Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Kathi Petersen SPD vom 28.01.2016 Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte für Asylbewerberinnen und Asylbewerber im Freistaat Bayern Durch das kürzlich in Kraft getretene „Asyl-Beschleunigungsgesetz “ sind die Länder in die Lage versetzt worden, elektronische Gesundheitskarten für Asylbewerberinnen und Asylbewerber einzuführen. Diese sollen einen einfacheren Zugang zur medizinischen Versorgung ermöglichen. Bisher müssen sich die betroffenen Menschen bei den Behörden der Kommunen, in denen sie untergebracht sind, jedes Mal einen Krankenschein besorgen, bevor sie einen Arzt aufsuchen können. Inzwischen haben fast alle Länder eine elektronische Gesundheitskarte eingeführt oder prüfen dies. Der Freistaat Bayern sieht bisher jedoch keinen Bedarf, da die Staatsregierung der Überzeugung ist, die aktuelle gesetzliche Lage im Freistaat Bayern genüge, um Asylbewerberinnen und Asylbewerber adäquat zu behandeln (s. „So steht´s um die Gesundheitskarte für Flüchtlinge“ , Ärzte-Zeitung, 13.10.2015). Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Bleibt die Staatsregierung bei ihrem Standpunkt, dass es im Freistaat Bayern keine elektronischen Gesundheitskarten für Asylbewerberinnen und Asylbewerber geben soll, obwohl alle anderen Länder – bis auf Sachsen – eine solche entweder bereits eingeführt haben oder zumindest eine Einführung prüfen? b) Unter welchen Bedingungen kann sich die Staatsregierung die Zustimmung zu einer bundeseinheitlichen Regelung vorstellen? c) Wie bewertet die Staatsregierung die überwiegend positiven Erfahrungen anderer Bundesländer, wo Verwaltungskosten und Zeit mit einer elektronischen Gesundheitskarte für Asylbewerberinnen und Asylbewerber eingespart werden konnten? 2. a) Liegen der Staatsregierung Informationen über Landkreise und/oder Kommunen im Freistaat Bayern vor, die gerne eine elektronische Gesundheitskarte für Asylbewerberinnen und Asylbewerber einführen würden? b) Falls ja, welche sind dies? 3. a) Teilt die Staatsregierung die Auffassung, dass frühzeitige adäquate Behandlung von Krankheiten bei Asylbewerberinnen und Asylbewerbern potenzielle langfristige Folgekosten vermeiden würde? b) Wie bewertet die Staatsregierung in diesem Zusammenhang die Chancen zur Aufnahme von Behandlungen von chronischen Krankheiten, wie z. B. Diabetes, in den Leistungskatalog für Asylbewerberinnen und Asylbewerber? 4. a) Wie beurteilt die Staatsregierung den von den bayerischen Ärzten beklagten ethischen Konflikt, der durch ein zu zeitaufwendiges Genehmigungsverfahren bezüglich der Facharztüberweisung entsteht? b) Liegen der Staatsregierung Erkenntnisse über eine steigende Inanspruchnahme von Behandlungsleistungen durch Asylbewerberinnen und Asylbewerber in anderen Ländern, die eine elektronische Gesundheitskarte eingeführt haben, vor? c) Falls ja, welche Länder sind dies und welche konkreten Erkenntnisse liegen vor? 5. a) Hat die Staatsregierung in Bezug auf das Genehmigungsverfahren zu Überweisungen der Flüchtlinge an Fachärzte Kenntnis davon, über welches medizinische Fachwissen die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter in den zuständigen Behörden, die für die Erteilungen der Genehmigungen für die Facharztüberweisungen zuständig sind, verfügen? b) Wie viele Facharztüberweisungen täglich bayernweit im Schnitt ausgestellt werden müssen? 6. Hat die Staatsregierung Kenntnis darüber, ob – und wenn ja, in welcher Höhe – die zuständigen Behörden im Regierungsbezirk Unterfranken für die Bearbeitung der Gesundheitsleistungen für Asylbewerberinnen und Asylbewerber zusätzliche Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter einstellen mussten? