachsene als auch umF) Opfer von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung oder zur Ausbeutung der Arbeitskraft wurden. 6. Welche Erkenntnisse haben die Staatsregierung bzw. das BLKA über organisierte Kriminalität, die speziell gegen umF gerichtet ist (beispielsweise im Bereich des Menschenhandels, der sexuellen Ausbeutung und Sklaverei)? Hierzu dürfen wir auf die Antwort zu Frage 5 verweisen. 7. Inwiefern arbeitet das Bayerische Landeskriminalamt mit anderen LKAs, dem Bundeskriminalamt (BKA) und der Polizei anderer europäischer Länder zusammen , um das Schicksal verschwundener Flüchtlingskinder aufzuklären? Das Bayer. Landeskriminalamt ist Zentralstelle zur Erfassung und Auswertung der durch die örtlich zuständigen Polizeidienststellen aufgenommenen Vermisstenanzeigen und Widerrufe sowie in Bezug auf unbekannte Tote und unbekannte hilflose Personen in Bayern. Soweit rechtlich und tatsächlich möglich, werden durch die Polizeidienststellen weitere vorhandene „Daten“ wie z. B. Fingerabdrücke, Lichtbilder und DNA-Material erhoben. Diese Daten werden durch das BLKA in die bundesweite Datei „Vermisste, unbekannte Tote“ recherchefähig eingegeben , um dadurch eine Identifizierung der vermissten Personen im In- und Ausland zu ermöglichen. Bei Antreffen/Auffinden einer unbekannten Person werden die vorhandenen Daten in der genannten Datei recherchiert. Vermisstenfahndungen und Erkenntnisanfragen werden durch das BLKA in Einzelfällen gezielt sowohl bundesweit als auch an ausländische Polizeidienststellen gesteuert.