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 17.03.2016 1. a) Bleibt die Staatsregierung bei ihrem Standpunkt, dass es im Freistaat Bayern keine elektronischen Gesundheitskarten für Asylbewerberinnen und Asylbewerber geben soll, obwohl alle anderen Länder – bis auf Sachsen – eine solche entweder bereits eingeführt haben oder zumindest eine Einführung prüfen? Das derzeitige Versorgungssystem in Bayern gewährleistet ein dem Gesetz entsprechendes, gegenüber dem Leistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung abgesenktes Versorgungsniveau, welches auch in zeitlicher Hinsicht ausdifferenziert ist. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 29.04.2016 17/10656 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/10656 Im Rahmen der Unterbringung in den Aufnahmeeinrichtungen werden Asylbewerber umfassend medizinisch versorgt . Unmittelbar nach Ankunft der Asylbewerber erfolgt ein sog. Kurzscreening (= Untersuchung auf offensichtliche Krankheiten, Infektionen und Verletzungen). Zudem wird eine Temperaturmessung durchgeführt. In den ersten drei Tagen nach Ankunft erfolgt sodann die gesetzlich vorgeschriebene Untersuchung gemäß § 62 Asylgesetz. Soweit neben dem allgemeinen ärztlichen Versorgungsangebot erforderlich, hat der Freistaat Bayern in den Aufnahmeeinrichtungen sog. Ärztezentren eingerichtet, um die kurative Versorgung von Asylbewerbern vor Ort auf niederschwelliger Basis vornehmen zu können. Die Ärztezentren umfassen neben der allgemeinmedizinischen Versorgung in der Regel auch die Bereiche Gynäkologie, Pädiatrie und teilweise auch Psychiatrie. Nach Ankunft in der Anschlussunterbringung steht das allgemeine medizinische Versorgungsangebot mittels Berechtigungsschein zur Verfügung. Nach Ablauf von 15 Monaten erhalten Asylbewerber medizinische Hilfe analog Sozialhilfeempfängern in Form der Übernahme der Krankenbehandlung gegen Kostenersatz gemäß § 264 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch und hierbei grundsätzlich eine elektronische Gesundheitskarte. Solange der Bund nicht durch geeignete Maßnahmen Zugangsanreizen wirksam entgegentritt und sich strukturell und nachhaltig auch an den anfallenden Kosten der gesundheitlichen Versorgung von Asylbewerbern beteiligt, wird Bayern von der Option zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte keinen Gebrauch machen. b) Unter welchen Bedingungen kann sich die Staatsregierung die Zustimmung zu einer bundeseinheitlichen Regelung vorstellen? Siehe Antwort zu Frage 1 a. c) Wie bewertet die Staatsregierung die überwiegend positiven Erfahrungen anderer Bundesländer, wo Verwaltungskosten und Zeit mit einer elektronischen Gesundheitskarte für Asylbewerberinnen und Asylbewerber eingespart werden konnten? Der Staatsregierung liegen keine belastbaren Erkenntnisse über positive Erfahrungen anderer Bundesländer vor, die über einen längeren Zeitraum gesammelt werden konnten. Bislang haben lediglich die Länder Bremen und Hamburg die elektronische Gesundheitskarte für Asylbewerber über einen längeren Zeitraum eingesetzt. Die dortigen Ergebnisse sind auf einen großen Flächenstaat wie Bayern nicht ohne Weiteres übertragbar. 2. a) Liegen der Staatsregierung Informationen über Landkreise und/oder Kommunen im Freistaat Bayern vor, die gerne eine elektronische Gesundheitskarte für Asylbewerberinnen und Asylbewerber einführen würden? b) Falls ja, welche sind dies? Der Staatsregierung liegen keine derartigen Informationen vor. 3. a) Teilt die Staatsregierung die Auffassung, dass frühzeitige adäquate Behandlung von Krankheiten bei Asylbewerberinnen und Asylbewerbern potenzielle langfristige Folgekosten vermeiden würde? Die Staatsregierung teilt grundsätzlich diese Auffassung. Hinsichtlich des Versorgungsniveaus in Bayern wird auf die Antwort zu Frage 1 a verwiesen. b) Wie bewertet die Staatsregierung in diesem Zusammenhang die Chancen zur Aufnahme von Behandlungen von chronischen Krankheiten, wie z. B. Diabetes, in den Leistungskatalog für Asylbewerberinnen und Asylbewerber? Nach § 4 Asylbewerberleistungsgesetz sind bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen grundsätzlich die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandsmitteln sowie sonstige zur Genesung, zur Besserung oder Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren. Nach Ansicht der Staatsregierung besteht kein Bedarf für eine Änderung des Leistungsumfanges des Asylbewerberleistungsgesetzes , da nach dem Abschluss des Asylverfahrens entweder ein dauerhaftes Bleiberecht und in der Folge in den meisten Fällen eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung oder aber eine Ausreisepflicht besteht. Der Bund ist vielmehr gehalten, seinen Zusagen für eine deutliche Verkürzung der Asylverfahren auf höchstens drei Monate wirksam nachzukommen. 4. a) Wie beurteilt die Staatsregierung den von den bayerischen Ärzten beklagten ethischen Konflikt, der durch ein zu zeitaufwendiges Genehmigungsverfahren bezüglich der Facharztüberweisung entsteht ? Der Staatsregierung ist die Position einiger Ärzte bezüglich des Genehmigungsverfahrens für Facharztüberweisungen bekannt. Sie steht bereits mit der Ärzteschaft im Austausch, um hier gegebenenfalls Verfahrensverbesserungen zu erreichen . b) Liegen der Staatsregierung Erkenntnisse über eine steigende Inanspruchnahme von Behandlungsleistungen durch Asylbewerberinnen und Asylbewerber in anderen Ländern, die eine elektronische Gesundheitskarte eingeführt haben, vor? c) Falls ja, welche Länder sind dies und welche konkreten Erkenntnisse liegen vor? Der Staatsregierung liegen keine derartigen Erkenntnisse vor. 5. a) Hat die Staatsregierung in Bezug auf das Genehmigungsverfahren zu Überweisungen der Flüchtlinge an Fachärzte Kenntnis davon, über welches medizinische Fachwissen die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter in den zuständigen Behörden, die für die Erteilungen der Genehmigungen für die Facharztüberweisungen zuständig sind, verfügen ? Inwieweit die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter über medizinisches Fachwissen verfügen, ist der Staatsregierung im Einzelnen nicht bekannt. Der Staatsregierung ist jedoch bekannt, dass in Zweifelsfällen die Sozialämter Gutachten bei den Gesundheitsämtern einholen, ob die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen gemäß §§ 4 und/ oder 6 Asylbewerberleistungsgesetz vorliegen. Drucksache 17/10656 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 b) Wie viele Facharztüberweisungen täglich bayernweit im Schnitt ausgestellt werden müssen? Eine Abfrage der Regierungen bei den Landkreisen und kreisfreien Städten ergab, dass bayernweit je Kreisverwaltungsbehörde durchschnittlich rund 5 Facharztüberweisungen pro Werktag ausgestellt werden, wobei nicht aus allen Kreisverwaltungsbehörden Rückmeldungen erfolgten. 6. Hat die Staatsregierung Kenntnis darüber, ob – und wenn ja, in welcher Höhe – die zuständigen Behörden im Regierungsbezirk Unterfranken für die Bearbeitung der Gesundheitsleistungen für Asylbewerberinnen und Asylbewerber zusätzliche Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter einstellen mussten? Laut Abfrage der Regierung von Unterfranken wurde in den zuständigen Behörden zusätzliches Personal für die Bearbeitung der Gesundheitsleistungen für Asylbewerberinnen und Asylbewerber wie folgt eingestellt: KVB Stellenmehrung Stadt Aschaffenburg 0,5 Vollzeit (VZ) Stellen Stadt Schweinfurt Allgemeine Steigerung (nicht näher bezifferbar) Stadt Würzburg 1,0 VZ Stellen Landkreis Aschaffenburg Allgemeine Steigerung (geschätzt 1 VZ Stelle) Landkreis Bad Kissingen Informationen liegen nicht vor Landkreis Haßberge Allgemeine Steigerung (nicht näher bezifferbar) Landkreis Kitzingen Kein zusätzliches Personal Landkreis Main-Spessart 1,0 VZ Stellen Landkreis Miltenberg 1,0 VZ Stellen Landkreis Rhön-Grabfeld Allgemeine Steigerung (nicht näher bezifferbar) Landkreis Schweinfurt 1,25 VZ Stellen Landkreis Würzburg Allgemeine Steigerung (nicht näher bezifferbar)